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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.

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1. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Endlich wandte sie sich wieder zu dem Freunde. Die
Beiden hatten aber jetzt die Rollen getauscht. Sie stand hoch-
aufgerichtet neben ihm, leuchtenden Auges, mit geröteten
Wangen; er in sich versunken, mit traurig gesenktem Haupte,
mutlos herabhängenden Armen.

Wanda nahm die weiche runde Kinderhand ihrer Enkelin
und legte sie dem Freunde auf die Schulter.

"Den Kopf in die Höhe, Franz!" sagte sie mit veränderter
Stimme, "das Leben -- glaube mir -- das Leben ist doch
schön!" -- --

Er nahm seinen Hut. "Ich sehe, du brauchst keinen Arzt
mehr, Wanda. Wie sind deine Sybillenaugen plötzlich so
glänzend geworden! Was tausend kluge und wohlmeinende
Worte nicht vermögen, ein einziges Wort aus Kindermund --"

Die Kleine schlang die Aermchen um Wandas Hals und
sagte lachend, schmeichelnd: "Großmutter!"



Dem bedrängten Brudervolke!
Wie dem Wald der Vögel Singen,
So gebührt dem Volke Preis,
Das zerreißt des Feindes Schlingen
Und sich schmückt mit grünem Reis.
Heimkehr wird dem Kämpfer frommen.
Deutsches Oest'rreich, sei willkommen!
Ruf den Föhnsturm in dem Frone
Langer, banger Winternacht!
Und vergesse nicht, daß ohne
Opfermut kein Lenz erwacht!
Schmilz das Eis, das dich umstarrt,
Heimvolk, dein Befreier harrt!
Von dem verstorbenen österreichischen Dichter Karl Pröll ist im Verlage Thor-
mann & Goetsch, Berlin, ein Buch Karl Prölls Vermächtnis, Gedichte und
Venksprüche
(brosch. III. 1.50) erschienen, dem wir das obenstehende, tief-
empfundene Gedicht als Probe entnehmen.
Handel und Industrie
Der Zusammenbruch der Börsen.

Es ist ein trauriges Kapitel, das zu behandeln die Zeitereig-
nisse zwingen -- der Zusammenbruch einer der machtvollsten Organi-
sationen, die Menschen zur Bewältigung des ungeheuren Welt-
verkehrs in Wertpapieren, Wechseln usw. erdacht, erklügelt hatten.
Die Börsen sollten Stätten sein, an denen sich das jeweilige An-
gebot und die Nachfrage zu bestimmten Zeiten treffen und aus-
gleichen könnten, und die dabei sich ergebenden Preise wurden Kurse
genannt. Diese Kurse in eigenen Blättern gesammelt, durch die
Zeitungen in die ganze Welt verbreitet, hatten für alle Beteiligten,
die Verkäufer oder Käufer einer Ware, eines Werttitels, eines
Wechsels oder sonstigen Forderung bindende Gültigkeit. Mannig-
faltig waren dann auch die Spezialeinrichtungen, die an den großen
Weltbörsen Berlin, London, Paris, Neuyork zur Bewältigung und
Erleichterung des jeden Tag gigantischen Verkehres getroffen wur-
den. Eine der hauptsächlichsten Errungenschaften war die Ein-
führung des Zeithandels, genannt Ultimo, da stets am Ende des
Monats an vorher bestimmten Tagen die Ablieferung, Abrechnung
der für "Ultimo" gehandelten Papiere stattfand. Hierdurch wurde
das massenhafte tägliche Liefern und Beziehen von Werten, das
mit Mühen und Zinsverlusten verknüpft ist und ungeheure Summen
von Zahlmitteln festlegt, vermieden und auf einen Termin ver-
einigt. An diesen konnte sodann die weitaus größte Mehrzahl der
Werte gegenseitig ausgeglichen werden und es gelangte nur der
verbleibende kleine Teil zum effektiven Austausch zwischen dem
Verkäufer und Käufer. Das Zeitgeschäft hatte aber weiter den
großen Vorteil, auch für eine längere Zeit als einen Monat, Dis-
[Spaltenumbruch] positionen treffen zu können, sie unterdessen wieder zu ändern,
eine Verlängerung der Lieferzeit herbeizuführen usw. Um es kurz
zu sagen, das Zeitgeschäft in Wertpapieren und Waren (vor-
zugsweise Getreide) überragte das Kassageschäft (die jeweilige
sofortige Regulierung) in ganz außerordentlichem Maße; es wurde
geradezu zum Maßstab für die Preisfestsetzung. Und aus deren
Gestaltung entstand, was man im börsentechnischen Sinne die
"Tendenz" nennt, die Meinung, die an den betreffenden Tagen
an einer Börse für jede einzelne Ware (Effekten usw.) überwiegend
vorhanden war. Gerade durch das Zeitgeschäft sollten in schwie-
rigen Zeiten die mannigfaltigen Zufälligkeiten ausgeschaltet werden,
die das Kassageschäft beinahe naturgemäß mit sich bringt, gerade
das Zeitgeschäft war die Brücke, die alle Börsen miteinander ver-
band und auch auf diese umfassende Weise eine Weltverbindung
schuf. Und ihren großen ausgleichenden Aufgaben kamen in frühe-
ren wirtschaftlichen oder politischen Krisen, in kriegerischen Tagen
die Börsen, in der Hauptsache durch das Bestehen eines Zeit-
handels, der Transaktionen von einem Lande nach dem anderen
gestattete, auch nach.

Und nun? Nun stehen wir erst am Vorabende eines soge-
nannten "lokalisierten" Krieges, nun besteht noch eine berechtigte
Hoffnung auf Erhaltung des Weltfriedens, und schon brechen die
Börsen, die einen ganz, die anderen minder, aber eine nach der
anderen zusammen. In Wien und an kleineren Plätzen wurde der
Börsenverkehr auch der für Kassageschäfte, ganz sistiert, in Paris
wird der Kassaverkehr nur mühsam aufrecht erhalten, in London
wird die bisherige Umsatzmöglichkeit sehr erschwert. Und in Deutsch-
land? Auch in Berlin, Frankfurt a. M. sah man sich Mittwoch,
den 29. Juli, zu einem einstweiligen Verbote des Zeitgeschäftes,
zur Nichtfestsetzung von Preisen für Kassapapiere aller Art (Staats-
fonds, Städteobligationen, Aktien von Banken, Transportunter-
nehmungen, Industriegesellschaften usw.) und in größter Anzahl
veranlaßt. Was die dortigen Börsenbehörden zu einem so schwer-
wiegenden, und auch bereits scharf kritisierten Beschlusse bewog,
werden wohl die über die Verhandlungen geführten Protokolle
erläutern, an Gründen, die auf der Oberfläche schwimmen, fehlt
es ja nicht. Man wollte wohl zunächst verhüten, daß die Börsen-
kreise im Auslande, deren Börsen bereits nicht mehr normal funktio-
nierten, sich mit Macht mit ihren Aufträgen, das wären wohl
überwiegend Verkaufsaufträge gewesen, nach Berlin wenden und
dort zur Verschärfung der Lage beitragen, zu einer Panik führen
würde, die dann auch von einer Rückwirkung auf dem Kassamarkt
begleitet sein könnte. Man wollte aber auch vielfach der einheimischen
Spekulation einen Riegel vorschieben und sie an Blankoabgaben
für den Monat August verhindern. Abgesehen davon, daß die
gleichzeitige Festsetzung einer Zwangsliquidation für Ultimogeschäfte
ihren Zweck total verfehlte, indem sie geradezu zu ungeheuer-
lichen und mit den zu gleicher Zeit wirklich bezahlten Preisen in
gar keinem Zusammenhange stehenden Kursen führte, und so das
Gegenteil der Absicht erreichte, abgesehen davon ist es eine große
Frage, ob die Verhältnisse, die politischen, die des Geldmarktes, der
sogar sehr befriedigend liegt und des Berliner Marktes bezw. die
der deutschen Plätze, die notgedrungen folgen müssen, so ver-
zweifelt liegen, daß zu einem derartig gewaltsamen Einschreiten
Veranlassung war. Ob es der Behörde gelang, der Partei zu nützen,
deren Interesse sie im Auge hatte, wird sich erst noch durch den
Verlauf der Geschehnisse erweisen müssen. Daß sie die andere Partei,
vielleicht derjenigen, die getragen von einer optimistischeren Anschauung
gerne mit Käufen eingegriffen hätten, wie dies ja später auch im
Kassageschäfte der Fall war, geschädigt hat, kann leicht der Fall
sein. Es kann sich aber auch ergeben, ja, es ist sogar wahrscheinlich,
daß sie, besonders bei einer Verschlimmerung der Lage gerade
durch das Verbot des Zeithandels große Massen von Wertpapieren
gerade den schwerfälligeren Abwicklungsmodus des Effektengeschäftes,

[irrelevantes Material]
1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

Endlich wandte ſie ſich wieder zu dem Freunde. Die
Beiden hatten aber jetzt die Rollen getauſcht. Sie ſtand hoch-
aufgerichtet neben ihm, leuchtenden Auges, mit geröteten
Wangen; er in ſich verſunken, mit traurig geſenktem Haupte,
mutlos herabhängenden Armen.

Wanda nahm die weiche runde Kinderhand ihrer Enkelin
und legte ſie dem Freunde auf die Schulter.

„Den Kopf in die Höhe, Franz!“ ſagte ſie mit veränderter
Stimme, „das Leben — glaube mir — das Leben iſt doch
ſchön!“ — —

Er nahm ſeinen Hut. „Ich ſehe, du brauchſt keinen Arzt
mehr, Wanda. Wie ſind deine Sybillenaugen plötzlich ſo
glänzend geworden! Was tauſend kluge und wohlmeinende
Worte nicht vermögen, ein einziges Wort aus Kindermund —“

Die Kleine ſchlang die Aermchen um Wandas Hals und
ſagte lachend, ſchmeichelnd: „Großmutter!“



Dem bedrängten Brudervolke!
Wie dem Wald der Vögel Singen,
So gebührt dem Volke Preis,
Das zerreißt des Feindes Schlingen
Und ſich ſchmückt mit grünem Reis.
Heimkehr wird dem Kämpfer frommen.
Deutſches Oeſt’rreich, ſei willkommen!
Ruf den Föhnſturm in dem Frone
Langer, banger Winternacht!
Und vergeſſe nicht, daß ohne
Opfermut kein Lenz erwacht!
Schmilz das Eis, das dich umſtarrt,
Heimvolk, dein Befreier harrt!
Von dem verſtorbenen öſterreichiſchen Dichter Karl Pröll iſt im Verlage Thor-
mann & Goetſch, Berlin, ein Buch Karl Prölls Vermächtnis, Gedichte und
Venkſprüche
(broſch. III. 1.50) erſchienen, dem wir das obenſtehende, tief-
empfundene Gedicht als Probe entnehmen.
Handel und Induſtrie
Der Zuſammenbruch der Börſen.

Es iſt ein trauriges Kapitel, das zu behandeln die Zeitereig-
niſſe zwingen — der Zuſammenbruch einer der machtvollſten Organi-
ſationen, die Menſchen zur Bewältigung des ungeheuren Welt-
verkehrs in Wertpapieren, Wechſeln uſw. erdacht, erklügelt hatten.
Die Börſen ſollten Stätten ſein, an denen ſich das jeweilige An-
gebot und die Nachfrage zu beſtimmten Zeiten treffen und aus-
gleichen könnten, und die dabei ſich ergebenden Preiſe wurden Kurſe
genannt. Dieſe Kurſe in eigenen Blättern geſammelt, durch die
Zeitungen in die ganze Welt verbreitet, hatten für alle Beteiligten,
die Verkäufer oder Käufer einer Ware, eines Werttitels, eines
Wechſels oder ſonſtigen Forderung bindende Gültigkeit. Mannig-
faltig waren dann auch die Spezialeinrichtungen, die an den großen
Weltbörſen Berlin, London, Paris, Neuyork zur Bewältigung und
Erleichterung des jeden Tag gigantiſchen Verkehres getroffen wur-
den. Eine der hauptſächlichſten Errungenſchaften war die Ein-
führung des Zeithandels, genannt Ultimo, da ſtets am Ende des
Monats an vorher beſtimmten Tagen die Ablieferung, Abrechnung
der für „Ultimo“ gehandelten Papiere ſtattfand. Hierdurch wurde
das maſſenhafte tägliche Liefern und Beziehen von Werten, das
mit Mühen und Zinsverluſten verknüpft iſt und ungeheure Summen
von Zahlmitteln feſtlegt, vermieden und auf einen Termin ver-
einigt. An dieſen konnte ſodann die weitaus größte Mehrzahl der
Werte gegenſeitig ausgeglichen werden und es gelangte nur der
verbleibende kleine Teil zum effektiven Austauſch zwiſchen dem
Verkäufer und Käufer. Das Zeitgeſchäft hatte aber weiter den
großen Vorteil, auch für eine längere Zeit als einen Monat, Dis-
[Spaltenumbruch] poſitionen treffen zu können, ſie unterdeſſen wieder zu ändern,
eine Verlängerung der Lieferzeit herbeizuführen uſw. Um es kurz
zu ſagen, das Zeitgeſchäft in Wertpapieren und Waren (vor-
zugsweiſe Getreide) überragte das Kaſſageſchäft (die jeweilige
ſofortige Regulierung) in ganz außerordentlichem Maße; es wurde
geradezu zum Maßſtab für die Preisfeſtſetzung. Und aus deren
Geſtaltung entſtand, was man im börſentechniſchen Sinne die
„Tendenz“ nennt, die Meinung, die an den betreffenden Tagen
an einer Börſe für jede einzelne Ware (Effekten uſw.) überwiegend
vorhanden war. Gerade durch das Zeitgeſchäft ſollten in ſchwie-
rigen Zeiten die mannigfaltigen Zufälligkeiten ausgeſchaltet werden,
die das Kaſſageſchäft beinahe naturgemäß mit ſich bringt, gerade
das Zeitgeſchäft war die Brücke, die alle Börſen miteinander ver-
band und auch auf dieſe umfaſſende Weiſe eine Weltverbindung
ſchuf. Und ihren großen ausgleichenden Aufgaben kamen in frühe-
ren wirtſchaftlichen oder politiſchen Kriſen, in kriegeriſchen Tagen
die Börſen, in der Hauptſache durch das Beſtehen eines Zeit-
handels, der Transaktionen von einem Lande nach dem anderen
geſtattete, auch nach.

Und nun? Nun ſtehen wir erſt am Vorabende eines ſoge-
nannten „lokaliſierten“ Krieges, nun beſteht noch eine berechtigte
Hoffnung auf Erhaltung des Weltfriedens, und ſchon brechen die
Börſen, die einen ganz, die anderen minder, aber eine nach der
anderen zuſammen. In Wien und an kleineren Plätzen wurde der
Börſenverkehr auch der für Kaſſageſchäfte, ganz ſiſtiert, in Paris
wird der Kaſſaverkehr nur mühſam aufrecht erhalten, in London
wird die bisherige Umſatzmöglichkeit ſehr erſchwert. Und in Deutſch-
land? Auch in Berlin, Frankfurt a. M. ſah man ſich Mittwoch,
den 29. Juli, zu einem einſtweiligen Verbote des Zeitgeſchäftes,
zur Nichtfeſtſetzung von Preiſen für Kaſſapapiere aller Art (Staats-
fonds, Städteobligationen, Aktien von Banken, Transportunter-
nehmungen, Induſtriegeſellſchaften uſw.) und in größter Anzahl
veranlaßt. Was die dortigen Börſenbehörden zu einem ſo ſchwer-
wiegenden, und auch bereits ſcharf kritiſierten Beſchluſſe bewog,
werden wohl die über die Verhandlungen geführten Protokolle
erläutern, an Gründen, die auf der Oberfläche ſchwimmen, fehlt
es ja nicht. Man wollte wohl zunächſt verhüten, daß die Börſen-
kreiſe im Auslande, deren Börſen bereits nicht mehr normal funktio-
nierten, ſich mit Macht mit ihren Aufträgen, das wären wohl
überwiegend Verkaufsaufträge geweſen, nach Berlin wenden und
dort zur Verſchärfung der Lage beitragen, zu einer Panik führen
würde, die dann auch von einer Rückwirkung auf dem Kaſſamarkt
begleitet ſein könnte. Man wollte aber auch vielfach der einheimiſchen
Spekulation einen Riegel vorſchieben und ſie an Blankoabgaben
für den Monat Auguſt verhindern. Abgeſehen davon, daß die
gleichzeitige Feſtſetzung einer Zwangsliquidation für Ultimogeſchäfte
ihren Zweck total verfehlte, indem ſie geradezu zu ungeheuer-
lichen und mit den zu gleicher Zeit wirklich bezahlten Preiſen in
gar keinem Zuſammenhange ſtehenden Kurſen führte, und ſo das
Gegenteil der Abſicht erreichte, abgeſehen davon iſt es eine große
Frage, ob die Verhältniſſe, die politiſchen, die des Geldmarktes, der
ſogar ſehr befriedigend liegt und des Berliner Marktes bezw. die
der deutſchen Plätze, die notgedrungen folgen müſſen, ſo ver-
zweifelt liegen, daß zu einem derartig gewaltſamen Einſchreiten
Veranlaſſung war. Ob es der Behörde gelang, der Partei zu nützen,
deren Intereſſe ſie im Auge hatte, wird ſich erſt noch durch den
Verlauf der Geſchehniſſe erweiſen müſſen. Daß ſie die andere Partei,
vielleicht derjenigen, die getragen von einer optimiſtiſcheren Anſchauung
gerne mit Käufen eingegriffen hätten, wie dies ja ſpäter auch im
Kaſſageſchäfte der Fall war, geſchädigt hat, kann leicht der Fall
ſein. Es kann ſich aber auch ergeben, ja, es iſt ſogar wahrſcheinlich,
daß ſie, beſonders bei einer Verſchlimmerung der Lage gerade
durch das Verbot des Zeithandels große Maſſen von Wertpapieren
gerade den ſchwerfälligeren Abwicklungsmodus des Effektengeſchäftes,

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[497/0011] 1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung Endlich wandte ſie ſich wieder zu dem Freunde. Die Beiden hatten aber jetzt die Rollen getauſcht. Sie ſtand hoch- aufgerichtet neben ihm, leuchtenden Auges, mit geröteten Wangen; er in ſich verſunken, mit traurig geſenktem Haupte, mutlos herabhängenden Armen. Wanda nahm die weiche runde Kinderhand ihrer Enkelin und legte ſie dem Freunde auf die Schulter. „Den Kopf in die Höhe, Franz!“ ſagte ſie mit veränderter Stimme, „das Leben — glaube mir — das Leben iſt doch ſchön!“ — — Er nahm ſeinen Hut. „Ich ſehe, du brauchſt keinen Arzt mehr, Wanda. Wie ſind deine Sybillenaugen plötzlich ſo glänzend geworden! Was tauſend kluge und wohlmeinende Worte nicht vermögen, ein einziges Wort aus Kindermund —“ Die Kleine ſchlang die Aermchen um Wandas Hals und ſagte lachend, ſchmeichelnd: „Großmutter!“ Dem bedrängten Brudervolke! Von Karl Pröll. Wie dem Wald der Vögel Singen, So gebührt dem Volke Preis, Das zerreißt des Feindes Schlingen Und ſich ſchmückt mit grünem Reis. Heimkehr wird dem Kämpfer frommen. Deutſches Oeſt’rreich, ſei willkommen! Ruf den Föhnſturm in dem Frone Langer, banger Winternacht! Und vergeſſe nicht, daß ohne Opfermut kein Lenz erwacht! Schmilz das Eis, das dich umſtarrt, Heimvolk, dein Befreier harrt! Von dem verſtorbenen öſterreichiſchen Dichter Karl Pröll iſt im Verlage Thor- mann & Goetſch, Berlin, ein Buch Karl Prölls Vermächtnis, Gedichte und Venkſprüche (broſch. III. 1.50) erſchienen, dem wir das obenſtehende, tief- empfundene Gedicht als Probe entnehmen. Handel und Induſtrie Der Zuſammenbruch der Börſen. Von Wilhelm Prager. Es iſt ein trauriges Kapitel, das zu behandeln die Zeitereig- niſſe zwingen — der Zuſammenbruch einer der machtvollſten Organi- ſationen, die Menſchen zur Bewältigung des ungeheuren Welt- verkehrs in Wertpapieren, Wechſeln uſw. erdacht, erklügelt hatten. Die Börſen ſollten Stätten ſein, an denen ſich das jeweilige An- gebot und die Nachfrage zu beſtimmten Zeiten treffen und aus- gleichen könnten, und die dabei ſich ergebenden Preiſe wurden Kurſe genannt. Dieſe Kurſe in eigenen Blättern geſammelt, durch die Zeitungen in die ganze Welt verbreitet, hatten für alle Beteiligten, die Verkäufer oder Käufer einer Ware, eines Werttitels, eines Wechſels oder ſonſtigen Forderung bindende Gültigkeit. Mannig- faltig waren dann auch die Spezialeinrichtungen, die an den großen Weltbörſen Berlin, London, Paris, Neuyork zur Bewältigung und Erleichterung des jeden Tag gigantiſchen Verkehres getroffen wur- den. Eine der hauptſächlichſten Errungenſchaften war die Ein- führung des Zeithandels, genannt Ultimo, da ſtets am Ende des Monats an vorher beſtimmten Tagen die Ablieferung, Abrechnung der für „Ultimo“ gehandelten Papiere ſtattfand. Hierdurch wurde das maſſenhafte tägliche Liefern und Beziehen von Werten, das mit Mühen und Zinsverluſten verknüpft iſt und ungeheure Summen von Zahlmitteln feſtlegt, vermieden und auf einen Termin ver- einigt. An dieſen konnte ſodann die weitaus größte Mehrzahl der Werte gegenſeitig ausgeglichen werden und es gelangte nur der verbleibende kleine Teil zum effektiven Austauſch zwiſchen dem Verkäufer und Käufer. Das Zeitgeſchäft hatte aber weiter den großen Vorteil, auch für eine längere Zeit als einen Monat, Dis- poſitionen treffen zu können, ſie unterdeſſen wieder zu ändern, eine Verlängerung der Lieferzeit herbeizuführen uſw. Um es kurz zu ſagen, das Zeitgeſchäft in Wertpapieren und Waren (vor- zugsweiſe Getreide) überragte das Kaſſageſchäft (die jeweilige ſofortige Regulierung) in ganz außerordentlichem Maße; es wurde geradezu zum Maßſtab für die Preisfeſtſetzung. Und aus deren Geſtaltung entſtand, was man im börſentechniſchen Sinne die „Tendenz“ nennt, die Meinung, die an den betreffenden Tagen an einer Börſe für jede einzelne Ware (Effekten uſw.) überwiegend vorhanden war. Gerade durch das Zeitgeſchäft ſollten in ſchwie- rigen Zeiten die mannigfaltigen Zufälligkeiten ausgeſchaltet werden, die das Kaſſageſchäft beinahe naturgemäß mit ſich bringt, gerade das Zeitgeſchäft war die Brücke, die alle Börſen miteinander ver- band und auch auf dieſe umfaſſende Weiſe eine Weltverbindung ſchuf. Und ihren großen ausgleichenden Aufgaben kamen in frühe- ren wirtſchaftlichen oder politiſchen Kriſen, in kriegeriſchen Tagen die Börſen, in der Hauptſache durch das Beſtehen eines Zeit- handels, der Transaktionen von einem Lande nach dem anderen geſtattete, auch nach. Und nun? Nun ſtehen wir erſt am Vorabende eines ſoge- nannten „lokaliſierten“ Krieges, nun beſteht noch eine berechtigte Hoffnung auf Erhaltung des Weltfriedens, und ſchon brechen die Börſen, die einen ganz, die anderen minder, aber eine nach der anderen zuſammen. In Wien und an kleineren Plätzen wurde der Börſenverkehr auch der für Kaſſageſchäfte, ganz ſiſtiert, in Paris wird der Kaſſaverkehr nur mühſam aufrecht erhalten, in London wird die bisherige Umſatzmöglichkeit ſehr erſchwert. Und in Deutſch- land? Auch in Berlin, Frankfurt a. M. ſah man ſich Mittwoch, den 29. Juli, zu einem einſtweiligen Verbote des Zeitgeſchäftes, zur Nichtfeſtſetzung von Preiſen für Kaſſapapiere aller Art (Staats- fonds, Städteobligationen, Aktien von Banken, Transportunter- nehmungen, Induſtriegeſellſchaften uſw.) und in größter Anzahl veranlaßt. Was die dortigen Börſenbehörden zu einem ſo ſchwer- wiegenden, und auch bereits ſcharf kritiſierten Beſchluſſe bewog, werden wohl die über die Verhandlungen geführten Protokolle erläutern, an Gründen, die auf der Oberfläche ſchwimmen, fehlt es ja nicht. Man wollte wohl zunächſt verhüten, daß die Börſen- kreiſe im Auslande, deren Börſen bereits nicht mehr normal funktio- nierten, ſich mit Macht mit ihren Aufträgen, das wären wohl überwiegend Verkaufsaufträge geweſen, nach Berlin wenden und dort zur Verſchärfung der Lage beitragen, zu einer Panik führen würde, die dann auch von einer Rückwirkung auf dem Kaſſamarkt begleitet ſein könnte. Man wollte aber auch vielfach der einheimiſchen Spekulation einen Riegel vorſchieben und ſie an Blankoabgaben für den Monat Auguſt verhindern. Abgeſehen davon, daß die gleichzeitige Feſtſetzung einer Zwangsliquidation für Ultimogeſchäfte ihren Zweck total verfehlte, indem ſie geradezu zu ungeheuer- lichen und mit den zu gleicher Zeit wirklich bezahlten Preiſen in gar keinem Zuſammenhange ſtehenden Kurſen führte, und ſo das Gegenteil der Abſicht erreichte, abgeſehen davon iſt es eine große Frage, ob die Verhältniſſe, die politiſchen, die des Geldmarktes, der ſogar ſehr befriedigend liegt und des Berliner Marktes bezw. die der deutſchen Plätze, die notgedrungen folgen müſſen, ſo ver- zweifelt liegen, daß zu einem derartig gewaltſamen Einſchreiten Veranlaſſung war. Ob es der Behörde gelang, der Partei zu nützen, deren Intereſſe ſie im Auge hatte, wird ſich erſt noch durch den Verlauf der Geſchehniſſe erweiſen müſſen. Daß ſie die andere Partei, vielleicht derjenigen, die getragen von einer optimiſtiſcheren Anſchauung gerne mit Käufen eingegriffen hätten, wie dies ja ſpäter auch im Kaſſageſchäfte der Fall war, geſchädigt hat, kann leicht der Fall ſein. Es kann ſich aber auch ergeben, ja, es iſt ſogar wahrſcheinlich, daß ſie, beſonders bei einer Verſchlimmerung der Lage gerade durch das Verbot des Zeithandels große Maſſen von Wertpapieren gerade den ſchwerfälligeren Abwicklungsmodus des Effektengeſchäftes, _

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1914/11>, abgerufen am 21.11.2024.