Allgemeine Zeitung, Nr. 343, 11. Dezember 1890.Donnerstag, Drittes Morgenblatt, Nr. 343 der Allgemeinen Zeitung. 11. December 1890.[Spaltenumbruch] Die Schulconferenz in Berlin. * Berlin, 8. Dec. Der telegraphisch kurz skizzirte Bericht
[Spaltenumbruch] Weihnachtsausstellung im Kunstgewerbehause. gl. Die heurige Weihnachtsausstellung bedeutet eine Etappe Eine breite bequeme Treppe, welche sich malerisch an der Auch der große Saal hat einen umfangreichen festlichen Zwar trifft dies gleich bei dem ersten Aussteller -- J. Stein- Unter den einfacheren Möbeln sei S. Schnellers kleines Die decorative Plastik mußte den genannten Räumen ihre Von all den tausenderlei Geräthen, welche sich in diesen Tagen Donnerſtag, Drittes Morgenblatt, Nr. 343 der Allgemeinen Zeitung. 11. December 1890.[Spaltenumbruch] Die Schulconferenz in Berlin. * Berlin, 8. Dec. Der telegraphiſch kurz ſkizzirte Bericht
[Spaltenumbruch] Weihnachtsausſtellung im Kunſtgewerbehauſe. gl. Die heurige Weihnachtsausſtellung bedeutet eine Etappe Eine breite bequeme Treppe, welche ſich maleriſch an der Auch der große Saal hat einen umfangreichen feſtlichen Zwar trifft dies gleich bei dem erſten Ausſteller — J. Stein- Unter den einfacheren Möbeln ſei S. Schnellers kleines Die decorative Plaſtik mußte den genannten Räumen ihre Von all den tauſenderlei Geräthen, welche ſich in dieſen Tagen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div n="1"> <p> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docDate>Donnerſtag,</docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Drittes Morgenblatt, Nr. 343 der Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <docDate>11. December 1890.</docDate> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die Schulconferenz in Berlin.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 8. Dec.</dateline> <p>Der telegraphiſch kurz ſkizzirte Bericht<lb/> bes „Reichs-Anzeigers“ über die Sitzung der Schulconferenz<lb/> am 5. d. lautet vollſtändig:</p><lb/> <cit> <quote> <p>In der heutigen Sitzung wurde die Berathung der Frage<lb/> wegen Herſtellung eines gemeinſamen Unterbaues für die beſtehen-<lb/> den Schularten fortgeſetzt. Den Vorſitz führte der Miniſterial-<lb/> director Wirkl. Geh. Oberregierungsrath <hi rendition="#g">de la Croix</hi>.</p><lb/> <p>Zur Ergänzung ſeiner geſtrigen Ausführungen ſprach zunächſt<lb/> nochmals Gymnaſialdirector <hi rendition="#g">Uhlig</hi>, indem er der im Bericht über<lb/> die geſtrige Sitzung bezeichneten Theſe als zweite Theſe an die<lb/> Seite ſetzte:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Wenn auch keine der beiden unter 2<hi rendition="#aq">a</hi> und 2<hi rendition="#aq">b</hi> (der Frage-<lb/> ſtellung) bezeichneten Combinationen als eine Schulgeſtaltung an-<lb/> geſehen werden kann, deren durchgehende Einführung erſtrebens-<lb/> werth erſchiene, ſo bieten ſie doch beide einige eigenthümliche<lb/> Vortheile, welche empfehlen, keine auszuſchließen, ſondern je nach<lb/> den örtlichen Bedürfniſſen hier die eine, dort die andere zu-<lb/> zulaſſen.</hi> </p><lb/> <p>Als Mitberichterſtatter nahmen das Wort der Gymnaſial-<lb/> director Geheime Oberſchulrath Profeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schiller</hi> aus<lb/> Gießen und der Realgymnaſialdirector <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schlee</hi> aus Altona.<lb/> Erſterer begründete unter eingehender Erläuterung eines ſpeciellen<lb/> Lehrplanes folgende Theſen:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1) Eine definitive Ordnung des höheren Schulweſens wird<lb/> nur zwei Schularten zu belaſſen haben, das reformirte Gymna-<lb/> ſium und die lateinloſe Real- bezw. Oberrealſchule. Die be-<lb/> ſtehenden Realgymnaſten würden ſich nach den örtlichen Bedürf-<lb/> niſſen in Gymnaſien oder in Oberrealſchulen verwandeln.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Da die vorgeſchlagene Umgeſtaltung in Folge der nothwen-<lb/> digen Verſuche vorausſichtlich einige Zeit beanſpruchen würde, ſo<lb/> empfiehlt ſich, wenn aus ſocialen und wirthſchaftlichen Rückſichten<lb/> ein möglichſt weitgehender Unterbau nothwendig erſcheinen ſollte,<lb/> und unter der Annahme, daß zunächſt das Realgymnaſium als<lb/> beſondere Schulgattung erhalten bleiben wird,</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2) die Verbindung von Realgymnaſtum und Gymnaſtum<lb/> wegen der Einfachheit der Ausſührung und wegen der ſofortigen<lb/> Möglichkeit etwa nöthig erſcheinender Verſuche am meiſten. Es<lb/> ließe ſich ein gemeinſamer Unterbau bis O<hi rendition="#aq">III</hi> einſchl. nach<lb/> dem angeſchloſſenen Plan herſtellen; dabei wären von U<hi rendition="#aq">III</hi> ab<lb/> Engliſch und Griechiſch facultativ einzuführen, von U<hi rendition="#aq">II</hi> ab würde<lb/> für das Realgymnaſium im weſentlichen der Lehrplan der Ober-<lb/> realſchule durchzuführen ſein.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3) Eine ſolche Vereinigung würde ſowohl dem Gymnaſium<lb/> als dem Realgymnaſium ſofort erhebliche Vortheile bringen, eine<lb/> künſtige etwaige Ueberleitung zur Herſtellung eines gemeinſamen<lb/> Unterbaues bis zur <hi rendition="#aq">VI</hi> oder <hi rendition="#aq">V</hi> vorbereiten und erleichtern und<lb/> den Anſchluß der lateinloſen höheren Bürgerſchule an die Ober-<lb/> ſtufe des Realgymnaſtums (von O<hi rendition="#aq">II</hi> ab) geſtatten.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">4) Die Zurückſchiebung des Lateiniſchen nach U<hi rendition="#aq">III</hi> und die<lb/> Ergänzung der lateinloſen unteren Claſſen zu einer höheren<lb/> Bürgerſchule aufwärts würde zwar der urſprünglichen Entwick-<lb/> lung der Realſchule mehr entſprechen. Aber ſie hat den Nach-<lb/> theil, daß ſie auf der oberen Stufe die Concentration auf die<lb/> neueren Sprachen erſchwert; ebenſo wenig wird durch jene Ein-<lb/> richtung das entſchiedene Uebergewicht eines Lehrgegenſtandes<lb/> durchgehends herbeigeführt.</hi> </p><lb/> <p>Realgymnaſialdirector <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schlee</hi> ſtellte folgende Theſen auf:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1) Die Ueberlaſtung der Gymnaſien mit ungeeigneten<lb/> Schülern, übergroßer Zudrang zu den gelehrten Berufsarten,<lb/> namentlich aber die verfehlte Schulbildung bei der großen Mehr-<lb/> zahl der vom Gymnaſium abgehenden Schüler fordern eine<lb/> Schuleinrichtung, welche die Trennung der Schularten und die<lb/> Wahl zwiſchen denſelben auf eine ſpätere Stufe verſchiebt, ohne<lb/> daß einerſeits die geeignete Vorbildung für einen gewerblichen<lb/> Beruf verſäumt und andrerſeits eine ſpätere Vorbereitung für<lb/> ein akademiſches oder techniſches Studium unmöglich gemacht<lb/> wird: einen den höheren Schulen gemeinſamen Unterbau.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2) Es empfiehlt ſich, den gemeinſamen Unterbau für mehrere<lb/> höhere Schulen auf Grund einer neueren Sprache zu errichten.<lb/> Insbeſondere iſt die franzöſiſche Sprache zu dem Zweck geeignet.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3) Das dem lateiniſchen Unterricht auf den Realgymnaſien<lb/> durch die Lehrpläne von 1882 geſteckte Ziel läßt ſich ohne<lb/> Schwierigkeit erreichen, wenn dieſer Unterricht in Unter-Tertia<lb/> begonnen wird und in jeder Claſſe mindeſtens ſechs Stunden<lb/> wöchentlich erhält.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">4) Der Unterbau eines ſolchen Realgymnaſiums eignet ſich<lb/> auch zum Unterbau eines humaniſtiſchen Gymnaſiums.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">5) Wo eine höhere Bürgerſchule die einzige höhere Schule<lb/> des Ortes iſt und nur wenige Schüler ſpäter ein Realgymnaſium<lb/> oder Gymnaſium beſuchen ſollen, empfiehlt es ſich, an der An-<lb/><cb/> ſtalt einen facultativen Unterricht im Lateiniſchen anzuordnen<lb/> und dagegen Erleichterung in anderen Gegenſtänden zu ge-<lb/> währen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">6) Damit Unter-Secundaner einer ſolchen höheren Bürger-<lb/> ſchule auch in die Ober-Secunda eines Gymnaſiums eintreten<lb/> können, empfiehlt es ſich, einige Gymnaſien in kleineren, dazu<lb/> beſonders geeigneten Orten in ſolche aus höherer Bürgerſchule<lb/> und Obergymnaſium zuſammengeſetzte Anſtalten umzuwandeln<lb/> und mit denſelben ein Internat zu verbinden, das namentlich<lb/> befähigten Söhnen von Beamten, welche kein Gymnaſium in<lb/> ihrer Nähe haben, Aufnahme unter erleichternden Bedingungen<lb/> bieten kann.</hi> </p><lb/> <p>In der hieran anſchließenden Debatte bemerkte Geheimer<lb/> Oberregierungsrath <hi rendition="#g">Stauder</hi>, daß die Commiſſare des Mi-<lb/> niſteriums der geiſtlichen ꝛc. Angelegenheiten ſich in ihren Aeuße-<lb/> rungen auf thatſächliche Berichtigungen und Erläuterungen be-<lb/> ſchränken würden, welche den Gang der Verhandlungen zu fördern<lb/> geeignet wären. Er theilte mit, daß der Cultusminiſter geneigt<lb/> ſei, in der Aufſtellung der Lehrpläne nach individuellen und<lb/> provinciellen Verhältniſſen eine gewiſſe Freiheit der Bewegung zu<lb/> geſtatten.</p><lb/> <p>Geheimer Oberregierungsrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Wehrenpfennig</hi> er-<lb/> läuterte hierauf die den Conferenzmitgliedern vorgelegten ſtatiſtiſchen<lb/> Tabellen.</p><lb/> <p>Der Commiſſar des landwirthſchaftlichen Miniſteriums er-<lb/> örterte hierauf die Stellung des Gymnaſiums im Verhältniß zu<lb/> den Anforderungen des Erwerbslebens, Geheimer Medicinalrath<lb/> Prof. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Virchow</hi> im Verhältniß zu den Anforderungen des<lb/> mediciniſchen und naturwiſſenſchaftlichen Studiums. An der weiteren<lb/> Discuſſion betheiligten ſich aus der Mitte der Verſammlung die<lb/> HH. Directoren <hi rendition="#g">Holzmüller</hi> und <hi rendition="#g">Frick</hi>, Geheimer Ober-<lb/> regierungsrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Hinzpeter</hi>, Abt <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Uhlhorn</hi>, Fürſtbiſchof<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Kopp</hi>, die Directoren <hi rendition="#g">Jaeger</hi> und <hi rendition="#g">Matthias</hi>, ſowie der<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Göring</hi> und Geheimer Regierungsrath <hi rendition="#g">Ende</hi>.</p><lb/> <p>Die Ausführungen des erſten Mitberichterſtatters zur Frage<lb/> des Lehrplans in den Gymnaſien, Geheimen Regierungsraths<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Kruſe</hi>, faßt der „Reichs-Anz.“ in folgender Weiſe zu-<lb/> ſammen:</p><lb/> <p>„Eine Beſchränkung des altſprachlichen Unterrichts iſt nicht zu<lb/> empfehlen. Der lateiniſche Auffatz und das griechiſche Verſetzungs-<lb/> extemporale für <hi rendition="#aq">I</hi> ſind jedoch zu entbehren. Zur Verminderung<lb/> der Stundenzahl können in der <hi rendition="#aq">VI</hi> die Zeichenſtunden, die Ge-<lb/> ſchichtsſtunde und die dritte Religionsſtunde wegfallen. In <hi rendition="#aq">V</hi> iſt<lb/> das Franzöſiſche nicht nur entbehrlich, ſondern ſchädlich. Das Eng-<lb/> liſche wird, wie bisher, facultativ zuzulaſſen ſein, ebenſo der<lb/> Zeichenunterricht in den oberen Claſſen. Die Ermäßigung der<lb/> Lehrziele, alſo die Verminderung des Lehrſtoffs, iſt auf Directoren-<lb/> Conferenzen mehrfach ins Auge gefaßt, bedarf aber noch genauerer<lb/> Feſtſtellung.“</p><lb/> <p>Die von dem zweiten Mitberichterſtatter Rector <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Volk-<lb/> mann</hi> aufgeſtellten Theſen lauteten:</p><lb/> <p>„1) Eine weitere Beſchränkung der den alten Sprachen ge-<lb/> widmeten Stundenzahl, als ſie durch den Lehrplan vom 31. März<lb/> 1882 angeordnet worden iſt, würde den erfolgreichen Betrieb des<lb/> Unterrichts ernſtlich gefährden und darf deßhalb nicht in Ausſicht<lb/> genommen werden. 2) Erſcheint eine Beſchränkung der geſammten<lb/> Stundenzahl in den unteren Claſſen geboten oder wünſchenswerth,<lb/> ſo iſt dieſes Ziel für Quinta oder Quarta durch Verminderung<lb/> der franzöſiſchen Stunden zu erreichen. 3) Facultativer Unterricht<lb/> im Engliſchen iſt von Unterſecunda ab, parallel mit dem Unter-<lb/> richt im Hebräiſchen, zuläſſig. 4) Es iſt wünſchenswerth, daß der<lb/> Zeichenunterricht mindeſtens für die beiden Tertien obligatoriſch<lb/> gemacht werde. 5) Ein Verzicht auf den lateiniſchen Auſſatz als<lb/> Zielleiſtung iſt unbedenklich, ſobald eine methodiſche Anleitung zum<lb/> Uebertragen deutſcher Originalſtücke ins Lateiniſche an die Stelle<lb/> tritt. 6) Der griechiſchen ſchriftlichen Verſetzungsarbeit für Prima<lb/> iſt ein Werth von irgend welchem Betrag nicht beizumeſſen.“</p><lb/> <p>Als dritter Mitherichterſtatter ſprach Geheimer Regierungs-<lb/> rath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schottmüller</hi> über folgende Theſen:</p><lb/> <p>„1) Die den alten Sprachen im Lehrplane der Gymnaſien<lb/> gewidmete Stundenzahl iſt einzuſchränken: <hi rendition="#aq">a.</hi> nicht ſowohl um<lb/> die Unterrichsſtunden nur in den unteren, als vielmehr in allen<lb/> Claſſen herabzuſetzen, ſodann <hi rendition="#aq">b.</hi> um den durch die neue Welt-<lb/> ſtellung Deutſchlands geſteigerten Anforderungen auch anderer<lb/> Wiſſensgebiete gerecht zu werden; <hi rendition="#aq">c.</hi> um die von den dazu meiſt-<lb/> berechtigten Factoren, den Familien und den Aerzten, geforderte<lb/> Entlaſtung der Schüler herbeizuführen. 2) Das Fortfallen des<lb/> lateiniſchen Aufſatzes und des griechiſchen Seriptum für die Ver-<lb/> ſetzung nach Prima genügen allein noch nicht, um bei vermin-<lb/> derter Stundenzahl der Verflachung des Unterrichts vorzubeugen:<lb/> es muß eine weitere Ermäßigung der Lehrziele eintreten, um<lb/> jenem drohenden Uebelſtande vorzubeugen, d. h. es ſind einige<lb/><cb/> der bisher ſchon auf den Gymnaſien behandelten Wiſſenszweige<lb/> der Univerſität vorzubehalten. 3) Der Unterricht im Zeichnen iſt<lb/> wenigſtens bis <hi rendition="#aq">IIb</hi> incluſive obligatoriſch zu ertheilen. 4) Der<lb/> Unterricht im Engliſchen iſt ebenfalls obligatoriſch zu machen,<lb/> braucht aber erſt in <hi rendition="#aq">IIa</hi> mit je drei Stunden zu beginnen.“</p><lb/> <p>In der Discuſſion legte der Präſident der Phyſikaliſch-<lb/> techniſchen Reichsanſtalt, Profeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi> v. <hi rendition="#g">Helmholtz</hi>, ein-<lb/> gehend die Anforderungen dar, welche vom Standpunkt des<lb/> naturwiſſenſchaftlichen Studiums an den Gymnaſialunterricht<lb/> zu ſtellen ſeien. Dieſe Anforderungen, welche hauptſächlich den<lb/> Unterricht im Deutſchen beträfen, ſeien ohne Vermehrung der<lb/> Stundenzahl zu erreichen. Geheimer Ober-Regierungsrath<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Stauder</hi> machte einige thatſächliche Mittheilungen. Er<lb/> ſprach ſich dahin aus, daß eine Verminderung der Stundenzahl<lb/> nur im Wege der Einſchränkung des altſprachlichen Unterrichts<lb/> zu ermöglichen ſei.</p><lb/> <p>Zur Sache ſprachen noch Fabrikbeſitzer <hi rendition="#g">Frowein</hi> und Geh.<lb/> Sanitätsrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Graf</hi> (Beide aus Elberfeld), Profeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/><hi rendition="#g">Rehrmann</hi> (als Commiſſar des Kriegsminiſteriums), Oberſchul-<lb/> rath, Geh. Rath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Albrecht</hi> (aus Straßburg), Gymnaſial-<lb/> director <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schulze</hi> (von Berlin) und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Kropatſcheck</hi>.</p><lb/> <p>In der Sitzung am 6. d. M. ſprachen nach Schluß der<lb/> Discuſſion über die Frage wegen Herſtellung eines gemeinſchaft-<lb/> lichen Unterbaues für die beſtehenden Schularten als Mitbericht-<lb/> erſtatter zu derſelben nochmals Geh. Rath <hi rendition="#g">Schiller</hi> und Director<lb/><hi rendition="#g">Schlee</hi>. Der Berichterſtatter Director <hi rendition="#g">Uhlig</hi> hatte das Schluß-<lb/> wort. Die Abſtimmung über die zur Erörterung ſtehende Frage<lb/> wurde einſtweilen ausgeſetzt. Dieſelbe ſoll (wie ſchon telegraphiſch<lb/> berichtet) im Zuſammenhang mit der Abſtimmung über die Fragen<lb/> wegen Beibehaltung der beſtehenden Schularten und wegen Ver-<lb/> änderung des Lehrplanes der Gymnaſien und Realgymnaſien ſtatt-<lb/> finden. Die Formulirung der für die Abſtimmung geeigneten<lb/> Fragen wurde einer beſonderen Commiſſion unter Mitwirkung der<lb/> Commiſſare des Cultusminiſteriums übertragen. Sodann wurde zur<lb/> Berathung der Frage übergegangen: „Empfiehlt es ſich, im Lehr-<lb/> plan der Gymnaſien die den alten Sprachen gewidmete Stunden-<lb/> zahl einzuſchränken, und es ſo zu ermöglichen, daß die Unterrichts-<lb/> ſtunden in den drei unteren Claſſen herabgeſetzt, das Engliſche<lb/> facultativ eingeführt und das Zeichnen über Quarta hinaus obli-<lb/> gatoriſch gemacht wird? Iſt mit jener Einſchränkung zugleich der<lb/> lateiniſche Aufſatz als Zielleiſtung und die griechiſche ſchriftliche<lb/> Verſetzungsarbeit für Prima in Wegfall zu bringen?“ Im Zu-<lb/> ſammenhang mit dieſer Frage ſoll zugleich die von Sr. Maj. dem<lb/><hi rendition="#g">Kaiſer</hi> angeordnete Erörterung der Frage ſtattfinden: „Iſt die<lb/> Ermäßigung der <hi rendition="#g">Lehrziele</hi>, alſo die Verminderung des Lehr-<lb/> ſtoffes, ſcharf ins Auge gefaßt und wenigſtens das Ausſcheidende<lb/> genau feſtgeſtellt?“ Als Verichterſtatter erhielt das Wort Ober-<lb/> lehrer <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Hornemann</hi> (aus Hannover), welcher in eingehender<lb/> Begründung die nachbezeichneten Theſen befürwortete:</p><lb/> <p>1) Die dem <hi rendition="#g">Lateiniſchen</hi> gewidmete Stundenzahl kann von<lb/> Quarta an aufwärts um je zwei Wochenſtunden herabgeſetzt werden,<lb/> weil der geſonderte Betrieb der Grammatik mit Uebungen im Ueber-<lb/> ſetzen aus dem Deutſchen eine ſtarke Einſchränkung erfahren, die<lb/> Lectüre einer weiteren Sichtung unterworfen und die Uebung im<lb/> freien mündlichen und ſchriſtlichen Gebrauche des Lateiniſchen als<lb/> Ziel des Unterrichts aufgegeben werden kann. Ob auch in Sexta<lb/> und Quinta eine Herabſetzung der Stundenzahl des Lateiniſchen<lb/> möglich ſein wird, hängt von weiteren Verſuchen mit einer ver-<lb/> beſſerten Methode des fremdſprachlichen Anfangsunterrichts ab. Da-<lb/> gegen kann eine erhebliche Verminderung der häuslichen Arbeiten<lb/> für das Lateiniſche durch Verlegung der Hauptarbeit in die Claſſe<lb/> ſofort eintreten. 2) Für das <hi rendition="#g">Griechiſche</hi> genügen ſechs wöchentliche<lb/> Lehrſtunden von Unter-Tertia an aufwärts, wenn zugleich die Gram-<lb/> matik wirklich auf das für ein gründliches Verſtändniß der Schrift-<lb/> ſteller nothwendige Maß beſchränkt und ihr Betrieb eng an die Lectüre<lb/> angelehnt wird. Die ſchriftliche Arbeit zur Verſetzung nach Prima<lb/> kann wegfallen. 3) Es empfiehlt ſich, das <hi rendition="#g">Engliſche</hi> in der an<lb/> den Gymnaſien der Provinz Hannover beſtehenden Weiſe von<lb/> Unterſecunda an aufwärts mit je zwei wöchentlichen Lehrſtunden<lb/> in den Lehrplan aufzunehmen. 4) Der <hi rendition="#g">Zeichenunterricht</hi><lb/> kann in Sexta wegfallen, muß dann aber über die Quarta hinaus<lb/> bis zur Oberſecunda einſchließlich als Pflichtfach mit je zwei<lb/> Wochenſtunden fortgeführt werden; in Prima bleibt er beſſer<lb/> Wahlfach wie bisher. 5) Das <hi rendition="#g">Hebräiſche</hi> bleibt der Univerſität<lb/> vorbehalten. Vemerkung: Durch die in obigen Theſen vorgeſchlage-<lb/> nen Aenderungen des Stundenvertheilungsplanes wird zugleich<lb/> erreicht, daß in den drei unteren Claſſen die Geſammtſtundenzahl<lb/> um je zwei Stunden wöchentlich ermäßigt werden kann.</p><lb/> <p>Als Mitberichterſtatter ſprachen hierauf der Provincialſchul-<lb/> rath, Geh. Regierungsrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Kruſe</hi> aus Danzig und der Rector<lb/> der Landesſchule in Pforta <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Volkmann</hi>.</p> </quote> </cit><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Weihnachtsausſtellung im Kunſtgewerbehauſe.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">gl.</hi> Die heurige Weihnachtsausſtellung bedeutet eine Etappe<lb/> in der Entwicklung des bayeriſchen Kunſtgewerbevereins; iſt doch<lb/> gleichzeitig mit ihr ein lang gehegter Wunſch zur greifbaren That-<lb/> ſache geworden: die Erweiterung der Ausſtellungshalle. Werden<lb/> die Hauptziele des Vereins auch ſtets mehr auf der idealen Seite<lb/> zu ſuchen ſein, ſo war es doch für ihn ſeit mehreren Jahren zur<lb/> brennenden Lebensfrage geworden, auch die geſchäftlichen Intereſſen<lb/> der Vereinsmitglieder durch umfaſſendere Vorführung ihrer Arbeiten<lb/> beſſer zu vertreten. Dieſem Drange war ſchon die 1888er Kunſt-<lb/> gewerbeausſtellung entſprungen, und die Weihnachtsausſtellungen<lb/> der beiden letzten Jahre waren Nothbehelfe, welche jene Lebens-<lb/> frage nicht lösten, wohl aber eindringlich an ihre Löſung mahnten.<lb/> Und dieſe kam auch. Was wir heute vor Augen haben, die Ver-<lb/> mehrung der Ausſtellungsräume faſt auf das Dreifache der früher<lb/> allein vorhandenen Parterrehalle, iſt das Werk weniger Monate;<lb/> und da jetzt durch Beiziehung des großen Feſtſaales und ſeiner<lb/> Nebenräume die für Ausſtellungszwecke benutzbare Fläche auf nahezu<lb/> tauſend Quadratmeter erweitert wurde, ſo lohnt ſich wohl ein Gang<lb/> durch die feſtlich ausgeſtatteten Gelaſſe.</p><lb/> <p>Eine breite bequeme Treppe, welche ſich maleriſch an der<lb/> Schmalſeite des Parterreſaales hinaufzieht, führt uns in die oberen<lb/> Stockwerke, welche zum größten Theil von den Werken unſrer Kunſt-<lb/> ſchreiner eingenommen werden. Kann man ſchon hier beobachten,<lb/> daß die Freude an dem bunten Wechſel der Farben vielfach die<lb/> Gedanken geleitet, ſo zeigt uns das ſonſtige „Kneipzimmer“ augen-<lb/> fällig, daß wir unter dem Zeichen der Farbenfreudigkeit ſtehen.<lb/> Der Inhalt dieſes Zimmers gibt uns ein Bild davon, zu welcher<lb/> gewaltigen Ausdehnung ſich die Fabrication künſtlicher Blumen<lb/> entwickelt hat. Dieſes — im bildlichen und im wirklichen Sinne — „blü-<lb/> hende“ Kunſtgewerbe verſteht es gleich den modernen Panoramen, den<lb/> Uebergang von den lünſtlichen zu den im Hintergrund aufgeſtellten<lb/> wirklichen Pflanzen ſo täuſchend zu geſtalten, daß man bei mehreren<lb/> Stücken wirklich ſehr genau hinſehen muß, um Kunſt und Natur<lb/> zu unterſcheiden. Zu dieſem berauſchenden Farbenzauber haben die<lb/><cb/> Firmen A. Sell, L. Kaußler, G. Goldſtein, Heckel das Schönſte an<lb/> künſtlichen Pflanzen beigetragen.</p><lb/> <p>Auch der große Saal hat einen umfangreichen feſtlichen<lb/> Pflanzenſchmuck angelegt; das ernſte Braun der Vertäfelungen iſt<lb/> durch eingeſchaltete Ornamentfrieſe mit Goldgrund, durch hellfarbige<lb/> Palmblätter, bunte Fruchtgewinde, rieſige Blumen ꝛc. gemildert.<lb/> Die Mitte desſelben nehmen Erzeugniſſe der Münchener Edel-<lb/> ſchmiedekunſt ein: die Meiſter Profeſſor Fr. v. Miller, Profeſſor<lb/> Halbreiter, Harrach u. Sohn, Th. Heiden, C. Rothmüller, Wollen-<lb/> weber u. A. haben eine Reihe der köſtlichſten Früchte ihrer Kunſt<lb/> hier untergebracht, denen ſich die ſilbernen Nippſachen von S. Ro-<lb/> ſenau-Kitzingen, die prächtig geſchnitzten Elfenbeinſachen von A. Dießl<lb/> u. A. würdig auſchließen. An den Wänden und in den Ecken<lb/> ſind die verſchiedenſten Zimmerchen zuſammengeſtellt: vor dem<lb/> Kamin lädt ein gedeckter Theetiſch ein, Platz zu nehmen auf den<lb/> ringsum ſtehenden Stühlen mit den prächtigen Lederpolſtern<lb/> L. Klöpfers, in den Ecken und an den Wänden bilden andere<lb/> Möbelgruppen einen Salon, ein Boudoir, ein Arbeitszimmer u. ſ. w.;<lb/> immer aber — auch wenn die einzelnen Stücke den verſchiedenſten<lb/> Urſprung haben — iſt eine einheitliche Geſammtwirkung erreicht.<lb/> In ähnlicher Weiſe iſt auch der Vorplatz neben dem Saal über-<lb/> wiegend zur Zuſammenſtellung ſolcher Möbelgruppen verwerthet.<lb/> Am gediegenſten aber tritt uns dieſe den Gedanken an einen<lb/> Jahrmarkt völlig verläugnende Aufſtellungsweiſe in den neu ge-<lb/> wonnenen Räumen entgegen; denn da dieſelben einzelnen Meiſtern<lb/> für mehrere Jahre verpachtet wurden, ſo liegt es in der Natur der<lb/> Sache, daß hier einheitliche Gruppen entſtehen mußten.</p><lb/> <p>Zwar trifft dies gleich bei dem erſten Ausſteller — J. Stein-<lb/> metz — nicht ganz zu; aber ſeine Stücke — ein großes Renaiſſance-<lb/> Buffet und mehrere Polſtermöbel — bekunden ein ſo hohes Maß<lb/> von Geſchmack und Geſchick, daß man auch einmal auf Einheitlich-<lb/> keit verzichten kann. Reben ihm hat M. Ballin, von welchem ein<lb/> treffliches Renaiſſance-Buſſet im großen Saal ſteht, ein Zimmerchen<lb/> im Boudoirſtil des 18. Jahrhunderts eingerichtet, aus lauter fein<lb/> gearbeiteten Stücken beſtehend und in den Farben ſo friſch, daß<lb/> von der fröſtelnden Rococo-Etiquette keine Spur zu finden. Sein<lb/> Gegenüber — Fr. Radſpieler u. Cie. — iſt als Meiſter dieſes<lb/><cb/> Stils zu bekannt, als daß eine beſondere Hervorhebung von Nöthen<lb/> wäre. In den einfacheren, aber aufs ſorgfältigſte ausſtudirten<lb/> Formen der Renaiſſance hält ſich das niedliche Zimmerchen von<lb/> O. Fritzſche, der übrigens die Beherrſchung anderer Stile an ein-<lb/> zelnen ſonſt untergebrachten Möbeln nachweist. A. Pöſſenbacher<lb/> hat mehrere für den König von Rumänien beſtimmte Stücke ge-<lb/> bracht.</p><lb/> <p>Unter den einfacheren Möbeln ſei S. Schnellers kleines<lb/> Stübchen an die Spitze geſtellt, ſchon deßhalb, weil die Holzdecke<lb/> desſelben ein Meiſterſtück feiner Farbenharmonie iſt. Wie aus den<lb/> hiezu gehörigen Möbeln, ſo ſpricht faſt noch mehr aus jenen von<lb/> W. Jung eine ſolide Schlichtheit und entſchiedene Ablehnung alles<lb/> Protzenhaften: man kann aus dieſen Stücken lernen, wie man<lb/> einfach und doch geſchmackvoll, vornehm möblirt.</p><lb/> <p>Die decorative Plaſtik mußte den genannten Räumen ihre<lb/> Dienſte in mannichfacher Beziehung leihen; aber ſie tritt auch<lb/> vielfach ſelbſtändig auf. Die reizenden Orcheſtergruppen von Prof.<lb/> Perron und C. Fiſcher, das entzückende Handtuchweibchen von<lb/> G. L. Sand-Frankfurt, das Münchener Kindl von Fr. Schneider<lb/> ſind zwar längſt bekannte, aber ſtets wieder begehrte Stücke; dazu<lb/> kommen eine Reihe von polychromen Statuetten, Büſten ꝛc., zu<lb/> welchen Fr. Nanny ſtets ein bedeutendes Contingent ſtellt. Er<lb/> verſteht es, bei ſeinen Abgüſſen die Oberfläche des Originals —<lb/> ſei es Bronce oder Marmor, glänzend oder matt — ſo vortrefflich<lb/> in Farbe und Korn nachzuahmen, daß die Täuſchung eine voll-<lb/> kommene iſt.</p><lb/> <p>Von all den tauſenderlei Geräthen, welche ſich in dieſen Tagen<lb/> im Kunſtgewerbehauſe aufgehäuft haben, auch nur einen kleinen<lb/> Theil anzuführen und ihren Meiſtern gerecht zu werden, iſt ein<lb/> Ding der Unmöglichkeit. Es gibt aber ſicher wenig dem Kunſt-<lb/> gewerbe überhaupt zugängliche Dinge, welche hier keine Vertretung<lb/> fänden, und wenn die zur Beurtheilung der Einläufe niedergeſetzte<lb/> Commiſſion ihres Amtes fürderhin mit gleicher Strenge waltet,<lb/> wie bisher, ſo beſteht kein Zweifel, daß das ſchon ſeit ſeinem Be-<lb/> ſtehen überall gut angeſchriebene Haus an der Pfandhausſtraße<lb/> auch nach Schluß der Weihnachtsausſtellung den guten Ruf des<lb/> Münchener Kunſtgewerbes bewahren werde.</p> </div> </div><lb/> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Donnerſtag, Drittes Morgenblatt, Nr. 343 der Allgemeinen Zeitung. 11. December 1890.
Die Schulconferenz in Berlin.
* Berlin, 8. Dec. Der telegraphiſch kurz ſkizzirte Bericht
bes „Reichs-Anzeigers“ über die Sitzung der Schulconferenz
am 5. d. lautet vollſtändig:
In der heutigen Sitzung wurde die Berathung der Frage
wegen Herſtellung eines gemeinſamen Unterbaues für die beſtehen-
den Schularten fortgeſetzt. Den Vorſitz führte der Miniſterial-
director Wirkl. Geh. Oberregierungsrath de la Croix.
Zur Ergänzung ſeiner geſtrigen Ausführungen ſprach zunächſt
nochmals Gymnaſialdirector Uhlig, indem er der im Bericht über
die geſtrige Sitzung bezeichneten Theſe als zweite Theſe an die
Seite ſetzte:
Wenn auch keine der beiden unter 2a und 2b (der Frage-
ſtellung) bezeichneten Combinationen als eine Schulgeſtaltung an-
geſehen werden kann, deren durchgehende Einführung erſtrebens-
werth erſchiene, ſo bieten ſie doch beide einige eigenthümliche
Vortheile, welche empfehlen, keine auszuſchließen, ſondern je nach
den örtlichen Bedürfniſſen hier die eine, dort die andere zu-
zulaſſen.
Als Mitberichterſtatter nahmen das Wort der Gymnaſial-
director Geheime Oberſchulrath Profeſſor Dr. Schiller aus
Gießen und der Realgymnaſialdirector Dr. Schlee aus Altona.
Erſterer begründete unter eingehender Erläuterung eines ſpeciellen
Lehrplanes folgende Theſen:
1) Eine definitive Ordnung des höheren Schulweſens wird
nur zwei Schularten zu belaſſen haben, das reformirte Gymna-
ſium und die lateinloſe Real- bezw. Oberrealſchule. Die be-
ſtehenden Realgymnaſten würden ſich nach den örtlichen Bedürf-
niſſen in Gymnaſien oder in Oberrealſchulen verwandeln.
Da die vorgeſchlagene Umgeſtaltung in Folge der nothwen-
digen Verſuche vorausſichtlich einige Zeit beanſpruchen würde, ſo
empfiehlt ſich, wenn aus ſocialen und wirthſchaftlichen Rückſichten
ein möglichſt weitgehender Unterbau nothwendig erſcheinen ſollte,
und unter der Annahme, daß zunächſt das Realgymnaſium als
beſondere Schulgattung erhalten bleiben wird,
2) die Verbindung von Realgymnaſtum und Gymnaſtum
wegen der Einfachheit der Ausſührung und wegen der ſofortigen
Möglichkeit etwa nöthig erſcheinender Verſuche am meiſten. Es
ließe ſich ein gemeinſamer Unterbau bis OIII einſchl. nach
dem angeſchloſſenen Plan herſtellen; dabei wären von UIII ab
Engliſch und Griechiſch facultativ einzuführen, von UII ab würde
für das Realgymnaſium im weſentlichen der Lehrplan der Ober-
realſchule durchzuführen ſein.
3) Eine ſolche Vereinigung würde ſowohl dem Gymnaſium
als dem Realgymnaſium ſofort erhebliche Vortheile bringen, eine
künſtige etwaige Ueberleitung zur Herſtellung eines gemeinſamen
Unterbaues bis zur VI oder V vorbereiten und erleichtern und
den Anſchluß der lateinloſen höheren Bürgerſchule an die Ober-
ſtufe des Realgymnaſtums (von OII ab) geſtatten.
4) Die Zurückſchiebung des Lateiniſchen nach UIII und die
Ergänzung der lateinloſen unteren Claſſen zu einer höheren
Bürgerſchule aufwärts würde zwar der urſprünglichen Entwick-
lung der Realſchule mehr entſprechen. Aber ſie hat den Nach-
theil, daß ſie auf der oberen Stufe die Concentration auf die
neueren Sprachen erſchwert; ebenſo wenig wird durch jene Ein-
richtung das entſchiedene Uebergewicht eines Lehrgegenſtandes
durchgehends herbeigeführt.
Realgymnaſialdirector Dr. Schlee ſtellte folgende Theſen auf:
1) Die Ueberlaſtung der Gymnaſien mit ungeeigneten
Schülern, übergroßer Zudrang zu den gelehrten Berufsarten,
namentlich aber die verfehlte Schulbildung bei der großen Mehr-
zahl der vom Gymnaſium abgehenden Schüler fordern eine
Schuleinrichtung, welche die Trennung der Schularten und die
Wahl zwiſchen denſelben auf eine ſpätere Stufe verſchiebt, ohne
daß einerſeits die geeignete Vorbildung für einen gewerblichen
Beruf verſäumt und andrerſeits eine ſpätere Vorbereitung für
ein akademiſches oder techniſches Studium unmöglich gemacht
wird: einen den höheren Schulen gemeinſamen Unterbau.
2) Es empfiehlt ſich, den gemeinſamen Unterbau für mehrere
höhere Schulen auf Grund einer neueren Sprache zu errichten.
Insbeſondere iſt die franzöſiſche Sprache zu dem Zweck geeignet.
3) Das dem lateiniſchen Unterricht auf den Realgymnaſien
durch die Lehrpläne von 1882 geſteckte Ziel läßt ſich ohne
Schwierigkeit erreichen, wenn dieſer Unterricht in Unter-Tertia
begonnen wird und in jeder Claſſe mindeſtens ſechs Stunden
wöchentlich erhält.
4) Der Unterbau eines ſolchen Realgymnaſiums eignet ſich
auch zum Unterbau eines humaniſtiſchen Gymnaſiums.
5) Wo eine höhere Bürgerſchule die einzige höhere Schule
des Ortes iſt und nur wenige Schüler ſpäter ein Realgymnaſium
oder Gymnaſium beſuchen ſollen, empfiehlt es ſich, an der An-
ſtalt einen facultativen Unterricht im Lateiniſchen anzuordnen
und dagegen Erleichterung in anderen Gegenſtänden zu ge-
währen.
6) Damit Unter-Secundaner einer ſolchen höheren Bürger-
ſchule auch in die Ober-Secunda eines Gymnaſiums eintreten
können, empfiehlt es ſich, einige Gymnaſien in kleineren, dazu
beſonders geeigneten Orten in ſolche aus höherer Bürgerſchule
und Obergymnaſium zuſammengeſetzte Anſtalten umzuwandeln
und mit denſelben ein Internat zu verbinden, das namentlich
befähigten Söhnen von Beamten, welche kein Gymnaſium in
ihrer Nähe haben, Aufnahme unter erleichternden Bedingungen
bieten kann.
In der hieran anſchließenden Debatte bemerkte Geheimer
Oberregierungsrath Stauder, daß die Commiſſare des Mi-
niſteriums der geiſtlichen ꝛc. Angelegenheiten ſich in ihren Aeuße-
rungen auf thatſächliche Berichtigungen und Erläuterungen be-
ſchränken würden, welche den Gang der Verhandlungen zu fördern
geeignet wären. Er theilte mit, daß der Cultusminiſter geneigt
ſei, in der Aufſtellung der Lehrpläne nach individuellen und
provinciellen Verhältniſſen eine gewiſſe Freiheit der Bewegung zu
geſtatten.
Geheimer Oberregierungsrath Dr. Wehrenpfennig er-
läuterte hierauf die den Conferenzmitgliedern vorgelegten ſtatiſtiſchen
Tabellen.
Der Commiſſar des landwirthſchaftlichen Miniſteriums er-
örterte hierauf die Stellung des Gymnaſiums im Verhältniß zu
den Anforderungen des Erwerbslebens, Geheimer Medicinalrath
Prof. Dr. Virchow im Verhältniß zu den Anforderungen des
mediciniſchen und naturwiſſenſchaftlichen Studiums. An der weiteren
Discuſſion betheiligten ſich aus der Mitte der Verſammlung die
HH. Directoren Holzmüller und Frick, Geheimer Ober-
regierungsrath Dr. Hinzpeter, Abt D. Uhlhorn, Fürſtbiſchof
Dr. Kopp, die Directoren Jaeger und Matthias, ſowie der
Dr. Göring und Geheimer Regierungsrath Ende.
Die Ausführungen des erſten Mitberichterſtatters zur Frage
des Lehrplans in den Gymnaſien, Geheimen Regierungsraths
Dr. Kruſe, faßt der „Reichs-Anz.“ in folgender Weiſe zu-
ſammen:
„Eine Beſchränkung des altſprachlichen Unterrichts iſt nicht zu
empfehlen. Der lateiniſche Auffatz und das griechiſche Verſetzungs-
extemporale für I ſind jedoch zu entbehren. Zur Verminderung
der Stundenzahl können in der VI die Zeichenſtunden, die Ge-
ſchichtsſtunde und die dritte Religionsſtunde wegfallen. In V iſt
das Franzöſiſche nicht nur entbehrlich, ſondern ſchädlich. Das Eng-
liſche wird, wie bisher, facultativ zuzulaſſen ſein, ebenſo der
Zeichenunterricht in den oberen Claſſen. Die Ermäßigung der
Lehrziele, alſo die Verminderung des Lehrſtoffs, iſt auf Directoren-
Conferenzen mehrfach ins Auge gefaßt, bedarf aber noch genauerer
Feſtſtellung.“
Die von dem zweiten Mitberichterſtatter Rector Dr. Volk-
mann aufgeſtellten Theſen lauteten:
„1) Eine weitere Beſchränkung der den alten Sprachen ge-
widmeten Stundenzahl, als ſie durch den Lehrplan vom 31. März
1882 angeordnet worden iſt, würde den erfolgreichen Betrieb des
Unterrichts ernſtlich gefährden und darf deßhalb nicht in Ausſicht
genommen werden. 2) Erſcheint eine Beſchränkung der geſammten
Stundenzahl in den unteren Claſſen geboten oder wünſchenswerth,
ſo iſt dieſes Ziel für Quinta oder Quarta durch Verminderung
der franzöſiſchen Stunden zu erreichen. 3) Facultativer Unterricht
im Engliſchen iſt von Unterſecunda ab, parallel mit dem Unter-
richt im Hebräiſchen, zuläſſig. 4) Es iſt wünſchenswerth, daß der
Zeichenunterricht mindeſtens für die beiden Tertien obligatoriſch
gemacht werde. 5) Ein Verzicht auf den lateiniſchen Auſſatz als
Zielleiſtung iſt unbedenklich, ſobald eine methodiſche Anleitung zum
Uebertragen deutſcher Originalſtücke ins Lateiniſche an die Stelle
tritt. 6) Der griechiſchen ſchriftlichen Verſetzungsarbeit für Prima
iſt ein Werth von irgend welchem Betrag nicht beizumeſſen.“
Als dritter Mitherichterſtatter ſprach Geheimer Regierungs-
rath Dr. Schottmüller über folgende Theſen:
„1) Die den alten Sprachen im Lehrplane der Gymnaſien
gewidmete Stundenzahl iſt einzuſchränken: a. nicht ſowohl um
die Unterrichsſtunden nur in den unteren, als vielmehr in allen
Claſſen herabzuſetzen, ſodann b. um den durch die neue Welt-
ſtellung Deutſchlands geſteigerten Anforderungen auch anderer
Wiſſensgebiete gerecht zu werden; c. um die von den dazu meiſt-
berechtigten Factoren, den Familien und den Aerzten, geforderte
Entlaſtung der Schüler herbeizuführen. 2) Das Fortfallen des
lateiniſchen Aufſatzes und des griechiſchen Seriptum für die Ver-
ſetzung nach Prima genügen allein noch nicht, um bei vermin-
derter Stundenzahl der Verflachung des Unterrichts vorzubeugen:
es muß eine weitere Ermäßigung der Lehrziele eintreten, um
jenem drohenden Uebelſtande vorzubeugen, d. h. es ſind einige
der bisher ſchon auf den Gymnaſien behandelten Wiſſenszweige
der Univerſität vorzubehalten. 3) Der Unterricht im Zeichnen iſt
wenigſtens bis IIb incluſive obligatoriſch zu ertheilen. 4) Der
Unterricht im Engliſchen iſt ebenfalls obligatoriſch zu machen,
braucht aber erſt in IIa mit je drei Stunden zu beginnen.“
In der Discuſſion legte der Präſident der Phyſikaliſch-
techniſchen Reichsanſtalt, Profeſſor Dr. v. Helmholtz, ein-
gehend die Anforderungen dar, welche vom Standpunkt des
naturwiſſenſchaftlichen Studiums an den Gymnaſialunterricht
zu ſtellen ſeien. Dieſe Anforderungen, welche hauptſächlich den
Unterricht im Deutſchen beträfen, ſeien ohne Vermehrung der
Stundenzahl zu erreichen. Geheimer Ober-Regierungsrath
Dr. Stauder machte einige thatſächliche Mittheilungen. Er
ſprach ſich dahin aus, daß eine Verminderung der Stundenzahl
nur im Wege der Einſchränkung des altſprachlichen Unterrichts
zu ermöglichen ſei.
Zur Sache ſprachen noch Fabrikbeſitzer Frowein und Geh.
Sanitätsrath Dr. Graf (Beide aus Elberfeld), Profeſſor Dr.
Rehrmann (als Commiſſar des Kriegsminiſteriums), Oberſchul-
rath, Geh. Rath Dr. Albrecht (aus Straßburg), Gymnaſial-
director Dr. Schulze (von Berlin) und Dr. Kropatſcheck.
In der Sitzung am 6. d. M. ſprachen nach Schluß der
Discuſſion über die Frage wegen Herſtellung eines gemeinſchaft-
lichen Unterbaues für die beſtehenden Schularten als Mitbericht-
erſtatter zu derſelben nochmals Geh. Rath Schiller und Director
Schlee. Der Berichterſtatter Director Uhlig hatte das Schluß-
wort. Die Abſtimmung über die zur Erörterung ſtehende Frage
wurde einſtweilen ausgeſetzt. Dieſelbe ſoll (wie ſchon telegraphiſch
berichtet) im Zuſammenhang mit der Abſtimmung über die Fragen
wegen Beibehaltung der beſtehenden Schularten und wegen Ver-
änderung des Lehrplanes der Gymnaſien und Realgymnaſien ſtatt-
finden. Die Formulirung der für die Abſtimmung geeigneten
Fragen wurde einer beſonderen Commiſſion unter Mitwirkung der
Commiſſare des Cultusminiſteriums übertragen. Sodann wurde zur
Berathung der Frage übergegangen: „Empfiehlt es ſich, im Lehr-
plan der Gymnaſien die den alten Sprachen gewidmete Stunden-
zahl einzuſchränken, und es ſo zu ermöglichen, daß die Unterrichts-
ſtunden in den drei unteren Claſſen herabgeſetzt, das Engliſche
facultativ eingeführt und das Zeichnen über Quarta hinaus obli-
gatoriſch gemacht wird? Iſt mit jener Einſchränkung zugleich der
lateiniſche Aufſatz als Zielleiſtung und die griechiſche ſchriftliche
Verſetzungsarbeit für Prima in Wegfall zu bringen?“ Im Zu-
ſammenhang mit dieſer Frage ſoll zugleich die von Sr. Maj. dem
Kaiſer angeordnete Erörterung der Frage ſtattfinden: „Iſt die
Ermäßigung der Lehrziele, alſo die Verminderung des Lehr-
ſtoffes, ſcharf ins Auge gefaßt und wenigſtens das Ausſcheidende
genau feſtgeſtellt?“ Als Verichterſtatter erhielt das Wort Ober-
lehrer Dr. Hornemann (aus Hannover), welcher in eingehender
Begründung die nachbezeichneten Theſen befürwortete:
1) Die dem Lateiniſchen gewidmete Stundenzahl kann von
Quarta an aufwärts um je zwei Wochenſtunden herabgeſetzt werden,
weil der geſonderte Betrieb der Grammatik mit Uebungen im Ueber-
ſetzen aus dem Deutſchen eine ſtarke Einſchränkung erfahren, die
Lectüre einer weiteren Sichtung unterworfen und die Uebung im
freien mündlichen und ſchriſtlichen Gebrauche des Lateiniſchen als
Ziel des Unterrichts aufgegeben werden kann. Ob auch in Sexta
und Quinta eine Herabſetzung der Stundenzahl des Lateiniſchen
möglich ſein wird, hängt von weiteren Verſuchen mit einer ver-
beſſerten Methode des fremdſprachlichen Anfangsunterrichts ab. Da-
gegen kann eine erhebliche Verminderung der häuslichen Arbeiten
für das Lateiniſche durch Verlegung der Hauptarbeit in die Claſſe
ſofort eintreten. 2) Für das Griechiſche genügen ſechs wöchentliche
Lehrſtunden von Unter-Tertia an aufwärts, wenn zugleich die Gram-
matik wirklich auf das für ein gründliches Verſtändniß der Schrift-
ſteller nothwendige Maß beſchränkt und ihr Betrieb eng an die Lectüre
angelehnt wird. Die ſchriftliche Arbeit zur Verſetzung nach Prima
kann wegfallen. 3) Es empfiehlt ſich, das Engliſche in der an
den Gymnaſien der Provinz Hannover beſtehenden Weiſe von
Unterſecunda an aufwärts mit je zwei wöchentlichen Lehrſtunden
in den Lehrplan aufzunehmen. 4) Der Zeichenunterricht
kann in Sexta wegfallen, muß dann aber über die Quarta hinaus
bis zur Oberſecunda einſchließlich als Pflichtfach mit je zwei
Wochenſtunden fortgeführt werden; in Prima bleibt er beſſer
Wahlfach wie bisher. 5) Das Hebräiſche bleibt der Univerſität
vorbehalten. Vemerkung: Durch die in obigen Theſen vorgeſchlage-
nen Aenderungen des Stundenvertheilungsplanes wird zugleich
erreicht, daß in den drei unteren Claſſen die Geſammtſtundenzahl
um je zwei Stunden wöchentlich ermäßigt werden kann.
Als Mitberichterſtatter ſprachen hierauf der Provincialſchul-
rath, Geh. Regierungsrath Dr. Kruſe aus Danzig und der Rector
der Landesſchule in Pforta Dr. Volkmann.
Weihnachtsausſtellung im Kunſtgewerbehauſe.
gl. Die heurige Weihnachtsausſtellung bedeutet eine Etappe
in der Entwicklung des bayeriſchen Kunſtgewerbevereins; iſt doch
gleichzeitig mit ihr ein lang gehegter Wunſch zur greifbaren That-
ſache geworden: die Erweiterung der Ausſtellungshalle. Werden
die Hauptziele des Vereins auch ſtets mehr auf der idealen Seite
zu ſuchen ſein, ſo war es doch für ihn ſeit mehreren Jahren zur
brennenden Lebensfrage geworden, auch die geſchäftlichen Intereſſen
der Vereinsmitglieder durch umfaſſendere Vorführung ihrer Arbeiten
beſſer zu vertreten. Dieſem Drange war ſchon die 1888er Kunſt-
gewerbeausſtellung entſprungen, und die Weihnachtsausſtellungen
der beiden letzten Jahre waren Nothbehelfe, welche jene Lebens-
frage nicht lösten, wohl aber eindringlich an ihre Löſung mahnten.
Und dieſe kam auch. Was wir heute vor Augen haben, die Ver-
mehrung der Ausſtellungsräume faſt auf das Dreifache der früher
allein vorhandenen Parterrehalle, iſt das Werk weniger Monate;
und da jetzt durch Beiziehung des großen Feſtſaales und ſeiner
Nebenräume die für Ausſtellungszwecke benutzbare Fläche auf nahezu
tauſend Quadratmeter erweitert wurde, ſo lohnt ſich wohl ein Gang
durch die feſtlich ausgeſtatteten Gelaſſe.
Eine breite bequeme Treppe, welche ſich maleriſch an der
Schmalſeite des Parterreſaales hinaufzieht, führt uns in die oberen
Stockwerke, welche zum größten Theil von den Werken unſrer Kunſt-
ſchreiner eingenommen werden. Kann man ſchon hier beobachten,
daß die Freude an dem bunten Wechſel der Farben vielfach die
Gedanken geleitet, ſo zeigt uns das ſonſtige „Kneipzimmer“ augen-
fällig, daß wir unter dem Zeichen der Farbenfreudigkeit ſtehen.
Der Inhalt dieſes Zimmers gibt uns ein Bild davon, zu welcher
gewaltigen Ausdehnung ſich die Fabrication künſtlicher Blumen
entwickelt hat. Dieſes — im bildlichen und im wirklichen Sinne — „blü-
hende“ Kunſtgewerbe verſteht es gleich den modernen Panoramen, den
Uebergang von den lünſtlichen zu den im Hintergrund aufgeſtellten
wirklichen Pflanzen ſo täuſchend zu geſtalten, daß man bei mehreren
Stücken wirklich ſehr genau hinſehen muß, um Kunſt und Natur
zu unterſcheiden. Zu dieſem berauſchenden Farbenzauber haben die
Firmen A. Sell, L. Kaußler, G. Goldſtein, Heckel das Schönſte an
künſtlichen Pflanzen beigetragen.
Auch der große Saal hat einen umfangreichen feſtlichen
Pflanzenſchmuck angelegt; das ernſte Braun der Vertäfelungen iſt
durch eingeſchaltete Ornamentfrieſe mit Goldgrund, durch hellfarbige
Palmblätter, bunte Fruchtgewinde, rieſige Blumen ꝛc. gemildert.
Die Mitte desſelben nehmen Erzeugniſſe der Münchener Edel-
ſchmiedekunſt ein: die Meiſter Profeſſor Fr. v. Miller, Profeſſor
Halbreiter, Harrach u. Sohn, Th. Heiden, C. Rothmüller, Wollen-
weber u. A. haben eine Reihe der köſtlichſten Früchte ihrer Kunſt
hier untergebracht, denen ſich die ſilbernen Nippſachen von S. Ro-
ſenau-Kitzingen, die prächtig geſchnitzten Elfenbeinſachen von A. Dießl
u. A. würdig auſchließen. An den Wänden und in den Ecken
ſind die verſchiedenſten Zimmerchen zuſammengeſtellt: vor dem
Kamin lädt ein gedeckter Theetiſch ein, Platz zu nehmen auf den
ringsum ſtehenden Stühlen mit den prächtigen Lederpolſtern
L. Klöpfers, in den Ecken und an den Wänden bilden andere
Möbelgruppen einen Salon, ein Boudoir, ein Arbeitszimmer u. ſ. w.;
immer aber — auch wenn die einzelnen Stücke den verſchiedenſten
Urſprung haben — iſt eine einheitliche Geſammtwirkung erreicht.
In ähnlicher Weiſe iſt auch der Vorplatz neben dem Saal über-
wiegend zur Zuſammenſtellung ſolcher Möbelgruppen verwerthet.
Am gediegenſten aber tritt uns dieſe den Gedanken an einen
Jahrmarkt völlig verläugnende Aufſtellungsweiſe in den neu ge-
wonnenen Räumen entgegen; denn da dieſelben einzelnen Meiſtern
für mehrere Jahre verpachtet wurden, ſo liegt es in der Natur der
Sache, daß hier einheitliche Gruppen entſtehen mußten.
Zwar trifft dies gleich bei dem erſten Ausſteller — J. Stein-
metz — nicht ganz zu; aber ſeine Stücke — ein großes Renaiſſance-
Buffet und mehrere Polſtermöbel — bekunden ein ſo hohes Maß
von Geſchmack und Geſchick, daß man auch einmal auf Einheitlich-
keit verzichten kann. Reben ihm hat M. Ballin, von welchem ein
treffliches Renaiſſance-Buſſet im großen Saal ſteht, ein Zimmerchen
im Boudoirſtil des 18. Jahrhunderts eingerichtet, aus lauter fein
gearbeiteten Stücken beſtehend und in den Farben ſo friſch, daß
von der fröſtelnden Rococo-Etiquette keine Spur zu finden. Sein
Gegenüber — Fr. Radſpieler u. Cie. — iſt als Meiſter dieſes
Stils zu bekannt, als daß eine beſondere Hervorhebung von Nöthen
wäre. In den einfacheren, aber aufs ſorgfältigſte ausſtudirten
Formen der Renaiſſance hält ſich das niedliche Zimmerchen von
O. Fritzſche, der übrigens die Beherrſchung anderer Stile an ein-
zelnen ſonſt untergebrachten Möbeln nachweist. A. Pöſſenbacher
hat mehrere für den König von Rumänien beſtimmte Stücke ge-
bracht.
Unter den einfacheren Möbeln ſei S. Schnellers kleines
Stübchen an die Spitze geſtellt, ſchon deßhalb, weil die Holzdecke
desſelben ein Meiſterſtück feiner Farbenharmonie iſt. Wie aus den
hiezu gehörigen Möbeln, ſo ſpricht faſt noch mehr aus jenen von
W. Jung eine ſolide Schlichtheit und entſchiedene Ablehnung alles
Protzenhaften: man kann aus dieſen Stücken lernen, wie man
einfach und doch geſchmackvoll, vornehm möblirt.
Die decorative Plaſtik mußte den genannten Räumen ihre
Dienſte in mannichfacher Beziehung leihen; aber ſie tritt auch
vielfach ſelbſtändig auf. Die reizenden Orcheſtergruppen von Prof.
Perron und C. Fiſcher, das entzückende Handtuchweibchen von
G. L. Sand-Frankfurt, das Münchener Kindl von Fr. Schneider
ſind zwar längſt bekannte, aber ſtets wieder begehrte Stücke; dazu
kommen eine Reihe von polychromen Statuetten, Büſten ꝛc., zu
welchen Fr. Nanny ſtets ein bedeutendes Contingent ſtellt. Er
verſteht es, bei ſeinen Abgüſſen die Oberfläche des Originals —
ſei es Bronce oder Marmor, glänzend oder matt — ſo vortrefflich
in Farbe und Korn nachzuahmen, daß die Täuſchung eine voll-
kommene iſt.
Von all den tauſenderlei Geräthen, welche ſich in dieſen Tagen
im Kunſtgewerbehauſe aufgehäuft haben, auch nur einen kleinen
Theil anzuführen und ihren Meiſtern gerecht zu werden, iſt ein
Ding der Unmöglichkeit. Es gibt aber ſicher wenig dem Kunſt-
gewerbe überhaupt zugängliche Dinge, welche hier keine Vertretung
fänden, und wenn die zur Beurtheilung der Einläufe niedergeſetzte
Commiſſion ihres Amtes fürderhin mit gleicher Strenge waltet,
wie bisher, ſo beſteht kein Zweifel, daß das ſchon ſeit ſeinem Be-
ſtehen überall gut angeſchriebene Haus an der Pfandhausſtraße
auch nach Schluß der Weihnachtsausſtellung den guten Ruf des
Münchener Kunſtgewerbes bewahren werde.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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