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Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924.

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Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16
[Spaltenumbruch]
Bayerischer Landtag
Landeswahlgesetz

Der Verfassungsausschuß befaßte sich am Mitt-
woch mit der Frage der raschen Erledigung des
Wahlgesetzes. Nach dem Wunsche des Vorsitzenden
Abg. Dr. Wohlmuth, der hier die Bayerische
Volkspartei vertritt, wäre die Sache so, daß am
Donnerstag die erste Lesung abgeschlossen würde,
am Freitag sich die zweite Lesung anschließt und
nächste Woche bereits das Plenum
entscheidet, worauf der Landtag Schluß zu machen
hätte.

Dieser etwas gar zu stürmischen Erledigung,
die ihren heftigsten Verfechter weiterhin an dem
Abg. Dr. Hilpert (B. Mp.) sand -- zwischen
den Landtags- und Reichstagswahlen würde im
Falle der Verzögerung nach seiner Ansicht eine
zu kurze Spanne liegen, die getrennte Wahlen
nicht rechtfertigen würde -- trat mit guten Grün-
den Abg. Dr. Müller (D. D. P.) entgegen, der
die Notwendigkeit hervorhob, die Parteiorganisa-
tionen mit der Stimmkreiseinteilung gutachtlich
zu befassen.

Abg. Roßhaupter (Soz.) verwies auf die
Unmöglichkeit, entscheidend zum Landeswahlgesetz
Stellung zu nehmen, solange nicht die Verord-
nung zur Sicherung der Wahlfreiheit
vorliege. Die sozialistische Fraktion hat beantragt,
diese "Verordnung betr. Sicherung der Wahlfrei-
heit und der Wahlvorbereitungen sowie Abände-
rung der Ausnahmeverordnung vom 26. Septem-
ber 1923" noch vor der Beratung der diesbezüg-
lichen Beschlüsse des Verfassungsausschusses im
Plenum des Landtages dem Verfassungsausschuß
in Vorlage zu bringen.

Schutzhaft und Presseverbote

Dann begann die Beratung der Anträge
Dr. Roth (fraktionslos) betr. Schutzhaft und
Presseverbote. Der erste Antrag ersucht
die Staatsregierung

1. die sofortige Entlassung der aus Anlaß der
Vorgänge vom 8. und 9. November in Schutz-
haft genommenen Personen,

2. die sofortige Aufhebung des Verbotes der
völkischen Presse zu veranlassen.

Der zweite Antrag ersucht die Staatsregierung,
die sofortige Aufhebung der aus Anlaß der Vor-
gänge vom 8. und 9. November 1923 verfügten
Aufenthaltsbeschränkungen und Ausweisungen,
insbesondere der Ausweisung des Sudetendeutschen
Kleo Pleyer zu veranlassen.

Ein Ergänzungsantrag Aenderl (K. P. D.)
verlangt: Sämtliche Schutzhaftgefangenen, welche
durch das Generalstaatskommissariat mit dem
Verbot der Kommunistischen Partei in Haft ge-
nommen wurden, sind sofort in Freiheit zu setzen.

Der Antragsteller Abg. Dr. Roth bestritt zu-
nächst die Rechtsgültigkeit der Verord-
nung vom 26. September,
da sie nicht
im Gesetz- und Verordnungsblatt, nicht einmal
im "Staatsanzeiger" veröffentlicht wurde, obwohl
es sich um eine Rechtsverordnung handelt. Diese
Seite der Angelegenheit wird noch den Staats-
gerichtshof beschäftigen. Weiter ist fraglich, ob
nicht die Verordnung durch den Reichsausnahme-
zustand außer Kraft gesetzt wurde. Die Befug-
nisse, die durch die Verordnung dem General-
staatskommissariat eingeräumt wurden, gehen so
weit, daß Herr von Kahr persönlich als Staats-
gewalt im Hitlerprozeß auftreten konnte; sie
stehen aber auch im Widerspruch mit dem nicht
aufgehobenen Schutzhaftgesetz vom 31. Juli 1923.
Die Bestimmungen dieses Gesetzes werden vom
Generalstaatskommissariat in keiner Weise be-
achtet; insbesondere wird die Schutzhaft weit über
die höchstzulässigen drei Monate ausgedehnt und
man hört, daß die Leute nicht einmal während
der Wahlen herauskommen sollen.

Nach einer Anfrage, wieviel Personen eigentlich
in Schutzhaft sind, ging der Antragsteller auf den
Fall Dietrich Eckart ein. Eckart war am
Hitlerputsch nicht beteiligt; er sollte Flugblätter
verteilt haben, was nicht zutraf, und Vieh für
die Hitlerleute aufgekauft haben, wobei eine Ver-
wechslung mit dem Konservenfabrikan-
ten Eckhardt
unterlief. Eckart wurde in Schutz-
haft genommen, obwohl seine Haftnahme früher
wegen seines schwer leidenden Zustandes abge-
lehnt worden war. Der Tod Eckarts fällt unmit-
telbar dem Generalstaatskommissar zur Last.
Gleichfalls grundlos in Haft genommen wurden
die mehr oder minder an Krankheiten leidenden
Nationalsozialisten Anton Drexler, Ammon, Dr.
Klotz und Christian Weber sowie eine Anzahl
Jugendliche; ferner befinden sich in Landsberg in
Haft Fürst Wrede, Hauptmann Sailer und der
Herausgeber des "Oberbayer" in Ebersberg.
Das ganze Verfahren des Generalstaatskom-
missariats ist ungesetzlich. Der Termin für den
Hochverratsprozeß liegt völlig in der
Hand des Generalstaatskommissars; wie es heißt,
soll er um Wochen und Monate -- ein Wider-
spruch zu den Vorschriften des Volksgerichts-
gesetzes -- hinausgeschoben werden. Wie nun,
wenn Herr von Kahr an den Dingen selbst be-
teiligt war, wie behauptet wird? Ich zweifle
sehr, ob Dr. Müller als Vorsitzender den Zeugen
Kahr vereidigen würde (Dr. Müller: Sicher
nicht!). Das Generalstaatskommissariat ist also
auf die Dauer unmöglich, schon im Hinblick auf
den Prozeß, dessen baldige und gründliche Durch-
führung bei voller Oeffentlichkeit der Völkischen
wünschen. Davon, daß sie bei dieser Gelegenheit
einen Putsch planen, kann keine Rede sein. Es
besteht auch kein Anlaß, der Presse beim Prozeß
einen Maulkorb umzuhängen oder ihn von Mün-
chen wegzuverlegen; das Generalstaatskommis-
sariat hat genug Maschinengewehre, Drahtver-
haue und Sandsäcke zur Verfügung.

Ein Ersuchen des Vorsitzenden Abg. Dr. Wohl-
muth
(B. Vp.), nicht zu weit zu gehen und nicht
in das schwebende Verfahren einzugreifen, rief
eine kurze Geschäftsordnungsdebatte hervor, in
der u. a. Abg. Dr. Müller (D. D. P.) betonte,
es handle sich um eine Kritik des Vorgehens des
Generalstaatskommissariats und seiner Vorgesetz-
tenstellung gegenüber dem Staatsanwalt.

In der Fortsetzung seiner Ausführungen stellte
Abg. Dr. Roth nachdrücklich die Forderung, daß

[Spaltenumbruch]

sämtliche Beamte für den Prozeß von der Pflicht
der Amtsverschwiegenheit befreit
werden, und hob unter lebhaftem Hört! der Lin-
ken hervor, daß die ganze "Sicherung der Wahl-
freiheit" illusorisch sei, wenn nicht das General-
staatskommissariat aufgehoben werde.

Ueber die Behandlung in der Schutzhaft
durch das Personal hat Dr. Roth nicht zu klagen,
desto mehr über die "schikanösen" Anordnungen
des Generalstaatskommissars, der alle liberalen
Bestimmungen der Schutzhaftverordnung aufhob.
Die Spaziergänge finden im Gefängnishof statt,
Besuche werden nicht oder nur kurze 20 Minuten
vorgelassen, Briefe bleiben wochenlang bei der
zensurierenden Polizeidirektion München liegen,
Schutzhäftlinge werden von den Polizeiorganen
geduzt, in Ketten oder im Zeiserlwagen nach
Landsberg gebracht, das Ehrenwort von Arbeitern
wird nicht angenommen. Es ist Zeit, daß der
Landtag mit der Schutzhaft und dem "General-
stacheldrahtkommissar", wie der Volksmund Herrn
von Kahr getauft hat, Schluß macht; wir machen
uns mit diesen Dingen nur vor der ganzen Welt
lächerlich. Mit Maschinengewehren und Sand-
säcken läßt sich auf die Dauer nicht regieren.

Hierauf unterzog der Antragsteller die Auf-
enthaltsbeschränkungen
einer scharfen
Kritik. Er tadelte, wie man General Ludendorff
behandelt habe, und stellte fest, dieser habe nie
sein Ehrenwort gegeben, sich nicht mehr an der
völkischen Bewegung zu beteiligen. Eine uner-
hörte, direkt strafbare Handlung hat Herr von
Kahr begangen, als er Ludendorff eine Sendung
von 100 Dollars wegnehmen ließ und zur Lin-
derung der Not minderbemittelter Kreise verwen-
dete; auch in einem zweiten Fall hat Kahr über
Spenden zugunsten der Putschopfer eigenmächtig
und rechtswidrig verfügt. Aus amerikanischen
Briefsendungen an Ludendorff wurden weitere
550 Dollars weggenommen, von denen 50 für
[Spaltenumbruch] ein katholisches Institut bestimmt waren. Auf
erhobene Beschwerde hat das Gesamtmini-
sterium jedes Eingreifen abgelehnt,

sich also selbst entmannt. Die Ueberwachung
Ludendorffs geht so weit, daß jeder Besucher
kontrolliert wird. Den Offizieren der Landes-
polizei ist der Verkehr mit Ludendorff dienstlich
untersagt.
Der preußische Major und Saarländer
Braune wurde auf Anzeige seiner Hausfrau
festgenommen und dann ausgewiesen, lediglich
weil er Flugblätter besaß und weil man bei ihm
angefangene Briefe fand, in denen er dem Ge-
richt vorgriff (!) und Herrn von Kahr als Hoch-
verräter bezeichnete. Man hat auch hier wieder
den "Ausländer" vorgekehrt, obwohl es ein Unfug
ist, unsere deutschen Brüder fortgesetzt als "Gäste"
zu bezeichnen. Man schlägt auch dem Stammes-
gefühl der Egerländer ins Gesicht, wenn man
den Sudetendeutschen Kleo Pleyer ausweist.

Abg. Aenderl (K. P. D.) begründete seinen
Zusatzantrag mit der absoluten Schuldlosigkeit
der fraglichen Kommunisten, gegen die man die
Schutzhaft verhängte, weil man nichts Strafbares
gegen sie vorzubringen hatte, das eine Straf-
oder Untersuchungshaft rechtfertigen würde. In
Nürnberg wurde einem Kommunisten das bei der
Partei beschlagnahmte Geld angeboten, wenn er
seine Genossen verrate. (Hört!)

Fortsetzung Donnerstag vormittags 9 Uhr.

Auf unsere Anfrage, ob und in welcher Weise
das Generalstaatskommissariat zu obigen Angrif-
fen Stellung nehmen würde, wird uns amtlich
mitgeteilt:
Die Ausführungen des Abg. Roth sind zum
Teil unrichtig, zum Teil enthalten sie grobe
Uebertreibungen. Im übrigen wird die Regie-
rung morgen im Landtag eingehend Stellung
dazu nehmen.


Für das Wiederaufleben des Fremdenverkehrs
[Spaltenumbruch]

Es ist in letzter Zeit mancherlei geschehen, um
dem so notwendigen Wiederaufleben des Frem-
denverkehrs die Wege zu ebnen. Die Stadt
München
hat die Differenzen zwischen Aus-
ländern und Inländern bei Erhebung der Wohn-
steuer aufgehoben, die Wohnsteuer selbst gleich-
heitlich auf 20 Prozent ermäßigt. Auch das Fi-
nanzministerium
hat die Gebühren für
die Fremden herabgesetzt auf 1 M bei einem Auf-
enthalt bis zu drei Tagen und einen Höchstsatz
von 8 M bei einem Aufenthalt von acht Wochen.
Das Ministerium des Innern milderte
den Vollzug der verschiedenen anrüchigen Anord-
nungen, insbesondere hinsichtlich der persönlichen
Vorstellung bei der Polizei. Die Reichseisen-
bahn
hat Anordnung getroffen, daß die Per-
sonenzüge nach Partenkirchen und Tölz nicht
mehr durch den Milchtransport belastet werden.
Schließlich haben auch die Theater die Aus-
nahmepreise für Ausländer aufgehoben.

Trotzalledem verbleiben noch allerhand Wün-
sche, denen -- gelegentlich der zum 16. Januar
einberufenen Mitgliederversammlung
des Fremdenverkehrsvereins Mün-
chen
-- Konsul Röckl Ausdruck verlieh:

Die Polizei möge alle Belästigungen einwand-
freier Fremder beseitigen; insbesondere die In-
dustrie muß gegen die bisherige Behandlung ihrer
Kunden und Käufer Verwahrung einlegen. Hier-
her gehören auch die Kontrollen in den Zügen,
die mit Vorliebe um 4 Uhr morgens stattfinden,
und die nächtlichen Kontrollen in den Hotels. Das
Bisum auf Pässe für Deutschland muß auch für
Bayern Gültigkeit haben.

Im einzelnen besteht Klage über die
Nachtverbindung mit Berlin, der
Schlafwagenzug wird vor allem vermißt. Eine
Senkung der Fahrpreise erscheint un-
bedingt nötig. Kostet doch eine Fahrt 2. Klasse
München--Berlin 47 M, die um 100 Kilo-
meter längere Strecke München--Genua aber
nur 46,50 M. Vor allem aber erscheint es not-
wendig, München wieder seinen Platz im inter-
nationalen Durchgangsverkehr zurückzuerobern;
nichts ist bezeichnender, als daß der Orient-
expreßzug,
der früher über München fuhr
und heute über Arlberg--Innsbruck--Wien geht,
sofort einen willkommenen Zustrom von Auslän-
dern brachte, als er wegen Schneeverwehung vor-
übergehend über München geleitet werden mußte.
Auf Auslandsgäste hat die einstige Fremdenstadt
München in letzter Zeit völlig verzichten müssen!

An die Pensionen und Hotels ergeht der Apell,
die Preise den Weltmarktpreisen umgehend anzu-
passen; es ist notwendig, den Ausländern die
Möglichkeit zu zeigen, daß sie bei uns nicht
teurer leben als zu Hause.

Die geänderte Gesamtwirtschaftslage

wurde von Professor Morgenroth erläutert
unter Betonung der Notwendigkeit einer klaren
und folgerichtigen Einstellung der Fremdenpoli-
tik auf die neuen Verhältnisse. Es liegt nicht
außerhalb fremdenverkehrsfördernder Gesichts-
punkte, wenn auch eine Verbilligung des
Vorortverkehrs
und des Telefonver-
kehrs
verlangt wird; es darf im Münchener
Vorortverkehr nicht das Mehrfache der Berliner
und Hamburger Vorortverkehrspreise verlangt
werden.

Wenn hinsichtlich des allgemeinen Preisniveaus
zurzeit Deutschland teurer ist als die Nachbar-
länder,
so muß dies eine Uebergangserschei-
nung bleiben. München ist im allgemeinen nicht
teurer als vergleichbare andere Städte. Fälle, in
denen Fremde in Südbayern überfordert werden,
mögen dem Fremdenverkehrsverein gemeldet wer-
den, damit Abhilfe geschaffen werden kann.

Wenn die Gaststätten und Ladengeschäfte bil-
liger werden sollen, ist es notwendig, daß nicht
nur bei ihnen, sondern auch an den Quellen der
Herkunft der verschiedenen Gebrauchsgegenstände
Preiskontrolle erfolgt; die private
Zwangswirtschaft der großen Mo-
nopolverbände
ist einzuschränken, noch
besser zu brechen.

Das Verbot jedes Luxus und Vergnügens
hat nicht die gewünschte Wirkung.
Hotelier Volkhart wies darauf hin, daß zu
[Spaltenumbruch] große Einfachheit und Abstellung jeder Freude
das Leben und Schaffen tötet, die Menschen ver-
bittert. Ein Viertel der Münchener Bevölkerung
bezieht nach der Statistik heute Beihilfen aus
Wohltätigkeit, die nur im Rahmen einer gewissen
gehobenen Geselligkeit aufgebracht werden können.

In diesem Zusammenhange unterstrich Mini-
sterialrat Ruckdeschel, daß unser Volk den
Luxus Ostschweizer Kurorte heute moralisch nicht
ertragen könne. Einer maßvollen Geselligkeit, für
deren Entwicklung andere Redner die Auf-
hebung des Tanzverbotes
und die Ver-
längerung der Polizeistunde
nötig
halten, ist auch Ministerialrat Ruckdeschel nicht
abhold.

In ähnlichem Sinne äußerte sich auch Herr
Gruß, der sich im übrigen mit der
Preisgestaltung in München
beschäftigte. Nach seinen Darlegungen sind die
Münchener Gaststätten im Durchschnitt um
30 Prozent billiger
als die norddeutschen.
Als Grund wurde angegeben, daß unsere Kalku-
lation nicht in dem Maße überteuernde Momente
zu beachten habe, wie sie im Norden gang und
gebe sind, die Psyche unserer Vergnügungen
scheide auch von vornherein das allzu Moderne
und Snobistische aus.

Die Währungsfrage
wurde von einer Reihe von Rednern angeschnit-
ten, übereinstimmend unter dem Gesichtspunkte,
daß die Erhaltung des wertbestän-
digen Geldes eine unbedingte Not-
wendigkeit
sei, daß Bestrebungen, unsere
Währung ins Wanken zu bringen, mit allen
Mitteln unterbunden werden müssen. Erleich-
terte Kreditbeschaffung
erscheint auch
für die am Fremdenverkehr unmittelbar inter-
essierten Gewerbe höchst wünschenswert.

Ueber Verkehrsfragen
berichtete Kommerzienrat Fränkel in seiner
Eigenschaft als Mitglied des Reichseisenbahn-
rates. Er verlangte vor allem den Wieder-
aus bau der Fahrpläne
in einer Weise,
die den natürlichen Ansprüchen Bayerns und ins-
besondere dem Interesse Bayerns am Verkehr
über den Brenner
Rechnung tragen. Frän-
kel glaubte im übrigen einem allzu großen Opti-
mismus in Hinsicht auf eine baldige Entwicklung
des Fremdenverkehrs entgegentreten zu müssen.
In diesem Zusammenhange wurde auch vom
Ministerialrat Ruckdeschel der Verlust des
Orientexpreßzuges für München bedauert und
darauf hingewiesen, daß seitens der Staats-
regierung hinter den Kulissen ein
schwerer Kampf um die Belange des
internationalen Verkehrs
geführt
werden müsse; vielfach seien Machtfaktoren im
Spiel, die eifersüchtig auf Bayern sind.

Die Auffassung der Stadtgemeinde
ist bereits im Stadtrat zutage getreten; Rechtsrat
Konrad versicherte, daß die Stadtverwaltung
alles aufbieten werde, um München seine frühere
Stellung im internationalen Fremdenverkehr
zurückzugewinnen. Wirtschaftsschranken
innerhalb Deutschlands
erklärte der
Vertreter der Stadtgemeinde für ein Unding,
was den Fremden im übrigen Deutschland recht
und billig sei, müsse ihnen auch in Bayern und
München zugestanden werden.

a propos Fremdenverkehr ...

Nach dem Bericht der Stadt Zürich über
den Fremdenverkehr im Jahre 1923
betrug die Gesamtzahl der Hotelgäste in den Zü-
richer Gasthäusern und Pensionen über 275 000,
womit die Friedensfrequenz von 1913
nicht nur wieder erreicht, sondern sogar um 5000
überschritten ist
. In Zürich rührt der
Mehrverkehr zum größten Teil aus Deutsch-
land
her. In St. Moritz übertrifft die Zahl
von 4292 die bisherige Frequenz um rund 800
Gäste. Unter den Anwesenden stehen an erster
Stelle die Deutschen mit 1279 Personen. Wie der
amtliche Bericht des Kurvereins von St. Moritz
sagt, hätten um die Weihnachtszeit ohne weiteres
1000 Betten mehr besetzt werden können, wenn
sie zur Verfügung gestanden wären.

[Spaltenumbruch]
Aus den Parteien.
Deutsche Demokratische Partei.

Der Kreis-
verband München
der D.D.P. hielt am
Dienstag abend im Kreuzbräu seine ordentliche
Jahreshauptversammlung ab, die von
Rechtsrat Dr. Konrad geleitet wurde. Der
Geschäftsbericht von Stadtrat Weiß
knüpfte an die Vorgänge an, die zum zweiten
8. November geführt haben, und drückte die Hoff-
nung aus, daß die beginnende bessere politische
Einsicht auch zu einer gerechteren Beurteilung der
Tätigkeit der Partei im Reich und in Bayern
führen werde. Die Partei hatte schwer zu leiden
unter der politischen Arbeitsunlust und dem Man-
gel an Bekennermut weiter Kreise. Mit der po-
litischen Ernüchterung hat sich die Zahl der Ein-
tritte wieder sehr erfreulich geyoben. Den Kern
der Partei bilden gereifte Persönlichkeiten, in der
Jugendbewegung bleibt noch viel zu tun übrig.

Die Versammlung ehrte das Andenken an die
verstorbenen Mitglieder durch Erheben von den
Sitzen. Beabsichtigt ist, wie weiterhin aus dem
Geschäftsbericht hervorging, die Wiederaufnahme
einer regeren Versammlungstätigkeit
und die Wiederbelebung der gesellschaft-
lichen und kulturellen Veranstaltun-
gen
.

Geschäftsbericht und Kassenbericht wurden zur
Kenntnis genommen. Stadtrat Weiß wurde
für seine opferwillige Tätigkeit der Dank der
Versammlung ausgesprochen.

Stadtrat Hübsch hielt sodann einen eingehen-
den Vortrag über die Tätigkeit der demo-
kratischen Stadtratsfraktion
. Der Re-
ferent gab zunächst ein Bild der Parteiver-
hältnisse im Rathaus,
wobei er feststellte,
daß die Sozialdemokratische Partei heute noch zu-
sammen mit der Bayerischen Volkspartei das Feld
beherrsche, nachdem der Traum der roten Allein-
herrschaft mit U.S.P. und K.P.D. ausgeträumt
war. Der gewaltige Widerstand gegen die So-
zialisierungs- und Kommunalisierungspolitik bis
weit in die kleinbürgerlichen Kreise der Sozial-
demokratie ließ diese ihre Pflöcke bedeutend zurück-
stecken.

Mit der Einigung der Sozialisten begann die
schwarzrote Finanzpolitik, deren
Lockungen leider auch Jodlbauer und Humar nicht
widerstehen konnten. In dieser zweiten Aera
setzte die Macht der Referenten ein; von der "De-
mokratisierung" der Verwaltung blieb nichts mehr
übrig. Die demokratische Fraktion hat gegen all
diese Dinge scharf Front gemacht. Zur Zeit ist
aber die Geheimhaltung aller Beschlüsse das kenn-
zeichnende Moment und die "Bürgermeisterpoli-
tik" in den verkleinerten Ausschüssen triumphiert.

Die demokratische Partei ist also auf sich selbst
gestellt; sie treibt aber keine prinzipielle, sondern
streng sachliche Opposition. Auch als
sie 1923 gegen den Etat stimmte, tat sie es unter
Vorlage eines zweckmäßigen Abgleichungsplanes.
Von Interesse wird nur sein, wie die Bayerische
Volkspartei vor den Wahlen die Loslösung von
der Sozialdemokratie vollziehen wird. Festzu-
stellen ist, daß die Politik der Fraktion durchaus
getragen wurde von den berufenen Instanzen der
Partei.

Politische Anträge wurden wenig gestellt und
behandelt; hier wurde die Sozialdemokratische
Partei abgebremst. Auch zwang die Not der Zeit
zur Beschränkung auf wirtschaftliche Debatten. Die
Fraktion stand hier im schärfsten Kampf gegen
die Sozialisierung
der nicht lukrativen
Betriebe, Straßenreinigung, Rettungsdienst und
dergl.; sie nahm auch Stellung gegen den Plan
eines gemeindlichen Warenhauses wie gegen
die Kommunaliserung des Bäckerge-
werbes, der Plakatinstitute, Kinos,
des Fuhrwesens, der Apotheken
. Wie
recht sie getan hat, beweist die ganze Entwicklung
der Verhältnisse, die nach dem allgemeinen Zu-
sammenbruch auf die Notwendigkeit der Frei-
machung aller persönlichen Kräfte hinweist.

Was zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und
der Vetriebe erforderlich war, wurde genehmigt.
Im übrigen hat die Fraktion eine weitgehende
Gewerbeförderungspolitik getrieben,
das Handwerk und Gewerbe von über-
flüssigen Kontrollen befreit, die Ausdehnung
der Regiebetriebe abgewehrt. Die "deklassierten"
Gruppen der Freien Berufe, Aerzte,
Künstler, Schriftsteller, die Sozial-
und Kleinrentner
haben die größte Für-
sorge der Fraktion erfahren. Bildung und
Schule
hat sie mit aller Macht hochgehalten.
Klar war stets auch die Stellung der Fraktion zu
den Beamten- und Arbeiterfragen; als
allererste hat sie die gleitende Lohnskala vorge-
schlagen, freilich auch die Angleichung der Einnah-
men verlangt.

Was damals versäumt wurde, drückte sich in der
unheilvollen Gebührenpolitik aus. Rechtzeitig
wurde der Abbau der Aemter verlangt. Im übri-
gen steht die Fraktion in der Abbaufrage auf dem
Standpunkt: Wenige und gute Beamte
mit ausreichender Bezahlung!

Die Fraktion vertritt weiterhin den raschen
Abbau der Wohnungszwangswirt-
schaft,
eine vernünftige Verkehrspo-
litik,
namentlich auf dem Gebiete der Straßen-
bahn, eine zeitgemäße Fremdenverkehrspolitik.
Ihre Haupttätigkeit aber konzentrierte sich auf
eine Reform der städtischen Finanz-
politik
und der Führung der gemeindlichen Be-
triebe. Hier waren maßgebend die Grundsätze:
Keine Ausgabe ohne Deckung! Selbsterhaltung
der städtischen Betriebe! Wirtschaftliche Führung!
Die Fraktion hat gerade hier führend gearbeitet.
Sie wird auch weiterhin alles einsetzen, die Inter-
essen des Ganzen in der gemeindlichen Finanz-
wie in der Steuerpolitik zu wahren und der Wohl-
fahrt aller Gemeindebürger zu dienen.

Das Referat fand wohlverdienten stürmischen
Beifall.

Deutsche Demokratische Partei.

Donners-
tag,
17. Januar, abends 8 Uhr, Gesellige
Zusammenkunft
in der Gaststätte Scho-
lastika,
Ledererstr. 25, Nebenzimmer.


Der Landesausschuß der Deutschen Demokrati-
schen Partei in Bayern tritt am Sonntag,
den 20. Januar, mittags 1/21 Uhr im Künstler-
haus zu Nürnberg zusammen. Tagesord-
nung: Die bevorstehenden Wahlen.

Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16
[Spaltenumbruch]
Bayeriſcher Landtag
Landeswahlgeſetz

Der Verfaſſungsausſchuß befaßte ſich am Mitt-
woch mit der Frage der raſchen Erledigung des
Wahlgeſetzes. Nach dem Wunſche des Vorſitzenden
Abg. Dr. Wohlmuth, der hier die Bayeriſche
Volkspartei vertritt, wäre die Sache ſo, daß am
Donnerstag die erſte Leſung abgeſchloſſen würde,
am Freitag ſich die zweite Leſung anſchließt und
nächſte Woche bereits das Plenum
entſcheidet, worauf der Landtag Schluß zu machen
hätte.

Dieſer etwas gar zu ſtürmiſchen Erledigung,
die ihren heftigſten Verfechter weiterhin an dem
Abg. Dr. Hilpert (B. Mp.) ſand — zwiſchen
den Landtags- und Reichstagswahlen würde im
Falle der Verzögerung nach ſeiner Anſicht eine
zu kurze Spanne liegen, die getrennte Wahlen
nicht rechtfertigen würde — trat mit guten Grün-
den Abg. Dr. Müller (D. D. P.) entgegen, der
die Notwendigkeit hervorhob, die Parteiorganiſa-
tionen mit der Stimmkreiseinteilung gutachtlich
zu befaſſen.

Abg. Roßhaupter (Soz.) verwies auf die
Unmöglichkeit, entſcheidend zum Landeswahlgeſetz
Stellung zu nehmen, ſolange nicht die Verord-
nung zur Sicherung der Wahlfreiheit
vorliege. Die ſozialiſtiſche Fraktion hat beantragt,
dieſe „Verordnung betr. Sicherung der Wahlfrei-
heit und der Wahlvorbereitungen ſowie Abände-
rung der Ausnahmeverordnung vom 26. Septem-
ber 1923“ noch vor der Beratung der diesbezüg-
lichen Beſchlüſſe des Verfaſſungsausſchuſſes im
Plenum des Landtages dem Verfaſſungsausſchuß
in Vorlage zu bringen.

Schutzhaft und Preſſeverbote

Dann begann die Beratung der Anträge
Dr. Roth (fraktionslos) betr. Schutzhaft und
Preſſeverbote. Der erſte Antrag erſucht
die Staatsregierung

1. die ſofortige Entlaſſung der aus Anlaß der
Vorgänge vom 8. und 9. November in Schutz-
haft genommenen Perſonen,

2. die ſofortige Aufhebung des Verbotes der
völkiſchen Preſſe zu veranlaſſen.

Der zweite Antrag erſucht die Staatsregierung,
die ſofortige Aufhebung der aus Anlaß der Vor-
gänge vom 8. und 9. November 1923 verfügten
Aufenthaltsbeſchränkungen und Ausweiſungen,
insbeſondere der Ausweiſung des Sudetendeutſchen
Kleo Pleyer zu veranlaſſen.

Ein Ergänzungsantrag Aenderl (K. P. D.)
verlangt: Sämtliche Schutzhaftgefangenen, welche
durch das Generalſtaatskommiſſariat mit dem
Verbot der Kommuniſtiſchen Partei in Haft ge-
nommen wurden, ſind ſofort in Freiheit zu ſetzen.

Der Antragſteller Abg. Dr. Roth beſtritt zu-
nächſt die Rechtsgültigkeit der Verord-
nung vom 26. September,
da ſie nicht
im Geſetz- und Verordnungsblatt, nicht einmal
im „Staatsanzeiger“ veröffentlicht wurde, obwohl
es ſich um eine Rechtsverordnung handelt. Dieſe
Seite der Angelegenheit wird noch den Staats-
gerichtshof beſchäftigen. Weiter iſt fraglich, ob
nicht die Verordnung durch den Reichsausnahme-
zuſtand außer Kraft geſetzt wurde. Die Befug-
niſſe, die durch die Verordnung dem General-
ſtaatskommiſſariat eingeräumt wurden, gehen ſo
weit, daß Herr von Kahr perſönlich als Staats-
gewalt im Hitlerprozeß auftreten konnte; ſie
ſtehen aber auch im Widerſpruch mit dem nicht
aufgehobenen Schutzhaftgeſetz vom 31. Juli 1923.
Die Beſtimmungen dieſes Geſetzes werden vom
Generalſtaatskommiſſariat in keiner Weiſe be-
achtet; insbeſondere wird die Schutzhaft weit über
die höchſtzuläſſigen drei Monate ausgedehnt und
man hört, daß die Leute nicht einmal während
der Wahlen herauskommen ſollen.

Nach einer Anfrage, wieviel Perſonen eigentlich
in Schutzhaft ſind, ging der Antragſteller auf den
Fall Dietrich Eckart ein. Eckart war am
Hitlerputſch nicht beteiligt; er ſollte Flugblätter
verteilt haben, was nicht zutraf, und Vieh für
die Hitlerleute aufgekauft haben, wobei eine Ver-
wechſlung mit dem Konſervenfabrikan-
ten Eckhardt
unterlief. Eckart wurde in Schutz-
haft genommen, obwohl ſeine Haftnahme früher
wegen ſeines ſchwer leidenden Zuſtandes abge-
lehnt worden war. Der Tod Eckarts fällt unmit-
telbar dem Generalſtaatskommiſſar zur Laſt.
Gleichfalls grundlos in Haft genommen wurden
die mehr oder minder an Krankheiten leidenden
Nationalſozialiſten Anton Drexler, Ammon, Dr.
Klotz und Chriſtian Weber ſowie eine Anzahl
Jugendliche; ferner befinden ſich in Landsberg in
Haft Fürſt Wrede, Hauptmann Sailer und der
Herausgeber des „Oberbayer“ in Ebersberg.
Das ganze Verfahren des Generalſtaatskom-
miſſariats iſt ungeſetzlich. Der Termin für den
Hochverratsprozeß liegt völlig in der
Hand des Generalſtaatskommiſſars; wie es heißt,
ſoll er um Wochen und Monate — ein Wider-
ſpruch zu den Vorſchriften des Volksgerichts-
geſetzes — hinausgeſchoben werden. Wie nun,
wenn Herr von Kahr an den Dingen ſelbſt be-
teiligt war, wie behauptet wird? Ich zweifle
ſehr, ob Dr. Müller als Vorſitzender den Zeugen
Kahr vereidigen würde (Dr. Müller: Sicher
nicht!). Das Generalſtaatskommiſſariat iſt alſo
auf die Dauer unmöglich, ſchon im Hinblick auf
den Prozeß, deſſen baldige und gründliche Durch-
führung bei voller Oeffentlichkeit der Völkiſchen
wünſchen. Davon, daß ſie bei dieſer Gelegenheit
einen Putſch planen, kann keine Rede ſein. Es
beſteht auch kein Anlaß, der Preſſe beim Prozeß
einen Maulkorb umzuhängen oder ihn von Mün-
chen wegzuverlegen; das Generalſtaatskommiſ-
ſariat hat genug Maſchinengewehre, Drahtver-
haue und Sandſäcke zur Verfügung.

Ein Erſuchen des Vorſitzenden Abg. Dr. Wohl-
muth
(B. Vp.), nicht zu weit zu gehen und nicht
in das ſchwebende Verfahren einzugreifen, rief
eine kurze Geſchäftsordnungsdebatte hervor, in
der u. a. Abg. Dr. Müller (D. D. P.) betonte,
es handle ſich um eine Kritik des Vorgehens des
Generalſtaatskommiſſariats und ſeiner Vorgeſetz-
tenſtellung gegenüber dem Staatsanwalt.

In der Fortſetzung ſeiner Ausführungen ſtellte
Abg. Dr. Roth nachdrücklich die Forderung, daß

[Spaltenumbruch]

ſämtliche Beamte für den Prozeß von der Pflicht
der Amtsverſchwiegenheit befreit
werden, und hob unter lebhaftem Hört! der Lin-
ken hervor, daß die ganze „Sicherung der Wahl-
freiheit“ illuſoriſch ſei, wenn nicht das General-
ſtaatskommiſſariat aufgehoben werde.

Ueber die Behandlung in der Schutzhaft
durch das Perſonal hat Dr. Roth nicht zu klagen,
deſto mehr über die „ſchikanöſen“ Anordnungen
des Generalſtaatskommiſſars, der alle liberalen
Beſtimmungen der Schutzhaftverordnung aufhob.
Die Spaziergänge finden im Gefängnishof ſtatt,
Beſuche werden nicht oder nur kurze 20 Minuten
vorgelaſſen, Briefe bleiben wochenlang bei der
zenſurierenden Polizeidirektion München liegen,
Schutzhäftlinge werden von den Polizeiorganen
geduzt, in Ketten oder im Zeiſerlwagen nach
Landsberg gebracht, das Ehrenwort von Arbeitern
wird nicht angenommen. Es iſt Zeit, daß der
Landtag mit der Schutzhaft und dem „General-
ſtacheldrahtkommiſſar“, wie der Volksmund Herrn
von Kahr getauft hat, Schluß macht; wir machen
uns mit dieſen Dingen nur vor der ganzen Welt
lächerlich. Mit Maſchinengewehren und Sand-
ſäcken läßt ſich auf die Dauer nicht regieren.

Hierauf unterzog der Antragſteller die Auf-
enthaltsbeſchränkungen
einer ſcharfen
Kritik. Er tadelte, wie man General Ludendorff
behandelt habe, und ſtellte feſt, dieſer habe nie
ſein Ehrenwort gegeben, ſich nicht mehr an der
völkiſchen Bewegung zu beteiligen. Eine uner-
hörte, direkt ſtrafbare Handlung hat Herr von
Kahr begangen, als er Ludendorff eine Sendung
von 100 Dollars wegnehmen ließ und zur Lin-
derung der Not minderbemittelter Kreiſe verwen-
dete; auch in einem zweiten Fall hat Kahr über
Spenden zugunſten der Putſchopfer eigenmächtig
und rechtswidrig verfügt. Aus amerikaniſchen
Briefſendungen an Ludendorff wurden weitere
550 Dollars weggenommen, von denen 50 für
[Spaltenumbruch] ein katholiſches Inſtitut beſtimmt waren. Auf
erhobene Beſchwerde hat das Geſamtmini-
ſterium jedes Eingreifen abgelehnt,

ſich alſo ſelbſt entmannt. Die Ueberwachung
Ludendorffs geht ſo weit, daß jeder Beſucher
kontrolliert wird. Den Offizieren der Landes-
polizei iſt der Verkehr mit Ludendorff dienſtlich
unterſagt.
Der preußiſche Major und Saarländer
Braune wurde auf Anzeige ſeiner Hausfrau
feſtgenommen und dann ausgewieſen, lediglich
weil er Flugblätter beſaß und weil man bei ihm
angefangene Briefe fand, in denen er dem Ge-
richt vorgriff (!) und Herrn von Kahr als Hoch-
verräter bezeichnete. Man hat auch hier wieder
den „Ausländer“ vorgekehrt, obwohl es ein Unfug
iſt, unſere deutſchen Brüder fortgeſetzt als „Gäſte“
zu bezeichnen. Man ſchlägt auch dem Stammes-
gefühl der Egerländer ins Geſicht, wenn man
den Sudetendeutſchen Kleo Pleyer ausweiſt.

Abg. Aenderl (K. P. D.) begründete ſeinen
Zuſatzantrag mit der abſoluten Schuldloſigkeit
der fraglichen Kommuniſten, gegen die man die
Schutzhaft verhängte, weil man nichts Strafbares
gegen ſie vorzubringen hatte, das eine Straf-
oder Unterſuchungshaft rechtfertigen würde. In
Nürnberg wurde einem Kommuniſten das bei der
Partei beſchlagnahmte Geld angeboten, wenn er
ſeine Genoſſen verrate. (Hört!)

Fortſetzung Donnerstag vormittags 9 Uhr.

Auf unſere Anfrage, ob und in welcher Weiſe
das Generalſtaatskommiſſariat zu obigen Angrif-
fen Stellung nehmen würde, wird uns amtlich
mitgeteilt:
Die Ausführungen des Abg. Roth ſind zum
Teil unrichtig, zum Teil enthalten ſie grobe
Uebertreibungen. Im übrigen wird die Regie-
rung morgen im Landtag eingehend Stellung
dazu nehmen.


Für das Wiederaufleben des Fremdenverkehrs
[Spaltenumbruch]

Es iſt in letzter Zeit mancherlei geſchehen, um
dem ſo notwendigen Wiederaufleben des Frem-
denverkehrs die Wege zu ebnen. Die Stadt
München
hat die Differenzen zwiſchen Aus-
ländern und Inländern bei Erhebung der Wohn-
ſteuer aufgehoben, die Wohnſteuer ſelbſt gleich-
heitlich auf 20 Prozent ermäßigt. Auch das Fi-
nanzminiſterium
hat die Gebühren für
die Fremden herabgeſetzt auf 1 M bei einem Auf-
enthalt bis zu drei Tagen und einen Höchſtſatz
von 8 M bei einem Aufenthalt von acht Wochen.
Das Miniſterium des Innern milderte
den Vollzug der verſchiedenen anrüchigen Anord-
nungen, insbeſondere hinſichtlich der perſönlichen
Vorſtellung bei der Polizei. Die Reichseiſen-
bahn
hat Anordnung getroffen, daß die Per-
ſonenzüge nach Partenkirchen und Tölz nicht
mehr durch den Milchtransport belaſtet werden.
Schließlich haben auch die Theater die Aus-
nahmepreiſe für Ausländer aufgehoben.

Trotzalledem verbleiben noch allerhand Wün-
ſche, denen — gelegentlich der zum 16. Januar
einberufenen Mitgliederverſammlung
des Fremdenverkehrsvereins Mün-
chen
— Konſul Röckl Ausdruck verlieh:

Die Polizei möge alle Beläſtigungen einwand-
freier Fremder beſeitigen; insbeſondere die In-
duſtrie muß gegen die bisherige Behandlung ihrer
Kunden und Käufer Verwahrung einlegen. Hier-
her gehören auch die Kontrollen in den Zügen,
die mit Vorliebe um 4 Uhr morgens ſtattfinden,
und die nächtlichen Kontrollen in den Hotels. Das
Biſum auf Päſſe für Deutſchland muß auch für
Bayern Gültigkeit haben.

Im einzelnen beſteht Klage über die
Nachtverbindung mit Berlin, der
Schlafwagenzug wird vor allem vermißt. Eine
Senkung der Fahrpreiſe erſcheint un-
bedingt nötig. Koſtet doch eine Fahrt 2. Klaſſe
München—Berlin 47 M, die um 100 Kilo-
meter längere Strecke München—Genua aber
nur 46,50 M. Vor allem aber erſcheint es not-
wendig, München wieder ſeinen Platz im inter-
nationalen Durchgangsverkehr zurückzuerobern;
nichts iſt bezeichnender, als daß der Orient-
expreßzug,
der früher über München fuhr
und heute über Arlberg—Innsbruck—Wien geht,
ſofort einen willkommenen Zuſtrom von Auslän-
dern brachte, als er wegen Schneeverwehung vor-
übergehend über München geleitet werden mußte.
Auf Auslandsgäſte hat die einſtige Fremdenſtadt
München in letzter Zeit völlig verzichten müſſen!

An die Penſionen und Hotels ergeht der Apell,
die Preiſe den Weltmarktpreiſen umgehend anzu-
paſſen; es iſt notwendig, den Ausländern die
Möglichkeit zu zeigen, daß ſie bei uns nicht
teurer leben als zu Hauſe.

Die geänderte Geſamtwirtſchaftslage

wurde von Profeſſor Morgenroth erläutert
unter Betonung der Notwendigkeit einer klaren
und folgerichtigen Einſtellung der Fremdenpoli-
tik auf die neuen Verhältniſſe. Es liegt nicht
außerhalb fremdenverkehrsfördernder Geſichts-
punkte, wenn auch eine Verbilligung des
Vorortverkehrs
und des Telefonver-
kehrs
verlangt wird; es darf im Münchener
Vorortverkehr nicht das Mehrfache der Berliner
und Hamburger Vorortverkehrspreiſe verlangt
werden.

Wenn hinſichtlich des allgemeinen Preisniveaus
zurzeit Deutſchland teurer iſt als die Nachbar-
länder,
ſo muß dies eine Uebergangserſchei-
nung bleiben. München iſt im allgemeinen nicht
teurer als vergleichbare andere Städte. Fälle, in
denen Fremde in Südbayern überfordert werden,
mögen dem Fremdenverkehrsverein gemeldet wer-
den, damit Abhilfe geſchaffen werden kann.

Wenn die Gaſtſtätten und Ladengeſchäfte bil-
liger werden ſollen, iſt es notwendig, daß nicht
nur bei ihnen, ſondern auch an den Quellen der
Herkunft der verſchiedenen Gebrauchsgegenſtände
Preiskontrolle erfolgt; die private
Zwangswirtſchaft der großen Mo-
nopolverbände
iſt einzuſchränken, noch
beſſer zu brechen.

Das Verbot jedes Luxus und Vergnügens
hat nicht die gewünſchte Wirkung.
Hotelier Volkhart wies darauf hin, daß zu
[Spaltenumbruch] große Einfachheit und Abſtellung jeder Freude
das Leben und Schaffen tötet, die Menſchen ver-
bittert. Ein Viertel der Münchener Bevölkerung
bezieht nach der Statiſtik heute Beihilfen aus
Wohltätigkeit, die nur im Rahmen einer gewiſſen
gehobenen Geſelligkeit aufgebracht werden können.

In dieſem Zuſammenhange unterſtrich Mini-
ſterialrat Ruckdeſchel, daß unſer Volk den
Luxus Oſtſchweizer Kurorte heute moraliſch nicht
ertragen könne. Einer maßvollen Geſelligkeit, für
deren Entwicklung andere Redner die Auf-
hebung des Tanzverbotes
und die Ver-
längerung der Polizeiſtunde
nötig
halten, iſt auch Miniſterialrat Ruckdeſchel nicht
abhold.

In ähnlichem Sinne äußerte ſich auch Herr
Gruß, der ſich im übrigen mit der
Preisgeſtaltung in München
beſchäftigte. Nach ſeinen Darlegungen ſind die
Münchener Gaſtſtätten im Durchſchnitt um
30 Prozent billiger
als die norddeutſchen.
Als Grund wurde angegeben, daß unſere Kalku-
lation nicht in dem Maße überteuernde Momente
zu beachten habe, wie ſie im Norden gang und
gebe ſind, die Pſyche unſerer Vergnügungen
ſcheide auch von vornherein das allzu Moderne
und Snobiſtiſche aus.

Die Währungsfrage
wurde von einer Reihe von Rednern angeſchnit-
ten, übereinſtimmend unter dem Geſichtspunkte,
daß die Erhaltung des wertbeſtän-
digen Geldes eine unbedingte Not-
wendigkeit
ſei, daß Beſtrebungen, unſere
Währung ins Wanken zu bringen, mit allen
Mitteln unterbunden werden müſſen. Erleich-
terte Kreditbeſchaffung
erſcheint auch
für die am Fremdenverkehr unmittelbar inter-
eſſierten Gewerbe höchſt wünſchenswert.

Ueber Verkehrsfragen
berichtete Kommerzienrat Fränkel in ſeiner
Eigenſchaft als Mitglied des Reichseiſenbahn-
rates. Er verlangte vor allem den Wieder-
aus bau der Fahrpläne
in einer Weiſe,
die den natürlichen Anſprüchen Bayerns und ins-
beſondere dem Intereſſe Bayerns am Verkehr
über den Brenner
Rechnung tragen. Frän-
kel glaubte im übrigen einem allzu großen Opti-
mismus in Hinſicht auf eine baldige Entwicklung
des Fremdenverkehrs entgegentreten zu müſſen.
In dieſem Zuſammenhange wurde auch vom
Miniſterialrat Ruckdeſchel der Verluſt des
Orientexpreßzuges für München bedauert und
darauf hingewieſen, daß ſeitens der Staats-
regierung hinter den Kuliſſen ein
ſchwerer Kampf um die Belange des
internationalen Verkehrs
geführt
werden müſſe; vielfach ſeien Machtfaktoren im
Spiel, die eiferſüchtig auf Bayern ſind.

Die Auffaſſung der Stadtgemeinde
iſt bereits im Stadtrat zutage getreten; Rechtsrat
Konrad verſicherte, daß die Stadtverwaltung
alles aufbieten werde, um München ſeine frühere
Stellung im internationalen Fremdenverkehr
zurückzugewinnen. Wirtſchaftsſchranken
innerhalb Deutſchlands
erklärte der
Vertreter der Stadtgemeinde für ein Unding,
was den Fremden im übrigen Deutſchland recht
und billig ſei, müſſe ihnen auch in Bayern und
München zugeſtanden werden.

à propos Fremdenverkehr ...

Nach dem Bericht der Stadt Zürich über
den Fremdenverkehr im Jahre 1923
betrug die Geſamtzahl der Hotelgäſte in den Zü-
richer Gaſthäuſern und Penſionen über 275 000,
womit die Friedensfrequenz von 1913
nicht nur wieder erreicht, ſondern ſogar um 5000
überſchritten iſt
. In Zürich rührt der
Mehrverkehr zum größten Teil aus Deutſch-
land
her. In St. Moritz übertrifft die Zahl
von 4292 die bisherige Frequenz um rund 800
Gäſte. Unter den Anweſenden ſtehen an erſter
Stelle die Deutſchen mit 1279 Perſonen. Wie der
amtliche Bericht des Kurvereins von St. Moritz
ſagt, hätten um die Weihnachtszeit ohne weiteres
1000 Betten mehr beſetzt werden können, wenn
ſie zur Verfügung geſtanden wären.

[Spaltenumbruch]
Aus den Parteien.
Deutſche Demokratiſche Partei.

Der Kreis-
verband München
der D.D.P. hielt am
Dienstag abend im Kreuzbräu ſeine ordentliche
Jahreshauptverſammlung ab, die von
Rechtsrat Dr. Konrad geleitet wurde. Der
Geſchäftsbericht von Stadtrat Weiß
knüpfte an die Vorgänge an, die zum zweiten
8. November geführt haben, und drückte die Hoff-
nung aus, daß die beginnende beſſere politiſche
Einſicht auch zu einer gerechteren Beurteilung der
Tätigkeit der Partei im Reich und in Bayern
führen werde. Die Partei hatte ſchwer zu leiden
unter der politiſchen Arbeitsunluſt und dem Man-
gel an Bekennermut weiter Kreiſe. Mit der po-
litiſchen Ernüchterung hat ſich die Zahl der Ein-
tritte wieder ſehr erfreulich geyoben. Den Kern
der Partei bilden gereifte Perſönlichkeiten, in der
Jugendbewegung bleibt noch viel zu tun übrig.

Die Verſammlung ehrte das Andenken an die
verſtorbenen Mitglieder durch Erheben von den
Sitzen. Beabſichtigt iſt, wie weiterhin aus dem
Geſchäftsbericht hervorging, die Wiederaufnahme
einer regeren Verſammlungstätigkeit
und die Wiederbelebung der geſellſchaft-
lichen und kulturellen Veranſtaltun-
gen
.

Geſchäftsbericht und Kaſſenbericht wurden zur
Kenntnis genommen. Stadtrat Weiß wurde
für ſeine opferwillige Tätigkeit der Dank der
Verſammlung ausgeſprochen.

Stadtrat Hübſch hielt ſodann einen eingehen-
den Vortrag über die Tätigkeit der demo-
kratiſchen Stadtratsfraktion
. Der Re-
ferent gab zunächſt ein Bild der Parteiver-
hältniſſe im Rathaus,
wobei er feſtſtellte,
daß die Sozialdemokratiſche Partei heute noch zu-
ſammen mit der Bayeriſchen Volkspartei das Feld
beherrſche, nachdem der Traum der roten Allein-
herrſchaft mit U.S.P. und K.P.D. ausgeträumt
war. Der gewaltige Widerſtand gegen die So-
zialiſierungs- und Kommunaliſierungspolitik bis
weit in die kleinbürgerlichen Kreiſe der Sozial-
demokratie ließ dieſe ihre Pflöcke bedeutend zurück-
ſtecken.

Mit der Einigung der Sozialiſten begann die
ſchwarzrote Finanzpolitik, deren
Lockungen leider auch Jodlbauer und Humar nicht
widerſtehen konnten. In dieſer zweiten Aera
ſetzte die Macht der Referenten ein; von der „De-
mokratiſierung“ der Verwaltung blieb nichts mehr
übrig. Die demokratiſche Fraktion hat gegen all
dieſe Dinge ſcharf Front gemacht. Zur Zeit iſt
aber die Geheimhaltung aller Beſchlüſſe das kenn-
zeichnende Moment und die „Bürgermeiſterpoli-
tik“ in den verkleinerten Ausſchüſſen triumphiert.

Die demokratiſche Partei iſt alſo auf ſich ſelbſt
geſtellt; ſie treibt aber keine prinzipielle, ſondern
ſtreng ſachliche Oppoſition. Auch als
ſie 1923 gegen den Etat ſtimmte, tat ſie es unter
Vorlage eines zweckmäßigen Abgleichungsplanes.
Von Intereſſe wird nur ſein, wie die Bayeriſche
Volkspartei vor den Wahlen die Loslöſung von
der Sozialdemokratie vollziehen wird. Feſtzu-
ſtellen iſt, daß die Politik der Fraktion durchaus
getragen wurde von den berufenen Inſtanzen der
Partei.

Politiſche Anträge wurden wenig geſtellt und
behandelt; hier wurde die Sozialdemokratiſche
Partei abgebremſt. Auch zwang die Not der Zeit
zur Beſchränkung auf wirtſchaftliche Debatten. Die
Fraktion ſtand hier im ſchärfſten Kampf gegen
die Sozialiſierung
der nicht lukrativen
Betriebe, Straßenreinigung, Rettungsdienſt und
dergl.; ſie nahm auch Stellung gegen den Plan
eines gemeindlichen Warenhauſes wie gegen
die Kommunaliſerung des Bäckerge-
werbes, der Plakatinſtitute, Kinos,
des Fuhrweſens, der Apotheken
. Wie
recht ſie getan hat, beweiſt die ganze Entwicklung
der Verhältniſſe, die nach dem allgemeinen Zu-
ſammenbruch auf die Notwendigkeit der Frei-
machung aller perſönlichen Kräfte hinweiſt.

Was zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und
der Vetriebe erforderlich war, wurde genehmigt.
Im übrigen hat die Fraktion eine weitgehende
Gewerbeförderungspolitik getrieben,
das Handwerk und Gewerbe von über-
flüſſigen Kontrollen befreit, die Ausdehnung
der Regiebetriebe abgewehrt. Die „deklaſſierten“
Gruppen der Freien Berufe, Aerzte,
Künſtler, Schriftſteller, die Sozial-
und Kleinrentner
haben die größte Für-
ſorge der Fraktion erfahren. Bildung und
Schule
hat ſie mit aller Macht hochgehalten.
Klar war ſtets auch die Stellung der Fraktion zu
den Beamten- und Arbeiterfragen; als
allererſte hat ſie die gleitende Lohnſkala vorge-
ſchlagen, freilich auch die Angleichung der Einnah-
men verlangt.

Was damals verſäumt wurde, drückte ſich in der
unheilvollen Gebührenpolitik aus. Rechtzeitig
wurde der Abbau der Aemter verlangt. Im übri-
gen ſteht die Fraktion in der Abbaufrage auf dem
Standpunkt: Wenige und gute Beamte
mit ausreichender Bezahlung!

Die Fraktion vertritt weiterhin den raſchen
Abbau der Wohnungszwangswirt-
ſchaft,
eine vernünftige Verkehrspo-
litik,
namentlich auf dem Gebiete der Straßen-
bahn, eine zeitgemäße Fremdenverkehrspolitik.
Ihre Haupttätigkeit aber konzentrierte ſich auf
eine Reform der ſtädtiſchen Finanz-
politik
und der Führung der gemeindlichen Be-
triebe. Hier waren maßgebend die Grundſätze:
Keine Ausgabe ohne Deckung! Selbſterhaltung
der ſtädtiſchen Betriebe! Wirtſchaftliche Führung!
Die Fraktion hat gerade hier führend gearbeitet.
Sie wird auch weiterhin alles einſetzen, die Inter-
eſſen des Ganzen in der gemeindlichen Finanz-
wie in der Steuerpolitik zu wahren und der Wohl-
fahrt aller Gemeindebürger zu dienen.

Das Referat fand wohlverdienten ſtürmiſchen
Beifall.

Deutſche Demokratiſche Partei.

Donners-
tag,
17. Januar, abends 8 Uhr, Geſellige
Zuſammenkunft
in der Gaſtſtätte Scho-
laſtika,
Ledererſtr. 25, Nebenzimmer.


Der Landesausſchuß der Deutſchen Demokrati-
ſchen Partei in Bayern tritt am Sonntag,
den 20. Januar, mittags ½1 Uhr im Künſtler-
haus zu Nürnberg zuſammen. Tagesord-
nung: Die bevorſtehenden Wahlen.

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[7/0007] Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16 Bayeriſcher Landtag Landeswahlgeſetz Der Verfaſſungsausſchuß befaßte ſich am Mitt- woch mit der Frage der raſchen Erledigung des Wahlgeſetzes. Nach dem Wunſche des Vorſitzenden Abg. Dr. Wohlmuth, der hier die Bayeriſche Volkspartei vertritt, wäre die Sache ſo, daß am Donnerstag die erſte Leſung abgeſchloſſen würde, am Freitag ſich die zweite Leſung anſchließt und nächſte Woche bereits das Plenum entſcheidet, worauf der Landtag Schluß zu machen hätte. Dieſer etwas gar zu ſtürmiſchen Erledigung, die ihren heftigſten Verfechter weiterhin an dem Abg. Dr. Hilpert (B. Mp.) ſand — zwiſchen den Landtags- und Reichstagswahlen würde im Falle der Verzögerung nach ſeiner Anſicht eine zu kurze Spanne liegen, die getrennte Wahlen nicht rechtfertigen würde — trat mit guten Grün- den Abg. Dr. Müller (D. D. P.) entgegen, der die Notwendigkeit hervorhob, die Parteiorganiſa- tionen mit der Stimmkreiseinteilung gutachtlich zu befaſſen. Abg. Roßhaupter (Soz.) verwies auf die Unmöglichkeit, entſcheidend zum Landeswahlgeſetz Stellung zu nehmen, ſolange nicht die Verord- nung zur Sicherung der Wahlfreiheit vorliege. Die ſozialiſtiſche Fraktion hat beantragt, dieſe „Verordnung betr. Sicherung der Wahlfrei- heit und der Wahlvorbereitungen ſowie Abände- rung der Ausnahmeverordnung vom 26. Septem- ber 1923“ noch vor der Beratung der diesbezüg- lichen Beſchlüſſe des Verfaſſungsausſchuſſes im Plenum des Landtages dem Verfaſſungsausſchuß in Vorlage zu bringen. Schutzhaft und Preſſeverbote Dann begann die Beratung der Anträge Dr. Roth (fraktionslos) betr. Schutzhaft und Preſſeverbote. Der erſte Antrag erſucht die Staatsregierung 1. die ſofortige Entlaſſung der aus Anlaß der Vorgänge vom 8. und 9. November in Schutz- haft genommenen Perſonen, 2. die ſofortige Aufhebung des Verbotes der völkiſchen Preſſe zu veranlaſſen. Der zweite Antrag erſucht die Staatsregierung, die ſofortige Aufhebung der aus Anlaß der Vor- gänge vom 8. und 9. November 1923 verfügten Aufenthaltsbeſchränkungen und Ausweiſungen, insbeſondere der Ausweiſung des Sudetendeutſchen Kleo Pleyer zu veranlaſſen. Ein Ergänzungsantrag Aenderl (K. P. D.) verlangt: Sämtliche Schutzhaftgefangenen, welche durch das Generalſtaatskommiſſariat mit dem Verbot der Kommuniſtiſchen Partei in Haft ge- nommen wurden, ſind ſofort in Freiheit zu ſetzen. Der Antragſteller Abg. Dr. Roth beſtritt zu- nächſt die Rechtsgültigkeit der Verord- nung vom 26. September, da ſie nicht im Geſetz- und Verordnungsblatt, nicht einmal im „Staatsanzeiger“ veröffentlicht wurde, obwohl es ſich um eine Rechtsverordnung handelt. Dieſe Seite der Angelegenheit wird noch den Staats- gerichtshof beſchäftigen. Weiter iſt fraglich, ob nicht die Verordnung durch den Reichsausnahme- zuſtand außer Kraft geſetzt wurde. Die Befug- niſſe, die durch die Verordnung dem General- ſtaatskommiſſariat eingeräumt wurden, gehen ſo weit, daß Herr von Kahr perſönlich als Staats- gewalt im Hitlerprozeß auftreten konnte; ſie ſtehen aber auch im Widerſpruch mit dem nicht aufgehobenen Schutzhaftgeſetz vom 31. Juli 1923. Die Beſtimmungen dieſes Geſetzes werden vom Generalſtaatskommiſſariat in keiner Weiſe be- achtet; insbeſondere wird die Schutzhaft weit über die höchſtzuläſſigen drei Monate ausgedehnt und man hört, daß die Leute nicht einmal während der Wahlen herauskommen ſollen. Nach einer Anfrage, wieviel Perſonen eigentlich in Schutzhaft ſind, ging der Antragſteller auf den Fall Dietrich Eckart ein. Eckart war am Hitlerputſch nicht beteiligt; er ſollte Flugblätter verteilt haben, was nicht zutraf, und Vieh für die Hitlerleute aufgekauft haben, wobei eine Ver- wechſlung mit dem Konſervenfabrikan- ten Eckhardt unterlief. Eckart wurde in Schutz- haft genommen, obwohl ſeine Haftnahme früher wegen ſeines ſchwer leidenden Zuſtandes abge- lehnt worden war. Der Tod Eckarts fällt unmit- telbar dem Generalſtaatskommiſſar zur Laſt. Gleichfalls grundlos in Haft genommen wurden die mehr oder minder an Krankheiten leidenden Nationalſozialiſten Anton Drexler, Ammon, Dr. Klotz und Chriſtian Weber ſowie eine Anzahl Jugendliche; ferner befinden ſich in Landsberg in Haft Fürſt Wrede, Hauptmann Sailer und der Herausgeber des „Oberbayer“ in Ebersberg. Das ganze Verfahren des Generalſtaatskom- miſſariats iſt ungeſetzlich. Der Termin für den Hochverratsprozeß liegt völlig in der Hand des Generalſtaatskommiſſars; wie es heißt, ſoll er um Wochen und Monate — ein Wider- ſpruch zu den Vorſchriften des Volksgerichts- geſetzes — hinausgeſchoben werden. Wie nun, wenn Herr von Kahr an den Dingen ſelbſt be- teiligt war, wie behauptet wird? Ich zweifle ſehr, ob Dr. Müller als Vorſitzender den Zeugen Kahr vereidigen würde (Dr. Müller: Sicher nicht!). Das Generalſtaatskommiſſariat iſt alſo auf die Dauer unmöglich, ſchon im Hinblick auf den Prozeß, deſſen baldige und gründliche Durch- führung bei voller Oeffentlichkeit der Völkiſchen wünſchen. Davon, daß ſie bei dieſer Gelegenheit einen Putſch planen, kann keine Rede ſein. Es beſteht auch kein Anlaß, der Preſſe beim Prozeß einen Maulkorb umzuhängen oder ihn von Mün- chen wegzuverlegen; das Generalſtaatskommiſ- ſariat hat genug Maſchinengewehre, Drahtver- haue und Sandſäcke zur Verfügung. Ein Erſuchen des Vorſitzenden Abg. Dr. Wohl- muth (B. Vp.), nicht zu weit zu gehen und nicht in das ſchwebende Verfahren einzugreifen, rief eine kurze Geſchäftsordnungsdebatte hervor, in der u. a. Abg. Dr. Müller (D. D. P.) betonte, es handle ſich um eine Kritik des Vorgehens des Generalſtaatskommiſſariats und ſeiner Vorgeſetz- tenſtellung gegenüber dem Staatsanwalt. In der Fortſetzung ſeiner Ausführungen ſtellte Abg. Dr. Roth nachdrücklich die Forderung, daß ſämtliche Beamte für den Prozeß von der Pflicht der Amtsverſchwiegenheit befreit werden, und hob unter lebhaftem Hört! der Lin- ken hervor, daß die ganze „Sicherung der Wahl- freiheit“ illuſoriſch ſei, wenn nicht das General- ſtaatskommiſſariat aufgehoben werde. Ueber die Behandlung in der Schutzhaft durch das Perſonal hat Dr. Roth nicht zu klagen, deſto mehr über die „ſchikanöſen“ Anordnungen des Generalſtaatskommiſſars, der alle liberalen Beſtimmungen der Schutzhaftverordnung aufhob. Die Spaziergänge finden im Gefängnishof ſtatt, Beſuche werden nicht oder nur kurze 20 Minuten vorgelaſſen, Briefe bleiben wochenlang bei der zenſurierenden Polizeidirektion München liegen, Schutzhäftlinge werden von den Polizeiorganen geduzt, in Ketten oder im Zeiſerlwagen nach Landsberg gebracht, das Ehrenwort von Arbeitern wird nicht angenommen. Es iſt Zeit, daß der Landtag mit der Schutzhaft und dem „General- ſtacheldrahtkommiſſar“, wie der Volksmund Herrn von Kahr getauft hat, Schluß macht; wir machen uns mit dieſen Dingen nur vor der ganzen Welt lächerlich. Mit Maſchinengewehren und Sand- ſäcken läßt ſich auf die Dauer nicht regieren. Hierauf unterzog der Antragſteller die Auf- enthaltsbeſchränkungen einer ſcharfen Kritik. Er tadelte, wie man General Ludendorff behandelt habe, und ſtellte feſt, dieſer habe nie ſein Ehrenwort gegeben, ſich nicht mehr an der völkiſchen Bewegung zu beteiligen. Eine uner- hörte, direkt ſtrafbare Handlung hat Herr von Kahr begangen, als er Ludendorff eine Sendung von 100 Dollars wegnehmen ließ und zur Lin- derung der Not minderbemittelter Kreiſe verwen- dete; auch in einem zweiten Fall hat Kahr über Spenden zugunſten der Putſchopfer eigenmächtig und rechtswidrig verfügt. Aus amerikaniſchen Briefſendungen an Ludendorff wurden weitere 550 Dollars weggenommen, von denen 50 für ein katholiſches Inſtitut beſtimmt waren. Auf erhobene Beſchwerde hat das Geſamtmini- ſterium jedes Eingreifen abgelehnt, ſich alſo ſelbſt entmannt. Die Ueberwachung Ludendorffs geht ſo weit, daß jeder Beſucher kontrolliert wird. Den Offizieren der Landes- polizei iſt der Verkehr mit Ludendorff dienſtlich unterſagt. Der preußiſche Major und Saarländer Braune wurde auf Anzeige ſeiner Hausfrau feſtgenommen und dann ausgewieſen, lediglich weil er Flugblätter beſaß und weil man bei ihm angefangene Briefe fand, in denen er dem Ge- richt vorgriff (!) und Herrn von Kahr als Hoch- verräter bezeichnete. Man hat auch hier wieder den „Ausländer“ vorgekehrt, obwohl es ein Unfug iſt, unſere deutſchen Brüder fortgeſetzt als „Gäſte“ zu bezeichnen. Man ſchlägt auch dem Stammes- gefühl der Egerländer ins Geſicht, wenn man den Sudetendeutſchen Kleo Pleyer ausweiſt. Abg. Aenderl (K. P. D.) begründete ſeinen Zuſatzantrag mit der abſoluten Schuldloſigkeit der fraglichen Kommuniſten, gegen die man die Schutzhaft verhängte, weil man nichts Strafbares gegen ſie vorzubringen hatte, das eine Straf- oder Unterſuchungshaft rechtfertigen würde. In Nürnberg wurde einem Kommuniſten das bei der Partei beſchlagnahmte Geld angeboten, wenn er ſeine Genoſſen verrate. (Hört!) Fortſetzung Donnerstag vormittags 9 Uhr. Auf unſere Anfrage, ob und in welcher Weiſe das Generalſtaatskommiſſariat zu obigen Angrif- fen Stellung nehmen würde, wird uns amtlich mitgeteilt: Die Ausführungen des Abg. Roth ſind zum Teil unrichtig, zum Teil enthalten ſie grobe Uebertreibungen. Im übrigen wird die Regie- rung morgen im Landtag eingehend Stellung dazu nehmen. Für das Wiederaufleben des Fremdenverkehrs Es iſt in letzter Zeit mancherlei geſchehen, um dem ſo notwendigen Wiederaufleben des Frem- denverkehrs die Wege zu ebnen. Die Stadt München hat die Differenzen zwiſchen Aus- ländern und Inländern bei Erhebung der Wohn- ſteuer aufgehoben, die Wohnſteuer ſelbſt gleich- heitlich auf 20 Prozent ermäßigt. Auch das Fi- nanzminiſterium hat die Gebühren für die Fremden herabgeſetzt auf 1 M bei einem Auf- enthalt bis zu drei Tagen und einen Höchſtſatz von 8 M bei einem Aufenthalt von acht Wochen. Das Miniſterium des Innern milderte den Vollzug der verſchiedenen anrüchigen Anord- nungen, insbeſondere hinſichtlich der perſönlichen Vorſtellung bei der Polizei. Die Reichseiſen- bahn hat Anordnung getroffen, daß die Per- ſonenzüge nach Partenkirchen und Tölz nicht mehr durch den Milchtransport belaſtet werden. Schließlich haben auch die Theater die Aus- nahmepreiſe für Ausländer aufgehoben. Trotzalledem verbleiben noch allerhand Wün- ſche, denen — gelegentlich der zum 16. Januar einberufenen Mitgliederverſammlung des Fremdenverkehrsvereins Mün- chen — Konſul Röckl Ausdruck verlieh: Die Polizei möge alle Beläſtigungen einwand- freier Fremder beſeitigen; insbeſondere die In- duſtrie muß gegen die bisherige Behandlung ihrer Kunden und Käufer Verwahrung einlegen. Hier- her gehören auch die Kontrollen in den Zügen, die mit Vorliebe um 4 Uhr morgens ſtattfinden, und die nächtlichen Kontrollen in den Hotels. Das Biſum auf Päſſe für Deutſchland muß auch für Bayern Gültigkeit haben. Im einzelnen beſteht Klage über die Nachtverbindung mit Berlin, der Schlafwagenzug wird vor allem vermißt. Eine Senkung der Fahrpreiſe erſcheint un- bedingt nötig. Koſtet doch eine Fahrt 2. Klaſſe München—Berlin 47 M, die um 100 Kilo- meter längere Strecke München—Genua aber nur 46,50 M. Vor allem aber erſcheint es not- wendig, München wieder ſeinen Platz im inter- nationalen Durchgangsverkehr zurückzuerobern; nichts iſt bezeichnender, als daß der Orient- expreßzug, der früher über München fuhr und heute über Arlberg—Innsbruck—Wien geht, ſofort einen willkommenen Zuſtrom von Auslän- dern brachte, als er wegen Schneeverwehung vor- übergehend über München geleitet werden mußte. Auf Auslandsgäſte hat die einſtige Fremdenſtadt München in letzter Zeit völlig verzichten müſſen! An die Penſionen und Hotels ergeht der Apell, die Preiſe den Weltmarktpreiſen umgehend anzu- paſſen; es iſt notwendig, den Ausländern die Möglichkeit zu zeigen, daß ſie bei uns nicht teurer leben als zu Hauſe. Die geänderte Geſamtwirtſchaftslage wurde von Profeſſor Morgenroth erläutert unter Betonung der Notwendigkeit einer klaren und folgerichtigen Einſtellung der Fremdenpoli- tik auf die neuen Verhältniſſe. Es liegt nicht außerhalb fremdenverkehrsfördernder Geſichts- punkte, wenn auch eine Verbilligung des Vorortverkehrs und des Telefonver- kehrs verlangt wird; es darf im Münchener Vorortverkehr nicht das Mehrfache der Berliner und Hamburger Vorortverkehrspreiſe verlangt werden. Wenn hinſichtlich des allgemeinen Preisniveaus zurzeit Deutſchland teurer iſt als die Nachbar- länder, ſo muß dies eine Uebergangserſchei- nung bleiben. München iſt im allgemeinen nicht teurer als vergleichbare andere Städte. Fälle, in denen Fremde in Südbayern überfordert werden, mögen dem Fremdenverkehrsverein gemeldet wer- den, damit Abhilfe geſchaffen werden kann. Wenn die Gaſtſtätten und Ladengeſchäfte bil- liger werden ſollen, iſt es notwendig, daß nicht nur bei ihnen, ſondern auch an den Quellen der Herkunft der verſchiedenen Gebrauchsgegenſtände Preiskontrolle erfolgt; die private Zwangswirtſchaft der großen Mo- nopolverbände iſt einzuſchränken, noch beſſer zu brechen. Das Verbot jedes Luxus und Vergnügens hat nicht die gewünſchte Wirkung. Hotelier Volkhart wies darauf hin, daß zu große Einfachheit und Abſtellung jeder Freude das Leben und Schaffen tötet, die Menſchen ver- bittert. Ein Viertel der Münchener Bevölkerung bezieht nach der Statiſtik heute Beihilfen aus Wohltätigkeit, die nur im Rahmen einer gewiſſen gehobenen Geſelligkeit aufgebracht werden können. In dieſem Zuſammenhange unterſtrich Mini- ſterialrat Ruckdeſchel, daß unſer Volk den Luxus Oſtſchweizer Kurorte heute moraliſch nicht ertragen könne. Einer maßvollen Geſelligkeit, für deren Entwicklung andere Redner die Auf- hebung des Tanzverbotes und die Ver- längerung der Polizeiſtunde nötig halten, iſt auch Miniſterialrat Ruckdeſchel nicht abhold. In ähnlichem Sinne äußerte ſich auch Herr Gruß, der ſich im übrigen mit der Preisgeſtaltung in München beſchäftigte. Nach ſeinen Darlegungen ſind die Münchener Gaſtſtätten im Durchſchnitt um 30 Prozent billiger als die norddeutſchen. Als Grund wurde angegeben, daß unſere Kalku- lation nicht in dem Maße überteuernde Momente zu beachten habe, wie ſie im Norden gang und gebe ſind, die Pſyche unſerer Vergnügungen ſcheide auch von vornherein das allzu Moderne und Snobiſtiſche aus. Die Währungsfrage wurde von einer Reihe von Rednern angeſchnit- ten, übereinſtimmend unter dem Geſichtspunkte, daß die Erhaltung des wertbeſtän- digen Geldes eine unbedingte Not- wendigkeit ſei, daß Beſtrebungen, unſere Währung ins Wanken zu bringen, mit allen Mitteln unterbunden werden müſſen. Erleich- terte Kreditbeſchaffung erſcheint auch für die am Fremdenverkehr unmittelbar inter- eſſierten Gewerbe höchſt wünſchenswert. Ueber Verkehrsfragen berichtete Kommerzienrat Fränkel in ſeiner Eigenſchaft als Mitglied des Reichseiſenbahn- rates. Er verlangte vor allem den Wieder- aus bau der Fahrpläne in einer Weiſe, die den natürlichen Anſprüchen Bayerns und ins- beſondere dem Intereſſe Bayerns am Verkehr über den Brenner Rechnung tragen. Frän- kel glaubte im übrigen einem allzu großen Opti- mismus in Hinſicht auf eine baldige Entwicklung des Fremdenverkehrs entgegentreten zu müſſen. In dieſem Zuſammenhange wurde auch vom Miniſterialrat Ruckdeſchel der Verluſt des Orientexpreßzuges für München bedauert und darauf hingewieſen, daß ſeitens der Staats- regierung hinter den Kuliſſen ein ſchwerer Kampf um die Belange des internationalen Verkehrs geführt werden müſſe; vielfach ſeien Machtfaktoren im Spiel, die eiferſüchtig auf Bayern ſind. Die Auffaſſung der Stadtgemeinde iſt bereits im Stadtrat zutage getreten; Rechtsrat Konrad verſicherte, daß die Stadtverwaltung alles aufbieten werde, um München ſeine frühere Stellung im internationalen Fremdenverkehr zurückzugewinnen. Wirtſchaftsſchranken innerhalb Deutſchlands erklärte der Vertreter der Stadtgemeinde für ein Unding, was den Fremden im übrigen Deutſchland recht und billig ſei, müſſe ihnen auch in Bayern und München zugeſtanden werden. à propos Fremdenverkehr ... Nach dem Bericht der Stadt Zürich über den Fremdenverkehr im Jahre 1923 betrug die Geſamtzahl der Hotelgäſte in den Zü- richer Gaſthäuſern und Penſionen über 275 000, womit die Friedensfrequenz von 1913 nicht nur wieder erreicht, ſondern ſogar um 5000 überſchritten iſt. In Zürich rührt der Mehrverkehr zum größten Teil aus Deutſch- land her. In St. Moritz übertrifft die Zahl von 4292 die bisherige Frequenz um rund 800 Gäſte. Unter den Anweſenden ſtehen an erſter Stelle die Deutſchen mit 1279 Perſonen. Wie der amtliche Bericht des Kurvereins von St. Moritz ſagt, hätten um die Weihnachtszeit ohne weiteres 1000 Betten mehr beſetzt werden können, wenn ſie zur Verfügung geſtanden wären. Aus den Parteien. Deutſche Demokratiſche Partei. Der Kreis- verband München der D.D.P. hielt am Dienstag abend im Kreuzbräu ſeine ordentliche Jahreshauptverſammlung ab, die von Rechtsrat Dr. Konrad geleitet wurde. Der Geſchäftsbericht von Stadtrat Weiß knüpfte an die Vorgänge an, die zum zweiten 8. November geführt haben, und drückte die Hoff- nung aus, daß die beginnende beſſere politiſche Einſicht auch zu einer gerechteren Beurteilung der Tätigkeit der Partei im Reich und in Bayern führen werde. Die Partei hatte ſchwer zu leiden unter der politiſchen Arbeitsunluſt und dem Man- gel an Bekennermut weiter Kreiſe. Mit der po- litiſchen Ernüchterung hat ſich die Zahl der Ein- tritte wieder ſehr erfreulich geyoben. Den Kern der Partei bilden gereifte Perſönlichkeiten, in der Jugendbewegung bleibt noch viel zu tun übrig. Die Verſammlung ehrte das Andenken an die verſtorbenen Mitglieder durch Erheben von den Sitzen. Beabſichtigt iſt, wie weiterhin aus dem Geſchäftsbericht hervorging, die Wiederaufnahme einer regeren Verſammlungstätigkeit und die Wiederbelebung der geſellſchaft- lichen und kulturellen Veranſtaltun- gen. Geſchäftsbericht und Kaſſenbericht wurden zur Kenntnis genommen. Stadtrat Weiß wurde für ſeine opferwillige Tätigkeit der Dank der Verſammlung ausgeſprochen. Stadtrat Hübſch hielt ſodann einen eingehen- den Vortrag über die Tätigkeit der demo- kratiſchen Stadtratsfraktion. Der Re- ferent gab zunächſt ein Bild der Parteiver- hältniſſe im Rathaus, wobei er feſtſtellte, daß die Sozialdemokratiſche Partei heute noch zu- ſammen mit der Bayeriſchen Volkspartei das Feld beherrſche, nachdem der Traum der roten Allein- herrſchaft mit U.S.P. und K.P.D. ausgeträumt war. Der gewaltige Widerſtand gegen die So- zialiſierungs- und Kommunaliſierungspolitik bis weit in die kleinbürgerlichen Kreiſe der Sozial- demokratie ließ dieſe ihre Pflöcke bedeutend zurück- ſtecken. Mit der Einigung der Sozialiſten begann die ſchwarzrote Finanzpolitik, deren Lockungen leider auch Jodlbauer und Humar nicht widerſtehen konnten. In dieſer zweiten Aera ſetzte die Macht der Referenten ein; von der „De- mokratiſierung“ der Verwaltung blieb nichts mehr übrig. Die demokratiſche Fraktion hat gegen all dieſe Dinge ſcharf Front gemacht. Zur Zeit iſt aber die Geheimhaltung aller Beſchlüſſe das kenn- zeichnende Moment und die „Bürgermeiſterpoli- tik“ in den verkleinerten Ausſchüſſen triumphiert. Die demokratiſche Partei iſt alſo auf ſich ſelbſt geſtellt; ſie treibt aber keine prinzipielle, ſondern ſtreng ſachliche Oppoſition. Auch als ſie 1923 gegen den Etat ſtimmte, tat ſie es unter Vorlage eines zweckmäßigen Abgleichungsplanes. Von Intereſſe wird nur ſein, wie die Bayeriſche Volkspartei vor den Wahlen die Loslöſung von der Sozialdemokratie vollziehen wird. Feſtzu- ſtellen iſt, daß die Politik der Fraktion durchaus getragen wurde von den berufenen Inſtanzen der Partei. Politiſche Anträge wurden wenig geſtellt und behandelt; hier wurde die Sozialdemokratiſche Partei abgebremſt. Auch zwang die Not der Zeit zur Beſchränkung auf wirtſchaftliche Debatten. Die Fraktion ſtand hier im ſchärfſten Kampf gegen die Sozialiſierung der nicht lukrativen Betriebe, Straßenreinigung, Rettungsdienſt und dergl.; ſie nahm auch Stellung gegen den Plan eines gemeindlichen Warenhauſes wie gegen die Kommunaliſerung des Bäckerge- werbes, der Plakatinſtitute, Kinos, des Fuhrweſens, der Apotheken. Wie recht ſie getan hat, beweiſt die ganze Entwicklung der Verhältniſſe, die nach dem allgemeinen Zu- ſammenbruch auf die Notwendigkeit der Frei- machung aller perſönlichen Kräfte hinweiſt. Was zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und der Vetriebe erforderlich war, wurde genehmigt. Im übrigen hat die Fraktion eine weitgehende Gewerbeförderungspolitik getrieben, das Handwerk und Gewerbe von über- flüſſigen Kontrollen befreit, die Ausdehnung der Regiebetriebe abgewehrt. Die „deklaſſierten“ Gruppen der Freien Berufe, Aerzte, Künſtler, Schriftſteller, die Sozial- und Kleinrentner haben die größte Für- ſorge der Fraktion erfahren. Bildung und Schule hat ſie mit aller Macht hochgehalten. Klar war ſtets auch die Stellung der Fraktion zu den Beamten- und Arbeiterfragen; als allererſte hat ſie die gleitende Lohnſkala vorge- ſchlagen, freilich auch die Angleichung der Einnah- men verlangt. Was damals verſäumt wurde, drückte ſich in der unheilvollen Gebührenpolitik aus. Rechtzeitig wurde der Abbau der Aemter verlangt. Im übri- gen ſteht die Fraktion in der Abbaufrage auf dem Standpunkt: Wenige und gute Beamte mit ausreichender Bezahlung! Die Fraktion vertritt weiterhin den raſchen Abbau der Wohnungszwangswirt- ſchaft, eine vernünftige Verkehrspo- litik, namentlich auf dem Gebiete der Straßen- bahn, eine zeitgemäße Fremdenverkehrspolitik. Ihre Haupttätigkeit aber konzentrierte ſich auf eine Reform der ſtädtiſchen Finanz- politik und der Führung der gemeindlichen Be- triebe. Hier waren maßgebend die Grundſätze: Keine Ausgabe ohne Deckung! Selbſterhaltung der ſtädtiſchen Betriebe! Wirtſchaftliche Führung! Die Fraktion hat gerade hier führend gearbeitet. Sie wird auch weiterhin alles einſetzen, die Inter- eſſen des Ganzen in der gemeindlichen Finanz- wie in der Steuerpolitik zu wahren und der Wohl- fahrt aller Gemeindebürger zu dienen. Das Referat fand wohlverdienten ſtürmiſchen Beifall. Deutſche Demokratiſche Partei. Donners- tag, 17. Januar, abends 8 Uhr, Geſellige Zuſammenkunft in der Gaſtſtätte Scho- laſtika, Ledererſtr. 25, Nebenzimmer. Der Landesausſchuß der Deutſchen Demokrati- ſchen Partei in Bayern tritt am Sonntag, den 20. Januar, mittags ½1 Uhr im Künſtler- haus zu Nürnberg zuſammen. Tagesord- nung: Die bevorſtehenden Wahlen.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine16_1924/7>, abgerufen am 21.11.2024.