Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.Die Einnahme Palermo's. Palermo, 31 Mai.III. Es hatte lange gewährt bis der Stolz der Neapolitaner sich herbeiließ mit General Letizia stellte sechs verschiedene Forderungen: a) Waffenstill- Obschon diese Forderungen an sich genugsam zeigten wie schlecht die Um 5 Uhr war die Conferenz zu Ende. Der Waffenstillstand sollte bis Doch während die Stadt sich zum Kampf rüstete, war man im königl. Im Laufe des Nachmittags machte Garibaldi einen Inspectionsgang Nach seinem Hauptquartier zurückgekommen, fand er eine vollständige Bald darauf kam ein Parlamentär von der Bank mit dem Anerbieten Man meldet den Tod des tapfern Parteigängers Rosolino Pilo Gi- veni aus dem Grafengeschlecht Capac. Der Name Giveni deutet des Verstorbenen Abstammung von Anjou (Angio) an. Er fiel im Ge- fecht von Monreale. Sein älterer Bruder ist der Graf von Capace, von dessen Großvater man folgende Anekdote erzählt: Als der König von Neapel im J. 1823 nach Palermo kam, so begab sich der alte Graf Capace zu ihm um mit ihm zu sprechen. Nachdem er zwei Stunden lang gewartet hatte, stand er auf und sagte zu den umstehenden Höflingen: Sagt eurem Herrn daß meine Ahnen schon regierten als die seinigen noch Kutteln gewaschen ha- ben. (Die Bourbons stammen bekanntlich von dem Metzger Capet ab.) Mit diesen Worten gieng er, und kam nie mehr an den Hof. Diese Anek- dote erinnert jedenfalls an die Thatsache daß der lombardische und sicili- sche Adel alle regierenden Häupter von Europa als Parvenus taxirt. Deutschland. Bayern. * München, 14 Jun. In der Sitzung der physikalisch-mathe- X München, 15 Jun. Von Sonntag an wird das Standbild Sr. Die Einnahme Palermo’s. Palermo, 31 Mai.III. Es hatte lange gewährt bis der Stolz der Neapolitaner ſich herbeiließ mit General Letizia ſtellte ſechs verſchiedene Forderungen: a) Waffenſtill- Obſchon dieſe Forderungen an ſich genugſam zeigten wie ſchlecht die Um 5 Uhr war die Conferenz zu Ende. Der Waffenſtillſtand ſollte bis Doch während die Stadt ſich zum Kampf rüſtete, war man im königl. Im Laufe des Nachmittags machte Garibaldi einen Inſpectionsgang Nach ſeinem Hauptquartier zurückgekommen, fand er eine vollſtändige Bald darauf kam ein Parlamentär von der Bank mit dem Anerbieten Man meldet den Tod des tapfern Parteigängers Roſolino Pilo Gi- veni aus dem Grafengeſchlecht Capac. Der Name Giveni deutet des Verſtorbenen Abſtammung von Anjou (Angiò) an. Er fiel im Ge- fecht von Monreale. Sein älterer Bruder iſt der Graf von Capace, von deſſen Großvater man folgende Anekdote erzählt: Als der König von Neapel im J. 1823 nach Palermo kam, ſo begab ſich der alte Graf Capace zu ihm um mit ihm zu ſprechen. Nachdem er zwei Stunden lang gewartet hatte, ſtand er auf und ſagte zu den umſtehenden Höflingen: Sagt eurem Herrn daß meine Ahnen ſchon regierten als die ſeinigen noch Kutteln gewaſchen ha- ben. (Die Bourbons ſtammen bekanntlich von dem Metzger Capet ab.) Mit dieſen Worten gieng er, und kam nie mehr an den Hof. Dieſe Anek- dote erinnert jedenfalls an die Thatſache daß der lombardiſche und ſicili- ſche Adel alle regierenden Häupter von Europa als Parvenus taxirt. Deutſchland. Bayern. * München, 14 Jun. In der Sitzung der phyſikaliſch-mathe- ╳ München, 15 Jun. Von Sonntag an wird das Standbild Sr. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <pb facs="#f0002" n="2798"/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Einnahme Palermo’s.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/> <byline>(Correſp. der <hi rendition="#g">Times</hi>. 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Erzgießerei zu ſehen. Es<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2798/0002]
Die Einnahme Palermo’s.
III.
(Correſp. der Times. Verſpätet eingetroffen.) Palermo, 31 Mai.
Es hatte lange gewährt bis der Stolz der Neapolitaner ſich herbeiließ mit
Garibaldi direct zu unterhandeln. Der Alter Ego des Königs hätte es lieber
geſehen wenn Admiral Mundy die Vermittlung übernommen hätte. Dieſer
aber glaubte billigerweiſe keine Vermittlung übernehmen zu dürfen, ſo lange
Garibaldi von den Neapolitanern als „Freibeuter“ betrachtet ſey, und durch
dieſe Weigerung zwang er ſie ſich mit dem General auf gleichen Fuß zu ſtellen.
Als endlich General Lanza ſich zu der Zuſammenkunft auf dem „Hannibal“
bereit erklärte, lud der Admiral ſehr tactvoll und klug den franzöſiſchen und
den amerikaniſchen Commander ein derſelben beizuwohnen. General Letizia
erhob zwar Einwendungen dagegen, denn er habe nur mit Garibaldi und dem
Admiral zu verkehren, worauf erſterer aber ſofort erwiederte: er wolle nichts
von der Conferenz im geheimen abgemacht haben.
General Letizia ſtellte ſechs verſchiedene Forderungen: a) Waffenſtill-
ſtand; b) während desſelben Beibehaltung der jeweiligen Stellungen; c) freie
Paſſage der Verwundeten und Civilbeamten durch die Stadt nach dem Ein-
ſchiffungsplatz; d) Erlaubniß für die Truppen im Palaſt und die Flüchtlinge
in den Klöſtern ſich ihren täglichen Lebensunterhalt zu holen; e) die Abſen-
dung einer unterthänigen Bittſchrift von Seite des Gemeinderaths an den
König, um ihm die wirklichen Wünſche der Stadt auseinander zu ſetzen;
f) Erlaubniß für die in der Stadt befindlichen Truppen ihren Mundvorrath
aus dem Caſtell zu beziehen.
Obſchon dieſe Forderungen an ſich genugſam zeigten wie ſchlecht die
königl. Truppen in der Stadt geſtellt waren, gewährte Garibaldi doch edel-
müthig alle Forderungen, bis auf die fünfte, da dieſelbe ſo abgefaßt war als
ſey die Inſurrection im Gedränge. Nach der Confereuz aber bemerkte er
gegen Letizia daß, wenn der König den Sicilianern ihre Verfaſſung wieder-
geben, und in Gemeinſchaft mit Victor Emmanuel eine wahrhaft italieniſche
Politik verfolgen wolle, er bereit ſey mit ihm auf dieſer Grundlage ein Arran-
gement anzubahnen.
Um 5 Uhr war die Conferenz zu Ende. Der Waffenſtillſtand ſollte bis
zum Mittag des folgenden Tags dauern, und aller Hände rührten ſich um
alles für den darauffolgenden Kampf vorzubereiten. Man arbeitete die ganze
Nacht, und heute früh war die Thätigkeit bis zum fieberhaften geſpannt.
Was nicht kämpfen kann — Greiſe, Weiber und Kinder — flüchtete aus der
Stadt dem Hafen zu. Unſer Admiral hat Befehl ertheilt, jeden der da will
an Bord zu nehmen. Seinem Beiſpiel folgten die übrigen Schiffscomman-
danten, und ſo kam es daß vor 2 Uhr ſämmtliche Schiffe überfüllt waren.
Unſer Conſul, Hr. Goodwin, dagegen blieb in der Stadt, und hat in ſeinem
Hauſe alle Frauen und Kinder der ärmeren engliſchen Bevölkerung unterge-
bracht. Die große Frage war jetzt nur: ob die zurückgebliebene männliche
Bevölkerung ſich tüchtig ſchlagen werde. Prieſter und Mönche, die ſich bei-
nahe ohne Ausnahme als gute Patrioten erweiſen, durchziehen mit Kreuzen
die Stadt um zum Kampf zu begeiſtern, und alle Thürme waren beſetzt um
während des bevorſtehenden Kampfes mit ſämmtlichen Glocken zu läuten,
was auf feindliche Truppen regelmäßig einen demoraliſtrenden Einfluß
ausübt.
Doch während die Stadt ſich zum Kampf rüſtete, war man im königl.
Palaſt auf andere Gedanken gerathen. Am frühen Morgen kam ein Parla-
mentär herab, um ſich von Garibaldi eine Unterredung für General Letizia
zu erbitten. Sie wurde gewährt. Ich war zugegen als der Neapolitaner
eintrat. Und gar merkwürdig war es zu ſehen um wie viel liebenswürdiger
und ſüßer er ſeit geſtern geworden. Um kurz zu ſeyn — er verlangte einen
Waffenſtillſtand auf unbeſtimmte Zeit, und ſprach die Hoffnung aus daß
dadurch weiteres Blutvergießen ganz vermieden werden dürfte. Schließlich
mußte er ſich mit einer dreitägigen Waffenruhe begnügen, da Garibaldi ſeine
urſprüngliche Forderung nicht erfüllen wollte. Sofort gieng der Befehl an
alle Poſten, den Kampf nicht, wie früher beſtimmt war, am Mittag zu er-
neuern, und faſt im ſelben Augenblick lief die Nachricht ein daß ein Dampfer
mit 100 ausgeſuchten Alpenjägern, 2000 Gewehren und einer großen
Maſſe Munition am 31 d. M. an der Küſte anlangen werde. Auch die
nach Corleone abgeführten Geſchütze konnten in den nächſten Tagen zur
Stelle, und viele Bomben aus dem Innern in der Hauptſtadt angekommen
ſeyn, abgeſehen davon daß jeder Tag Verzug die Demoraliſation im
neapolitaniſchen Heere vermehrte. Dieſes alles mochte wohl den General
zur Verlängerung des Waffenſtillſtands bewogen haben. In der That ver-
geht keine Stunde in der nicht Neapolitaner zu den Inſurgenten übergehen.
Heute kamen ihrer mehrere Häuflein herüber, während andere bloß Beſuchs
halber kommen, um zu fraterniſiren und Garibaldi’s Hand zu küſſen. Auch
von den ſiciliſchen Officieren die aus dem Schloß kamen um ihre in der
Stadt befindlichen Familien zu ſehen, ſind mehrere nicht wieder zu ihren Leu-
ten zurückgegangen. Und die es thaten werden der Inſurrection drüben
beſſere Dienſte leiſten können als hätten ſie ſich ihr angeſchloſſen. Unter an-
dern deſertirte ein ſchweizeriſcher Sergeant. Der erzählte: es gebe höchſtens
ein Fünftel Schweizer unter den ausländiſchen Bataillonen, die andern ſeyen
der Auswurf Oeſterreichs und Croatiens, denen es bloß ums Plündern zu
thun ſey. Kein Wunder daß die beſſern unter den Schweizern von dieſer
Cameradſchaft angeekelt ſind. An hundert ſollen ſich erboten haben gegen
Zuſage _ ter Löhnung überzutreten. Ob eine Verſtändigung mit ihnen ge-
lingt, wi ſich zeigen.
Im Laufe des Nachmittags machte Garibaldi einen Inſpectionsgang
durch die Stadt. Es war ein Empfang wie ſich ihn niemand träumen kann,
außerordentlicher ſelbſt als der Victor Emmanuels und Napoleons bei ihrem
vorjährigen Einzuge in Mailand. Da waren die beiden Monarchen zu Pferd,
umgeben von Garden. Da gab’s noch gewiſſe Förmlichkeiten. Hier aber
Garibaldi in ſeiner rothen Flanellblouſe, ein gefärbtes Tuch loſe um den Hals
geſchlungen, einen abgetragenen Calabreſer auf dem Kopf, und zu Fuß, in-
mitten des tollſten rührendſten Jubels. Beinahe zu viel Anbetung für einen
Menſchen. Und doch — Garibaldi verlor die Faſſung nicht einen Augen-
blick. Ewig freundlich und milde lächelnd, tröſtend, beruhigend, Rath erthei-
lend, und das Beſte für die Zukunft verheißend.
Nach ſeinem Hauptquartier zurückgekommen, fand er eine vollſtändige
Invaſion engliſcher und amerikaniſcher| Flottenofficiere vor, welche Erlanbniß
erhalten hatten ans Land zu gehen, und dieſe natürlich zu einem Beſuche bei
Garibaldi benützten. Da war der Commandeur des amerikaniſchen Kriegs-
ſchiffs mit dem amerikaniſchen Conſul, und der ſchweizeriſche Conſul — man
ſah’s daß Garibaldi kein Flibuſtier mehr, ſondern Oberbefehlshaber der
nationalen Truppen von Sicilien iſt.
Bald darauf kam ein Parlamentär von der Bank mit dem Anerbieten
dieſe mit ſammt ihren 4 Mill. Tari zu übergeben. Die Gelder gehören meiſt
Privaten, und die angebotenen Bedingungen wurden angenommen. Von den
Schiffen kehren mittlerweile viele der Geflüchteten zurück, da ſie während des
verlängerten Waffenſtillſtands ihre Angelegenheiten ohne Furcht ordnen
können.
(Fortſetzung folgt.)
Man meldet den Tod des tapfern Parteigängers Roſolino Pilo Gi-
veni aus dem Grafengeſchlecht Capac. Der Name Giveni deutet des
Verſtorbenen Abſtammung von Anjou (Angiò) an. Er fiel im Ge-
fecht von Monreale. Sein älterer Bruder iſt der Graf von Capace, von
deſſen Großvater man folgende Anekdote erzählt: Als der König von Neapel
im J. 1823 nach Palermo kam, ſo begab ſich der alte Graf Capace zu ihm
um mit ihm zu ſprechen. Nachdem er zwei Stunden lang gewartet hatte,
ſtand er auf und ſagte zu den umſtehenden Höflingen: Sagt eurem Herrn
daß meine Ahnen ſchon regierten als die ſeinigen noch Kutteln gewaſchen ha-
ben. (Die Bourbons ſtammen bekanntlich von dem Metzger Capet ab.)
Mit dieſen Worten gieng er, und kam nie mehr an den Hof. Dieſe Anek-
dote erinnert jedenfalls an die Thatſache daß der lombardiſche und ſicili-
ſche Adel alle regierenden Häupter von Europa als Parvenus taxirt.
Deutſchland.
Bayern.
* München, 14 Jun. In der Sitzung der phyſikaliſch-mathe-
matiſchen Claſſe der Akademie der Wiſſenſchaften am vergangenen Sonnabend
den 9 d. wurden von verſchiedenen Mitgliedern intereſſante Mittheilungen
gemacht. Profeſſor Harleß berichtete über ſeine Unterſuchungen in Betreff der
Veränderungen welche die Muskelſubſtanz nach dem Tod, und reſp. nach bis
zur Erſchöpfung fortgeſetzten Contractionen, erfährt. Profeſſor Pettenkofer
theilte ein neues Verfahren zur quantitativen Beſtimmung der Kohlenſäure
in Flüſſigkeiten mit. Profeſſor L. A. Buchner berichtete über die Unter-
ſuchungen der HH. Dr. Müller und Fabian in Augsburg über die
zu Tapeten, Anſtrichen und ſonſtigen induſtriellen Zwecken verwen-
deten arſenikhaltigen Farben, deren bereits früher in Ihrem Blatt Erwäh-
nung geſchah. Die Claſſe trat dem Antrag ihres Berichterſtatters bei: der
königlichen Staatsregierung die Reſultate dieſer Unterſuchungen zur Berück-
ſichtigung angelegentlichſt zu empfehlen. Ganz beſonderes Intereſſe erregte
auch die Mittheilung einer Unterſuchung des Dr. Voit, Aſſiſtenten bei dem
phyſiologiſchen Inſtitut, durch Profeſſor Biſchoff, durch welche mit höchſter
Wahrſcheinlichkeit der Beweis geliefert wird daß die bei den thieriſchen
Muskelbewegungen geleiſtete Arbeit von der in dieſen Muskeln ſich ent-
wickelnden Elektricität abzuleiten iſt, mit andern Worten, daß bei dieſer
Arbeit Elektricität in Bewegung umgeſetzt wird, und durch dieſe alſo die
bedeutendſten mechaniſchen Effecte des thieriſchen und menſchlichen Körpers
hervorgebracht werden.
╳ München, 15 Jun. Von Sonntag an wird das Standbild Sr.
Maj. des Königs Max, das bei den Jubiläumsfeſtlichkeiten der Stadt Bay-
reuth, welche dieſelbe demnächſt zur Feier der Vereinigung mit Bayern ver-
anſtaltet, daſelbſt aufgeſtellt werden ſoll, in der k. Erzgießerei zu ſehen. Es
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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