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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929.

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Donnerstag, den 24. Januar "AZ am Abend" Nr. 20


[Spaltenumbruch]
Münchner Kapellmeister
E. Jose Wolff im Tabarin

Wenn man in Fach- oder auch Laienkreisen
von moderner Jazz-Musik spricht, muß man in
erster Reihe Jose Wolff nennen. Er gehört zu
jenen sehr wenigen, die sich rühmen dürfen, dem
Jazz bei uns Heimatsrecht geschaffen zu haben.
Aber nicht nur dies allein, denn Jose Wolff hat
noch ein Weiteres, Bedeutungsvolleres geleistet,
er hat diese modernste der modernen Tanzmusi-
ken zur Höhe der Symphonie erhoben.

[Abbildung]

Wer Jose Wolff kennt und seinen Werdegang
nur einigermaßen verfolgt hat, den darf dies
gar nicht wundern. Denn wir wissen sehr wohl,
daß er im letzten Sine des Wortes ein Musiker
von außergewöhnlicher Begabung ist. Ein Vir-
tuose in seinem Fach, aber ein Virtuose von
künstlerisch reifer Intuition und Selbstkritik, der
mit ernstem Eifer über das rein Technische das
Wesentliche nicht vergißt.

Seine ersten Studien begann er in Belgien,
wo er erzogen wurde. Mit 6 Jahren wandte er
sich schon dem Musikstudium zu, und als 12jähri-
ger besuchte er die Musikakademie in Antwerpen,
wo er sehr bald Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Nach zweijährigem Studium mußte er wegen des
Kriegsausbruches aus Belgien flüchten, kam nach
Deutschland und setzte seine Studien in Bochum
bei Prof. Mailand fort, der das Talent seines
Lieblingsschülers in bester Weise förderte. Mit
dem Erfolge, daß der kaum 15jährige Wolff schon
eigene, selbständige Konzerte geben konnte. Und
die gesamte Kritik stimmte darin überein, daß
man da einen bereits vollreifen Künstler vor sich
habe, der über seine jungen Jahre weit hinaus-
gewachsen ist.

Im Jahre 1920 sehen wir ihn bereits an der
Spitze eines großen Ensembles, und als Leiter
desselben erweist sich Wolff als feinsinniger und
temperamentvoller Dirigent.

Nun tritt der Jazz in Erscheinung, Wolff er-
kennt sofort die Bedeutung dieser neuen Rich-
tung, fühlt sich von ihr angezogen und wendet
sich ihr begeistert zu.

Mit seinem bestens eingespielten Orchester hat
Wolff im In- und Ausland Triumphe gefeiert.
Ueberall wo er sich hören ließ siegte er in gro-
ßem Stil und sein Erfolg im Tabarin ist nicht
minder groß, darum wollen wir nicht versäumen
Herrn Direktor Keckeisen unseren Dank auszu-
sprechen, denn ihm verdanken wir es, Jose Wolff
in München zu haben. Und wenn man heute von
ihm sagt, er zähle zu den bekanntesten und be-
liebtesten Jazz-Symphonie-Orchesters, so ist damit
sein weitverbreiteter Ruhm nur angedeutet.



Das Abzahlungsgeschäft
in Amerika

Die Hälfte des Automobilumsatzes
auf Abzahlung

In den Vereinigten Staaten von Amerika
blüht das Abzahlungsgeschäft wie in keinem an-
deren Lande. Im vergangenen Jahre sind
schätzungsweise 24 Milliarden Mark auf diese
Weise umgesetzt worden. Davon entfallen etwa
30 Prozent auf die Anzahlung. Der Rest wird im
Laufe von acht Monaten bis zu einem Jahre ab-
getragen. Erfahrungsgemäß tragen 10 Prozent
der Käufer ihre Verpflichtungen schon vor dem
Ablauf der Zahlfrist ab. Man kann also anneh-
men, daß der Kredit, der durch das Abzahlungs-
geschäft gebunden ist, sich auf etwa acht Milliarden
Mark beläuft. Am meisten wird der Abzahlungs-
kredit von den Käufern von Automobilen in An-
spruch genommen. Man schätzt, daß die Ameri-
kaner im verflossenen Jahre etwa 8,5 Millionen
neue und gebrauchte Automobile kauften. Die
Hälfte davon wurde auf Abzahlung angeschafft.
Man bringt mit dem Abzahlungssystem in Ame-
rika viele soziale Fortschritte in Verbindung. So
ermöglicht der Ankauf von Automobilen es vielen
Leuten, die auf dem Lande wohnen und in der
Stadt ihrem Berufe nachzugehen. Zu einer so ge-
waltigen Ausdehnung des Abzahlungsgeschäftes
gehören aber auch die blühenden wirtschaftlichen
Verhältnisse, wie sie in Amerika bestehen.



Residenztheater.

Am Sonntag, den 27. Januar
findet eine Morgenveranstaltung mit Bläser-
kammermusik statt. Zur Aufführung gelangen
zwei in München seit langer Zeit nicht mehr zu
Gehör gebrachte Bläserwerke von Ludwig Spohr
und Richard Strauß. Mitwirkende: 15 Bläser des
Bayerischen Staatstheaterorchesters. Musikalische
Leitung: Dr. Hallasch.

[Spaltenumbruch]
Der Kölner Museumsskandal

Die blamierte Stadtverwaltung * Der Oberbürgermeister
auf dem Beobachtungsstand

[Spaltenumbruch]

Oberbürgermeister Dr. Adenauer,
Kölns Stadtgewaltiger, ist zweifelsohne
unter den deutschen Kommunalpolitikern die
stärkste, um nicht zu sagen genialste Persön-
lichkeit. Die Metropole am Rhein hat ihm
unendlich viel für ihre glänzende Entwick-
lung zu danken.

Das kann nicht hindern auszusprechen,
daß Dr. Adenauer sich in dem

Sittlichkeitsskandal,

der innerhalb der städtischen Museumsver-
waltung aufgedeckt wurde, und über den
wir berichteten, nicht nur in der Wahl der
Mittel arg vergriffen, sondern auch nach der
gerichtlichen Klarstellung der Vorgänge eine
moralische Niederlage von ziemlichen Aus-
maßen erlitten hat. Es ist nicht angenehm,
einem Manne von der hohen Bedeutung
des Kölner Oberbürgermeisters sagen zu
müssen, daß er in der Gesellschaft von
Muckern und Sittlichkeitsschnüfflern keine
besonders glückliche Figur gemacht hat.

Was ist geschehen? Im August 1928 wird
durch Beamte des Museums der Stadtver-
waltung in einer Anzeige Kenntnis davon
gegeben, daß im Arbeitszimmer des Direk-
tors Professor Dr. Sch. sich Vorgänge abge-
spielt hätten, die dadurch ein besonderes
großes Aergernis erregen mußten, daß sie
beinahe in aller Oeffentlichkeit zu beobachten
waren. Von einer dem Museum gegenüber-
liegenden Wohnung hatte ein Ehepaar D.
unzählige Male beobachtet, daß Direktor
Professor Dr. Sch. eine Dame in seinem Ar-
beitszimmer empfing, wobei es zu den

äußersten Intimitäten

gekommen war. Diese Hauptzeugen be-
haupteten mit einer durch nichts zu erschüt-
ternden Sicherheit, es habe sich bei der be-
treffenden Dame um Fräulein Dr. M., eine
wissenschaftliche Hilfsarbeiterin des Mu-
seums, gehandelt.

Auf Grund dieser Bekundungen glaubte
sich die Stadtverwaltung im Recht, sowohl
dem Direktor wie Fräulein Dr. M. ihre
Stellungen aufzukündigen. Zu diesem Be-
schluß kam die Stadtverwaltung nicht nur
auf Grund der erwähnten Zeugenaussagen
des Postschaffner-Ehepaares D., nein, mehr
noch

durch eigene Beobachtungen des Ober-
bürgermeisters selbst.

Herr Dr. Adenauer hielt es, offenbar un-
ter dem Druck der katholischen Frauen-
organisationen in Köln, die zwar im Kar-
neval beide Augen zudrücken, sonst aber
von äußerster Empfindlichkeit im Punkte
Sittlichkeit sind, nicht für unter seiner
Würde, in höchst eigener Person in der Post-
schaffnerswohnung den Beobachtungsstand
zu beziehen und höchst interessiert in das
galante Direktionszimmer unbemerkt Ein-
blick zu tun. In der Tat, es war zuviel,
was sich seinen Augen dort darbot, und das
sittenstrenge Herz des Oberbürgermeisters
erbebte in gerechter Entrüstung. Damit war
[Spaltenumbruch] die Anklage gegen das verliebte Pärchen, das
das Direktionszimmer zu richtigen "Schä-
fer"-Stunden zu benutzen wagte, besiegelt.

Leider aber hatte Herr Dr. Adenauer ver-
absäumt, auf seinen Beobachtungsposten
einen guten Feldstecher mitzunehmen. Hätte
er dies getan, so wäre ihm wahrscheinlich
nicht entgangen, daß die amouröse Dame,
die sich mit Professor Sch. so ungeniert
schnäbelte

gar nicht das diffamierte Fräulein
Dr. M. gewesen war.

Die in ihrer weiblichen Ehre schwer ge-
kränkte junge Dame konnte ihrerseits auf
Grund der fristlosen Entlassung Klage beim
Arbeitsgericht erheben, und siehe da, die
Kölner Richter mußten ihr bescheinigen, daß
ihre Tugend ganz zu Unrecht angezweifelt
war. Das Gericht stellte fest, daß die Zeu-
gen sich zwar nicht über die Vorgänge im
Direktorzimmer, wohl aber in dem wichtigen
Punkt, nämlich in der Person des weiblichen
Partners des Professors Sch. grundlegend
geirrt hätten. Auch in zweiter Instanz, vor
dem Landesarbeitsgericht, wurde das be-
leidigte Fräulein Dr. M.

restlos und glänzend rehabiliert.

Noch während dieses Verfahrens wollte
die Stadtverwaltung ihr Unrecht nicht ein-
sehen und legte so großen Wert auf die Be-
lastungszeugen, daß man diese sogar in
städtischen Automobilen zur Gerichtsver-
handlung fuhr.

Die Suppe, die der städtische Beigeordnete
Dr. Berndorff seinem Schwager Adenauer
eingebrockt hatte, mußte also zur Neige aus-
gelöffelt werden und endete mit der ekla-
tanten Niederlage der Stadtverwaltung.
Diese hat jetzt in einer langatmigen Erklä-
rung ihr Verhalten zu rechtfertigen versucht
und gleichzeitig mitgeteilt, daß Fräulein Dr.
M. mit dem Rang einer Assistentin wieder
in städtischen Diensten angestellt sei. Die
Dame ist also sozusagen die Treppe hinauf-
gefallen.

Man mißverstehe uns nicht: wir sind
durchaus nicht der Meinung, daß die Stadt-
verwaltung nicht berechtigt und verpflichtet
gewesen wäre, die peinlichen Vorgänge, die
auf Rechnung des Museumsdirektors, Pro-
fessor Dr. Sch. kommen, gründlich zu unter-
suchen. Wir halten auch die Entlassung die-
ses Beamten für gerechtfertigt und schlechter-
dings unumgänglich. Aber die Methoden,
mit der man einer jungen Dame von makel-
losem Ruf und aus bester Familie in diesem
Falle zu Leibe ging, verdienen durchaus

gebrandmarkt zu werden

und müßten eigentlich dem Stadthaupt eine
gute Lehre sein, nicht so folgsam im Fahr-
wasser spießerischer Sittlichkeitsschnüffler zu
schwimmen. Dr. Adenauer, den wir unge-
mein schätzen, sollte nicht vergessen, welchen
Namen er aufs Spiel zu setzen hat. Denn
auch der glänzendste Name verträgt mora-
lische Niederlagen, wie die jetzt im Mu-
seumsskandal erlittene, auf die Dauer nicht.



Der Polizeipräsident
regelt den Verkehr

Militärische Ordnung * 50prozentige Beschleunigung des Autoverkehrs

[Spaltenumbruch]

Grower Whalen, der frühere Leiter des
städtischen Empfangskomitees in Neuyork,
der unzählige Prominente aus aller Welt
in Bürgermeister Walkers Namen begrüßt
hat und seit kurzer Zeit Neuyorker Polizei-
präsident ist, setzte am letzten Montag abend
eine

revolutionäre Verkehrsregelung

für den Broadway- und ganzen Theater-
distrikt in Kraft. Wo bislang ein unbe-
schreibliches Gedränge von Privatwagen,
Taxis, von Hunderttausenden von Theater-
besuchern und Spaziergängern herrschte,
herrscht jetzt militärische Ordnung. Von
hohen Verkehrstürmen herab unter Zuhilfe-
nahme von etwa tausend Polizisten, Berit-
tenen und Motorradschwadronen dirigierte
Whalen in einem dicken Sweater das neue,
von ihm ausgearbeitete Verkehrssystem.

Dieses System verbietet während der
Theaterzeit jeglichen Lastkrastwagenverkehr,
sowie das Wagenparken im Theaterdistrikt,
Auto, die in den Theaterdistrikt einfahren,
dürfen weder Rechts- noch Linkswendung
machen, sondern müssen in der eingeschlage-
nen Richtung durchfahren. Die Fußgänger-
massen, die bisher unbekümmert um die
[Spaltenumbruch] Signallichter die Straßen überfluteten, wer-
den an jeder Ecke von einem großen Poli-
zistenaufgebot beim roten Signal zurückge-
halten. Das Publikum nahm den neuen
Verkehrsplan gutgelaunt auf. Tausende
stauten sich auf den Bürgersteigen,

beobachteten Wahlen und ulkten ihn an.

Photographen zückten ihre Kameras, Blitz-
lichter flammten auf; es war an diesem
ersten Tage, als ob der Karneval in Neu-
york seinen Einzug gehalten hätte.

Die Schutzleute, denen höflichstes Verhal-
ten eingeschärft war, packten unachtsame
Fußgänger am Schlafittchen. Zwei Dutzend
Privatautos, die im Distrikt parkend vor-
gefunden wurden, wurden

unter Gejohle

durch Wachautos nach den Polizeirevieren
abgeschleppt. Die Garagen innerhalb des
Distrikts erhöhten ihre Unterstellgebühren
um einen halben Dollar auf drei Viertel bis
einen Dollar. Der Erfolg des ersten Tages
der neuen Regelung ist eine 50prozentige
Beschleunigung des Autoverkehrs, der sich
bisher nur im Schneckentempo abwickelte.
Das System, das versuchsweise für 14 Tage
angeordnet ist, verspricht also Erfolg.

[Spaltenumbruch]
Jene kleinsten, ehrlichen
Artisten
Jener kleinsten, ehrlichen Artisten
Denk ich, die kein Ruhm belohnt,
Die ihr Dasein ärmlich, fleißig fristen,
Und in denen nur die Zukunft wohnt.
In Programmen stehen sie bescheiden,
Und das Publikum bleibt ihnen stumm.
Dennoch geben sie ihr Bestes und beneiden
Größere nicht. Und wissen nicht, warum.
Grober Dünkel drückt sie in die Ecken.
Ihre Grenze ist der Rampenschein.
Aber nachts vor kleinen Mädchen recken
Sie sich auf in Künstlerschwärmerein.
Die ihr bleiben sollt, wo wir begonnen,
Mögt ihr ruhmlos sein und unbegabt,
Doch euch tröstet: Uns ist viel zerronnen
Schönes, was ihr jetzt noch in euch habt.
Ehrlichkeit ist Kunst und derart selten,
Daß es wenig Wichtigeres gibt.
Euer Schicksal wird euch reich vergelten,
Daß ihr euer Schicksal habt geliebt.
Mit besonderer Genehmigung des Verlags
Ernst Rowohlt Berlin, dem soeben erschienenen
Gedichtbande "Allerdings" von Joachim
Ringelnatz entnommen.


Deutsche Stunde in Bayern


Freitag, den 25. Januar 1925

6.45 Morgengymnastik.

11.20 Schallplattenkonzert für Versuche und für
die Industrie.

12.55--13.50 Nürnberger Sendung: Mittagskon-
zert des Künstlertrlos Philipp Wiemer.

14.45 Stunde der Frau.

16.00 Lesestunde.

16.30 Unterhaltungskonzert des Rundfunktrios.

17.40 Lehrerfunk der Deutschen Stunde in Bay-
ern. Eignungsprüfungen, ihre Notwendig-
keit und ihr Umfang. Vortrag von Studien-
rat H. Kesselring, Kaiserslautern.

18.10 Für unsere Landwirtschaft.

19.00 Die Entstehung der Erde (VII). Eine Vor-
tragsreihe von Geheimrat Professor Dr.
Erich Kaiser.

19.15 Eine Viertelstunde Deutsche Volksgeschichte.

19.30 Zum 200. Geburtstag Gotthold Ephraim
Lessing (geb. 22. Januar 1729). Dr. Tim
Klein: Lessing. "Emilia Galotti". Ein
Trauerspiel in fünf Aufzügen von Gotthold
Ephraim Lessing. Spielleitung Rudolf Hoch.

21.40 Konzert des Rundfunkorchesters. Leitung
Hans A. Winter.

22.20 Abendmeldungen. Schneebericht.

22.45 Sportwochenschau. Berichterstatter Hans
Priehäußer.

23.00 Wichtige Funknachrichten.



[irrelevantes Material]
Donnerstag, den 24. Januar „AZ am Abend“ Nr. 20


[Spaltenumbruch]
Münchner Kapellmeiſter
E. Joſé Wolff im Tabarin

Wenn man in Fach- oder auch Laienkreiſen
von moderner Jazz-Muſik ſpricht, muß man in
erſter Reihe Joſé Wolff nennen. Er gehört zu
jenen ſehr wenigen, die ſich rühmen dürfen, dem
Jazz bei uns Heimatsrecht geſchaffen zu haben.
Aber nicht nur dies allein, denn Joſé Wolff hat
noch ein Weiteres, Bedeutungsvolleres geleiſtet,
er hat dieſe modernſte der modernen Tanzmuſi-
ken zur Höhe der Symphonie erhoben.

[Abbildung]

Wer Joſé Wolff kennt und ſeinen Werdegang
nur einigermaßen verfolgt hat, den darf dies
gar nicht wundern. Denn wir wiſſen ſehr wohl,
daß er im letzten Sine des Wortes ein Muſiker
von außergewöhnlicher Begabung iſt. Ein Vir-
tuoſe in ſeinem Fach, aber ein Virtuoſe von
künſtleriſch reifer Intuition und Selbſtkritik, der
mit ernſtem Eifer über das rein Techniſche das
Weſentliche nicht vergißt.

Seine erſten Studien begann er in Belgien,
wo er erzogen wurde. Mit 6 Jahren wandte er
ſich ſchon dem Muſikſtudium zu, und als 12jähri-
ger beſuchte er die Muſikakademie in Antwerpen,
wo er ſehr bald Aufmerkſamkeit auf ſich lenkte.
Nach zweijährigem Studium mußte er wegen des
Kriegsausbruches aus Belgien flüchten, kam nach
Deutſchland und ſetzte ſeine Studien in Bochum
bei Prof. Mailand fort, der das Talent ſeines
Lieblingsſchülers in beſter Weiſe förderte. Mit
dem Erfolge, daß der kaum 15jährige Wolff ſchon
eigene, ſelbſtändige Konzerte geben konnte. Und
die geſamte Kritik ſtimmte darin überein, daß
man da einen bereits vollreifen Künſtler vor ſich
habe, der über ſeine jungen Jahre weit hinaus-
gewachſen iſt.

Im Jahre 1920 ſehen wir ihn bereits an der
Spitze eines großen Enſembles, und als Leiter
desſelben erweiſt ſich Wolff als feinſinniger und
temperamentvoller Dirigent.

Nun tritt der Jazz in Erſcheinung, Wolff er-
kennt ſofort die Bedeutung dieſer neuen Rich-
tung, fühlt ſich von ihr angezogen und wendet
ſich ihr begeiſtert zu.

Mit ſeinem beſtens eingeſpielten Orcheſter hat
Wolff im In- und Ausland Triumphe gefeiert.
Ueberall wo er ſich hören ließ ſiegte er in gro-
ßem Stil und ſein Erfolg im Tabarin iſt nicht
minder groß, darum wollen wir nicht verſäumen
Herrn Direktor Keckeiſen unſeren Dank auszu-
ſprechen, denn ihm verdanken wir es, Joſé Wolff
in München zu haben. Und wenn man heute von
ihm ſagt, er zähle zu den bekannteſten und be-
liebteſten Jazz-Symphonie-Orcheſters, ſo iſt damit
ſein weitverbreiteter Ruhm nur angedeutet.



Das Abzahlungsgeſchäft
in Amerika

Die Hälfte des Automobilumſatzes
auf Abzahlung

In den Vereinigten Staaten von Amerika
blüht das Abzahlungsgeſchäft wie in keinem an-
deren Lande. Im vergangenen Jahre ſind
ſchätzungsweiſe 24 Milliarden Mark auf dieſe
Weiſe umgeſetzt worden. Davon entfallen etwa
30 Prozent auf die Anzahlung. Der Reſt wird im
Laufe von acht Monaten bis zu einem Jahre ab-
getragen. Erfahrungsgemäß tragen 10 Prozent
der Käufer ihre Verpflichtungen ſchon vor dem
Ablauf der Zahlfriſt ab. Man kann alſo anneh-
men, daß der Kredit, der durch das Abzahlungs-
geſchäft gebunden iſt, ſich auf etwa acht Milliarden
Mark beläuft. Am meiſten wird der Abzahlungs-
kredit von den Käufern von Automobilen in An-
ſpruch genommen. Man ſchätzt, daß die Ameri-
kaner im verfloſſenen Jahre etwa 8,5 Millionen
neue und gebrauchte Automobile kauften. Die
Hälfte davon wurde auf Abzahlung angeſchafft.
Man bringt mit dem Abzahlungsſyſtem in Ame-
rika viele ſoziale Fortſchritte in Verbindung. So
ermöglicht der Ankauf von Automobilen es vielen
Leuten, die auf dem Lande wohnen und in der
Stadt ihrem Berufe nachzugehen. Zu einer ſo ge-
waltigen Ausdehnung des Abzahlungsgeſchäftes
gehören aber auch die blühenden wirtſchaftlichen
Verhältniſſe, wie ſie in Amerika beſtehen.



Reſidenztheater.

Am Sonntag, den 27. Januar
findet eine Morgenveranſtaltung mit Bläſer-
kammermuſik ſtatt. Zur Aufführung gelangen
zwei in München ſeit langer Zeit nicht mehr zu
Gehör gebrachte Bläſerwerke von Ludwig Spohr
und Richard Strauß. Mitwirkende: 15 Bläſer des
Bayeriſchen Staatstheaterorcheſters. Muſikaliſche
Leitung: Dr. Hallaſch.

[Spaltenumbruch]
Der Kölner Muſeumsſkandal

Die blamierte Stadtverwaltung * Der Oberbürgermeiſter
auf dem Beobachtungsſtand

[Spaltenumbruch]

Oberbürgermeiſter Dr. Adenauer,
Kölns Stadtgewaltiger, iſt zweifelsohne
unter den deutſchen Kommunalpolitikern die
ſtärkſte, um nicht zu ſagen genialſte Perſön-
lichkeit. Die Metropole am Rhein hat ihm
unendlich viel für ihre glänzende Entwick-
lung zu danken.

Das kann nicht hindern auszuſprechen,
daß Dr. Adenauer ſich in dem

Sittlichkeitsſkandal,

der innerhalb der ſtädtiſchen Muſeumsver-
waltung aufgedeckt wurde, und über den
wir berichteten, nicht nur in der Wahl der
Mittel arg vergriffen, ſondern auch nach der
gerichtlichen Klarſtellung der Vorgänge eine
moraliſche Niederlage von ziemlichen Aus-
maßen erlitten hat. Es iſt nicht angenehm,
einem Manne von der hohen Bedeutung
des Kölner Oberbürgermeiſters ſagen zu
müſſen, daß er in der Geſellſchaft von
Muckern und Sittlichkeitsſchnüfflern keine
beſonders glückliche Figur gemacht hat.

Was iſt geſchehen? Im Auguſt 1928 wird
durch Beamte des Muſeums der Stadtver-
waltung in einer Anzeige Kenntnis davon
gegeben, daß im Arbeitszimmer des Direk-
tors Profeſſor Dr. Sch. ſich Vorgänge abge-
ſpielt hätten, die dadurch ein beſonderes
großes Aergernis erregen mußten, daß ſie
beinahe in aller Oeffentlichkeit zu beobachten
waren. Von einer dem Muſeum gegenüber-
liegenden Wohnung hatte ein Ehepaar D.
unzählige Male beobachtet, daß Direktor
Profeſſor Dr. Sch. eine Dame in ſeinem Ar-
beitszimmer empfing, wobei es zu den

äußerſten Intimitäten

gekommen war. Dieſe Hauptzeugen be-
haupteten mit einer durch nichts zu erſchüt-
ternden Sicherheit, es habe ſich bei der be-
treffenden Dame um Fräulein Dr. M., eine
wiſſenſchaftliche Hilfsarbeiterin des Mu-
ſeums, gehandelt.

Auf Grund dieſer Bekundungen glaubte
ſich die Stadtverwaltung im Recht, ſowohl
dem Direktor wie Fräulein Dr. M. ihre
Stellungen aufzukündigen. Zu dieſem Be-
ſchluß kam die Stadtverwaltung nicht nur
auf Grund der erwähnten Zeugenausſagen
des Poſtſchaffner-Ehepaares D., nein, mehr
noch

durch eigene Beobachtungen des Ober-
bürgermeiſters ſelbſt.

Herr Dr. Adenauer hielt es, offenbar un-
ter dem Druck der katholiſchen Frauen-
organiſationen in Köln, die zwar im Kar-
neval beide Augen zudrücken, ſonſt aber
von äußerſter Empfindlichkeit im Punkte
Sittlichkeit ſind, nicht für unter ſeiner
Würde, in höchſt eigener Perſon in der Poſt-
ſchaffnerswohnung den Beobachtungsſtand
zu beziehen und höchſt intereſſiert in das
galante Direktionszimmer unbemerkt Ein-
blick zu tun. In der Tat, es war zuviel,
was ſich ſeinen Augen dort darbot, und das
ſittenſtrenge Herz des Oberbürgermeiſters
erbebte in gerechter Entrüſtung. Damit war
[Spaltenumbruch] die Anklage gegen das verliebte Pärchen, das
das Direktionszimmer zu richtigen „Schä-
fer“-Stunden zu benutzen wagte, beſiegelt.

Leider aber hatte Herr Dr. Adenauer ver-
abſäumt, auf ſeinen Beobachtungspoſten
einen guten Feldſtecher mitzunehmen. Hätte
er dies getan, ſo wäre ihm wahrſcheinlich
nicht entgangen, daß die amouröſe Dame,
die ſich mit Profeſſor Sch. ſo ungeniert
ſchnäbelte

gar nicht das diffamierte Fräulein
Dr. M. geweſen war.

Die in ihrer weiblichen Ehre ſchwer ge-
kränkte junge Dame konnte ihrerſeits auf
Grund der friſtloſen Entlaſſung Klage beim
Arbeitsgericht erheben, und ſiehe da, die
Kölner Richter mußten ihr beſcheinigen, daß
ihre Tugend ganz zu Unrecht angezweifelt
war. Das Gericht ſtellte feſt, daß die Zeu-
gen ſich zwar nicht über die Vorgänge im
Direktorzimmer, wohl aber in dem wichtigen
Punkt, nämlich in der Perſon des weiblichen
Partners des Profeſſors Sch. grundlegend
geirrt hätten. Auch in zweiter Inſtanz, vor
dem Landesarbeitsgericht, wurde das be-
leidigte Fräulein Dr. M.

reſtlos und glänzend rehabiliert.

Noch während dieſes Verfahrens wollte
die Stadtverwaltung ihr Unrecht nicht ein-
ſehen und legte ſo großen Wert auf die Be-
laſtungszeugen, daß man dieſe ſogar in
ſtädtiſchen Automobilen zur Gerichtsver-
handlung fuhr.

Die Suppe, die der ſtädtiſche Beigeordnete
Dr. Berndorff ſeinem Schwager Adenauer
eingebrockt hatte, mußte alſo zur Neige aus-
gelöffelt werden und endete mit der ekla-
tanten Niederlage der Stadtverwaltung.
Dieſe hat jetzt in einer langatmigen Erklä-
rung ihr Verhalten zu rechtfertigen verſucht
und gleichzeitig mitgeteilt, daß Fräulein Dr.
M. mit dem Rang einer Aſſiſtentin wieder
in ſtädtiſchen Dienſten angeſtellt ſei. Die
Dame iſt alſo ſozuſagen die Treppe hinauf-
gefallen.

Man mißverſtehe uns nicht: wir ſind
durchaus nicht der Meinung, daß die Stadt-
verwaltung nicht berechtigt und verpflichtet
geweſen wäre, die peinlichen Vorgänge, die
auf Rechnung des Muſeumsdirektors, Pro-
feſſor Dr. Sch. kommen, gründlich zu unter-
ſuchen. Wir halten auch die Entlaſſung die-
ſes Beamten für gerechtfertigt und ſchlechter-
dings unumgänglich. Aber die Methoden,
mit der man einer jungen Dame von makel-
loſem Ruf und aus beſter Familie in dieſem
Falle zu Leibe ging, verdienen durchaus

gebrandmarkt zu werden

und müßten eigentlich dem Stadthaupt eine
gute Lehre ſein, nicht ſo folgſam im Fahr-
waſſer ſpießeriſcher Sittlichkeitsſchnüffler zu
ſchwimmen. Dr. Adenauer, den wir unge-
mein ſchätzen, ſollte nicht vergeſſen, welchen
Namen er aufs Spiel zu ſetzen hat. Denn
auch der glänzendſte Name verträgt mora-
liſche Niederlagen, wie die jetzt im Mu-
ſeumsſkandal erlittene, auf die Dauer nicht.



Der Polizeipräſident
regelt den Verkehr

Militäriſche Ordnung * 50prozentige Beſchleunigung des Autoverkehrs

[Spaltenumbruch]

Grower Whalen, der frühere Leiter des
ſtädtiſchen Empfangskomitees in Neuyork,
der unzählige Prominente aus aller Welt
in Bürgermeiſter Walkers Namen begrüßt
hat und ſeit kurzer Zeit Neuyorker Polizei-
präſident iſt, ſetzte am letzten Montag abend
eine

revolutionäre Verkehrsregelung

für den Broadway- und ganzen Theater-
diſtrikt in Kraft. Wo bislang ein unbe-
ſchreibliches Gedränge von Privatwagen,
Taxis, von Hunderttauſenden von Theater-
beſuchern und Spaziergängern herrſchte,
herrſcht jetzt militäriſche Ordnung. Von
hohen Verkehrstürmen herab unter Zuhilfe-
nahme von etwa tauſend Poliziſten, Berit-
tenen und Motorradſchwadronen dirigierte
Whalen in einem dicken Sweater das neue,
von ihm ausgearbeitete Verkehrsſyſtem.

Dieſes Syſtem verbietet während der
Theaterzeit jeglichen Laſtkraſtwagenverkehr,
ſowie das Wagenparken im Theaterdiſtrikt,
Auto, die in den Theaterdiſtrikt einfahren,
dürfen weder Rechts- noch Linkswendung
machen, ſondern müſſen in der eingeſchlage-
nen Richtung durchfahren. Die Fußgänger-
maſſen, die bisher unbekümmert um die
[Spaltenumbruch] Signallichter die Straßen überfluteten, wer-
den an jeder Ecke von einem großen Poli-
ziſtenaufgebot beim roten Signal zurückge-
halten. Das Publikum nahm den neuen
Verkehrsplan gutgelaunt auf. Tauſende
ſtauten ſich auf den Bürgerſteigen,

beobachteten Wahlen und ulkten ihn an.

Photographen zückten ihre Kameras, Blitz-
lichter flammten auf; es war an dieſem
erſten Tage, als ob der Karneval in Neu-
york ſeinen Einzug gehalten hätte.

Die Schutzleute, denen höflichſtes Verhal-
ten eingeſchärft war, packten unachtſame
Fußgänger am Schlafittchen. Zwei Dutzend
Privatautos, die im Diſtrikt parkend vor-
gefunden wurden, wurden

unter Gejohle

durch Wachautos nach den Polizeirevieren
abgeſchleppt. Die Garagen innerhalb des
Diſtrikts erhöhten ihre Unterſtellgebühren
um einen halben Dollar auf drei Viertel bis
einen Dollar. Der Erfolg des erſten Tages
der neuen Regelung iſt eine 50prozentige
Beſchleunigung des Autoverkehrs, der ſich
bisher nur im Schneckentempo abwickelte.
Das Syſtem, das verſuchsweiſe für 14 Tage
angeordnet iſt, verſpricht alſo Erfolg.

[Spaltenumbruch]
Jene kleinſten, ehrlichen
Artiſten
Jener kleinſten, ehrlichen Artiſten
Denk ich, die kein Ruhm belohnt,
Die ihr Daſein ärmlich, fleißig friſten,
Und in denen nur die Zukunft wohnt.
In Programmen ſtehen ſie beſcheiden,
Und das Publikum bleibt ihnen ſtumm.
Dennoch geben ſie ihr Beſtes und beneiden
Größere nicht. Und wiſſen nicht, warum.
Grober Dünkel drückt ſie in die Ecken.
Ihre Grenze iſt der Rampenſchein.
Aber nachts vor kleinen Mädchen recken
Sie ſich auf in Künſtlerſchwärmerein.
Die ihr bleiben ſollt, wo wir begonnen,
Mögt ihr ruhmlos ſein und unbegabt,
Doch euch tröſtet: Uns iſt viel zerronnen
Schönes, was ihr jetzt noch in euch habt.
Ehrlichkeit iſt Kunſt und derart ſelten,
Daß es wenig Wichtigeres gibt.
Euer Schickſal wird euch reich vergelten,
Daß ihr euer Schickſal habt geliebt.
Mit beſonderer Genehmigung des Verlags
Ernſt Rowohlt Berlin, dem ſoeben erſchienenen
Gedichtbande „Allerdings“ von Joachim
Ringelnatz entnommen.


Deutſche Stunde in Bayern


Freitag, den 25. Januar 1925

6.45 Morgengymnaſtik.

11.20 Schallplattenkonzert für Verſuche und für
die Induſtrie.

12.55—13.50 Nürnberger Sendung: Mittagskon-
zert des Künſtlertrlos Philipp Wiemer.

14.45 Stunde der Frau.

16.00 Leſeſtunde.

16.30 Unterhaltungskonzert des Rundfunktrios.

17.40 Lehrerfunk der Deutſchen Stunde in Bay-
ern. Eignungsprüfungen, ihre Notwendig-
keit und ihr Umfang. Vortrag von Studien-
rat H. Keſſelring, Kaiſerslautern.

18.10 Für unſere Landwirtſchaft.

19.00 Die Entſtehung der Erde (VII). Eine Vor-
tragsreihe von Geheimrat Profeſſor Dr.
Erich Kaiſer.

19.15 Eine Viertelſtunde Deutſche Volksgeſchichte.

19.30 Zum 200. Geburtstag Gotthold Ephraim
Leſſing (geb. 22. Januar 1729). Dr. Tim
Klein: Leſſing. „Emilia Galotti“. Ein
Trauerſpiel in fünf Aufzügen von Gotthold
Ephraim Leſſing. Spielleitung Rudolf Hoch.

21.40 Konzert des Rundfunkorcheſters. Leitung
Hans A. Winter.

22.20 Abendmeldungen. Schneebericht.

22.45 Sportwochenſchau. Berichterſtatter Hans
Priehäußer.

23.00 Wichtige Funknachrichten.



[irrelevantes Material]
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[9/0009] Donnerstag, den 24. Januar „AZ am Abend“ Nr. 20 Münchner Kapellmeiſter E. Joſé Wolff im Tabarin Text und Zeichnung von Rolf Brand. Wenn man in Fach- oder auch Laienkreiſen von moderner Jazz-Muſik ſpricht, muß man in erſter Reihe Joſé Wolff nennen. Er gehört zu jenen ſehr wenigen, die ſich rühmen dürfen, dem Jazz bei uns Heimatsrecht geſchaffen zu haben. Aber nicht nur dies allein, denn Joſé Wolff hat noch ein Weiteres, Bedeutungsvolleres geleiſtet, er hat dieſe modernſte der modernen Tanzmuſi- ken zur Höhe der Symphonie erhoben. [Abbildung] Wer Joſé Wolff kennt und ſeinen Werdegang nur einigermaßen verfolgt hat, den darf dies gar nicht wundern. Denn wir wiſſen ſehr wohl, daß er im letzten Sine des Wortes ein Muſiker von außergewöhnlicher Begabung iſt. Ein Vir- tuoſe in ſeinem Fach, aber ein Virtuoſe von künſtleriſch reifer Intuition und Selbſtkritik, der mit ernſtem Eifer über das rein Techniſche das Weſentliche nicht vergißt. Seine erſten Studien begann er in Belgien, wo er erzogen wurde. Mit 6 Jahren wandte er ſich ſchon dem Muſikſtudium zu, und als 12jähri- ger beſuchte er die Muſikakademie in Antwerpen, wo er ſehr bald Aufmerkſamkeit auf ſich lenkte. Nach zweijährigem Studium mußte er wegen des Kriegsausbruches aus Belgien flüchten, kam nach Deutſchland und ſetzte ſeine Studien in Bochum bei Prof. Mailand fort, der das Talent ſeines Lieblingsſchülers in beſter Weiſe förderte. Mit dem Erfolge, daß der kaum 15jährige Wolff ſchon eigene, ſelbſtändige Konzerte geben konnte. Und die geſamte Kritik ſtimmte darin überein, daß man da einen bereits vollreifen Künſtler vor ſich habe, der über ſeine jungen Jahre weit hinaus- gewachſen iſt. Im Jahre 1920 ſehen wir ihn bereits an der Spitze eines großen Enſembles, und als Leiter desſelben erweiſt ſich Wolff als feinſinniger und temperamentvoller Dirigent. Nun tritt der Jazz in Erſcheinung, Wolff er- kennt ſofort die Bedeutung dieſer neuen Rich- tung, fühlt ſich von ihr angezogen und wendet ſich ihr begeiſtert zu. Mit ſeinem beſtens eingeſpielten Orcheſter hat Wolff im In- und Ausland Triumphe gefeiert. Ueberall wo er ſich hören ließ ſiegte er in gro- ßem Stil und ſein Erfolg im Tabarin iſt nicht minder groß, darum wollen wir nicht verſäumen Herrn Direktor Keckeiſen unſeren Dank auszu- ſprechen, denn ihm verdanken wir es, Joſé Wolff in München zu haben. Und wenn man heute von ihm ſagt, er zähle zu den bekannteſten und be- liebteſten Jazz-Symphonie-Orcheſters, ſo iſt damit ſein weitverbreiteter Ruhm nur angedeutet. Das Abzahlungsgeſchäft in Amerika Die Hälfte des Automobilumſatzes auf Abzahlung In den Vereinigten Staaten von Amerika blüht das Abzahlungsgeſchäft wie in keinem an- deren Lande. Im vergangenen Jahre ſind ſchätzungsweiſe 24 Milliarden Mark auf dieſe Weiſe umgeſetzt worden. Davon entfallen etwa 30 Prozent auf die Anzahlung. Der Reſt wird im Laufe von acht Monaten bis zu einem Jahre ab- getragen. Erfahrungsgemäß tragen 10 Prozent der Käufer ihre Verpflichtungen ſchon vor dem Ablauf der Zahlfriſt ab. Man kann alſo anneh- men, daß der Kredit, der durch das Abzahlungs- geſchäft gebunden iſt, ſich auf etwa acht Milliarden Mark beläuft. Am meiſten wird der Abzahlungs- kredit von den Käufern von Automobilen in An- ſpruch genommen. Man ſchätzt, daß die Ameri- kaner im verfloſſenen Jahre etwa 8,5 Millionen neue und gebrauchte Automobile kauften. Die Hälfte davon wurde auf Abzahlung angeſchafft. Man bringt mit dem Abzahlungsſyſtem in Ame- rika viele ſoziale Fortſchritte in Verbindung. So ermöglicht der Ankauf von Automobilen es vielen Leuten, die auf dem Lande wohnen und in der Stadt ihrem Berufe nachzugehen. Zu einer ſo ge- waltigen Ausdehnung des Abzahlungsgeſchäftes gehören aber auch die blühenden wirtſchaftlichen Verhältniſſe, wie ſie in Amerika beſtehen. Reſidenztheater. Am Sonntag, den 27. Januar findet eine Morgenveranſtaltung mit Bläſer- kammermuſik ſtatt. Zur Aufführung gelangen zwei in München ſeit langer Zeit nicht mehr zu Gehör gebrachte Bläſerwerke von Ludwig Spohr und Richard Strauß. Mitwirkende: 15 Bläſer des Bayeriſchen Staatstheaterorcheſters. Muſikaliſche Leitung: Dr. Hallaſch. Der Kölner Muſeumsſkandal Die blamierte Stadtverwaltung * Der Oberbürgermeiſter auf dem Beobachtungsſtand Oberbürgermeiſter Dr. Adenauer, Kölns Stadtgewaltiger, iſt zweifelsohne unter den deutſchen Kommunalpolitikern die ſtärkſte, um nicht zu ſagen genialſte Perſön- lichkeit. Die Metropole am Rhein hat ihm unendlich viel für ihre glänzende Entwick- lung zu danken. Das kann nicht hindern auszuſprechen, daß Dr. Adenauer ſich in dem Sittlichkeitsſkandal, der innerhalb der ſtädtiſchen Muſeumsver- waltung aufgedeckt wurde, und über den wir berichteten, nicht nur in der Wahl der Mittel arg vergriffen, ſondern auch nach der gerichtlichen Klarſtellung der Vorgänge eine moraliſche Niederlage von ziemlichen Aus- maßen erlitten hat. Es iſt nicht angenehm, einem Manne von der hohen Bedeutung des Kölner Oberbürgermeiſters ſagen zu müſſen, daß er in der Geſellſchaft von Muckern und Sittlichkeitsſchnüfflern keine beſonders glückliche Figur gemacht hat. Was iſt geſchehen? Im Auguſt 1928 wird durch Beamte des Muſeums der Stadtver- waltung in einer Anzeige Kenntnis davon gegeben, daß im Arbeitszimmer des Direk- tors Profeſſor Dr. Sch. ſich Vorgänge abge- ſpielt hätten, die dadurch ein beſonderes großes Aergernis erregen mußten, daß ſie beinahe in aller Oeffentlichkeit zu beobachten waren. Von einer dem Muſeum gegenüber- liegenden Wohnung hatte ein Ehepaar D. unzählige Male beobachtet, daß Direktor Profeſſor Dr. Sch. eine Dame in ſeinem Ar- beitszimmer empfing, wobei es zu den äußerſten Intimitäten gekommen war. Dieſe Hauptzeugen be- haupteten mit einer durch nichts zu erſchüt- ternden Sicherheit, es habe ſich bei der be- treffenden Dame um Fräulein Dr. M., eine wiſſenſchaftliche Hilfsarbeiterin des Mu- ſeums, gehandelt. Auf Grund dieſer Bekundungen glaubte ſich die Stadtverwaltung im Recht, ſowohl dem Direktor wie Fräulein Dr. M. ihre Stellungen aufzukündigen. Zu dieſem Be- ſchluß kam die Stadtverwaltung nicht nur auf Grund der erwähnten Zeugenausſagen des Poſtſchaffner-Ehepaares D., nein, mehr noch durch eigene Beobachtungen des Ober- bürgermeiſters ſelbſt. Herr Dr. Adenauer hielt es, offenbar un- ter dem Druck der katholiſchen Frauen- organiſationen in Köln, die zwar im Kar- neval beide Augen zudrücken, ſonſt aber von äußerſter Empfindlichkeit im Punkte Sittlichkeit ſind, nicht für unter ſeiner Würde, in höchſt eigener Perſon in der Poſt- ſchaffnerswohnung den Beobachtungsſtand zu beziehen und höchſt intereſſiert in das galante Direktionszimmer unbemerkt Ein- blick zu tun. In der Tat, es war zuviel, was ſich ſeinen Augen dort darbot, und das ſittenſtrenge Herz des Oberbürgermeiſters erbebte in gerechter Entrüſtung. Damit war die Anklage gegen das verliebte Pärchen, das das Direktionszimmer zu richtigen „Schä- fer“-Stunden zu benutzen wagte, beſiegelt. Leider aber hatte Herr Dr. Adenauer ver- abſäumt, auf ſeinen Beobachtungspoſten einen guten Feldſtecher mitzunehmen. Hätte er dies getan, ſo wäre ihm wahrſcheinlich nicht entgangen, daß die amouröſe Dame, die ſich mit Profeſſor Sch. ſo ungeniert ſchnäbelte gar nicht das diffamierte Fräulein Dr. M. geweſen war. Die in ihrer weiblichen Ehre ſchwer ge- kränkte junge Dame konnte ihrerſeits auf Grund der friſtloſen Entlaſſung Klage beim Arbeitsgericht erheben, und ſiehe da, die Kölner Richter mußten ihr beſcheinigen, daß ihre Tugend ganz zu Unrecht angezweifelt war. Das Gericht ſtellte feſt, daß die Zeu- gen ſich zwar nicht über die Vorgänge im Direktorzimmer, wohl aber in dem wichtigen Punkt, nämlich in der Perſon des weiblichen Partners des Profeſſors Sch. grundlegend geirrt hätten. Auch in zweiter Inſtanz, vor dem Landesarbeitsgericht, wurde das be- leidigte Fräulein Dr. M. reſtlos und glänzend rehabiliert. Noch während dieſes Verfahrens wollte die Stadtverwaltung ihr Unrecht nicht ein- ſehen und legte ſo großen Wert auf die Be- laſtungszeugen, daß man dieſe ſogar in ſtädtiſchen Automobilen zur Gerichtsver- handlung fuhr. Die Suppe, die der ſtädtiſche Beigeordnete Dr. Berndorff ſeinem Schwager Adenauer eingebrockt hatte, mußte alſo zur Neige aus- gelöffelt werden und endete mit der ekla- tanten Niederlage der Stadtverwaltung. Dieſe hat jetzt in einer langatmigen Erklä- rung ihr Verhalten zu rechtfertigen verſucht und gleichzeitig mitgeteilt, daß Fräulein Dr. M. mit dem Rang einer Aſſiſtentin wieder in ſtädtiſchen Dienſten angeſtellt ſei. Die Dame iſt alſo ſozuſagen die Treppe hinauf- gefallen. Man mißverſtehe uns nicht: wir ſind durchaus nicht der Meinung, daß die Stadt- verwaltung nicht berechtigt und verpflichtet geweſen wäre, die peinlichen Vorgänge, die auf Rechnung des Muſeumsdirektors, Pro- feſſor Dr. Sch. kommen, gründlich zu unter- ſuchen. Wir halten auch die Entlaſſung die- ſes Beamten für gerechtfertigt und ſchlechter- dings unumgänglich. Aber die Methoden, mit der man einer jungen Dame von makel- loſem Ruf und aus beſter Familie in dieſem Falle zu Leibe ging, verdienen durchaus gebrandmarkt zu werden und müßten eigentlich dem Stadthaupt eine gute Lehre ſein, nicht ſo folgſam im Fahr- waſſer ſpießeriſcher Sittlichkeitsſchnüffler zu ſchwimmen. Dr. Adenauer, den wir unge- mein ſchätzen, ſollte nicht vergeſſen, welchen Namen er aufs Spiel zu ſetzen hat. Denn auch der glänzendſte Name verträgt mora- liſche Niederlagen, wie die jetzt im Mu- ſeumsſkandal erlittene, auf die Dauer nicht. Der Polizeipräſident regelt den Verkehr Militäriſche Ordnung * 50prozentige Beſchleunigung des Autoverkehrs Grower Whalen, der frühere Leiter des ſtädtiſchen Empfangskomitees in Neuyork, der unzählige Prominente aus aller Welt in Bürgermeiſter Walkers Namen begrüßt hat und ſeit kurzer Zeit Neuyorker Polizei- präſident iſt, ſetzte am letzten Montag abend eine revolutionäre Verkehrsregelung für den Broadway- und ganzen Theater- diſtrikt in Kraft. Wo bislang ein unbe- ſchreibliches Gedränge von Privatwagen, Taxis, von Hunderttauſenden von Theater- beſuchern und Spaziergängern herrſchte, herrſcht jetzt militäriſche Ordnung. Von hohen Verkehrstürmen herab unter Zuhilfe- nahme von etwa tauſend Poliziſten, Berit- tenen und Motorradſchwadronen dirigierte Whalen in einem dicken Sweater das neue, von ihm ausgearbeitete Verkehrsſyſtem. Dieſes Syſtem verbietet während der Theaterzeit jeglichen Laſtkraſtwagenverkehr, ſowie das Wagenparken im Theaterdiſtrikt, Auto, die in den Theaterdiſtrikt einfahren, dürfen weder Rechts- noch Linkswendung machen, ſondern müſſen in der eingeſchlage- nen Richtung durchfahren. Die Fußgänger- maſſen, die bisher unbekümmert um die Signallichter die Straßen überfluteten, wer- den an jeder Ecke von einem großen Poli- ziſtenaufgebot beim roten Signal zurückge- halten. Das Publikum nahm den neuen Verkehrsplan gutgelaunt auf. Tauſende ſtauten ſich auf den Bürgerſteigen, beobachteten Wahlen und ulkten ihn an. Photographen zückten ihre Kameras, Blitz- lichter flammten auf; es war an dieſem erſten Tage, als ob der Karneval in Neu- york ſeinen Einzug gehalten hätte. Die Schutzleute, denen höflichſtes Verhal- ten eingeſchärft war, packten unachtſame Fußgänger am Schlafittchen. Zwei Dutzend Privatautos, die im Diſtrikt parkend vor- gefunden wurden, wurden unter Gejohle durch Wachautos nach den Polizeirevieren abgeſchleppt. Die Garagen innerhalb des Diſtrikts erhöhten ihre Unterſtellgebühren um einen halben Dollar auf drei Viertel bis einen Dollar. Der Erfolg des erſten Tages der neuen Regelung iſt eine 50prozentige Beſchleunigung des Autoverkehrs, der ſich bisher nur im Schneckentempo abwickelte. Das Syſtem, das verſuchsweiſe für 14 Tage angeordnet iſt, verſpricht alſo Erfolg. Jene kleinſten, ehrlichen Artiſten Von Joachim Ringelnatz Jener kleinſten, ehrlichen Artiſten Denk ich, die kein Ruhm belohnt, Die ihr Daſein ärmlich, fleißig friſten, Und in denen nur die Zukunft wohnt. In Programmen ſtehen ſie beſcheiden, Und das Publikum bleibt ihnen ſtumm. Dennoch geben ſie ihr Beſtes und beneiden Größere nicht. Und wiſſen nicht, warum. Grober Dünkel drückt ſie in die Ecken. Ihre Grenze iſt der Rampenſchein. Aber nachts vor kleinen Mädchen recken Sie ſich auf in Künſtlerſchwärmerein. Die ihr bleiben ſollt, wo wir begonnen, Mögt ihr ruhmlos ſein und unbegabt, Doch euch tröſtet: Uns iſt viel zerronnen Schönes, was ihr jetzt noch in euch habt. Ehrlichkeit iſt Kunſt und derart ſelten, Daß es wenig Wichtigeres gibt. Euer Schickſal wird euch reich vergelten, Daß ihr euer Schickſal habt geliebt. Mit beſonderer Genehmigung des Verlags Ernſt Rowohlt Berlin, dem ſoeben erſchienenen Gedichtbande „Allerdings“ von Joachim Ringelnatz entnommen. Deutſche Stunde in Bayern Freitag, den 25. Januar 1925 6.45 Morgengymnaſtik. 11.20 Schallplattenkonzert für Verſuche und für die Induſtrie. 12.55—13.50 Nürnberger Sendung: Mittagskon- zert des Künſtlertrlos Philipp Wiemer. 14.45 Stunde der Frau. 16.00 Leſeſtunde. 16.30 Unterhaltungskonzert des Rundfunktrios. 17.40 Lehrerfunk der Deutſchen Stunde in Bay- ern. Eignungsprüfungen, ihre Notwendig- keit und ihr Umfang. Vortrag von Studien- rat H. Keſſelring, Kaiſerslautern. 18.10 Für unſere Landwirtſchaft. 19.00 Die Entſtehung der Erde (VII). Eine Vor- tragsreihe von Geheimrat Profeſſor Dr. Erich Kaiſer. 19.15 Eine Viertelſtunde Deutſche Volksgeſchichte. 19.30 Zum 200. Geburtstag Gotthold Ephraim Leſſing (geb. 22. Januar 1729). Dr. Tim Klein: Leſſing. „Emilia Galotti“. Ein Trauerſpiel in fünf Aufzügen von Gotthold Ephraim Leſſing. Spielleitung Rudolf Hoch. 21.40 Konzert des Rundfunkorcheſters. Leitung Hans A. Winter. 22.20 Abendmeldungen. Schneebericht. 22.45 Sportwochenſchau. Berichterſtatter Hans Priehäußer. 23.00 Wichtige Funknachrichten. _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1929/9>, abgerufen am 21.11.2024.