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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 20 Donnerstag, den 24. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(24. Fortsetzung)

[Spaltenumbruch]

"Was glauben Sie," meinte der Assessor,
"ist das Fallenstellen wohl geglückt?"

"Das glaube ich schon. Wenn der, den
wir suchen, überhaupt dort oben in den
Sälen herumläuft, haben wir seine Nase
schön auf den Köder gestoßen. Warum soll
er nicht auch anbeißen?"

"Warten wir es ab!" meinte Lund, äch-
zend in Zweifeln.

"Es wird uns nichts anderes übrigbleiben,"
entgegnete Frank fröhlich. Er reichte dem
Assessor die Hand. "In einer Stunde er-
warte ich Sie. Kommen Sie nicht später.
Es könnte sein, daß von gegnerischer Seite
in der Nähe der Wohnung Wachen aufge-
stellt werden -- so gegen Morgen -- um
meine Abreise im Auto zu beobachten."

Lund drückte dem Iren die Rechte. "Ver-
lassen Sie sich darauf, ich komme von
Spähern ungesehen in den Bau, zusammen
mit Jonas und Schilling. Meinen Sie nicht,
ich sollte einen dritten Beamten mitnehmen,
weil doch der eine als Darsteller ihrer Per-
son das Haus morgen früh wieder verläßt?"

"Nicht nötig," versicherte Morris. "Wir
werden zu viert sein. Das genügt."

"So wäre denn alles erledigt," amtete der
Assessor auf. "Das Auto?"

"-- ist für halb neun Uhr bestellt. Der
Chauffeur ist gewandt und gewissenhaft.
Auf Wiedersehen in einer Stunde."

Morris schritt rasch dem Ausgang zu,
während Lund gemächlich die Treppe erstieg.
Auf halber Höhe erreichte ihn ein Mann,
der ihm nachgelaufen kam und ihn anrief.
Es war der Kriminalschutzmann Sänger.

"Was bringen Sie?" forschte Lund.
"Haben Sie Nachtdienst heute?"

Der Mann bejahte und überreichte ein Te-
legramm. Der Assessor brach es auf. Es
lautete dahin, daß eine amerikanische Fäl-
scherbande in Marseille von französischen
Behörden verhaftet sei. Gefunden Fälscher-
[Spaltenumbruch] werkzeug zur Herstellung dänischer Bank-
noten.

Lund ließ die Depesche sinken und hatte
das Gefühl, als löste sich ein kunstvoller
Bau, den er geschaffen, in Rauch auf, der
noch im Verwehen höhnische Fratzen zog.

"Lesen Sie," sagte er heiser zu dem Be-
amten. Der tat, wie befohlen. Dann starrte
er ratlos umher. Endlich murmelte er, um
nur etwas zu sagen: "Die Nachricht kommt
von Paris -- da hat die Marseiller Polizei
sich dorthin gewendet -- natürlich -- an
die Landeshauptstadt ..."

Leute kamen die Treppe herunter. Die
beiden konnten hier nicht länger stehen.

Lund entließ den Beamten. Dann ging
er wie im Traum hinauf in die Säle. Wäre
Morris nur noch dal dachte er. Wir sind
ganz entsetzlich in die Irre gegangen. Diese
Menschen hier -- gerade diese hier! -- un-
terfangen wir uns zu verdächtigen. Und
dabei besteht die größte Wahrscheinlichkeit,
daß die echten Gauner Hunderte von Kilo-
metern entfernt hinter Schloß und Riegel
sitzen.

Aber wie --? Wenn unsere Stadt ein Ab-
satzgebiet für sie ist, müssen doch auch hier
Mitglieder der Truppe sein? Amerikaner?
-- Keiner von den wenigen, die hier leben,
hat sich mir je verdächtig gemacht.

Er schlenderte planlos, und alles wankte
um ihn her. Sein Verlangen, Morris zu
sprechen, an ihm einen Rückhalt zu finden,
wurde immer stärker.

Endlich verabschiedete er sich kurz
entschlosen, obwohl es noch zu früh war, um
sich in des Malers Atelier zu schlagen. Aber
hier oben, bei den Menschen, hielt er es nicht
mehr aus. Er fühlte sich schrecklich unsicher
zwischen ihnen -- glaubte, ihnen etwas ab-
bitten zu müssen.

In der Garderobe traf er auf Ussing.
"Gehen Sie auch schon, Herr Assessor?" er-
[Spaltenumbruch] kundigte sich der. "Mir ist es heute wieder
mal zu dürr und dämlich. Je größer das
Fest, desto größer der Stumpfsinn."

Weil Lund, ganz in Gedanken, zu ant-
worten vergaß, neckte ihn der Offizier:
"Was haben Sie nur? Reden nicht und
piepsen nicht und kriechen in den Mantel
mit der hastigen Bewegung des bleichen Ver-
brechers. Das bringt wohl der häufige Ver-
kehr mit dieser Menschensorte mit sich."

Lund lachte gezwungen. Ussing schob
freundschaftlich seinen Arm unter den des
Assessors. "Ist Ihnen die Petersilie völlig
verhagelt? Kommen Sie mit in ein Cafe,
Schnäpse oder sonst was Schönes trinken.
Ich fühle die Samariterpflicht, Sie wieder
hoch zu richten."

Lund sah nach der Uhr. Punkt zwölf
wollte er mit seinen Untergebenen, Jonas
und Schilling, an einer Straßenecke zusam-
menstoßen.

Bis dahin mußten noch drei Viertelstun-
den vergehen! Und obendrein regnete es.
Was sollte man anfangen mit dieser un-
brauchbaren Zeit?

"Ich komme mit," sagte er.

"Bravo! Der Entschluß allein bedeutet
einen Schritt zur Genesung," rief Ussing
lachend.

Die beiden Männer, der Offizier in den
Assessor eingehakt, entfernten sich in der
Richtung gegen die Innenstadt.

8.

Auf der Lauer.

"Beruhigen Sie sich nur, lieber Lund,"
sagte Morris, während er sich die Krawatte
knüpfte vor dem großen Spiegel im Atelier.

"Das Telegramm von gestern abend aus
Paris ist nicht so schlimm. In den aller-
nächsten Stunden muß ja eine Entscheidung
fallen -- so oder anders. Und sollten wir
heute hier aben keinen lieben Besuch bekom-
men, dann haben Sie immer noch Zeit ge-
nug, sich mit Marseille in Verbindung zu
setzen und sämtliche Amerikaner der Stadt
verhaften und schinden zu lassen."

Lund zeigte sich wenig befriedigt von die-
sem Rat, war -- nach einer schlecht verbrach-
ten Nacht -- nervös, guckte immer wieder
auf die Uhr und murmelte: "Schon bald
acht. Und Steinmann liegt noch im Bett.
Das geht doch nicht."

[Spaltenumbruch]

Frank lachte: "Nur Geduld! Ehe ich nicht
scheinbar aus dem Hause bin, brauchen wir
keine Ueberraschungen zu fürchten. Aber
zerren Sie Rupert immerhin aus den
Federn. Einmal muß er sich ja doch von sei-
nen geliebten Kissen trennen."

Lund ging und kam nach fünf Minuten
aufatmend zurück. "Ich habe ihn glücklich vor
dem Waschtisch," sagte er.

"Sie besitzen einen eisernen Willen," freute
sich Frank. "Ich weiß, wie schwer es ist, den
guten Rupert aus Morpheus' Armen zu
reißen. Deshalb überließ ich Ihnen gern die
Aufgabe, die sie glänzend gelöst haben. Aber
zur Vorsicht würde ich Ihnen raten, noch
einmal nachzuschauen. Rupert bedient sich
nämlich manchmal der heimtückischen Taktik,
nur zum Schein vor dem Waschtisch anzu-
treten. Ist man draußen, so legt er sich wie-
der hin und schläft weiter."

Der Assessor eilte aufgeregt hinaus und
kam mit der beruhigenden Kunde wieder,
Steinmann schlüpfe schon in die Hose.

"Das ist ein gefährliches Stadium in der
Entwicklung seiner Morgentoilette," erklärte
der Ire. "Ich habe ihn wiederholt des Mor-
gens hosenbekleidet verlassen, war überzeugt
von der Ehrlichkeit seiner Absichten -- und
fand ihn nach längerem vergeblichen Warten
mit den Hosen im Bett und im tiefen Schlaf."

Lund wollte sofort wieder hinüber, aber
Morris hielt ihn zurück. "Heute wird er es
nicht so machen. Er ist viel zu gespannt auf
die Ergebnisse dieses Morgens."

Der Assessor knickte seufzend auf der Otto-
mane zusammen. Morris holte seinen
Browning aus dem Lederfutteral, prüfte die
Mechanik und lud ihn langsam -- mit einer
Art von Behagen. Währenddem sagte er:
"Merkwürdig reizvoll ist die Vollkommen-
heit einer modernen Schußwaffe. Ich habe
an solchem Ding ästhetischen Genuß. Denken
Sie sich den Weg von der Faustbirne des
Dreißigjährigen Krieges bis zu dieser Pistole.
Welch eine Fülle von Geist, allerdings bös-
artigem, steckt in dem, was meine Finger
hier umspannen! Geist, konzentriert in eine
Handvoll Metall, fertig zum Gebrauch und
die Möglichkeit gewährend, durch Druck auf
einen an sich belanglosen Hebel menschliche
Verhältnisse von Grund aus und sehr be-
langvoll umzugestalten."

(Forts. folgt.)



[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 20 Donnerstag, den 24. Januar


[Spaltenumbruch]
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(24. Fortſetzung)

[Spaltenumbruch]

„Was glauben Sie,“ meinte der Aſſeſſor,
„iſt das Fallenſtellen wohl geglückt?“

„Das glaube ich ſchon. Wenn der, den
wir ſuchen, überhaupt dort oben in den
Sälen herumläuft, haben wir ſeine Naſe
ſchön auf den Köder geſtoßen. Warum ſoll
er nicht auch anbeißen?“

„Warten wir es ab!“ meinte Lund, äch-
zend in Zweifeln.

„Es wird uns nichts anderes übrigbleiben,“
entgegnete Frank fröhlich. Er reichte dem
Aſſeſſor die Hand. „In einer Stunde er-
warte ich Sie. Kommen Sie nicht ſpäter.
Es könnte ſein, daß von gegneriſcher Seite
in der Nähe der Wohnung Wachen aufge-
ſtellt werden — ſo gegen Morgen — um
meine Abreiſe im Auto zu beobachten.“

Lund drückte dem Iren die Rechte. „Ver-
laſſen Sie ſich darauf, ich komme von
Spähern ungeſehen in den Bau, zuſammen
mit Jonas und Schilling. Meinen Sie nicht,
ich ſollte einen dritten Beamten mitnehmen,
weil doch der eine als Darſteller ihrer Per-
ſon das Haus morgen früh wieder verläßt?“

„Nicht nötig,“ verſicherte Morris. „Wir
werden zu viert ſein. Das genügt.“

„So wäre denn alles erledigt,“ amtete der
Aſſeſſor auf. „Das Auto?“

„— iſt für halb neun Uhr beſtellt. Der
Chauffeur iſt gewandt und gewiſſenhaft.
Auf Wiederſehen in einer Stunde.“

Morris ſchritt raſch dem Ausgang zu,
während Lund gemächlich die Treppe erſtieg.
Auf halber Höhe erreichte ihn ein Mann,
der ihm nachgelaufen kam und ihn anrief.
Es war der Kriminalſchutzmann Sänger.

„Was bringen Sie?“ forſchte Lund.
„Haben Sie Nachtdienſt heute?“

Der Mann bejahte und überreichte ein Te-
legramm. Der Aſſeſſor brach es auf. Es
lautete dahin, daß eine amerikaniſche Fäl-
ſcherbande in Marſeille von franzöſiſchen
Behörden verhaftet ſei. Gefunden Fälſcher-
[Spaltenumbruch] werkzeug zur Herſtellung däniſcher Bank-
noten.

Lund ließ die Depeſche ſinken und hatte
das Gefühl, als löſte ſich ein kunſtvoller
Bau, den er geſchaffen, in Rauch auf, der
noch im Verwehen höhniſche Fratzen zog.

„Leſen Sie,“ ſagte er heiſer zu dem Be-
amten. Der tat, wie befohlen. Dann ſtarrte
er ratlos umher. Endlich murmelte er, um
nur etwas zu ſagen: „Die Nachricht kommt
von Paris — da hat die Marſeiller Polizei
ſich dorthin gewendet — natürlich — an
die Landeshauptſtadt ...“

Leute kamen die Treppe herunter. Die
beiden konnten hier nicht länger ſtehen.

Lund entließ den Beamten. Dann ging
er wie im Traum hinauf in die Säle. Wäre
Morris nur noch dal dachte er. Wir ſind
ganz entſetzlich in die Irre gegangen. Dieſe
Menſchen hier — gerade dieſe hier! — un-
terfangen wir uns zu verdächtigen. Und
dabei beſteht die größte Wahrſcheinlichkeit,
daß die echten Gauner Hunderte von Kilo-
metern entfernt hinter Schloß und Riegel
ſitzen.

Aber wie —? Wenn unſere Stadt ein Ab-
ſatzgebiet für ſie iſt, müſſen doch auch hier
Mitglieder der Truppe ſein? Amerikaner?
— Keiner von den wenigen, die hier leben,
hat ſich mir je verdächtig gemacht.

Er ſchlenderte planlos, und alles wankte
um ihn her. Sein Verlangen, Morris zu
ſprechen, an ihm einen Rückhalt zu finden,
wurde immer ſtärker.

Endlich verabſchiedete er ſich kurz
entſchloſen, obwohl es noch zu früh war, um
ſich in des Malers Atelier zu ſchlagen. Aber
hier oben, bei den Menſchen, hielt er es nicht
mehr aus. Er fühlte ſich ſchrecklich unſicher
zwiſchen ihnen — glaubte, ihnen etwas ab-
bitten zu müſſen.

In der Garderobe traf er auf Uſſing.
„Gehen Sie auch ſchon, Herr Aſſeſſor?“ er-
[Spaltenumbruch] kundigte ſich der. „Mir iſt es heute wieder
mal zu dürr und dämlich. Je größer das
Feſt, deſto größer der Stumpfſinn.“

Weil Lund, ganz in Gedanken, zu ant-
worten vergaß, neckte ihn der Offizier:
„Was haben Sie nur? Reden nicht und
piepſen nicht und kriechen in den Mantel
mit der haſtigen Bewegung des bleichen Ver-
brechers. Das bringt wohl der häufige Ver-
kehr mit dieſer Menſchenſorte mit ſich.“

Lund lachte gezwungen. Uſſing ſchob
freundſchaftlich ſeinen Arm unter den des
Aſſeſſors. „Iſt Ihnen die Peterſilie völlig
verhagelt? Kommen Sie mit in ein Café,
Schnäpſe oder ſonſt was Schönes trinken.
Ich fühle die Samariterpflicht, Sie wieder
hoch zu richten.“

Lund ſah nach der Uhr. Punkt zwölf
wollte er mit ſeinen Untergebenen, Jonas
und Schilling, an einer Straßenecke zuſam-
menſtoßen.

Bis dahin mußten noch drei Viertelſtun-
den vergehen! Und obendrein regnete es.
Was ſollte man anfangen mit dieſer un-
brauchbaren Zeit?

„Ich komme mit,“ ſagte er.

„Bravo! Der Entſchluß allein bedeutet
einen Schritt zur Geneſung,“ rief Uſſing
lachend.

Die beiden Männer, der Offizier in den
Aſſeſſor eingehakt, entfernten ſich in der
Richtung gegen die Innenſtadt.

8.

Auf der Lauer.

„Beruhigen Sie ſich nur, lieber Lund,“
ſagte Morris, während er ſich die Krawatte
knüpfte vor dem großen Spiegel im Atelier.

„Das Telegramm von geſtern abend aus
Paris iſt nicht ſo ſchlimm. In den aller-
nächſten Stunden muß ja eine Entſcheidung
fallen — ſo oder anders. Und ſollten wir
heute hier aben keinen lieben Beſuch bekom-
men, dann haben Sie immer noch Zeit ge-
nug, ſich mit Marſeille in Verbindung zu
ſetzen und ſämtliche Amerikaner der Stadt
verhaften und ſchinden zu laſſen.“

Lund zeigte ſich wenig befriedigt von die-
ſem Rat, war — nach einer ſchlecht verbrach-
ten Nacht — nervös, guckte immer wieder
auf die Uhr und murmelte: „Schon bald
acht. Und Steinmann liegt noch im Bett.
Das geht doch nicht.“

[Spaltenumbruch]

Frank lachte: „Nur Geduld! Ehe ich nicht
ſcheinbar aus dem Hauſe bin, brauchen wir
keine Ueberraſchungen zu fürchten. Aber
zerren Sie Rupert immerhin aus den
Federn. Einmal muß er ſich ja doch von ſei-
nen geliebten Kiſſen trennen.“

Lund ging und kam nach fünf Minuten
aufatmend zurück. „Ich habe ihn glücklich vor
dem Waſchtiſch,“ ſagte er.

„Sie beſitzen einen eiſernen Willen,“ freute
ſich Frank. „Ich weiß, wie ſchwer es iſt, den
guten Rupert aus Morpheus’ Armen zu
reißen. Deshalb überließ ich Ihnen gern die
Aufgabe, die ſie glänzend gelöſt haben. Aber
zur Vorſicht würde ich Ihnen raten, noch
einmal nachzuſchauen. Rupert bedient ſich
nämlich manchmal der heimtückiſchen Taktik,
nur zum Schein vor dem Waſchtiſch anzu-
treten. Iſt man draußen, ſo legt er ſich wie-
der hin und ſchläft weiter.“

Der Aſſeſſor eilte aufgeregt hinaus und
kam mit der beruhigenden Kunde wieder,
Steinmann ſchlüpfe ſchon in die Hoſe.

„Das iſt ein gefährliches Stadium in der
Entwicklung ſeiner Morgentoilette,“ erklärte
der Ire. „Ich habe ihn wiederholt des Mor-
gens hoſenbekleidet verlaſſen, war überzeugt
von der Ehrlichkeit ſeiner Abſichten — und
fand ihn nach längerem vergeblichen Warten
mit den Hoſen im Bett und im tiefen Schlaf.“

Lund wollte ſofort wieder hinüber, aber
Morris hielt ihn zurück. „Heute wird er es
nicht ſo machen. Er iſt viel zu geſpannt auf
die Ergebniſſe dieſes Morgens.“

Der Aſſeſſor knickte ſeufzend auf der Otto-
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„Merkwürdig reizvoll iſt die Vollkommen-
heit einer modernen Schußwaffe. Ich habe
an ſolchem Ding äſthetiſchen Genuß. Denken
Sie ſich den Weg von der Fauſtbirne des
Dreißigjährigen Krieges bis zu dieſer Piſtole.
Welch eine Fülle von Geiſt, allerdings bös-
artigem, ſteckt in dem, was meine Finger
hier umſpannen! Geiſt, konzentriert in eine
Handvoll Metall, fertig zum Gebrauch und
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einen an ſich belangloſen Hebel menſchliche
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langvoll umzugeſtalten.“

(Fortſ. folgt.)



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[12/0012] „AZ am Abend“ Nr. 20 Donnerstag, den 24. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN von A. M. FREY (24. Fortſetzung) „Was glauben Sie,“ meinte der Aſſeſſor, „iſt das Fallenſtellen wohl geglückt?“ „Das glaube ich ſchon. Wenn der, den wir ſuchen, überhaupt dort oben in den Sälen herumläuft, haben wir ſeine Naſe ſchön auf den Köder geſtoßen. Warum ſoll er nicht auch anbeißen?“ „Warten wir es ab!“ meinte Lund, äch- zend in Zweifeln. „Es wird uns nichts anderes übrigbleiben,“ entgegnete Frank fröhlich. Er reichte dem Aſſeſſor die Hand. „In einer Stunde er- warte ich Sie. Kommen Sie nicht ſpäter. Es könnte ſein, daß von gegneriſcher Seite in der Nähe der Wohnung Wachen aufge- ſtellt werden — ſo gegen Morgen — um meine Abreiſe im Auto zu beobachten.“ Lund drückte dem Iren die Rechte. „Ver- laſſen Sie ſich darauf, ich komme von Spähern ungeſehen in den Bau, zuſammen mit Jonas und Schilling. Meinen Sie nicht, ich ſollte einen dritten Beamten mitnehmen, weil doch der eine als Darſteller ihrer Per- ſon das Haus morgen früh wieder verläßt?“ „Nicht nötig,“ verſicherte Morris. „Wir werden zu viert ſein. Das genügt.“ „So wäre denn alles erledigt,“ amtete der Aſſeſſor auf. „Das Auto?“ „— iſt für halb neun Uhr beſtellt. Der Chauffeur iſt gewandt und gewiſſenhaft. Auf Wiederſehen in einer Stunde.“ Morris ſchritt raſch dem Ausgang zu, während Lund gemächlich die Treppe erſtieg. Auf halber Höhe erreichte ihn ein Mann, der ihm nachgelaufen kam und ihn anrief. Es war der Kriminalſchutzmann Sänger. „Was bringen Sie?“ forſchte Lund. „Haben Sie Nachtdienſt heute?“ Der Mann bejahte und überreichte ein Te- legramm. Der Aſſeſſor brach es auf. Es lautete dahin, daß eine amerikaniſche Fäl- ſcherbande in Marſeille von franzöſiſchen Behörden verhaftet ſei. Gefunden Fälſcher- werkzeug zur Herſtellung däniſcher Bank- noten. Lund ließ die Depeſche ſinken und hatte das Gefühl, als löſte ſich ein kunſtvoller Bau, den er geſchaffen, in Rauch auf, der noch im Verwehen höhniſche Fratzen zog. „Leſen Sie,“ ſagte er heiſer zu dem Be- amten. Der tat, wie befohlen. Dann ſtarrte er ratlos umher. Endlich murmelte er, um nur etwas zu ſagen: „Die Nachricht kommt von Paris — da hat die Marſeiller Polizei ſich dorthin gewendet — natürlich — an die Landeshauptſtadt ...“ Leute kamen die Treppe herunter. Die beiden konnten hier nicht länger ſtehen. Lund entließ den Beamten. Dann ging er wie im Traum hinauf in die Säle. Wäre Morris nur noch dal dachte er. Wir ſind ganz entſetzlich in die Irre gegangen. Dieſe Menſchen hier — gerade dieſe hier! — un- terfangen wir uns zu verdächtigen. Und dabei beſteht die größte Wahrſcheinlichkeit, daß die echten Gauner Hunderte von Kilo- metern entfernt hinter Schloß und Riegel ſitzen. Aber wie —? Wenn unſere Stadt ein Ab- ſatzgebiet für ſie iſt, müſſen doch auch hier Mitglieder der Truppe ſein? Amerikaner? — Keiner von den wenigen, die hier leben, hat ſich mir je verdächtig gemacht. Er ſchlenderte planlos, und alles wankte um ihn her. Sein Verlangen, Morris zu ſprechen, an ihm einen Rückhalt zu finden, wurde immer ſtärker. Endlich verabſchiedete er ſich kurz entſchloſen, obwohl es noch zu früh war, um ſich in des Malers Atelier zu ſchlagen. Aber hier oben, bei den Menſchen, hielt er es nicht mehr aus. Er fühlte ſich ſchrecklich unſicher zwiſchen ihnen — glaubte, ihnen etwas ab- bitten zu müſſen. In der Garderobe traf er auf Uſſing. „Gehen Sie auch ſchon, Herr Aſſeſſor?“ er- kundigte ſich der. „Mir iſt es heute wieder mal zu dürr und dämlich. Je größer das Feſt, deſto größer der Stumpfſinn.“ Weil Lund, ganz in Gedanken, zu ant- worten vergaß, neckte ihn der Offizier: „Was haben Sie nur? Reden nicht und piepſen nicht und kriechen in den Mantel mit der haſtigen Bewegung des bleichen Ver- brechers. Das bringt wohl der häufige Ver- kehr mit dieſer Menſchenſorte mit ſich.“ Lund lachte gezwungen. Uſſing ſchob freundſchaftlich ſeinen Arm unter den des Aſſeſſors. „Iſt Ihnen die Peterſilie völlig verhagelt? Kommen Sie mit in ein Café, Schnäpſe oder ſonſt was Schönes trinken. Ich fühle die Samariterpflicht, Sie wieder hoch zu richten.“ Lund ſah nach der Uhr. Punkt zwölf wollte er mit ſeinen Untergebenen, Jonas und Schilling, an einer Straßenecke zuſam- menſtoßen. Bis dahin mußten noch drei Viertelſtun- den vergehen! Und obendrein regnete es. Was ſollte man anfangen mit dieſer un- brauchbaren Zeit? „Ich komme mit,“ ſagte er. „Bravo! Der Entſchluß allein bedeutet einen Schritt zur Geneſung,“ rief Uſſing lachend. Die beiden Männer, der Offizier in den Aſſeſſor eingehakt, entfernten ſich in der Richtung gegen die Innenſtadt. 8. Auf der Lauer. „Beruhigen Sie ſich nur, lieber Lund,“ ſagte Morris, während er ſich die Krawatte knüpfte vor dem großen Spiegel im Atelier. „Das Telegramm von geſtern abend aus Paris iſt nicht ſo ſchlimm. In den aller- nächſten Stunden muß ja eine Entſcheidung fallen — ſo oder anders. Und ſollten wir heute hier aben keinen lieben Beſuch bekom- men, dann haben Sie immer noch Zeit ge- nug, ſich mit Marſeille in Verbindung zu ſetzen und ſämtliche Amerikaner der Stadt verhaften und ſchinden zu laſſen.“ Lund zeigte ſich wenig befriedigt von die- ſem Rat, war — nach einer ſchlecht verbrach- ten Nacht — nervös, guckte immer wieder auf die Uhr und murmelte: „Schon bald acht. Und Steinmann liegt noch im Bett. Das geht doch nicht.“ Frank lachte: „Nur Geduld! Ehe ich nicht ſcheinbar aus dem Hauſe bin, brauchen wir keine Ueberraſchungen zu fürchten. Aber zerren Sie Rupert immerhin aus den Federn. Einmal muß er ſich ja doch von ſei- nen geliebten Kiſſen trennen.“ Lund ging und kam nach fünf Minuten aufatmend zurück. „Ich habe ihn glücklich vor dem Waſchtiſch,“ ſagte er. „Sie beſitzen einen eiſernen Willen,“ freute ſich Frank. „Ich weiß, wie ſchwer es iſt, den guten Rupert aus Morpheus’ Armen zu reißen. Deshalb überließ ich Ihnen gern die Aufgabe, die ſie glänzend gelöſt haben. Aber zur Vorſicht würde ich Ihnen raten, noch einmal nachzuſchauen. Rupert bedient ſich nämlich manchmal der heimtückiſchen Taktik, nur zum Schein vor dem Waſchtiſch anzu- treten. Iſt man draußen, ſo legt er ſich wie- der hin und ſchläft weiter.“ Der Aſſeſſor eilte aufgeregt hinaus und kam mit der beruhigenden Kunde wieder, Steinmann ſchlüpfe ſchon in die Hoſe. „Das iſt ein gefährliches Stadium in der Entwicklung ſeiner Morgentoilette,“ erklärte der Ire. „Ich habe ihn wiederholt des Mor- gens hoſenbekleidet verlaſſen, war überzeugt von der Ehrlichkeit ſeiner Abſichten — und fand ihn nach längerem vergeblichen Warten mit den Hoſen im Bett und im tiefen Schlaf.“ Lund wollte ſofort wieder hinüber, aber Morris hielt ihn zurück. „Heute wird er es nicht ſo machen. Er iſt viel zu geſpannt auf die Ergebniſſe dieſes Morgens.“ Der Aſſeſſor knickte ſeufzend auf der Otto- mane zuſammen. Morris holte ſeinen Browning aus dem Lederfutteral, prüfte die Mechanik und lud ihn langſam — mit einer Art von Behagen. Währenddem ſagte er: „Merkwürdig reizvoll iſt die Vollkommen- heit einer modernen Schußwaffe. Ich habe an ſolchem Ding äſthetiſchen Genuß. Denken Sie ſich den Weg von der Fauſtbirne des Dreißigjährigen Krieges bis zu dieſer Piſtole. Welch eine Fülle von Geiſt, allerdings bös- artigem, ſteckt in dem, was meine Finger hier umſpannen! Geiſt, konzentriert in eine Handvoll Metall, fertig zum Gebrauch und die Möglichkeit gewährend, durch Druck auf einen an ſich belangloſen Hebel menſchliche Verhältniſſe von Grund aus und ſehr be- langvoll umzugeſtalten.“ (Fortſ. folgt.) _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1929/12>, abgerufen am 21.11.2024.