Allgemeine Zeitung, Nr. 170, 18. Juni 1860.[Spaltenumbruch] Eroberungen machen wird. Gelingt es aber der französischen Politik in Baden- Die liberalen Blätter knüpfen an die Zusammenkunft die Forderung Oesterreich. Wien, 14 Jun. Von den kärnthischen Alpen her ertönt Wien, 15 Jun. Mit Spannung erwartet man die Prüfung der Der Professor des Staatsrechts und der Philosophie an der Grazer Schweiz. * St. Gallen, 15 Jun. Der Einsender des Artikels Ausdem baye- Großbritannien. London, 15 Jun. Das Haus der Gemeinen begann in seiner Nachmittagssitzung am Lord Byrons berühmtes Besitzthum, die Newstead-Abtei, wo er einen [Spaltenumbruch] Eroberungen machen wird. Gelingt es aber der franzöſiſchen Politik in Baden- Die liberalen Blätter knüpfen an die Zuſammenkunft die Forderung Oeſterreich. ⨉ Wien, 14 Jun. Von den kärnthiſchen Alpen her ertönt Wien, 15 Jun. Mit Spannung erwartet man die Prüfung der Der Profeſſor des Staatsrechts und der Philoſophie an der Grazer Schweiz. * St. Gallen, 15 Jun. Der Einſender des Artikels Ausdem baye- Großbritannien. London, 15 Jun. Das Haus der Gemeinen begann in ſeiner Nachmittagsſitzung am Lord Byrons berühmtes Beſitzthum, die Newſtead-Abtei, wo er einen <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <cit> <quote><pb facs="#f0005" n="2833"/><cb/> Eroberungen machen wird. Gelingt es aber der franzöſiſchen Politik in Baden-<lb/> Baden nicht, worauf es angelegt zu ſeyn ſcheint, Uneinigkeit und Mißtrauen unter<lb/> die Fürſten Deutſchlands zu ſäen, und die deutſchen Stämme vorweg für die näch-<lb/> ſten entſcheidenden Schläge in den Banden einer ſchimpflichen Neutralität gefangen<lb/> zu nehmen, dann werden auch wir mit Freuden von dem Tag in Baden-Baden<lb/> den Anfang einer „neuen Aera“ für unſer gemeinſames Vaterland datiren, — den<lb/> Aufang einer Entwicklung die den Franzoſen für immer die Thore Deutſchlands<lb/> verſchließt.“</quote> </cit><lb/> <p>Die liberalen Blätter knüpfen an die Zuſammenkunft die Forderung<lb/> daß die Mittelſtaaten ihre antipreußiſche Politik ändern müſſen, wenn von<lb/> Eintracht und Verſöhnung die Rede ſeyn ſoll, die preußiſche Regierung müſſe<lb/> auf die Entfernung der Miniſter der Mittelſtaaten dringen. Mehrere Blät-<lb/> ter laſſen ſich hiebei zu maßloſen Ausfällen gegen die deutſchen Fürſten hin-<lb/> reißen, eine Gereiztheit die nur aus dem Aerger darüber zu erklären iſt daß<lb/> die Verſtändigung zwiſchen den Cabinetten in erfreulicher Weiſe zur That-<lb/> ſache geworden iſt.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>⨉ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 14 Jun.</dateline> <p>Von den kärnthiſchen Alpen her ertönt<lb/> ein Nothſchrei der Induſtrie und zugleich eine Anklage gegen die franzöſiſche Ge-<lb/> ſellſchaft welcher das ſüdliche öſterreichiſche Bahnnetz zum Ausbau übertragen<lb/> wurde. Damals hatte man gehofft der Bau der croatiſchen, kärnthiſchen und<lb/> Orientbahn werde jetzt raſcher von ſtatten gehen. Ja der damalige Finanz-<lb/> miniſter ſoll dieß in ſeiner Vorſtellung an den Kaiſer ausdrücklich geltend ge-<lb/> macht haben, aber jetzt gehen die Bauten ſchläfriger als je vor ſich. An die<lb/> Kärntherbahn ſcheint man gar nicht denken zu wollen, und wie es mit der<lb/> Brennerbahn ausſieht weiß niemand zu ſagen. Die HH. Franzoſen ſcheinen<lb/> ſich in unſerm Oeſterreich als außerhalb des Geſetzes ſtehend zu betrachten. Hr.<lb/> v. Bruck hatte die Südbahn nicht den Leitern des Cr<hi rendition="#aq">é</hi>dit mobilier übertragen<lb/> wollen; er hatte zu dieſer Clique kein Vertrauen. Wahrſcheinlich hatte ihn<lb/> das Beiſpiel gewarnt welches beim Verkauf der nördlichen Staatsbahnen vor-<lb/> angegangen. Noch nach Abſchluß des Geſchäfts hatten die HH. Pereire von<lb/> dem damaligen Miniſter des Innern neue Conceſſionen erzwungen. Es ſind<lb/> dieſelben welche jetzt von den Gründern unter der Maske ſogenannter Genuß-<lb/> actien verfilbert werden ſollen. Bruck wollte mit Pereire nichts zu thun haben;<lb/> er glaubte mit Rothſchild, der ſich an die Spitze der Südbahngeſellſchaft geſtellt<lb/> hatte, eine größere Garantie für die Ausführung des Vertrags zu erblicken;<lb/> aber es hat das Anſehen als ob er ſich geirrt habe. Die Franzoſen haben ſich<lb/> in der Fremde zuſammengefunden; die ſüdliche und nördliche Geſellſchaft haben<lb/> ſich die Hand gereicht. Die ſüdliche Geſellſchaft hat ebenſo wie die nördliche<lb/> die deutſche Bahn dazu benützt eine Anzahl von brodbedürftigen, eben nicht<lb/> außerordentlich befähigten Leuten anzuſtellen. In den unterſten Claſſen der<lb/> Bedienſteten, wo karge Gehalte ſind, hat man wohl Deutſche gelaſſen, aber<lb/> die höhern ſehr fett dotirten Poſten hat Hr. Pereire an ſeine Landsleute<lb/> vertheilt. Von allen Conceſſionen welche der Vertrag geſtattete, iſt der aus-<lb/> giebigſte Gebrauch gemacht worden. Man hat die Frachtſätze erhöht, hat ſich<lb/> zur Compenſirung des Agio’s einen hohen Zuſchlag beigelegt. Aber mit der Fort-<lb/> ſetzung des Bahnbaues zögert man ſo viel als möglich. Daß man die Kärnther-<lb/> bahn, die noch ſtrategiſche Wichtigkeit für den öſterreichiſchen Beſitzſtand in<lb/> Italien hat, am meiſten vernachläſſigt, iſt ſogar ein bedenkliches Symptom.<lb/> Frhr. v. Bruck hatte einer Deputation der Kärnther Handelskammer vor einigen<lb/> Monaten verſprochen daß die Bahn bis Klagenfurt bis zum Jahr 1862 und<lb/> jene bis Billach bis zum Jahr 1863 vollendet ſeyn werde. Nun Bruck todt<lb/> iſt, ſagen die Leiter der Südbahn: es hat Zeit wenn wir den Kärnther Flügel<lb/> bis zum Jahr 1864 vollenden. Dabei leiden die Kärnther Eiſengewerke ſehr.<lb/> Es haben Arbeiterentlaſſungen <hi rendition="#aq">en masse</hi> ſtattgefunden. Wie es ſcheint, will<lb/> man daß die heimiſchen Gewerke eingehen; dann wird man ſagen: wir können<lb/> im Inland den Bedarf nicht decken, alſo müſſen wir zu ausländiſchen Fabriken<lb/> unſere Zuflucht nehmen. Wir haben bisher wenig Glück mit den Franzoſen<lb/> gehabt. Ihre Allianz im Krimkriege hat uns die Lombardei gekoftet. Ihre<lb/> Leitung unſerer Bahnen drückt unſere Induſtrie und unſern Verkehr, anſtatt<lb/> ſie zu beleben.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 15 Jun.</dateline> <p>Mit Spannung erwartet man die Prüfung der<lb/> Ausgaben des Cultus- und Unterrichtsminiſteriums durch den Reichsrath.<lb/> Die Schulmänner Oeſterreichs hatten gehofft, der Etat für den Unterricht<lb/> werde wohl ſtatt der bisherigen Summe von anderthalb Millionen wenigſtens<lb/> auf das Doppelte erhöht und die Erſparungen bloß betreffs der Cultusange-<lb/> legenheiten gemacht werden. Wie der <hi rendition="#g">Wanderer</hi> jedoch vernimmt, find<lb/> nicht unbedeutende Summen im Unterrichtsbudget geſtrichen worden, daher<lb/> viele Lehranſtalten ihre Ausgaben bedeutend werden vermindern müſſen.<lb/> Unter dieſen Anſtalten ſollen auch das hieſige polytechniſche Inſtitut und<lb/> ſämmtliche Realſchulen wie endlich Induſtrieſchulen erſcheinen. Hoffentlich<lb/> iſt dieß ein bloßes Gerücht. Die Beſtätigung der Nachricht wäre um ſo be-<lb/> dauerlicher, als das Unterrichtsweſen in Oeſterreich unläugbar in den letzten<lb/> Jahren einen ſehr bedeutenden Aufſchwung genommen hat. Was das Volks-<lb/> ſchulweſen betrifft, ſo ſey auf die vor kurzem in der Wiener Zeitung erſchienene<lb/> Reihe von Aufſätzen verwieſen, in welchen an der Hand der Thatſachen nach-<lb/> gewieſen wurde daß das Volksſchulweſen Oeſterreichs ſich in einem großartigen<lb/> Proceß der Entwicklung in den öſtlichen und der Vervollkommnung in den<lb/><cb/> weſtlichen Kronländern befindet, daß die heilſamſten Erfolge überall wahrzu-<lb/> nehmen ſind und mit jedem Jahr ſich vermehren. Diejenigen Summen welche<lb/> der Staat auf das Unterrichtsweſen verwendet, werden ihm ſicher mit Zins<lb/> und Zinſeszinſen wieder eingebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Der Profeſſor des Staatsrechts und der Philoſophie an der Grazer<lb/> Univerſität, Prof. <hi rendition="#g">Ahrens,</hi> hat von der ſächſiſchen Regierung einen glänzen-<lb/> den Antrag für die Leipziger Hochſchule erhalten. Prof. Ahrens, der noch<lb/> keinen definitiven Entſchluß gefaßt hat, iſt mit einem kurzen Urlaub nach<lb/> Leipzig gereist, um das Terrain der ihm angebotenen Wirkſamkeit kennen zu<lb/> lernen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">St. Gallen,</hi> 15 Jun.</dateline> <p>Der Einſender des Artikels <hi rendition="#g">Ausdem baye-<lb/> riſchen Schwaben</hi> in Nr. 164 Ihres verehrl. Blattes vom 12 d. hatte<lb/> bezüglich ſeiner Bemerkungen über den neuen Fahrtenplan der bayeriſchen<lb/> Dampfſchiffe zweifelsohne nur die Erzielung einer befferen Verbindung zwi-<lb/> ſchen Mitteldeutſchland und Italien über Lindau im Auge; es iſt aber derſelbe<lb/> in ſeinem Eifer für die gute Sache zu weit gegangen, indem er bei ſeinen<lb/> Angaben die <hi rendition="#g">Abendpoſt von Chur nach Mailand</hi> gänzlich über-<lb/> ſehen hat, welch letztere über Lindau eine ganz geeignete Verbindung mit Mai-<lb/> land und den übrigen italieniſchen Plätzen herſtellt. Wir find daher im Falle<lb/> ſeine Angaben mit folgenden authentiſchen Ziffern zu widerlegen. Von Lindau<lb/> nach Mailand beſtehen folgende Verbindungen: Abgang Lindau 1 Uhr 15 M.<lb/> Nachmittags; Ankunft Rorſchach 2 U. 30 M., in Chur 6 U. 26 M. Abends.<lb/> Abgang von Chur 6 U. 40 M. Abends, Ankunft in Mailand 6 Uhr am fol-<lb/> genden Morgen. Nach dieſem Plan wird betreffende Tour in <hi rendition="#g">29 Stunden</hi><lb/> zurückgelegt, und nimmt man München als Abgangspunkt an, in <hi rendition="#g">34¾ Stun-<lb/> den.</hi> Eine zweite Tour iſt folgende: Abgang Lindau 7 Uhr Morgens; An-<lb/> kunft Rorſchach 8 U. 15 M., Ankunft <hi rendition="#g">Chur</hi> 3 U. Abends. Abgang Chur<lb/> 6 U. 40 M., Ankunft Mailand am folgenden Abend um 6 Uhr, folglich in<lb/> 35 Stunden; endlich dritte Tour: Abgang Lindau 5 Uhr Abends, in Ror-<lb/> ſchach 6 U. 15 M. Morgens, in Chur 9 U. 55 M. Morgens; Ankunft in<lb/> Mailand am folgenden Morgen um 8 Uhr nach einer Reiſe von 39<lb/> Stunden; es iſt alſo ſogar Auswahl vorhanden. Von Mailand nach Lindau<lb/> iſt der günftigſte Curs der nachſtehende: Abgang Mailand 5 U. 15 M. Mor-<lb/> gens, Abgang Chur des andern Morgens um 5 U., in Rorſchach 8 U. 15 M.;<lb/> Ankunft in Lindau um 9 U. 30 M. Morgens, ſomit dieſe Retourfahrt inner-<lb/> halb 27½ Stunden zurückgelegt, und endlich Ankunft in München 9 U. 45 M.,<lb/> folglich in 37⅔ Stunden ab Mailand. Wir erachten es im Intereſſe des rei-<lb/> ſenden Publicums ſowohl als auch im Jntereſſe der bayeriſchen Bahn dieſe<lb/> Berichtigung zu geben, ohne daß wir der Lindauer Dampfſchifffahrt damit<lb/> Roſen ſtreuen wollen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 15 Jun.</dateline> <p>Das <hi rendition="#g">Haus der Gemeinen</hi> begann in ſeiner Nachmittagsſitzung am<lb/> 13 Jun. (Mittwoch) die Committeeberathung über die „Bergwerks-Regelungs-<lb/> und Beaufſichtigungs-Bill,“ welche von der Regierung eingebracht iſt. Die<lb/> erſte Beſtimmung der Bill lautet daß Kinder unter 12 Jahren in keiner Grube<lb/> beſchäftigt werden dürfen, außer wenn ſie ein Zeugniß beibringen daß ſie des<lb/> Leſens und Schreibens kundig find. Hr. <hi rendition="#g">Paget</hi> ſtellt hiergegen das Amende-<lb/> ment „unter 13 Jahren“ anſtatt 12 zu ſetzen; dieß wurde jedoch mit 178 gegen<lb/> 71 Stimmen verworfen. Hr. <hi rendition="#g">Liddell</hi> beantragt die Beſtimmung ganz und<lb/> gar wegzulaſſen. Lord Vane <hi rendition="#g">Tempeſt</hi> unterſtützt das Amendement, welches<lb/> aber mit 180 gegen 91 Stimmen verneint wird. Alſo bleibt die erſte Clauſel<lb/> ſtehen. Zur zweiten ſtellt Hr. <hi rendition="#g">Kinnaird</hi> das Amendement daß kein Knabe<lb/> unter 14 Jahren in einer Kohlen- oder Erzgrube länger als acht Stunden<lb/> per Tag beſchäftigt werden ſoll. Dieſes Amendement wird mit 146 gegen<lb/> 77 Stimmen <hi rendition="#g">verworfen.</hi> Darnach wurde die Detailberathung vertagt.<lb/> (Die Parlamentsſitzungen vom 14 morgen.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Lord Byrons berühmtes Beſitzthum, die <hi rendition="#g">Newſtead-Abtei,</hi> wo er einen<lb/> Theil ſeiner Jugend verlebt, wurde denn am 13 Jun. wirklich unter dem<lb/> Hammer verkauft. Dieſes in der Grafſchaft Nottingham gelegene Gut um-<lb/> faßt 3226 Morgen Landes, darunter viel Wald, Parkland mit großen Teichen<lb/> und Wieſengrund. Inmitten die unter Heinrich <hi rendition="#aq">II</hi> gegründete ehrwürdige<lb/> Abtei, die durch eine königliche Schenkung das Eigenthum der Byron’ſchen<lb/> Familie wurde. Das ganze Beſitzthum war im Jahr 1818 von Lord Byrons<lb/> Jugendfreund und Schulkameraden, dem Oberſten Wildman, für 96,000<lb/> Pf. St. angekauft, und bis zu ſeinem im vorigen Jahr erfolgten Tode beſeſſen<lb/> worden. Er hatte auf Verſchönerungen und Verbeſſerungen in dieſem Zeit-<lb/> raum, wie es heißt, an 200,000 Pft. St. verausgabt; trotzdem ſtieg das<lb/> höchſte Angebot am 13 nicht über 121,000 Pf. St., und ſo wurde das Gut<lb/> von dem gegenwärtigen Beſitzer wieder zurückgekauft. Es hatten fich<lb/> viele Gentlemen eingefunden um der Verſteigerung beizuwohnen, aber<lb/> ſo groß wie im Jahr 1818 war das Intereſſe am Verkaufsact<lb/> lange nicht. Dazumal war der Andrang ſo groß, daß das Haus,<lb/> in dem die Verſteigerung vorgenommen wurde, mit Balken geſtützt<lb/> werden mußte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2833/0005]
Eroberungen machen wird. Gelingt es aber der franzöſiſchen Politik in Baden-
Baden nicht, worauf es angelegt zu ſeyn ſcheint, Uneinigkeit und Mißtrauen unter
die Fürſten Deutſchlands zu ſäen, und die deutſchen Stämme vorweg für die näch-
ſten entſcheidenden Schläge in den Banden einer ſchimpflichen Neutralität gefangen
zu nehmen, dann werden auch wir mit Freuden von dem Tag in Baden-Baden
den Anfang einer „neuen Aera“ für unſer gemeinſames Vaterland datiren, — den
Aufang einer Entwicklung die den Franzoſen für immer die Thore Deutſchlands
verſchließt.“
Die liberalen Blätter knüpfen an die Zuſammenkunft die Forderung
daß die Mittelſtaaten ihre antipreußiſche Politik ändern müſſen, wenn von
Eintracht und Verſöhnung die Rede ſeyn ſoll, die preußiſche Regierung müſſe
auf die Entfernung der Miniſter der Mittelſtaaten dringen. Mehrere Blät-
ter laſſen ſich hiebei zu maßloſen Ausfällen gegen die deutſchen Fürſten hin-
reißen, eine Gereiztheit die nur aus dem Aerger darüber zu erklären iſt daß
die Verſtändigung zwiſchen den Cabinetten in erfreulicher Weiſe zur That-
ſache geworden iſt.
Oeſterreich.
⨉ Wien, 14 Jun. Von den kärnthiſchen Alpen her ertönt
ein Nothſchrei der Induſtrie und zugleich eine Anklage gegen die franzöſiſche Ge-
ſellſchaft welcher das ſüdliche öſterreichiſche Bahnnetz zum Ausbau übertragen
wurde. Damals hatte man gehofft der Bau der croatiſchen, kärnthiſchen und
Orientbahn werde jetzt raſcher von ſtatten gehen. Ja der damalige Finanz-
miniſter ſoll dieß in ſeiner Vorſtellung an den Kaiſer ausdrücklich geltend ge-
macht haben, aber jetzt gehen die Bauten ſchläfriger als je vor ſich. An die
Kärntherbahn ſcheint man gar nicht denken zu wollen, und wie es mit der
Brennerbahn ausſieht weiß niemand zu ſagen. Die HH. Franzoſen ſcheinen
ſich in unſerm Oeſterreich als außerhalb des Geſetzes ſtehend zu betrachten. Hr.
v. Bruck hatte die Südbahn nicht den Leitern des Crédit mobilier übertragen
wollen; er hatte zu dieſer Clique kein Vertrauen. Wahrſcheinlich hatte ihn
das Beiſpiel gewarnt welches beim Verkauf der nördlichen Staatsbahnen vor-
angegangen. Noch nach Abſchluß des Geſchäfts hatten die HH. Pereire von
dem damaligen Miniſter des Innern neue Conceſſionen erzwungen. Es ſind
dieſelben welche jetzt von den Gründern unter der Maske ſogenannter Genuß-
actien verfilbert werden ſollen. Bruck wollte mit Pereire nichts zu thun haben;
er glaubte mit Rothſchild, der ſich an die Spitze der Südbahngeſellſchaft geſtellt
hatte, eine größere Garantie für die Ausführung des Vertrags zu erblicken;
aber es hat das Anſehen als ob er ſich geirrt habe. Die Franzoſen haben ſich
in der Fremde zuſammengefunden; die ſüdliche und nördliche Geſellſchaft haben
ſich die Hand gereicht. Die ſüdliche Geſellſchaft hat ebenſo wie die nördliche
die deutſche Bahn dazu benützt eine Anzahl von brodbedürftigen, eben nicht
außerordentlich befähigten Leuten anzuſtellen. In den unterſten Claſſen der
Bedienſteten, wo karge Gehalte ſind, hat man wohl Deutſche gelaſſen, aber
die höhern ſehr fett dotirten Poſten hat Hr. Pereire an ſeine Landsleute
vertheilt. Von allen Conceſſionen welche der Vertrag geſtattete, iſt der aus-
giebigſte Gebrauch gemacht worden. Man hat die Frachtſätze erhöht, hat ſich
zur Compenſirung des Agio’s einen hohen Zuſchlag beigelegt. Aber mit der Fort-
ſetzung des Bahnbaues zögert man ſo viel als möglich. Daß man die Kärnther-
bahn, die noch ſtrategiſche Wichtigkeit für den öſterreichiſchen Beſitzſtand in
Italien hat, am meiſten vernachläſſigt, iſt ſogar ein bedenkliches Symptom.
Frhr. v. Bruck hatte einer Deputation der Kärnther Handelskammer vor einigen
Monaten verſprochen daß die Bahn bis Klagenfurt bis zum Jahr 1862 und
jene bis Billach bis zum Jahr 1863 vollendet ſeyn werde. Nun Bruck todt
iſt, ſagen die Leiter der Südbahn: es hat Zeit wenn wir den Kärnther Flügel
bis zum Jahr 1864 vollenden. Dabei leiden die Kärnther Eiſengewerke ſehr.
Es haben Arbeiterentlaſſungen en masse ſtattgefunden. Wie es ſcheint, will
man daß die heimiſchen Gewerke eingehen; dann wird man ſagen: wir können
im Inland den Bedarf nicht decken, alſo müſſen wir zu ausländiſchen Fabriken
unſere Zuflucht nehmen. Wir haben bisher wenig Glück mit den Franzoſen
gehabt. Ihre Allianz im Krimkriege hat uns die Lombardei gekoftet. Ihre
Leitung unſerer Bahnen drückt unſere Induſtrie und unſern Verkehr, anſtatt
ſie zu beleben.
Wien, 15 Jun. Mit Spannung erwartet man die Prüfung der
Ausgaben des Cultus- und Unterrichtsminiſteriums durch den Reichsrath.
Die Schulmänner Oeſterreichs hatten gehofft, der Etat für den Unterricht
werde wohl ſtatt der bisherigen Summe von anderthalb Millionen wenigſtens
auf das Doppelte erhöht und die Erſparungen bloß betreffs der Cultusange-
legenheiten gemacht werden. Wie der Wanderer jedoch vernimmt, find
nicht unbedeutende Summen im Unterrichtsbudget geſtrichen worden, daher
viele Lehranſtalten ihre Ausgaben bedeutend werden vermindern müſſen.
Unter dieſen Anſtalten ſollen auch das hieſige polytechniſche Inſtitut und
ſämmtliche Realſchulen wie endlich Induſtrieſchulen erſcheinen. Hoffentlich
iſt dieß ein bloßes Gerücht. Die Beſtätigung der Nachricht wäre um ſo be-
dauerlicher, als das Unterrichtsweſen in Oeſterreich unläugbar in den letzten
Jahren einen ſehr bedeutenden Aufſchwung genommen hat. Was das Volks-
ſchulweſen betrifft, ſo ſey auf die vor kurzem in der Wiener Zeitung erſchienene
Reihe von Aufſätzen verwieſen, in welchen an der Hand der Thatſachen nach-
gewieſen wurde daß das Volksſchulweſen Oeſterreichs ſich in einem großartigen
Proceß der Entwicklung in den öſtlichen und der Vervollkommnung in den
weſtlichen Kronländern befindet, daß die heilſamſten Erfolge überall wahrzu-
nehmen ſind und mit jedem Jahr ſich vermehren. Diejenigen Summen welche
der Staat auf das Unterrichtsweſen verwendet, werden ihm ſicher mit Zins
und Zinſeszinſen wieder eingebracht.
Der Profeſſor des Staatsrechts und der Philoſophie an der Grazer
Univerſität, Prof. Ahrens, hat von der ſächſiſchen Regierung einen glänzen-
den Antrag für die Leipziger Hochſchule erhalten. Prof. Ahrens, der noch
keinen definitiven Entſchluß gefaßt hat, iſt mit einem kurzen Urlaub nach
Leipzig gereist, um das Terrain der ihm angebotenen Wirkſamkeit kennen zu
lernen.
Schweiz.
* St. Gallen, 15 Jun. Der Einſender des Artikels Ausdem baye-
riſchen Schwaben in Nr. 164 Ihres verehrl. Blattes vom 12 d. hatte
bezüglich ſeiner Bemerkungen über den neuen Fahrtenplan der bayeriſchen
Dampfſchiffe zweifelsohne nur die Erzielung einer befferen Verbindung zwi-
ſchen Mitteldeutſchland und Italien über Lindau im Auge; es iſt aber derſelbe
in ſeinem Eifer für die gute Sache zu weit gegangen, indem er bei ſeinen
Angaben die Abendpoſt von Chur nach Mailand gänzlich über-
ſehen hat, welch letztere über Lindau eine ganz geeignete Verbindung mit Mai-
land und den übrigen italieniſchen Plätzen herſtellt. Wir find daher im Falle
ſeine Angaben mit folgenden authentiſchen Ziffern zu widerlegen. Von Lindau
nach Mailand beſtehen folgende Verbindungen: Abgang Lindau 1 Uhr 15 M.
Nachmittags; Ankunft Rorſchach 2 U. 30 M., in Chur 6 U. 26 M. Abends.
Abgang von Chur 6 U. 40 M. Abends, Ankunft in Mailand 6 Uhr am fol-
genden Morgen. Nach dieſem Plan wird betreffende Tour in 29 Stunden
zurückgelegt, und nimmt man München als Abgangspunkt an, in 34¾ Stun-
den. Eine zweite Tour iſt folgende: Abgang Lindau 7 Uhr Morgens; An-
kunft Rorſchach 8 U. 15 M., Ankunft Chur 3 U. Abends. Abgang Chur
6 U. 40 M., Ankunft Mailand am folgenden Abend um 6 Uhr, folglich in
35 Stunden; endlich dritte Tour: Abgang Lindau 5 Uhr Abends, in Ror-
ſchach 6 U. 15 M. Morgens, in Chur 9 U. 55 M. Morgens; Ankunft in
Mailand am folgenden Morgen um 8 Uhr nach einer Reiſe von 39
Stunden; es iſt alſo ſogar Auswahl vorhanden. Von Mailand nach Lindau
iſt der günftigſte Curs der nachſtehende: Abgang Mailand 5 U. 15 M. Mor-
gens, Abgang Chur des andern Morgens um 5 U., in Rorſchach 8 U. 15 M.;
Ankunft in Lindau um 9 U. 30 M. Morgens, ſomit dieſe Retourfahrt inner-
halb 27½ Stunden zurückgelegt, und endlich Ankunft in München 9 U. 45 M.,
folglich in 37⅔ Stunden ab Mailand. Wir erachten es im Intereſſe des rei-
ſenden Publicums ſowohl als auch im Jntereſſe der bayeriſchen Bahn dieſe
Berichtigung zu geben, ohne daß wir der Lindauer Dampfſchifffahrt damit
Roſen ſtreuen wollen.
Großbritannien.
London, 15 Jun. Das Haus der Gemeinen begann in ſeiner Nachmittagsſitzung am
13 Jun. (Mittwoch) die Committeeberathung über die „Bergwerks-Regelungs-
und Beaufſichtigungs-Bill,“ welche von der Regierung eingebracht iſt. Die
erſte Beſtimmung der Bill lautet daß Kinder unter 12 Jahren in keiner Grube
beſchäftigt werden dürfen, außer wenn ſie ein Zeugniß beibringen daß ſie des
Leſens und Schreibens kundig find. Hr. Paget ſtellt hiergegen das Amende-
ment „unter 13 Jahren“ anſtatt 12 zu ſetzen; dieß wurde jedoch mit 178 gegen
71 Stimmen verworfen. Hr. Liddell beantragt die Beſtimmung ganz und
gar wegzulaſſen. Lord Vane Tempeſt unterſtützt das Amendement, welches
aber mit 180 gegen 91 Stimmen verneint wird. Alſo bleibt die erſte Clauſel
ſtehen. Zur zweiten ſtellt Hr. Kinnaird das Amendement daß kein Knabe
unter 14 Jahren in einer Kohlen- oder Erzgrube länger als acht Stunden
per Tag beſchäftigt werden ſoll. Dieſes Amendement wird mit 146 gegen
77 Stimmen verworfen. Darnach wurde die Detailberathung vertagt.
(Die Parlamentsſitzungen vom 14 morgen.)
Lord Byrons berühmtes Beſitzthum, die Newſtead-Abtei, wo er einen
Theil ſeiner Jugend verlebt, wurde denn am 13 Jun. wirklich unter dem
Hammer verkauft. Dieſes in der Grafſchaft Nottingham gelegene Gut um-
faßt 3226 Morgen Landes, darunter viel Wald, Parkland mit großen Teichen
und Wieſengrund. Inmitten die unter Heinrich II gegründete ehrwürdige
Abtei, die durch eine königliche Schenkung das Eigenthum der Byron’ſchen
Familie wurde. Das ganze Beſitzthum war im Jahr 1818 von Lord Byrons
Jugendfreund und Schulkameraden, dem Oberſten Wildman, für 96,000
Pf. St. angekauft, und bis zu ſeinem im vorigen Jahr erfolgten Tode beſeſſen
worden. Er hatte auf Verſchönerungen und Verbeſſerungen in dieſem Zeit-
raum, wie es heißt, an 200,000 Pft. St. verausgabt; trotzdem ſtieg das
höchſte Angebot am 13 nicht über 121,000 Pf. St., und ſo wurde das Gut
von dem gegenwärtigen Beſitzer wieder zurückgekauft. Es hatten fich
viele Gentlemen eingefunden um der Verſteigerung beizuwohnen, aber
ſo groß wie im Jahr 1818 war das Intereſſe am Verkaufsact
lange nicht. Dazumal war der Andrang ſo groß, daß das Haus,
in dem die Verſteigerung vorgenommen wurde, mit Balken geſtützt
werden mußte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |