Allgemeine Zeitung, Nr. 336, 4. Dezember 1890.Donnerstag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890. Deutscher Reichstag. Telegraphischer Privatbericht der Allg. Ztg. [] Berlin, 3. Dec.34. Sitzung. Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet. Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des Abg. Rickert: Abg. Auer (Soc.) schließt sich dem Antrage Rickert an und Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Vicepräsident Graf Ballestrem ersucht den Redner, weniger Abg. Mehnert (cons.): Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch Abg. Rickert: Abg. Auer: Präsident v. Levetzow: Abg. Auer (fortfahrend): Abg. Mehnert: Der Antrag Rickert wird in allen seinen Theilen angenom- Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis) Abg. Hahn (cons.): Abg. Rickert: Abg. Windthorst ist der Meinung, daß bei einem Wider- Abg. Hahn: Abg. Schmieder erklärt, mit Rücksicht auf diese Präcedenz- Präsident v. Levetzow: Abg. Rickert: Abg. Windthorst: Abg. Hahn: Präsident v. Levetzow: Abg. Windthorst: Abg. Richter: Abg. Schmieder hält es nach diesem Widerspruch nicht für Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunschweig. Wahl- Abg. Frhr. v. Münch: Präsident v. Levetzow: Abg. Frhr. v. Münch: Abg. Baumbach: Der Antrag v. Münch wird genügend unterstützt. Darauf Nächste Sitzung Donnerstag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage, [#] Würzburg, 2. Dec. Nach der amtlichen Feststellung Donnerſtag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890. Deutſcher Reichstag. Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg. [] Berlin, 3. Dec.34. Sitzung. Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet. Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des Abg. Rickert: Abg. Auer (Soc.) ſchließt ſich dem Antrage Rickert an und Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Vicepräſident Graf Balleſtrem erſucht den Redner, weniger Abg. Mehnert (conſ.): Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch Abg. Rickert: Abg. Auer: Präſident v. Levetzow: Abg. Auer (fortfahrend): Abg. Mehnert: Der Antrag Rickert wird in allen ſeinen Theilen angenom- Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis) Abg. Hahn (conſ.): Abg. Rickert: Abg. Windthorſt iſt der Meinung, daß bei einem Wider- Abg. Hahn: Abg. Schmieder erklärt, mit Rückſicht auf dieſe Präcedenz- Präſident v. Levetzow: Abg. Rickert: Abg. Windthorſt: Abg. Hahn: Präſident v. Levetzow: Abg. Windthorſt: Abg. Richter: Abg. Schmieder hält es nach dieſem Widerſpruch nicht für Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunſchweig. Wahl- Abg. Frhr. v. Münch: Präſident v. Levetzow: Abg. Frhr. v. Münch: Abg. Baumbach: Der Antrag v. Münch wird genügend unterſtützt. Darauf Nächſte Sitzung Donnerſtag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage, [□] Würzburg, 2. Dec. Nach der amtlichen Feſtſtellung <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main">Donnerſtag, <hi rendition="#b">Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung.</hi> 4. 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Dec.</dateline><lb/> <p>Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet.<lb/> Am Bundesrathstiſche: Staatsſecretär v. <hi rendition="#g">Boetticher.</hi> Einge-<lb/> gangen iſt der Geſetzentwurf betreffend die <hi rendition="#g">Prüſung der Läufe<lb/> und Verſchlüſſe der Handfeuerwaffen.</hi> Ein Schreiben<lb/> des Abg. <hi rendition="#g">Müller</hi> (Marieuwerder), in welchem dieſer die Frage<lb/> anregt, ob ſein Mandat fortdauere, nachdem er zum Mitglied des<lb/> Reichsbank-Directoriums ernannt ſei, wird der Geſchäftsordnungs-<lb/> commiſſion überwieſen. An Stelle des aus dem Amte geſchiedenen<lb/> Schriftführers <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Bürklin</hi> wird auf Antrag des Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> v. <hi rendition="#g">Marquardſen</hi> der Abg. <hi rendition="#g">Schneider</hi> (Hamm) durch Acclama-<lb/> tion zum Schriſtführer gewählt. — In erſter Berathung wird die<lb/><hi rendition="#g">Ueberſicht</hi> über die <hi rendition="#g">Reichsausgaben</hi> und -<hi rendition="#g">Einnahmen</hi><lb/> für das Etatsjahr 1889/90 der Nechnungscommiſſion überwieſen.</p><lb/> <p>Es folgen <hi rendition="#g">Wahlprüfungen.</hi> Bezüglich der Wahl des<lb/> Abg. v. <hi rendition="#g">Reden</hi> (im 9. hannoveriſchen Wahlbezirk) beantragt die<lb/> Wahlprüfungscommiſſion die Gültigkeitserklärung, ſowie über ein-<lb/> zelne Punkte des eingegangenen ſocialdemokratiſchen Wahlproteſtes<lb/> die Erhebung von Ermittelungen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rickert:</hi> <cit><quote>Dieſe Wahl, welche die Commiſſion nur mit<lb/> 7 gegen 5 Stimmen für gültig erklärt hat, gibt zu den erheblichſten<lb/> Bedenken Anlaß. In dem Wahlproteſt des Arbeiterwahlcomités<lb/> für den 9. hannoveriſchen Wahlkreis wird über folgende Dinge<lb/> Beſchwerde geführt. Der Kriegerverein zu Aerzen, Kreis Hameln,<lb/> hat bei Strafe des Ausſchluſſes beſchloſſen, für den Candidaten<lb/> v. Reden zu ſtimmen. Ein ſolcher Beſchluß iſt abſolut geſetzwidrig.<lb/> Der Kriegerverein zu Röſſing, Kreis Springe, hat über ſeine Mit-<lb/> glieder durch künſtlich zuſammengefaltete Stimmzettel Controle<lb/> geübt. Dieſe Punkte bedürfen der amtlichen Unterſuchung. Die<lb/> Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politiſchen Wahlen<lb/> wird nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieſelben darauf ver-<lb/> zichten, ſich in politiſche Wahlangelegenheiten einzumiſchen. Wir<lb/> haben dagegen kein anderes Mittel, als das der amtlichen Unter-<lb/> ſuchung. In Wallenſen, Kreis Hameln, ſoll das Wahlergebniß<lb/> gefälſcht worden ſein, da 58 Wähler eidlich erhärten wollen,<lb/> daß ſie für den ſocialdemokratiſchen Candidaten Bärer ge-<lb/> ſtimmt haben, während nur 22 Stimmen für denſelben ge-<lb/> zählt ſind. Ferner haben auch Arbeitgeber durch künſtlich<lb/> gefaltete Wahlzettel die Stimmabgabe ihrer Arbeiter controlirt.<lb/> Die Hauptbeſchwerde richtet ſich gegen den Wahlaufruf, welcher<lb/> unter dem Titel „Ein letztes ernſtes Wort an alle Bergleute und<lb/> Invaliden“ von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſen iſt. Die<lb/> Commiſſion hat die Ungehörigkeit dieſer amtlichen Wahlbeein-<lb/> fluſſung erkannt, iſt indeß durch künſtliche Berechnung zu dem Ne-<lb/> ſultat gekommen, daß ſelbſt nach Abzug der vorhandenen Anzahl<lb/> von Bergleuten der gewählte Candidat immer noch die Majorität<lb/> behält. Eine ſolche amtliche Wahlbeeinfluſſung muß aber viel<lb/> weiter in Anrechnung gebracht werden. Vor allen Dingen müſſen<lb/> wir die Thatſache amtlich feſtſtellen laſſen, und ich beantrage deß-<lb/> halb, die Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl auszuſetzen,<lb/> den Reichskanzler zu erſuchen, den Oberbergrath v. Detten amtlich<lb/> darüber vernehmen zu laſſen, ob das erwähnte Flugblatt von ihm<lb/> herrührt und in welcher Weiſe es verbreitet iſt, und ferner über<lb/> verſchiedene von der Commiſſion nicht berückſichtigte Punkte des<lb/> Proteſtes Erhebungen anſtellen zu laſſen.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Auer</hi> (Soc.) ſchließt ſich dem Antrage Rickert an und<lb/> beſchwert ſich ferner über ein von dem Landrathsamt zu Hamm<lb/> erlaſſenes Verbok einer von einem Socialdemokraten einberufenen<lb/> Wählerverſammlung, welches von dem Negierungspräſidenten von<lb/> Hannover als geſetzlich gerechtſertigt erachtet worden ſei, ohne daß<lb/> jedoch Gründe angegeben wären. Der Reichstag habe wiederholt<lb/> entſchieden, daß die bloße Einberufung durch einen Socialdemo-<lb/> kraten kein Anlaß zu einem Verbot ſei. Redner verliest ſodann<lb/> das von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſene Wahlflugblatt und<lb/> meint, daß ſolch einer ſchrankenloſen amtlichen Wahlbeeinfluſſung<lb/> gegenüber der Reichstag es den Wählern und ſich ſelbſt ſchuldig<lb/> ſei, nicht ſo <hi rendition="#aq">sans façon</hi> darüber hinwegzugehen. Ob dieſe Wahl-<lb/> beeinfluſſung wirklich einen Einfluß auf das Wahlreſultat habe,<lb/> ſei gleichgültig. Bei der Stellung eines Oberbergrathes könne von<lb/> einer bloßen Abſchätzung der Zahlen nicht die Rede ſein. Die<lb/> Controlirung der Arbeiter durch künſtlich gefaltete Stimmzettel be-<lb/> einträchtige die Wahlfreiheit ſo, daß letztere für Hunderte von Wäh-<lb/> lern keine Bedeutung mehr habe. Würde hier keine Unterſuchung<lb/> angeſtellt, ſo würde das Vertrauen der Wähler, daß durch Wahl-<lb/> proteſte noch etwas zu erreichen ſei, völlig erſchüttert.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Baumbach</hi>-Altenburg (Reichspartei): <cit><quote>Der größte<lb/> Theil der Proteſte bezieht ſich auf den erſten Wahlgang, der ja<lb/> doch an und für ſich nicht angefochten iſt. Die Angriffe gegen<lb/> die Krieger- und Militärvereine, die bei Gelegenheit der Wahl-<lb/> prüfungen ſchon ſo oft erhoben worden ſind, ſind in keiner<lb/> Weiſe gerechtfertigt. Die Beſtrebungen derſelben gipfeln zunächſt<lb/> in der Deviſe: „Mit Gott für Kaiſer und Reich, Fürſt und<lb/> Valerkand,“ zum zweiten in der Pflege der Cameradſchaft und<lb/> gegenſeitigen Unterſtützung. Politiſche und religiöſe Fragen<lb/> dürfen innerhalb der Vereine nicht zum Zweck der Erörterungen<lb/> gemacht werden. Ein Druck auf die Mitglieder bei politiſchen<lb/> Abſtimmungen würde auch keine Garantie für die Durchführung<lb/> bieten, da ja die Wahl geheim iſt. Im Sinne des obigen<lb/> Wahlſpruchs zu wirken, iſt jeder Vorſtand ſolcher Vereine be-<lb/> rechtigt und verpflichtet, und ich in meiner Stellung als General-<lb/> inſpector von thüringiſchen Kriegervereinen werde jederzeit in den<lb/> Verſammlungen beſtrebt ſein, öffentlich und frei in jenem<lb/> Sinne zu wirken. Das halte ich für meine Pflicht als<lb/> ehemaliger Soldat. (Beifall.) Keiner der Herren Freiſinnigen<lb/> wird mir in den Statuten der Kriegervereine einen Para-<lb/> graphen nennen können, welcher freiſinnige Parteigenoſſen<lb/> ausſchließt. (Abg. <hi rendition="#g">Rickert</hi>: „Das fehlte auch noch!“)<lb/> Wir nehmen Jeden auf, der nicht nur mit dem Munde, ſondern<lb/> auch mit dem Herzen an unſern Beſtrebungen theilnimmt:<lb/> Nationalliberale, Conſervative, Freiſinnige, Ultramontane, nur<lb/> nicht die Socialdemokraten. Bei der großen Anzahl der Vereine<lb/> iſt es allerdings möglich, daß hie und da abweichende Meinungen<lb/> hervortreten. In keinem Falle aber darf man ein angebliches<lb/> Princip der Vereine dafür verantwortlich machen.</quote></cit></p><lb/> <p>Vicepräſident Graf <hi rendition="#b">Balleſtrem</hi> erſucht den Redner, weniger<lb/> die allgemeinen Tendenzen der Kriegervereine, als die Gültigkeit<lb/> oder Ungültigkeit der vorliegenden Wahl zu behandeln, worauf<lb/> Abg. <hi rendition="#b">Baumbach</hi> nur noch erklärt, für die Gültigkeit der Wahl<lb/> des Abg. v. Reden ſtimmen zu wollen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Mehnert</hi> (conſ.): <cit><quote>Es würde das Reſultat der Wahl<lb/> dasſelbe geblieben ſein, auch wenn die Anzahl von Stimmen, um<lb/> die es ſich hier zunächſt handelt, nicht für den Abg. v. Reden ab-<lb/> gegeben worden wäre. Das vom Abg. Auer verleſene Flugblatt<lb/> wäre durchaus nichts Ungewöhuliches, wenn der Verfaſſer nicht zu<lb/> ſeinen Untergebenen darin geſprochen hätte. Von den Unterſchriften<lb/> der 58 Wähler, welche in Wallenſen für Bärer geſtimmt haben<lb/> wollen, ſind 14 von verſelben Hand geſchrieben, ein Umſtand, der<lb/><cb/> uns ſchon in der Commiſſion zu denken gegeben hat. Der Abg.<lb/> Nickert hat keine Veranlaſſung, ſich gegen die Agitation in Krieger-<lb/> vereinen zu wenden. Ich könnte ihm einen Fall nennen, wo gerade<lb/> durch eine ſolche Agitation ein freiſinniger Abgeordneter gewählt<lb/> worden iſt. Jeder gediente Soldat aber hat ebenſo wie jeder andere<lb/> Bürger das Recht, ſich von denen zu trennen, die ihre Pflicht<lb/> gegen König und Vaterland hintanſetzen, den Fahneneid leichtſinnig<lb/> gebrochen haben.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">v. Strombeck</hi> hält einige Punkte in dem Proteft noch<lb/> nicht für aufgeklärt und will deßhalb dem Antrage Rickert nicht<lb/> widerſprechen. Die 14 Unterſchriften von einer Hand könnten<lb/> ſehr wohl autoriſirt ſein.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rickert:</hi> <cit><quote>Gegen das mechaniſche Zuſammenzählen von<lb/> Stimmen, die das Wahlreſultat nicht beeinflußt haben würden,<lb/> iſt früher hier immer proteſtirt worden. Man hat keinen Ueber-<lb/> blick über die Anzahl der Stimmen, die in Folge der Beeinfluſſung<lb/> überhaupt nicht abgegeben worden ſind. Wenn irgendwo ein<lb/> Kriegerverein für die Wahl eines freiſinnigen Candidaten in<lb/> Thätigkeit geſetzt worden iſt, würde ich das entſchieden mißbilligen,<lb/> der Abg. Mehnett hat aber keine genaue Angabe über einen<lb/> ſolchen Fall gemacht. Ein Vorſitzender eines Kriegervereines über-<lb/> ſchreitet aber ſeine Competenzen, wenn er ſeine Stellung dazu<lb/> benutzt, in ſeinem Sinne zu agitiren. Wegen ihrer ſonſtigen Be-<lb/> ſtrebungen hat noch Niemand die Kriegervereine getadelt; ſie haben<lb/> aber keinerlei Wahlagitation zu treiben, auch nicht gegen Social-<lb/> demokraten.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Auer:</hi> <cit><quote>Wenn Sie (rechts) es ſo ſcharf betonen, daß<lb/> die Socialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben,<lb/> dann ziehen Sie wenigſtens die Conſequenzen Ihres Standpunktes<lb/> und weiſen die Socialdemokraten auch aus den Caſernen heraus.<lb/> (Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Es gibt deren nicht<lb/> wenige, und dieſe würden Ihnen dafür ſehr dankbar ſein. Wir<lb/> haben aber ein Recht, dagegen zu proteſtiren, daß man die Social-<lb/> demokraten erſt jahrelang Beiträge zahlen läßt und ſie dann, weil<lb/> ſie anderer politiſcher Meinung ſind, aus den Kriegervereinen<lb/> herauswirft. Wir wollen dem Vaterlande genau dieſelben Pflichten<lb/> erfüllen, und es iſt ein Unrecht von dem Abg. Mehnert, zu ſagen:<lb/> wir gedienten Soldaten haben ein Recht, uns zu trennen von den<lb/> Menſchen, welche pflichtvergeſſen ihr Wort gegen König und Vater-<lb/> land gebrochen haben. Ja, wo iſt dieſes Wort gebrochen, Hr.<lb/> Mehnert? Wer von uns hat ſeine Pflichten gegen das Vaterland<lb/> nicht erfüllt? (Zuruſe rechts.) Nun dann heraus damit! Bringen<lb/> Sie Beweiſe! Hr. Mehnert aber hat im Cartell mit denſelben<lb/> Nationalliberalen zuſammengeſeſſen, die 1866 ihr ſächſiſches Vater-<lb/> land verrathen haben. (Unrnhe.) In unſren Neihen gibt es<lb/> ſolche Leute nicht, wohl aber mit wenigen Ausnahmen in den andern<lb/> Parteien, und wie man da uns gegenüber von einem Wortbruch reden<lb/> kann, das iſt einfach ... nun, ich wollte ſagen unanſtändig ...</quote></cit></p><lb/> <p>Präſident <hi rendition="#b">v. Levetzow</hi>: <cit><quote>Ich müßte dieſen Ausdruck dem Ab-<lb/> geordneten verweiſen.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Auer</hi> (fortfahrend): <cit><quote>Wir haben aus unſerer Stellung<lb/> als Republicaner nie ein Hehl gemacht. (Hört, hört! rechts.)<lb/> Das iſt unſer politiſches Recht, unſer theoretiſcher Standpunkt, aber<lb/> daß wir im Deutſchen Reich irgend etwas gethan hätten, was ge-<lb/> eignet wäre, die Mehnert’ſche Beſchuldigung zu rechtſertigen,<lb/> beſtreite ich auf das allerentſchiedenſte. Bei anderen Parteien mag<lb/> es ja recht profitabel ſein, regierungstreu und vaterlandswüthig<lb/> zu ſein, bei uns iſt niemals ein Profit dabei herausgekommen.<lb/> Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über<lb/> die Wahlfreiheit dentt. Er ſagte, Hr. v. Detten wäre nur un-<lb/> vorſichtig geweſen und hätte in ſeiner Eigenſchaft als Oberbergrath<lb/> die Beeinfluſſung ausgeübt, er hätte alſo den Oberbergrath zu<lb/> Hauſe laſſen müſſen. (Zuruf bei den Socialdemokraten.) Es wird<lb/> mir geſagt, daß er dann ein Heuchler geweſen wäre. Ich freue<lb/> mich, daß Hr. v. Detten wenigſtens den Muth hatte, offen und<lb/> ehrlich hervorzutreten, und nicht die feine Unterſcheidung gewählt<lb/> hat, die er nach Hrn. Mehnert hätte wählen ſollen.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Mehnert:</hi> <cit><quote>Der Abg. Auer hat meine Worte ſo miß-<lb/> deutet, als hätte ich geſagt, die Kriegervereine hielten die Social-<lb/> demokraten deßhalb fern, weil ſie vaterlandsvergeſſen wären. Ich<lb/> habe nur geſagt: man kann es den Kriegervereinen für ihre Mit-<lb/> glieder nicht verargen, wenn ſie diejenigen, die leichtſinnigen<lb/> Herzens den Fahneneid vergeſſen und ihre dem König gelobte<lb/> Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Aus<lb/> Ihrer (zu den Socialdemokraten) Mitte iſt doch das Wort ge-<lb/> fallen: Krieg den Paläſten! (Unruhe links), und der Abg. Auer<lb/> hat ſelbſt geſagt: daß wir Republicaner ſind, beſtreiten wir nicht.<lb/> Die Treue wird dem König nicht mehr bewahrt, wenn Sie auf<lb/> Ihre Fahne die Republik ſchreiben. Deßhalb wollen wir nicht,<lb/> daß derartige Elemente, welche die Treue dem König gebrochen<lb/> haben, in den Kriegervereinen bleiben. (Beifall rechts.)</quote></cit></p><lb/> <p>Der Antrag Rickert wird in allen ſeinen Theilen angenom-<lb/> men; dafür ſtimmt auch der größere Theil des Centrums. Damit<lb/> iſt der Commiſſionsantrag beſeitigt.</p><lb/> <p>Die Wahl des Abg. v. <hi rendition="#g">Henk</hi> (im 2. Stettiner Wahlkreis)<lb/> beantragt die Commiſſion für güllig zu erklären. Berichterſtatter<lb/> iſt der Abg. <hi rendition="#g">Dohrn.</hi> Derſelbe iſt nicht anweſend; der Vorſitzende<lb/> der Commiſſion, Abg. <hi rendition="#g">Schmieder,</hi> hat ſich bereit erklärt, das<lb/> Reſerat zu übernehmen. Abg. <hi rendition="#g">Rickert</hi> bittet, mit Rückſicht auf<lb/> die Abweſenheit des Reſerenten, den Gegenſtand von der Tages-<lb/> ordnung abzuſetzen, um ſo mehr, als der Abg. Schmieder in der<lb/> Commiſſion zur Minorität gehört und gar nicht in der Lage iſt,<lb/> die Majorität zu vertreten. (Unruhe rechts.)</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Hahn</hi> (conſ.): <cit><quote>Ich möchte doch den Grundſatz nicht aufkommen<lb/> laſſen, daß eine Commiſſion in der Ernennung ihres Referenten<lb/> beſchränkt ſein ſollte. Die Commiſſion hat oft ſchon Bertreter der<lb/> Minorität ernannt und das Reſerat iſt unparteiiſch und ſachlich<lb/> geführt worden. Wenn der Vorſitzende der Commiſſion es über-<lb/> nommen hat, die Anſichten der Commiſſion zu vertreten, ſo wäre<lb/> es ein Mißtrauensvotum, wenn das Haus ihn nicht aunehmen<lb/> wollte. Ich wundere mich über das Mißtrauen des Abg. Rickert<lb/> gegen ein Mitglied ſeiner Fraction.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rickert:</hi> <cit><quote>Der Vorredner kann doch ſelbſt nicht ernſtlich<lb/> glauben (lebhafter Widerſpruch rechts) — Sie wiſſen ja noch gar<lb/> nicht, was ich ſagen will (Heiterkeit) — daß ich meinem Freunde Schmie-<lb/> der hier öffentlich ein Mißtranensvotum habe geben wollen. Ich will<lb/> aber ein ſo hervorragendes Mitglied der Commiſſion in unſern<lb/> Reihen kämpſen ſehen. Warum ſoll er gegen ſeine Ueberzeugung<lb/> die Majorität vertreten? Die Commiſſion hat auch Hrn. Schmieder<lb/> gar nicht zum Referenten beſtellt.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Windthorſt</hi> iſt der Meinung, daß bei einem Wider-<lb/> ſpruch des Hauſes ein Referent, der ſich ſelbſt ſubſtituirt, nicht zu-<lb/> gelaſſen werden kann.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Hahn:</hi> <cit><quote>Der Abg. Rickert ſcheint zu meinen, daß<lb/> bei Beurtheilung der Wahlen bier im Reichstage Partei gegen<lb/> Partei kämpft. Es liegen zahlreiche Fälle vor, wo im Falle der<lb/> Verhinderung des Referenten der Vorſitzende referirt hat. Er iſt<lb/> dazu beſonders befähigt, uns die Anſichten der Commiſſion mitzu-<lb/> theilen; ein Verfahren nach dem Vorſchlage des Abg. Rickert würde<lb/> unſre Geſchäfte nicht fördern.</quote></cit></p><lb/> <cb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Schmieder</hi> erklärt, mit Rückſicht auf dieſe Präcedenz-<lb/> fälle das Referat übernommen zu haben.</p><lb/> <p>Präſident <hi rendition="#b">v. Levetzow:</hi> <cit><quote>Bisher iſt gegen dieſes Verfahren<lb/> nie Widerſpruch erhoben worden.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rickert:</hi> <cit><quote>Ich kenne dieſe Praxis auch; ein ſolcher<lb/> Widerſpruch liegt aber heute vor. Wir können verlangen, daß<lb/> der Referent eintritt, den die Commiſſion beſtellt hat. Ich wider-<lb/> ſpreche dem nichtgeſchäftsordnungsmäßigen Verfahren. Es ſteht<lb/> dem Hauſe frei, die bisherige Praxis beizubehalten oder zu ver-<lb/> laſſen; gegen die Unterſtellung des Hrn. Hahn proteſtire ich. Es<lb/> handelt ſich nicht um Partei gegen Partei, ſondern um Anſicht<lb/> gegen Anſicht, um Minorität gegen Majorität.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Windthorſt:</hi> <cit><quote>Die Stellvertretung des Referenten iſt,<lb/> wenn widerſprochen wird, nicht zuläſſig, denn der Referent wird<lb/> von der Commiſſion gewählt.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Hahn:</hi> <cit><quote>Auch der von der Commiſſion beſtellte Be-<lb/> richterſtatter Abg. Dohrn war, wie ich höre, in der Minderheit;<lb/> Abg. Schmieder beſindet ſich alſo genau in derſelben Lage. (Bei-<lb/> fall rechts.)</quote></cit></p><lb/> <p>Präſident <hi rendition="#b">v. Levetzow:</hi> <cit><quote>Es gibt keine Beſtimmung in der<lb/> Geſchäftsordnung, welche verböte, in einer Sache zu verhandeln,<lb/> in welcher der Referent, der den ſchriftlichen Bericht gemacht hat,<lb/> nicht im Hauſe iſt.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Windthorſt:</hi> <cit><quote>Mit der Erſtattung des ſchriftlichen Ve-<lb/> richts hört die Thätigkeit des Referenten nicht auf, er behält auch<lb/> im Hauſe weſentlichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung.<lb/> Wir müſſen Werth darauf legen, daß der von der Commiſſion<lb/> gewählte Berichterſtatter die Sache vertritt.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Richter:</hi> <cit><quote>In der Commiſſion kann jedes Mitglied<lb/> gegen die Wahl eines Berichterſtatters ſeine Bedenken geltend<lb/> machen: dieſe Möglichkeit iſt hier entzogen. Die Verichterſtattung<lb/> iſt im Wege privater Ceſſion übertragen worden; das kann nur<lb/> zuläſſig ſein, wenn Niemand widerſpricht. Die Präcedenzfälle be-<lb/> ziehen ſich nur auf Wahlen, die weiter nicht beſtritten waren und<lb/> wo die Berichterſtattung nur eine formelle Erledigung bezweckte.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Schmieder</hi> hält es nach dieſem Widerſpruch nicht für<lb/> angezeigt, das Referat zu übernehmen, und zieht die angebotene<lb/> Stellvertretung zurück. Der Gegenſtand wird darauf von der<lb/> Tagesordnung abgeſetzt.</p><lb/> <p>Die Wahl des Abg. <hi rendition="#g">Schütte</hi> (im 3. braunſchweig. Wahl-<lb/> kreiſe) wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterſtattung über<lb/> die Wahl des Abg. Frhrn. v. <hi rendition="#g">Münch</hi> (im 8. württemberg. Wablkreiſe).</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Frhr. v. Münch:</hi> <cit><quote>So viel Illuſionen der Empfang<lb/> bei meinem erſten Auſtreten hier im Reichstage mir zerſtörte, den<lb/> unerſchütterlichen Willen, für das Recht des armen Mannes und<lb/> des arbeitenden Volkes einzutreten, hat er mir nicht zerſtört. Die-<lb/> ſer mein Entſchluß iſt unerſchütterlich geblieben und meine Wähler<lb/> werden es mir nicht verargen, wenn ich das Wort in eigener<lb/> Sache ergreife. Ich hoffe, daß nach dieſer Bemerkung Sie keine<lb/> Verletzung des Herkommens des Hauſes darin ſinden werden, wenn<lb/> ich vor Ihnen meine Vertheidigung führe. Der Proteſt behauptet,<lb/> ich hätte, um die jüdiſchen Stimmen in Mühringen zu gewinnen,<lb/> der dortigen Synagoge zwei ſilberne Leuchter geſchenkt. Die Leuch-<lb/> ter, die nicht 1060, ſondern 1016 Mark koſten, habe<lb/> ich im Auguſt verſprochen und im October gegeben. Im<lb/> Januar habe ich noch nicht daran gedacht, in meinem Wahl-<lb/> kreiſe zu candidiren. Die Schenkung erfolgte übrigens,<lb/> weil ich vorher den Hochaltar in der katholiſchen Kirche<lb/> des Ortes geſtiftet hatte. Ebenſo hinfällig iſt der Punkt des<lb/> Proteſtes, daß ich Geldgaben an Bettler vertheilt hätte, um<lb/> Stimmen zu gewinnen. Die unglücklichſte Gattung unfrer Mit-<lb/> bürger iſt bekanntlich von dem Wahlrecht ausgeſchloſſen. Was<lb/> die Spendung von Freibier bei meiner Wahl betriſſt, ſo iſt vor<lb/> meiner Wahl kein Freibier verſprochen worden, nach der Wahl<lb/> iſt Freibier gegeben worden, aber nur zu dem vierten Theil des<lb/> Betrages, der von den Proteſterhebern behauptet wird. Ich lege<lb/> Werth darauf, zu betonen, daß thatſächlich dieſe Anführung der<lb/> Proteſterheber ſich als falſch erwieſen hat. Die Commiſſion iſt<lb/> in ihrem Antrage aber nicht weit genug gegangen; es müßten<lb/> die Erhebungen viel weiter ausgedehut werden. Nur ein einziger<lb/> Fall iſt genannt worden, in welchem von einem Beamten für<lb/> den Fall meiner Wahl Freibier verſprochen worden ſein ſoll.<lb/> Die Agitation gegen mich iſt ſo weit gegangen, daß ein Ab-<lb/> geordneter, der die württembergiſche Kammer ziert, gymnaſtiſche<lb/> Exercitien zu meinem Nachtheil an mir vorzunehmen in Ausſicht<lb/> ſtellte. Der eine Fall, in welchem Freibier verſprochen worden iſt,<lb/> hat auf das Reſultat meiner Wahl keinen Einſluß, denn ſelbſt nach<lb/> Abzug der an dem betreffenden Ort für mich abgegebenen<lb/> Stimmen habe ich noch die Majorität. Aus dem Treiben jenes<lb/> Oekonomen, der für meine Wahl agitirte, von dem ich aber<lb/> nicht im beſten Einvernehmen geſchieden bin, können Sie keine<lb/> Veranlaſſung nehmen, meine Wahl für ungültig zu erklären.<lb/> Ich habe nur ein einziges Wahlcomit<hi rendition="#aq">é</hi> gehabt und deſſen<lb/> Mitglieder ausdrücklich gebeten, von allen Berſprechungen von<lb/> Spenden Abſtand zu nehmen. Ich habe meinen Wählern ein aus-<lb/> geſprochenes Programm vorgelegt und hoffte, für meine Beſtre-<lb/> bungen zu Gunſten des armen Mannes Anklang zu finden. Ich<lb/> möchte nun den Antrag ſtellen, den Commiſſionsantrag dahin aus-<lb/> zudehnen, daß die Proteſterheber den Beweis der Wahrheit für<lb/> ihre Behauptungen zeugeneidlich antreten. Ich habe meine früheren<lb/> Parteigenoſſen gebeten, einen ſolchen Antrag zu unterſchreiben.<lb/> Rachdem dies abgelehnt worden iſt, bitte ich einen der Herren aus<lb/> dem Hauſe, dieſen Antrag einbringen zu wollen.</quote></cit></p><lb/> <p>Präſident <hi rendition="#b">v. Levetzow:</hi> <cit><quote>Ich verſtehe den Redner ſo, daß er<lb/> den Antrag ſtellt.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Frhr. v. Münch:</hi> <cit><quote>Der Hr. zweite Vicepräſident ſagte<lb/> mir, daß es nicht zuläſſig ſei, ſelbſt einen ſolchen Antrag zu unter-<lb/> ſchreiben.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Baumbach:</hi> <cit><quote>Das iſt ein Mißverſtändniß. Ich habe<lb/> Hrn. v. Münch nur geſagt, daß es nicht üblich ſei, in eigener<lb/> Sache einen Antrag zu ſtellen.</quote></cit></p><lb/> <p>Der Antrag v. Münch wird genügend unterſtützt. Darauf<lb/> wird der Commiſſionsantrag angenommen, der Antrag v. Münch<lb/> dagegen abgelehnt. Schluß gegen 4 Uhr.</p><lb/> <p>Nächſte Sitzung Donnerſtag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage,<lb/> betreffend Helgoland, Abänderung des Patentgeſetzes und des<lb/> Muſterſchutzgeſetzes.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>□</supplied><hi rendition="#b">Würzburg,</hi> 2. Dec.</dateline><lb/> <p>Nach der amtlichen Feſtſtellung<lb/> ſind bis heute an hieſiger <hi rendition="#g">Hochſchule</hi> insgeſammt 1518 Studirende<lb/> immatriculirt (641 Bayern und 877 Nichtbayern). Nach den<lb/> Facultäten ſcheiden ſich dieſe in: Theologen 148, Juriſten und<lb/> Cameraliſten 303, Mediciner und Odontologen 884, Pharma-<lb/> ceuten 56, Philoſophen, Philologen, Mathematiker und Chemiker<lb/> 127. Im vorigen Sommerſemeſter betrug die Frequenz 1640,<lb/> im Winterſemeſter um die gleiche Zeit 1610, und zwar Theologen<lb/> 137, Juriſten 322, Mediciner 942, Pharmaceuten 56 und Philo-<lb/> ſophen, Philologen ꝛc. 153. Zu der diesmaligen etwas niedrigeren<lb/> Frequenzziffer muß bemerkt werden, daß von den 300 im Staats-<lb/> examen beſindlichen Medicinern nur 150 immatriculirt ſind.</p><lb/> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Donnerſtag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890.
Deutſcher Reichstag.
Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg.
34. Sitzung.
 Berlin, 3. Dec.
Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet.
Am Bundesrathstiſche: Staatsſecretär v. Boetticher. Einge-
gangen iſt der Geſetzentwurf betreffend die Prüſung der Läufe
und Verſchlüſſe der Handfeuerwaffen. Ein Schreiben
des Abg. Müller (Marieuwerder), in welchem dieſer die Frage
anregt, ob ſein Mandat fortdauere, nachdem er zum Mitglied des
Reichsbank-Directoriums ernannt ſei, wird der Geſchäftsordnungs-
commiſſion überwieſen. An Stelle des aus dem Amte geſchiedenen
Schriftführers Dr. Bürklin wird auf Antrag des Abg. Dr.
v. Marquardſen der Abg. Schneider (Hamm) durch Acclama-
tion zum Schriſtführer gewählt. — In erſter Berathung wird die
Ueberſicht über die Reichsausgaben und -Einnahmen
für das Etatsjahr 1889/90 der Nechnungscommiſſion überwieſen.
Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des
Abg. v. Reden (im 9. hannoveriſchen Wahlbezirk) beantragt die
Wahlprüfungscommiſſion die Gültigkeitserklärung, ſowie über ein-
zelne Punkte des eingegangenen ſocialdemokratiſchen Wahlproteſtes
die Erhebung von Ermittelungen.
Abg. Rickert: Dieſe Wahl, welche die Commiſſion nur mit
7 gegen 5 Stimmen für gültig erklärt hat, gibt zu den erheblichſten
Bedenken Anlaß. In dem Wahlproteſt des Arbeiterwahlcomités
für den 9. hannoveriſchen Wahlkreis wird über folgende Dinge
Beſchwerde geführt. Der Kriegerverein zu Aerzen, Kreis Hameln,
hat bei Strafe des Ausſchluſſes beſchloſſen, für den Candidaten
v. Reden zu ſtimmen. Ein ſolcher Beſchluß iſt abſolut geſetzwidrig.
Der Kriegerverein zu Röſſing, Kreis Springe, hat über ſeine Mit-
glieder durch künſtlich zuſammengefaltete Stimmzettel Controle
geübt. Dieſe Punkte bedürfen der amtlichen Unterſuchung. Die
Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politiſchen Wahlen
wird nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieſelben darauf ver-
zichten, ſich in politiſche Wahlangelegenheiten einzumiſchen. Wir
haben dagegen kein anderes Mittel, als das der amtlichen Unter-
ſuchung. In Wallenſen, Kreis Hameln, ſoll das Wahlergebniß
gefälſcht worden ſein, da 58 Wähler eidlich erhärten wollen,
daß ſie für den ſocialdemokratiſchen Candidaten Bärer ge-
ſtimmt haben, während nur 22 Stimmen für denſelben ge-
zählt ſind. Ferner haben auch Arbeitgeber durch künſtlich
gefaltete Wahlzettel die Stimmabgabe ihrer Arbeiter controlirt.
Die Hauptbeſchwerde richtet ſich gegen den Wahlaufruf, welcher
unter dem Titel „Ein letztes ernſtes Wort an alle Bergleute und
Invaliden“ von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſen iſt. Die
Commiſſion hat die Ungehörigkeit dieſer amtlichen Wahlbeein-
fluſſung erkannt, iſt indeß durch künſtliche Berechnung zu dem Ne-
ſultat gekommen, daß ſelbſt nach Abzug der vorhandenen Anzahl
von Bergleuten der gewählte Candidat immer noch die Majorität
behält. Eine ſolche amtliche Wahlbeeinfluſſung muß aber viel
weiter in Anrechnung gebracht werden. Vor allen Dingen müſſen
wir die Thatſache amtlich feſtſtellen laſſen, und ich beantrage deß-
halb, die Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl auszuſetzen,
den Reichskanzler zu erſuchen, den Oberbergrath v. Detten amtlich
darüber vernehmen zu laſſen, ob das erwähnte Flugblatt von ihm
herrührt und in welcher Weiſe es verbreitet iſt, und ferner über
verſchiedene von der Commiſſion nicht berückſichtigte Punkte des
Proteſtes Erhebungen anſtellen zu laſſen.
Abg. Auer (Soc.) ſchließt ſich dem Antrage Rickert an und
beſchwert ſich ferner über ein von dem Landrathsamt zu Hamm
erlaſſenes Verbok einer von einem Socialdemokraten einberufenen
Wählerverſammlung, welches von dem Negierungspräſidenten von
Hannover als geſetzlich gerechtſertigt erachtet worden ſei, ohne daß
jedoch Gründe angegeben wären. Der Reichstag habe wiederholt
entſchieden, daß die bloße Einberufung durch einen Socialdemo-
kraten kein Anlaß zu einem Verbot ſei. Redner verliest ſodann
das von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſene Wahlflugblatt und
meint, daß ſolch einer ſchrankenloſen amtlichen Wahlbeeinfluſſung
gegenüber der Reichstag es den Wählern und ſich ſelbſt ſchuldig
ſei, nicht ſo sans façon darüber hinwegzugehen. Ob dieſe Wahl-
beeinfluſſung wirklich einen Einfluß auf das Wahlreſultat habe,
ſei gleichgültig. Bei der Stellung eines Oberbergrathes könne von
einer bloßen Abſchätzung der Zahlen nicht die Rede ſein. Die
Controlirung der Arbeiter durch künſtlich gefaltete Stimmzettel be-
einträchtige die Wahlfreiheit ſo, daß letztere für Hunderte von Wäh-
lern keine Bedeutung mehr habe. Würde hier keine Unterſuchung
angeſtellt, ſo würde das Vertrauen der Wähler, daß durch Wahl-
proteſte noch etwas zu erreichen ſei, völlig erſchüttert.
Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Der größte
Theil der Proteſte bezieht ſich auf den erſten Wahlgang, der ja
doch an und für ſich nicht angefochten iſt. Die Angriffe gegen
die Krieger- und Militärvereine, die bei Gelegenheit der Wahl-
prüfungen ſchon ſo oft erhoben worden ſind, ſind in keiner
Weiſe gerechtfertigt. Die Beſtrebungen derſelben gipfeln zunächſt
in der Deviſe: „Mit Gott für Kaiſer und Reich, Fürſt und
Valerkand,“ zum zweiten in der Pflege der Cameradſchaft und
gegenſeitigen Unterſtützung. Politiſche und religiöſe Fragen
dürfen innerhalb der Vereine nicht zum Zweck der Erörterungen
gemacht werden. Ein Druck auf die Mitglieder bei politiſchen
Abſtimmungen würde auch keine Garantie für die Durchführung
bieten, da ja die Wahl geheim iſt. Im Sinne des obigen
Wahlſpruchs zu wirken, iſt jeder Vorſtand ſolcher Vereine be-
rechtigt und verpflichtet, und ich in meiner Stellung als General-
inſpector von thüringiſchen Kriegervereinen werde jederzeit in den
Verſammlungen beſtrebt ſein, öffentlich und frei in jenem
Sinne zu wirken. Das halte ich für meine Pflicht als
ehemaliger Soldat. (Beifall.) Keiner der Herren Freiſinnigen
wird mir in den Statuten der Kriegervereine einen Para-
graphen nennen können, welcher freiſinnige Parteigenoſſen
ausſchließt. (Abg. Rickert: „Das fehlte auch noch!“)
Wir nehmen Jeden auf, der nicht nur mit dem Munde, ſondern
auch mit dem Herzen an unſern Beſtrebungen theilnimmt:
Nationalliberale, Conſervative, Freiſinnige, Ultramontane, nur
nicht die Socialdemokraten. Bei der großen Anzahl der Vereine
iſt es allerdings möglich, daß hie und da abweichende Meinungen
hervortreten. In keinem Falle aber darf man ein angebliches
Princip der Vereine dafür verantwortlich machen.
Vicepräſident Graf Balleſtrem erſucht den Redner, weniger
die allgemeinen Tendenzen der Kriegervereine, als die Gültigkeit
oder Ungültigkeit der vorliegenden Wahl zu behandeln, worauf
Abg. Baumbach nur noch erklärt, für die Gültigkeit der Wahl
des Abg. v. Reden ſtimmen zu wollen.
Abg. Mehnert (conſ.): Es würde das Reſultat der Wahl
dasſelbe geblieben ſein, auch wenn die Anzahl von Stimmen, um
die es ſich hier zunächſt handelt, nicht für den Abg. v. Reden ab-
gegeben worden wäre. Das vom Abg. Auer verleſene Flugblatt
wäre durchaus nichts Ungewöhuliches, wenn der Verfaſſer nicht zu
ſeinen Untergebenen darin geſprochen hätte. Von den Unterſchriften
der 58 Wähler, welche in Wallenſen für Bärer geſtimmt haben
wollen, ſind 14 von verſelben Hand geſchrieben, ein Umſtand, der
uns ſchon in der Commiſſion zu denken gegeben hat. Der Abg.
Nickert hat keine Veranlaſſung, ſich gegen die Agitation in Krieger-
vereinen zu wenden. Ich könnte ihm einen Fall nennen, wo gerade
durch eine ſolche Agitation ein freiſinniger Abgeordneter gewählt
worden iſt. Jeder gediente Soldat aber hat ebenſo wie jeder andere
Bürger das Recht, ſich von denen zu trennen, die ihre Pflicht
gegen König und Vaterland hintanſetzen, den Fahneneid leichtſinnig
gebrochen haben.
Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch
nicht für aufgeklärt und will deßhalb dem Antrage Rickert nicht
widerſprechen. Die 14 Unterſchriften von einer Hand könnten
ſehr wohl autoriſirt ſein.
Abg. Rickert: Gegen das mechaniſche Zuſammenzählen von
Stimmen, die das Wahlreſultat nicht beeinflußt haben würden,
iſt früher hier immer proteſtirt worden. Man hat keinen Ueber-
blick über die Anzahl der Stimmen, die in Folge der Beeinfluſſung
überhaupt nicht abgegeben worden ſind. Wenn irgendwo ein
Kriegerverein für die Wahl eines freiſinnigen Candidaten in
Thätigkeit geſetzt worden iſt, würde ich das entſchieden mißbilligen,
der Abg. Mehnett hat aber keine genaue Angabe über einen
ſolchen Fall gemacht. Ein Vorſitzender eines Kriegervereines über-
ſchreitet aber ſeine Competenzen, wenn er ſeine Stellung dazu
benutzt, in ſeinem Sinne zu agitiren. Wegen ihrer ſonſtigen Be-
ſtrebungen hat noch Niemand die Kriegervereine getadelt; ſie haben
aber keinerlei Wahlagitation zu treiben, auch nicht gegen Social-
demokraten.
Abg. Auer: Wenn Sie (rechts) es ſo ſcharf betonen, daß
die Socialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben,
dann ziehen Sie wenigſtens die Conſequenzen Ihres Standpunktes
und weiſen die Socialdemokraten auch aus den Caſernen heraus.
(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Es gibt deren nicht
wenige, und dieſe würden Ihnen dafür ſehr dankbar ſein. Wir
haben aber ein Recht, dagegen zu proteſtiren, daß man die Social-
demokraten erſt jahrelang Beiträge zahlen läßt und ſie dann, weil
ſie anderer politiſcher Meinung ſind, aus den Kriegervereinen
herauswirft. Wir wollen dem Vaterlande genau dieſelben Pflichten
erfüllen, und es iſt ein Unrecht von dem Abg. Mehnert, zu ſagen:
wir gedienten Soldaten haben ein Recht, uns zu trennen von den
Menſchen, welche pflichtvergeſſen ihr Wort gegen König und Vater-
land gebrochen haben. Ja, wo iſt dieſes Wort gebrochen, Hr.
Mehnert? Wer von uns hat ſeine Pflichten gegen das Vaterland
nicht erfüllt? (Zuruſe rechts.) Nun dann heraus damit! Bringen
Sie Beweiſe! Hr. Mehnert aber hat im Cartell mit denſelben
Nationalliberalen zuſammengeſeſſen, die 1866 ihr ſächſiſches Vater-
land verrathen haben. (Unrnhe.) In unſren Neihen gibt es
ſolche Leute nicht, wohl aber mit wenigen Ausnahmen in den andern
Parteien, und wie man da uns gegenüber von einem Wortbruch reden
kann, das iſt einfach ... nun, ich wollte ſagen unanſtändig ...
Präſident v. Levetzow: Ich müßte dieſen Ausdruck dem Ab-
geordneten verweiſen.
Abg. Auer (fortfahrend): Wir haben aus unſerer Stellung
als Republicaner nie ein Hehl gemacht. (Hört, hört! rechts.)
Das iſt unſer politiſches Recht, unſer theoretiſcher Standpunkt, aber
daß wir im Deutſchen Reich irgend etwas gethan hätten, was ge-
eignet wäre, die Mehnert’ſche Beſchuldigung zu rechtſertigen,
beſtreite ich auf das allerentſchiedenſte. Bei anderen Parteien mag
es ja recht profitabel ſein, regierungstreu und vaterlandswüthig
zu ſein, bei uns iſt niemals ein Profit dabei herausgekommen.
Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über
die Wahlfreiheit dentt. Er ſagte, Hr. v. Detten wäre nur un-
vorſichtig geweſen und hätte in ſeiner Eigenſchaft als Oberbergrath
die Beeinfluſſung ausgeübt, er hätte alſo den Oberbergrath zu
Hauſe laſſen müſſen. (Zuruf bei den Socialdemokraten.) Es wird
mir geſagt, daß er dann ein Heuchler geweſen wäre. Ich freue
mich, daß Hr. v. Detten wenigſtens den Muth hatte, offen und
ehrlich hervorzutreten, und nicht die feine Unterſcheidung gewählt
hat, die er nach Hrn. Mehnert hätte wählen ſollen.
Abg. Mehnert: Der Abg. Auer hat meine Worte ſo miß-
deutet, als hätte ich geſagt, die Kriegervereine hielten die Social-
demokraten deßhalb fern, weil ſie vaterlandsvergeſſen wären. Ich
habe nur geſagt: man kann es den Kriegervereinen für ihre Mit-
glieder nicht verargen, wenn ſie diejenigen, die leichtſinnigen
Herzens den Fahneneid vergeſſen und ihre dem König gelobte
Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Aus
Ihrer (zu den Socialdemokraten) Mitte iſt doch das Wort ge-
fallen: Krieg den Paläſten! (Unruhe links), und der Abg. Auer
hat ſelbſt geſagt: daß wir Republicaner ſind, beſtreiten wir nicht.
Die Treue wird dem König nicht mehr bewahrt, wenn Sie auf
Ihre Fahne die Republik ſchreiben. Deßhalb wollen wir nicht,
daß derartige Elemente, welche die Treue dem König gebrochen
haben, in den Kriegervereinen bleiben. (Beifall rechts.)
Der Antrag Rickert wird in allen ſeinen Theilen angenom-
men; dafür ſtimmt auch der größere Theil des Centrums. Damit
iſt der Commiſſionsantrag beſeitigt.
Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis)
beantragt die Commiſſion für güllig zu erklären. Berichterſtatter
iſt der Abg. Dohrn. Derſelbe iſt nicht anweſend; der Vorſitzende
der Commiſſion, Abg. Schmieder, hat ſich bereit erklärt, das
Reſerat zu übernehmen. Abg. Rickert bittet, mit Rückſicht auf
die Abweſenheit des Reſerenten, den Gegenſtand von der Tages-
ordnung abzuſetzen, um ſo mehr, als der Abg. Schmieder in der
Commiſſion zur Minorität gehört und gar nicht in der Lage iſt,
die Majorität zu vertreten. (Unruhe rechts.)
Abg. Hahn (conſ.): Ich möchte doch den Grundſatz nicht aufkommen
laſſen, daß eine Commiſſion in der Ernennung ihres Referenten
beſchränkt ſein ſollte. Die Commiſſion hat oft ſchon Bertreter der
Minorität ernannt und das Reſerat iſt unparteiiſch und ſachlich
geführt worden. Wenn der Vorſitzende der Commiſſion es über-
nommen hat, die Anſichten der Commiſſion zu vertreten, ſo wäre
es ein Mißtrauensvotum, wenn das Haus ihn nicht aunehmen
wollte. Ich wundere mich über das Mißtrauen des Abg. Rickert
gegen ein Mitglied ſeiner Fraction.
Abg. Rickert: Der Vorredner kann doch ſelbſt nicht ernſtlich
glauben (lebhafter Widerſpruch rechts) — Sie wiſſen ja noch gar
nicht, was ich ſagen will (Heiterkeit) — daß ich meinem Freunde Schmie-
der hier öffentlich ein Mißtranensvotum habe geben wollen. Ich will
aber ein ſo hervorragendes Mitglied der Commiſſion in unſern
Reihen kämpſen ſehen. Warum ſoll er gegen ſeine Ueberzeugung
die Majorität vertreten? Die Commiſſion hat auch Hrn. Schmieder
gar nicht zum Referenten beſtellt.
Abg. Windthorſt iſt der Meinung, daß bei einem Wider-
ſpruch des Hauſes ein Referent, der ſich ſelbſt ſubſtituirt, nicht zu-
gelaſſen werden kann.
Abg. Hahn: Der Abg. Rickert ſcheint zu meinen, daß
bei Beurtheilung der Wahlen bier im Reichstage Partei gegen
Partei kämpft. Es liegen zahlreiche Fälle vor, wo im Falle der
Verhinderung des Referenten der Vorſitzende referirt hat. Er iſt
dazu beſonders befähigt, uns die Anſichten der Commiſſion mitzu-
theilen; ein Verfahren nach dem Vorſchlage des Abg. Rickert würde
unſre Geſchäfte nicht fördern.
Abg. Schmieder erklärt, mit Rückſicht auf dieſe Präcedenz-
fälle das Referat übernommen zu haben.
Präſident v. Levetzow: Bisher iſt gegen dieſes Verfahren
nie Widerſpruch erhoben worden.
Abg. Rickert: Ich kenne dieſe Praxis auch; ein ſolcher
Widerſpruch liegt aber heute vor. Wir können verlangen, daß
der Referent eintritt, den die Commiſſion beſtellt hat. Ich wider-
ſpreche dem nichtgeſchäftsordnungsmäßigen Verfahren. Es ſteht
dem Hauſe frei, die bisherige Praxis beizubehalten oder zu ver-
laſſen; gegen die Unterſtellung des Hrn. Hahn proteſtire ich. Es
handelt ſich nicht um Partei gegen Partei, ſondern um Anſicht
gegen Anſicht, um Minorität gegen Majorität.
Abg. Windthorſt: Die Stellvertretung des Referenten iſt,
wenn widerſprochen wird, nicht zuläſſig, denn der Referent wird
von der Commiſſion gewählt.
Abg. Hahn: Auch der von der Commiſſion beſtellte Be-
richterſtatter Abg. Dohrn war, wie ich höre, in der Minderheit;
Abg. Schmieder beſindet ſich alſo genau in derſelben Lage. (Bei-
fall rechts.)
Präſident v. Levetzow: Es gibt keine Beſtimmung in der
Geſchäftsordnung, welche verböte, in einer Sache zu verhandeln,
in welcher der Referent, der den ſchriftlichen Bericht gemacht hat,
nicht im Hauſe iſt.
Abg. Windthorſt: Mit der Erſtattung des ſchriftlichen Ve-
richts hört die Thätigkeit des Referenten nicht auf, er behält auch
im Hauſe weſentlichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung.
Wir müſſen Werth darauf legen, daß der von der Commiſſion
gewählte Berichterſtatter die Sache vertritt.
Abg. Richter: In der Commiſſion kann jedes Mitglied
gegen die Wahl eines Berichterſtatters ſeine Bedenken geltend
machen: dieſe Möglichkeit iſt hier entzogen. Die Verichterſtattung
iſt im Wege privater Ceſſion übertragen worden; das kann nur
zuläſſig ſein, wenn Niemand widerſpricht. Die Präcedenzfälle be-
ziehen ſich nur auf Wahlen, die weiter nicht beſtritten waren und
wo die Berichterſtattung nur eine formelle Erledigung bezweckte.
Abg. Schmieder hält es nach dieſem Widerſpruch nicht für
angezeigt, das Referat zu übernehmen, und zieht die angebotene
Stellvertretung zurück. Der Gegenſtand wird darauf von der
Tagesordnung abgeſetzt.
Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunſchweig. Wahl-
kreiſe) wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterſtattung über
die Wahl des Abg. Frhrn. v. Münch (im 8. württemberg. Wablkreiſe).
Abg. Frhr. v. Münch: So viel Illuſionen der Empfang
bei meinem erſten Auſtreten hier im Reichstage mir zerſtörte, den
unerſchütterlichen Willen, für das Recht des armen Mannes und
des arbeitenden Volkes einzutreten, hat er mir nicht zerſtört. Die-
ſer mein Entſchluß iſt unerſchütterlich geblieben und meine Wähler
werden es mir nicht verargen, wenn ich das Wort in eigener
Sache ergreife. Ich hoffe, daß nach dieſer Bemerkung Sie keine
Verletzung des Herkommens des Hauſes darin ſinden werden, wenn
ich vor Ihnen meine Vertheidigung führe. Der Proteſt behauptet,
ich hätte, um die jüdiſchen Stimmen in Mühringen zu gewinnen,
der dortigen Synagoge zwei ſilberne Leuchter geſchenkt. Die Leuch-
ter, die nicht 1060, ſondern 1016 Mark koſten, habe
ich im Auguſt verſprochen und im October gegeben. Im
Januar habe ich noch nicht daran gedacht, in meinem Wahl-
kreiſe zu candidiren. Die Schenkung erfolgte übrigens,
weil ich vorher den Hochaltar in der katholiſchen Kirche
des Ortes geſtiftet hatte. Ebenſo hinfällig iſt der Punkt des
Proteſtes, daß ich Geldgaben an Bettler vertheilt hätte, um
Stimmen zu gewinnen. Die unglücklichſte Gattung unfrer Mit-
bürger iſt bekanntlich von dem Wahlrecht ausgeſchloſſen. Was
die Spendung von Freibier bei meiner Wahl betriſſt, ſo iſt vor
meiner Wahl kein Freibier verſprochen worden, nach der Wahl
iſt Freibier gegeben worden, aber nur zu dem vierten Theil des
Betrages, der von den Proteſterhebern behauptet wird. Ich lege
Werth darauf, zu betonen, daß thatſächlich dieſe Anführung der
Proteſterheber ſich als falſch erwieſen hat. Die Commiſſion iſt
in ihrem Antrage aber nicht weit genug gegangen; es müßten
die Erhebungen viel weiter ausgedehut werden. Nur ein einziger
Fall iſt genannt worden, in welchem von einem Beamten für
den Fall meiner Wahl Freibier verſprochen worden ſein ſoll.
Die Agitation gegen mich iſt ſo weit gegangen, daß ein Ab-
geordneter, der die württembergiſche Kammer ziert, gymnaſtiſche
Exercitien zu meinem Nachtheil an mir vorzunehmen in Ausſicht
ſtellte. Der eine Fall, in welchem Freibier verſprochen worden iſt,
hat auf das Reſultat meiner Wahl keinen Einſluß, denn ſelbſt nach
Abzug der an dem betreffenden Ort für mich abgegebenen
Stimmen habe ich noch die Majorität. Aus dem Treiben jenes
Oekonomen, der für meine Wahl agitirte, von dem ich aber
nicht im beſten Einvernehmen geſchieden bin, können Sie keine
Veranlaſſung nehmen, meine Wahl für ungültig zu erklären.
Ich habe nur ein einziges Wahlcomité gehabt und deſſen
Mitglieder ausdrücklich gebeten, von allen Berſprechungen von
Spenden Abſtand zu nehmen. Ich habe meinen Wählern ein aus-
geſprochenes Programm vorgelegt und hoffte, für meine Beſtre-
bungen zu Gunſten des armen Mannes Anklang zu finden. Ich
möchte nun den Antrag ſtellen, den Commiſſionsantrag dahin aus-
zudehnen, daß die Proteſterheber den Beweis der Wahrheit für
ihre Behauptungen zeugeneidlich antreten. Ich habe meine früheren
Parteigenoſſen gebeten, einen ſolchen Antrag zu unterſchreiben.
Rachdem dies abgelehnt worden iſt, bitte ich einen der Herren aus
dem Hauſe, dieſen Antrag einbringen zu wollen.
Präſident v. Levetzow: Ich verſtehe den Redner ſo, daß er
den Antrag ſtellt.
Abg. Frhr. v. Münch: Der Hr. zweite Vicepräſident ſagte
mir, daß es nicht zuläſſig ſei, ſelbſt einen ſolchen Antrag zu unter-
ſchreiben.
Abg. Baumbach: Das iſt ein Mißverſtändniß. Ich habe
Hrn. v. Münch nur geſagt, daß es nicht üblich ſei, in eigener
Sache einen Antrag zu ſtellen.
Der Antrag v. Münch wird genügend unterſtützt. Darauf
wird der Commiſſionsantrag angenommen, der Antrag v. Münch
dagegen abgelehnt. Schluß gegen 4 Uhr.
Nächſte Sitzung Donnerſtag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage,
betreffend Helgoland, Abänderung des Patentgeſetzes und des
Muſterſchutzgeſetzes.
□ Würzburg, 2. Dec.
Nach der amtlichen Feſtſtellung
ſind bis heute an hieſiger Hochſchule insgeſammt 1518 Studirende
immatriculirt (641 Bayern und 877 Nichtbayern). Nach den
Facultäten ſcheiden ſich dieſe in: Theologen 148, Juriſten und
Cameraliſten 303, Mediciner und Odontologen 884, Pharma-
ceuten 56, Philoſophen, Philologen, Mathematiker und Chemiker
127. Im vorigen Sommerſemeſter betrug die Frequenz 1640,
im Winterſemeſter um die gleiche Zeit 1610, und zwar Theologen
137, Juriſten 322, Mediciner 942, Pharmaceuten 56 und Philo-
ſophen, Philologen ꝛc. 153. Zu der diesmaligen etwas niedrigeren
Frequenzziffer muß bemerkt werden, daß von den 300 im Staats-
examen beſindlichen Medicinern nur 150 immatriculirt ſind.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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