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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.

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[Spaltenumbruch] schauung noch die Befugniß in höchster Instanz den sittlichen Werth
des Wirkens freier Wesen zu richten einräumen, und ebensowenig den
Grund des Uebels in dem Medium des Menschen, sondern, wie es die
christliche Lehre thut, wie es auch Voltaire that, in dem Menschen selber
suchen. Zwischen diesen Mächten ist kein Vergleich und kein Frieden
denkbar. Entweder wird die eine völlig vernichtet oder, was das wahr-
scheinlichste ist, der Krieg hört niemals auf, denn Gott kann nicht über-
wunden werden und der Dämon gibt sich nicht gefangen. Daß es auf ei-
nen Vergleich hinausläuft, das ist die schwache Seite des von Falloux
vorgeschlagenen Gesetzes, es kann niemanden befriedigen dessen Glaube
im Herzen wurzelt, wie weise es mit vollem Recht den paar Vernünftigen
die nur nach dem Nächstmöglichen streben, auch erscheinen mag. Aber daß
es von einem Thiers vertheidigt wird das macht es den kirchlichen und
legitimistischen Ultras schon verdächtig, obgleich die meisten es wenigstens
in seinen einzelnen Verfügungen kennen. Seine revolutionären Feinde
dagegen verdammen es meist, ohne zu wissen was es enthält. Es kommt
von Fallour, es wird von der Linken mit wüthenden Declamationen ge-
gen Kirche und Inquisition angegriffen, das ist ihnen genug. Von zwan-
zig die es mit allen Ausdrücken demokratischen Abscheues und rationalisti-
schen Ingrimms überhäufen, hat es kaum ein einziger studirt. Das ist
die öffentliche Meinung vor der die Schwätzer und Schwärmer des Tags
das Knie beugen. Es ist so gut Götzendienst wie die Tempelorgien von
Babylon und Tyrus. Der Fetisch hat Millionen Köpfe, aber er bleibt
doch ein Fetisch, nur ist das Heidenthum, wie wir es heute haben, das
bald die Vernunft, bald die öffentliche Meinung anbetet, ungleich gefähr-
licher als der Aberglaube des Phöniciers und der Wahn des schwarzen
Volkes das in dem Sande Afrika's umherirrt.

Seit mehreren Tagen ist in unserm Ha-
fen ein Schiff von ganz neuer Bauart erschienen. Es hat weder Masten,
Segel, Ruder, noch eine Dampfmaschine, und doch bewegt es sich wie
von einem unsichtbaren Genius getrieben vorwärts. Dieses sonderbare
Schiff, dem man den Namen "Le Fou de Marseille" gegeben hat, ist die
Erfindung eines hiesigen Schlossermeisters und Maschinenfabricanten.
Er gibt vor daß er mit einer einfachen Maschine mit Hebelkraft die Dampf-
kraft ersetzen könne. Das Fahrzeug welches seit seiner Ankunft von vie-
len Neugierigen beschaut wurde, hat nun ein Fischerboot vom Kai d'Or-
leans im Verlauf von einer halben Stunde nach dem äußersten Theile
des neuen Hafens von la Joilette bugfirt. Diese Probefahrt war vom
besten Erfolg gekrönt; die Mannschaft der in unserm Hafen liegenden
Schiffe hatte sich auf ihre Verdecke begeben, und diese Erfindung im Vorbei-
ziehen begrüßt. Die Dampffregatte "Sane" ist von Civitavecchia hier angekom-
men und hat einen großen Theil des 50sten Infanterieregimentes zurückge-
führt. Die Rückkehr eines Regimentes aus dem Feldzug -- die ver-
brannten Gesichter, die abgenutzten Kleider, unverkennbare Zeichen so
mancher seit 9 Monaten zur Aufrechthaltung des Ruhmes Frankreichs
überstandenen Mühseligkeiten -- machte auf die Volksmasse, welche Mei-
nung auch bei ihr über die Expedition nach Rom vorherrschen konnte, ei-
nen tiefen Eindruck. Die Soldaten wurden als sie ans Land stiegen von
der auf dem Kai versammelten Menge mit wiederholtem Lebehoch em-
pfangen.

Italien.

Der Generalgouverneur Feldmarschall Ra-
detzky ist auf kurzen Besuch in Mailand angekommen, und hielt gestern
auf den Basteyen an der Porta Nuova Musterung über die ganze Be-
satzung, umgeben von einem glänzenden Generalftab, und in Gegenwart
einer unermeßlichen frohen Volksmenge (di lieta popolazione)", sagt
die Mailänder Ztg. Der greise Feldherr besuchte dann die Arbeiten
an den Forts vor der Stadt, und äußerte sich sehr zufrieden über deren
Fortschritt.

Schweiz.

Die Angelegenheit der Ordensschwestern in
St. Ursanne, Amtsbezirk Pruntrut, hat der große Rath in einer seiner
letzten Sitzungen behandelt. Aus früheren Mittheilungen ist bekannt
daß im Jahr 1818 zwei Schwestern der Congregation de la Charite von
[Spaltenumbruch] Besancon nach St. Ursanne, Amtsbezirk Pruntrut, berufen wurden um die
Mädchen des Ortes zu unterrichten und die Kranken zu pflegen. Später
errichteten sie ein Pensionat für Erziehung junger Mädchen, dem gewöhnlich
3 bis 5 Nonnen vorstanden. Da diese zur Ertheilung von Unterricht
keine Lehrbewilligung hatten und sich zur Erlangung derselben der Staats-
prüfung nicht unterwerfen wollten, zudem S. 82 der Verfassung die Nie-
derlassung kantonsfremder religiöser Corporationen auf Bern'schem Staats-
gebiet untersagt, so hat der Regierungsrath den Nonnen eine längere
Aufenthaltsbewilligung im Kanton untersagt, und ihre Ausweisung er-
folgte vor etlichen Wochen. Da sie im Besitz des französischen Bürger-
rechts sind, so nahm sich der französische Gesandte ihrer an und richtete
mehrere energische Noten an die hiesige Regierung. Diese jedoch pro-
testirte gegen diese fremde Einmischung, überschickte alle Actenstücke dem
Bundesrath und fügte die Erklärung bei daß dem Aufenthalt der barm-
herzigen Schwestern, wenn sie einzeln im Kanton lebten, nichts im Wege
stehe, aber ihre Niederlassung als Congregation zur Ertheilung von Un-
terricht etc. verbiete die Verfassung Mehrere katholische Gemeinden aus
dem Jura petitionirten nun für die Ausgewiesenen, der große Rath aber
hat nach ziemlich lebhafter Discussion die Maßregel des Regierungsraths
mit 120 gegen 38 Stimmen gutgeheißen. Auch gegen die Stadt Bern
hat der große Rath einen Beschluß gefaßt, welcher die Spannung der
Gemüther bedeutend vermehrt. Der Regierungsrath nämlich beschwert
sich darüber daß 15 Monate nach Erwählung der Stadt Bern zur Bun-
desstadt für den Bau des Bundespalastes noch so viel wie nichts geschehen
sey, und legte, um die Sache zu beschleunigen, dem großen Rath folgenden
Decretsentwurf vor: Der große Rath des Kantons Bern nach angehör-
tem Bericht des Regierungsraths beschließt: 1) Für dasjenige Grund-
eigenthum welches nach dem von den competenten Behörden zu genehmi-
genden Plane zu der Herstellung eines Bundesrathhauses und zu dessen
Dependenzen in Anspruch genommen werden muß, ist zu Handen der
Stadtgemeinde Bern das Recht der Expropriation ertheilt. 2) Der Re-
gierungsrath ist beauftragt und ermächtigt auf dem Wege Rechtens oder
in anderer gesetzlich zulässiger Weise alle nöthigen Maßregeln zu ergreifen
um die Stadtgemeinde Bern zur beförderlichen Erfüllung ihrer durch Be-
schluß vom 18 Dec. 1847 übernommenen Verpflichtung anzuhalten. Es
traten beredte Vertheidiger der Gemeindebehörde Berns auf, welche die
Nothwendigkeit der bisherigen Verzögerung nachwiesen und der Berner
Regierung das Recht bestritten sich in diese Sache zu mischen, da sie keine
kantonale, sondern eine eidgenössische sey. Aber die Radicalen erblicken
nun einmal hierin einen bösen Willen der Stadt, die auf die Reaction
hoffe, und daß dann die neue Bundesverfassung umgestoßen und der
Bundespalast unnöthig werde. Mit 100 gegen 45 Stimmen wurde der
Decretsentwurf angenommen.

Türkei.

(Daily News) Wir haben Nachrichten aus Schumla vom
17 Dec. Kossuth war kränklich. Die türkische Bevölkerung benahm sich
gegen die Flüchtlinge mit größter Freundlichkeit, aber der offenbare gute
Wille der Pforte ist gelähmt durch Furcht vor Rußland und durch Miß-
trauen auf Englands Unterstützung im Widerstand gegen dasselbe. Wie
es heißt wird Ahmed Effendi von Konstantinopel hieher kommen um
Kossutb nach seiner neuen Bestimmung zu geleiten. Derselbe wird
dann den Fuad Effendi in Bucharest ersetzen. Die Haltung der Russen
in der Wallachei und Bessarabien scheint immer kriegerischer zu werden.

Handels- und Börsennachrichten.

Consols 96 3/8 . Russian Scrip 33/4, 7/8 Prämie.

21/2proc. 55; 4proc. 851/4; portug. 4proc.
371/4; Metall. 21/2proc. 431/4; Ard. 12.

Oesterr. 5proc. Metall. 841/4; Bankactien
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Berbach 85; württ. 31/2proc. 81 5/8 ; 41/2proc. 95 3/8 ; bad. 5proc. 991/2; 31/2proc.
791/4; darmst. 31/2proc. 83; 4proc. 89 3/8 ; 41/2proc. 941/4; nass. 5proc. 1021/2;
31/2proc. 841/4; Frankf. 3proc. 791/4; 31/2proc. 94, 89; Disc. 13/4.



Verantw. Redaction: Dr. Gustav Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. E. A. Mebold.

Verlag der J. S. Cotta'schen Buchhandlung.



[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] ſchauung noch die Befugniß in höchſter Inſtanz den ſittlichen Werth
des Wirkens freier Weſen zu richten einräumen, und ebenſowenig den
Grund des Uebels in dem Medium des Menſchen, ſondern, wie es die
chriſtliche Lehre thut, wie es auch Voltaire that, in dem Menſchen ſelber
ſuchen. Zwiſchen dieſen Mächten iſt kein Vergleich und kein Frieden
denkbar. Entweder wird die eine völlig vernichtet oder, was das wahr-
ſcheinlichſte iſt, der Krieg hört niemals auf, denn Gott kann nicht über-
wunden werden und der Dämon gibt ſich nicht gefangen. Daß es auf ei-
nen Vergleich hinausläuft, das iſt die ſchwache Seite des von Falloux
vorgeſchlagenen Geſetzes, es kann niemanden befriedigen deſſen Glaube
im Herzen wurzelt, wie weiſe es mit vollem Recht den paar Vernünftigen
die nur nach dem Nächſtmöglichen ſtreben, auch erſcheinen mag. Aber daß
es von einem Thiers vertheidigt wird das macht es den kirchlichen und
legitimiſtiſchen Ultras ſchon verdächtig, obgleich die meiſten es wenigſtens
in ſeinen einzelnen Verfügungen kennen. Seine revolutionären Feinde
dagegen verdammen es meiſt, ohne zu wiſſen was es enthält. Es kommt
von Fallour, es wird von der Linken mit wüthenden Declamationen ge-
gen Kirche und Inquiſition angegriffen, das iſt ihnen genug. Von zwan-
zig die es mit allen Ausdrücken demokratiſchen Abſcheues und rationaliſti-
ſchen Ingrimms überhäufen, hat es kaum ein einziger ſtudirt. Das iſt
die öffentliche Meinung vor der die Schwätzer und Schwärmer des Tags
das Knie beugen. Es iſt ſo gut Götzendienſt wie die Tempelorgien von
Babylon und Tyrus. Der Fetiſch hat Millionen Köpfe, aber er bleibt
doch ein Fetiſch, nur iſt das Heidenthum, wie wir es heute haben, das
bald die Vernunft, bald die öffentliche Meinung anbetet, ungleich gefähr-
licher als der Aberglaube des Phöniciers und der Wahn des ſchwarzen
Volkes das in dem Sande Afrika’s umherirrt.

Seit mehreren Tagen iſt in unſerm Ha-
fen ein Schiff von ganz neuer Bauart erſchienen. Es hat weder Maſten,
Segel, Ruder, noch eine Dampfmaſchine, und doch bewegt es ſich wie
von einem unſichtbaren Genius getrieben vorwärts. Dieſes ſonderbare
Schiff, dem man den Namen „Le Fou de Marſeille“ gegeben hat, iſt die
Erfindung eines hieſigen Schloſſermeiſters und Maſchinenfabricanten.
Er gibt vor daß er mit einer einfachen Maſchine mit Hebelkraft die Dampf-
kraft erſetzen könne. Das Fahrzeug welches ſeit ſeiner Ankunft von vie-
len Neugierigen beſchaut wurde, hat nun ein Fiſcherboot vom Kai d’Or-
leans im Verlauf von einer halben Stunde nach dem äußerſten Theile
des neuen Hafens von la Joilette bugfirt. Dieſe Probefahrt war vom
beſten Erfolg gekrönt; die Mannſchaft der in unſerm Hafen liegenden
Schiffe hatte ſich auf ihre Verdecke begeben, und dieſe Erfindung im Vorbei-
ziehen begrüßt. Die Dampffregatte „Sané“ iſt von Civitavecchia hier angekom-
men und hat einen großen Theil des 50ſten Infanterieregimentes zurückge-
führt. Die Rückkehr eines Regimentes aus dem Feldzug — die ver-
brannten Geſichter, die abgenutzten Kleider, unverkennbare Zeichen ſo
mancher ſeit 9 Monaten zur Aufrechthaltung des Ruhmes Frankreichs
überſtandenen Mühſeligkeiten — machte auf die Volksmaſſe, welche Mei-
nung auch bei ihr über die Expedition nach Rom vorherrſchen konnte, ei-
nen tiefen Eindruck. Die Soldaten wurden als ſie ans Land ſtiegen von
der auf dem Kai verſammelten Menge mit wiederholtem Lebehoch em-
pfangen.

Italien.

Der Generalgouverneur Feldmarſchall Ra-
detzky iſt auf kurzen Beſuch in Mailand angekommen, und hielt geſtern
auf den Baſteyen an der Porta Nuova Muſterung über die ganze Be-
ſatzung, umgeben von einem glänzenden Generalftab, und in Gegenwart
einer unermeßlichen frohen Volksmenge (di lieta popolazione)“, ſagt
die Mailänder Ztg. Der greiſe Feldherr beſuchte dann die Arbeiten
an den Forts vor der Stadt, und äußerte ſich ſehr zufrieden über deren
Fortſchritt.

Schweiz.

Die Angelegenheit der Ordensſchweſtern in
St. Urſanne, Amtsbezirk Pruntrut, hat der große Rath in einer ſeiner
letzten Sitzungen behandelt. Aus früheren Mittheilungen iſt bekannt
daß im Jahr 1818 zwei Schweſtern der Congregation de la Charité von
[Spaltenumbruch] Beſançon nach St. Urſanne, Amtsbezirk Pruntrut, berufen wurden um die
Mädchen des Ortes zu unterrichten und die Kranken zu pflegen. Später
errichteten ſie ein Penſionat für Erziehung junger Mädchen, dem gewöhnlich
3 bis 5 Nonnen vorſtanden. Da dieſe zur Ertheilung von Unterricht
keine Lehrbewilligung hatten und ſich zur Erlangung derſelben der Staats-
prüfung nicht unterwerfen wollten, zudem S. 82 der Verfaſſung die Nie-
derlaſſung kantonsfremder religiöſer Corporationen auf Bern’ſchem Staats-
gebiet unterſagt, ſo hat der Regierungsrath den Nonnen eine längere
Aufenthaltsbewilligung im Kanton unterſagt, und ihre Ausweiſung er-
folgte vor etlichen Wochen. Da ſie im Beſitz des franzöſiſchen Bürger-
rechts ſind, ſo nahm ſich der franzöſiſche Geſandte ihrer an und richtete
mehrere energiſche Noten an die hieſige Regierung. Dieſe jedoch pro-
teſtirte gegen dieſe fremde Einmiſchung, überſchickte alle Actenſtücke dem
Bundesrath und fügte die Erklärung bei daß dem Aufenthalt der barm-
herzigen Schweſtern, wenn ſie einzeln im Kanton lebten, nichts im Wege
ſtehe, aber ihre Niederlaſſung als Congregation zur Ertheilung von Un-
terricht ꝛc. verbiete die Verfaſſung Mehrere katholiſche Gemeinden aus
dem Jura petitionirten nun für die Ausgewieſenen, der große Rath aber
hat nach ziemlich lebhafter Discuſſion die Maßregel des Regierungsraths
mit 120 gegen 38 Stimmen gutgeheißen. Auch gegen die Stadt Bern
hat der große Rath einen Beſchluß gefaßt, welcher die Spannung der
Gemüther bedeutend vermehrt. Der Regierungsrath nämlich beſchwert
ſich darüber daß 15 Monate nach Erwählung der Stadt Bern zur Bun-
desſtadt für den Bau des Bundespalaſtes noch ſo viel wie nichts geſchehen
ſey, und legte, um die Sache zu beſchleunigen, dem großen Rath folgenden
Decretsentwurf vor: Der große Rath des Kantons Bern nach angehör-
tem Bericht des Regierungsraths beſchließt: 1) Für dasjenige Grund-
eigenthum welches nach dem von den competenten Behörden zu genehmi-
genden Plane zu der Herſtellung eines Bundesrathhauſes und zu deſſen
Dependenzen in Anſpruch genommen werden muß, iſt zu Handen der
Stadtgemeinde Bern das Recht der Expropriation ertheilt. 2) Der Re-
gierungsrath iſt beauftragt und ermächtigt auf dem Wege Rechtens oder
in anderer geſetzlich zuläſſiger Weiſe alle nöthigen Maßregeln zu ergreifen
um die Stadtgemeinde Bern zur beförderlichen Erfüllung ihrer durch Be-
ſchluß vom 18 Dec. 1847 übernommenen Verpflichtung anzuhalten. Es
traten beredte Vertheidiger der Gemeindebehörde Berns auf, welche die
Nothwendigkeit der bisherigen Verzögerung nachwieſen und der Berner
Regierung das Recht beſtritten ſich in dieſe Sache zu miſchen, da ſie keine
kantonale, ſondern eine eidgenöſſiſche ſey. Aber die Radicalen erblicken
nun einmal hierin einen böſen Willen der Stadt, die auf die Reaction
hoffe, und daß dann die neue Bundesverfaſſung umgeſtoßen und der
Bundespalaſt unnöthig werde. Mit 100 gegen 45 Stimmen wurde der
Decretsentwurf angenommen.

Türkei.

(Daily News) Wir haben Nachrichten aus Schumla vom
17 Dec. Koſſuth war kränklich. Die türkiſche Bevölkerung benahm ſich
gegen die Flüchtlinge mit größter Freundlichkeit, aber der offenbare gute
Wille der Pforte iſt gelähmt durch Furcht vor Rußland und durch Miß-
trauen auf Englands Unterſtützung im Widerſtand gegen dasſelbe. Wie
es heißt wird Ahmed Effendi von Konſtantinopel hieher kommen um
Koſſutb nach ſeiner neuen Beſtimmung zu geleiten. Derſelbe wird
dann den Fuad Effendi in Buchareſt erſetzen. Die Haltung der Ruſſen
in der Wallachei und Beſſarabien ſcheint immer kriegeriſcher zu werden.

Handels- und Börſennachrichten.

Conſols 96⅜. Ruſſian Scrip 3¾, ⅞ Prämie.

2½proc. 55; 4proc. 85¼; portug. 4proc.
37¼; Metall. 2½proc. 43¼; Ard. 12.

Oeſterr. 5proc. Metall. 84¼; Bankactien
1244; preuß. Staatsſchuldſch. 89; bayer. 3½proc. Oblig. 82¾; Ludwigsh.-
Berbach 85; württ. 3½proc. 81⅝; 4½proc. 95⅜; bad. 5proc. 99½; 3½proc.
79¼; darmſt. 3½proc. 83; 4proc. 89⅜; 4½proc. 94¼; naſſ. 5proc. 102½;
3½proc. 84¼; Frankf. 3proc. 79¼; 3½proc. 94, 89; Disc. 1¾.



Verantw. Redaction: Dr. Guſtav Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. E. A. Mebold.

Verlag der J. S. Cotta’ſchen Buchhandlung.



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[488/0008] ſchauung noch die Befugniß in höchſter Inſtanz den ſittlichen Werth des Wirkens freier Weſen zu richten einräumen, und ebenſowenig den Grund des Uebels in dem Medium des Menſchen, ſondern, wie es die chriſtliche Lehre thut, wie es auch Voltaire that, in dem Menſchen ſelber ſuchen. Zwiſchen dieſen Mächten iſt kein Vergleich und kein Frieden denkbar. Entweder wird die eine völlig vernichtet oder, was das wahr- ſcheinlichſte iſt, der Krieg hört niemals auf, denn Gott kann nicht über- wunden werden und der Dämon gibt ſich nicht gefangen. Daß es auf ei- nen Vergleich hinausläuft, das iſt die ſchwache Seite des von Falloux vorgeſchlagenen Geſetzes, es kann niemanden befriedigen deſſen Glaube im Herzen wurzelt, wie weiſe es mit vollem Recht den paar Vernünftigen die nur nach dem Nächſtmöglichen ſtreben, auch erſcheinen mag. Aber daß es von einem Thiers vertheidigt wird das macht es den kirchlichen und legitimiſtiſchen Ultras ſchon verdächtig, obgleich die meiſten es wenigſtens in ſeinen einzelnen Verfügungen kennen. Seine revolutionären Feinde dagegen verdammen es meiſt, ohne zu wiſſen was es enthält. Es kommt von Fallour, es wird von der Linken mit wüthenden Declamationen ge- gen Kirche und Inquiſition angegriffen, das iſt ihnen genug. Von zwan- zig die es mit allen Ausdrücken demokratiſchen Abſcheues und rationaliſti- ſchen Ingrimms überhäufen, hat es kaum ein einziger ſtudirt. Das iſt die öffentliche Meinung vor der die Schwätzer und Schwärmer des Tags das Knie beugen. Es iſt ſo gut Götzendienſt wie die Tempelorgien von Babylon und Tyrus. Der Fetiſch hat Millionen Köpfe, aber er bleibt doch ein Fetiſch, nur iſt das Heidenthum, wie wir es heute haben, das bald die Vernunft, bald die öffentliche Meinung anbetet, ungleich gefähr- licher als der Aberglaube des Phöniciers und der Wahn des ſchwarzen Volkes das in dem Sande Afrika’s umherirrt. • Marſeille, 23 Jan. Seit mehreren Tagen iſt in unſerm Ha- fen ein Schiff von ganz neuer Bauart erſchienen. Es hat weder Maſten, Segel, Ruder, noch eine Dampfmaſchine, und doch bewegt es ſich wie von einem unſichtbaren Genius getrieben vorwärts. Dieſes ſonderbare Schiff, dem man den Namen „Le Fou de Marſeille“ gegeben hat, iſt die Erfindung eines hieſigen Schloſſermeiſters und Maſchinenfabricanten. Er gibt vor daß er mit einer einfachen Maſchine mit Hebelkraft die Dampf- kraft erſetzen könne. Das Fahrzeug welches ſeit ſeiner Ankunft von vie- len Neugierigen beſchaut wurde, hat nun ein Fiſcherboot vom Kai d’Or- leans im Verlauf von einer halben Stunde nach dem äußerſten Theile des neuen Hafens von la Joilette bugfirt. Dieſe Probefahrt war vom beſten Erfolg gekrönt; die Mannſchaft der in unſerm Hafen liegenden Schiffe hatte ſich auf ihre Verdecke begeben, und dieſe Erfindung im Vorbei- ziehen begrüßt. Die Dampffregatte „Sané“ iſt von Civitavecchia hier angekom- men und hat einen großen Theil des 50ſten Infanterieregimentes zurückge- führt. Die Rückkehr eines Regimentes aus dem Feldzug — die ver- brannten Geſichter, die abgenutzten Kleider, unverkennbare Zeichen ſo mancher ſeit 9 Monaten zur Aufrechthaltung des Ruhmes Frankreichs überſtandenen Mühſeligkeiten — machte auf die Volksmaſſe, welche Mei- nung auch bei ihr über die Expedition nach Rom vorherrſchen konnte, ei- nen tiefen Eindruck. Die Soldaten wurden als ſie ans Land ſtiegen von der auf dem Kai verſammelten Menge mit wiederholtem Lebehoch em- pfangen. Italien.Mailand, 27 Jan. Der Generalgouverneur Feldmarſchall Ra- detzky iſt auf kurzen Beſuch in Mailand angekommen, und hielt geſtern auf den Baſteyen an der Porta Nuova Muſterung über die ganze Be- ſatzung, umgeben von einem glänzenden Generalftab, und in Gegenwart einer unermeßlichen frohen Volksmenge (di lieta popolazione)“, ſagt die Mailänder Ztg. Der greiſe Feldherr beſuchte dann die Arbeiten an den Forts vor der Stadt, und äußerte ſich ſehr zufrieden über deren Fortſchritt. Schweiz.△ Bern, 26 Jan. Die Angelegenheit der Ordensſchweſtern in St. Urſanne, Amtsbezirk Pruntrut, hat der große Rath in einer ſeiner letzten Sitzungen behandelt. Aus früheren Mittheilungen iſt bekannt daß im Jahr 1818 zwei Schweſtern der Congregation de la Charité von Beſançon nach St. Urſanne, Amtsbezirk Pruntrut, berufen wurden um die Mädchen des Ortes zu unterrichten und die Kranken zu pflegen. Später errichteten ſie ein Penſionat für Erziehung junger Mädchen, dem gewöhnlich 3 bis 5 Nonnen vorſtanden. Da dieſe zur Ertheilung von Unterricht keine Lehrbewilligung hatten und ſich zur Erlangung derſelben der Staats- prüfung nicht unterwerfen wollten, zudem S. 82 der Verfaſſung die Nie- derlaſſung kantonsfremder religiöſer Corporationen auf Bern’ſchem Staats- gebiet unterſagt, ſo hat der Regierungsrath den Nonnen eine längere Aufenthaltsbewilligung im Kanton unterſagt, und ihre Ausweiſung er- folgte vor etlichen Wochen. Da ſie im Beſitz des franzöſiſchen Bürger- rechts ſind, ſo nahm ſich der franzöſiſche Geſandte ihrer an und richtete mehrere energiſche Noten an die hieſige Regierung. Dieſe jedoch pro- teſtirte gegen dieſe fremde Einmiſchung, überſchickte alle Actenſtücke dem Bundesrath und fügte die Erklärung bei daß dem Aufenthalt der barm- herzigen Schweſtern, wenn ſie einzeln im Kanton lebten, nichts im Wege ſtehe, aber ihre Niederlaſſung als Congregation zur Ertheilung von Un- terricht ꝛc. verbiete die Verfaſſung Mehrere katholiſche Gemeinden aus dem Jura petitionirten nun für die Ausgewieſenen, der große Rath aber hat nach ziemlich lebhafter Discuſſion die Maßregel des Regierungsraths mit 120 gegen 38 Stimmen gutgeheißen. Auch gegen die Stadt Bern hat der große Rath einen Beſchluß gefaßt, welcher die Spannung der Gemüther bedeutend vermehrt. Der Regierungsrath nämlich beſchwert ſich darüber daß 15 Monate nach Erwählung der Stadt Bern zur Bun- desſtadt für den Bau des Bundespalaſtes noch ſo viel wie nichts geſchehen ſey, und legte, um die Sache zu beſchleunigen, dem großen Rath folgenden Decretsentwurf vor: Der große Rath des Kantons Bern nach angehör- tem Bericht des Regierungsraths beſchließt: 1) Für dasjenige Grund- eigenthum welches nach dem von den competenten Behörden zu genehmi- genden Plane zu der Herſtellung eines Bundesrathhauſes und zu deſſen Dependenzen in Anſpruch genommen werden muß, iſt zu Handen der Stadtgemeinde Bern das Recht der Expropriation ertheilt. 2) Der Re- gierungsrath iſt beauftragt und ermächtigt auf dem Wege Rechtens oder in anderer geſetzlich zuläſſiger Weiſe alle nöthigen Maßregeln zu ergreifen um die Stadtgemeinde Bern zur beförderlichen Erfüllung ihrer durch Be- ſchluß vom 18 Dec. 1847 übernommenen Verpflichtung anzuhalten. Es traten beredte Vertheidiger der Gemeindebehörde Berns auf, welche die Nothwendigkeit der bisherigen Verzögerung nachwieſen und der Berner Regierung das Recht beſtritten ſich in dieſe Sache zu miſchen, da ſie keine kantonale, ſondern eine eidgenöſſiſche ſey. Aber die Radicalen erblicken nun einmal hierin einen böſen Willen der Stadt, die auf die Reaction hoffe, und daß dann die neue Bundesverfaſſung umgeſtoßen und der Bundespalaſt unnöthig werde. Mit 100 gegen 45 Stimmen wurde der Decretsentwurf angenommen. Türkei.(Daily News) Wir haben Nachrichten aus Schumla vom 17 Dec. Koſſuth war kränklich. Die türkiſche Bevölkerung benahm ſich gegen die Flüchtlinge mit größter Freundlichkeit, aber der offenbare gute Wille der Pforte iſt gelähmt durch Furcht vor Rußland und durch Miß- trauen auf Englands Unterſtützung im Widerſtand gegen dasſelbe. Wie es heißt wird Ahmed Effendi von Konſtantinopel hieher kommen um Koſſutb nach ſeiner neuen Beſtimmung zu geleiten. Derſelbe wird dann den Fuad Effendi in Buchareſt erſetzen. Die Haltung der Ruſſen in der Wallachei und Beſſarabien ſcheint immer kriegeriſcher zu werden. Handels- und Börſennachrichten. London, 26 Jan. Conſols 96⅜. Ruſſian Scrip 3¾, ⅞ Prämie. Amſterdam, 26 Jan 2½proc. 55[FORMEL]; 4proc. 85¼; portug. 4proc. 37¼; Metall. 2½proc. 43¼; Ard. 12[FORMEL]. Frankfurt a. M., 29 Jan. Oeſterr. 5proc. Metall. 84¼; Bankactien 1244; preuß. Staatsſchuldſch. 89; bayer. 3½proc. Oblig. 82¾; Ludwigsh.- Berbach 85; württ. 3½proc. 81⅝; 4½proc. 95⅜; bad. 5proc. 99½; 3½proc. 79¼; darmſt. 3½proc. 83; 4proc. 89⅜; 4½proc. 94¼; naſſ. 5proc. 102½; 3½proc. 84¼; Frankf. 3proc. 79¼; 3½proc. 94, 89; Disc. 1¾. Verantw. Redaction: Dr. Guſtav Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. E. A. Mebold. Verlag der J. S. Cotta’ſchen Buchhandlung. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1850/8>, abgerufen am 21.11.2024.