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Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914.

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Allgemeine Zeitung 22. August 1914.
[Spaltenumbruch] waltung, mit dessen Rechtsordnung, mit dessen Kriegsrüstung
sich kein Land der Erde vergleichen kann, seit deutsche Han-
dels- und Kriegsschiffe alle Ozeane befahren, seitdem ist es
die Furcht des neidischen Auslandes vor der Ueberlegenheit
des deutschen Wesens, was der Politik unserer Nachbarn
ihren gefährlichen deutschfeindlichen Charakter gibt.

Eine ewige göttliche Ordnung ist es, daß alles Große
und Bedeutende im Leben sich nur im Kampfe stählt und
entwickelt. Alles, was bestimmt ist, in der Entwicklung der
Menschheitsgeschichte eine hervorragende Rolle zu spielen,
das hat stets zuvor in einem Kampf auf Tod und Leben
seine Kraft erproben, seine innere Mission zu einer großen
Bestimmung darlegen müssen. Vor den Ruhm haben nicht
nur, wie die alten Griechen schon sagten, die Götter den
Schweiß gesetzt. Nein der göttliche ewige Ratschluß verlangt
auch die volle Hingabe der Person, das Einsetzen von Gut
und Blut, von Leib und Leben von jedem, der zu großen
Dingen sich berufen fühlt. Wer für ein Ideal kämpft, dem
gilt das Wort unseres großen Dichters, das wir einst beim
Ausbruch des Krieges 1870 zum Thema unseres Abiturien-
tenaufsatzes bekamen: "Und setzt ihr nicht das Leben ein, nie
wird euch das Leben gewonnen sein."

Und wofür setzen wir heute das Leben ein? Wofür eilt
die Jugend begeistert in den Kampf? Für welches Ideal
ist das deutsche Volk bereit, Hab und Gut, seinen Frieden,
sein materielles Gedeihen und seinen Wohlstand zu opfern?
Für die Zukunft unseres Vaterlandes, für
seine Freiheit und seine ihm von der göttlichen Vorsehung
unter den Völkern der Erde gewiesene weltgeschichtliche
Mission. Wir kämpfen für alles, was groß und herrlich ist
in unserem deutschen Vaterlande. Wir kämpfen für unsere
edle deutsche, im Christentum verankerte Kultur, wir kämpfen
für den Segen und die Ehre der deutschen Arbeit. Wir
kämpfen für den geheiligten Boden unseres deutschen Vater-
landes, auf dem eine tausendjährige Geschichte ohnegleichen
sich entwickelte. Wir kämpfen für unser deutsches Staats-
wesen, für dieses herrliche Werk, das deutscher Idealismus,
deutsche Vaterlandsliebe, deutsche kriegerische Kraft und deut-
sches Heldentum vor vierundvierzig Jahren schufen. Wir
kämpfen um unser deutsches Volkstum, unsere deutsche Art
und Sitte. Wir kämpfen um unser deutsches wiedererstan-
denes Kaisertum, wir kämpfen für die uns teuren deutschen
Dynastien. --

Und warum mußten wir noch einmal kämpfen? War
es nicht genug mit den blutigen Siegen des Jahres 1870, die
uns die deutsche Einheit, das deutsche Kaisertum brachten?
Warum diese neue Saat von Blut und Tränen?

Niemand vermag die ewige Tiefe des göttlichen Rat-
schlusses zu ergründen. Der Mensch, auch der größte unseres
Geschlechtes, selbst der die Völkergeschichte scheinbar lenkende
Staatsmann kann, wie Heinrich von Treitschke einmal
sagt, nur mit Demut den Pfaden folgen, welche die göttliche
Weltregierung der Entwicklung der Menschheitsgeschichte
nach einem ewigen Plane vorgezeichnet hat. Eine höhere
Hand als die schwache irdische Hand der Könige und Staats-
männer lenkt die Geschicke der Völker und wir können nichts
tun, als uns in Demut beugen vor dem Ueberirdischen und
Unerklärbaren.

Und doch können wir eins heute schon sagen: Haben
die deutschen Patrioten, haben nicht alle wahren Volks-
freunde so oft schon in den letzten Jahren bange und sorgen-
erfüllt die Frage aufgeworfen, ob nicht auch bei uns Deut-
schen viele Erscheinungen sich gezeigt haben, die unser Volk
mit Niedergang, mit Schwinden seines inneren Wertes, mit
Erschütterung seiner alten sittlichen Ideale bedrohten?
Mußten wir es nicht erleben, wie die einzige wahre Quelle
aller menschlichen Tüchtigkeit, der religiöse Glaube, weiten
Kreisen unseres Volkes zu versiegen begann? Hatten wir
nicht zu klagen über eine laxer werdende Moral, die vieles
für erlaubt hielt, was das alte Geschlecht verabscheut hatte?
War nicht statt der schönen Einheit von 1870 wieder der alte
deutsche Parteigeist und Parteihader erwacht? Wie viele
Schichten unseres Volkes haben zuletzt unserem Vaterlande
statt eines warmherzigen, echt deutschen Idealismus Gleich-
gültigkeit und stumpfe Teilnahmslosigkeit entgegengebracht!
[Spaltenumbruch] Mußte man nicht mit schwerer Sorge fragen, wohin es mit
Deutschland kommen würde, wenn es noch zehn oder zwanzig
Jahre so weiter ging, wenn der höchste Besitz, den ein Volk
sein eigen nennen kann, die festen sittlichen Ueberzeugungen
immer mehr ins Wanken gekommen wären?

Wer an eine göttliche Lenkung der Menschengeschicke
glaubt, wer in den Nöten, den großen Erschütterungen des
Völkerlebens das Walten einer überirdischen Macht erkennt,
die durch sie unser Geschlecht zur Selbstbesinnung, zur
inneren Vertiefung und sittlichen Läuterung führen will, der
wird auch in dem furchtbaren Kriege, den uns heute der
Haß des Auslandes aufdrängt, die Hand einer höheren
Macht demütig erkennen, die unser deutsches Volk zurückreißt
von drohendem Verfall, von Glaubenslosigkeit und sittlichem
Niedergange.

Die Deutschen aber müßten nicht das Volk der Reforma-
tion sein, nicht das ideale Volk der Dichter und Denker, wenn
der eherne Ruf des Krieges, wenn die bevorstehenden furcht-
baren Opfer des Kampfes es nicht zur inneren Vertiefung
führen sollten. Schon sehen unsere Feinde mit Staunen,
welche gewaltige innere Wandlung sich in den Deutschen in
diesen Tagen vollzogen hat. Alles drängt bei uns heute
zur Vertiefung, zur Veredlung, zu Glauben und Religion,
zu nationaler Einheit und Geschlossenheit. Man kennt das
Volk nicht wieder, das noch vor wenigen Monaten sich in
gehässigen Parteikämpfen zerfleischte, dem man den Hohn
der Massenaustritte aus der Kirche zu bieten wagte.

Und in dieser Umwandlung unseres Volkes, in dieser
innerlichen großen Erneuerung liegt die schönste Gewähr
unseres Sieges, unserer nationalen Zukunft.



Eine Frage an das Gewissen der englischen
Christen.

Der Brief, in welchem ich eine solche Frage gestellt habe, ist
sehr verschieden beurteilt worden; die Stimmen darüber, so weit
sie mir zu Gehör gekommen sind, bewegen sich von "begeisterter
Zustimmung" bis zu herbem, z. T. schroff absprechendem Tadel.
Ich habe immer wieder gewissenhaft geprüft, kann aber nicht finden,
daß ich Grund hätte, irgend ein Wort zurückzunehmen oder auch
nur abzuschwächen. Doch trägt es vielleicht zur Verständigung bei,
wenn ich nun auch das Begleitschreiben veröffentliche, mit welchem
ich den Brief an den Bischof von Visby, Herrn D. Dr. v. Scheele,
gesandt habe, sowie eine kurze Erwiderung, die ich der Augsburger
Postzeitung habe zugehen lassen. Auf die Kritik der letzteren hin haben
auch gute Freunde den Kopf geschüttelt, die nun aber beruhigt und
völlig einverstanden sind, seitdem sie den Brief selber kennen.
Einer davon schickt den Brief an einen mit ihm befreundeten
Professor der Theologie in Christiania.



An den Hochwürdigsten Bischof
Herrn D. Dr. von Scheele
Visby

Schweden, Gotland.
Mein Hochwürdigster und hochzuverehrender Herr Bischof!

Nach einer Zeitungsnotiz, die mir leider nicht mehr zur Hand
ist, hat der neuernannte Erzbischof von Upsala Herr D. Dr. N.
Söderblom an den Erzbischof von Canterbury ein Schreiben
gerichtet, das die Kriegserklärung Englands an das Deutsche Reich
zum Gegenstand hat.
Nun kenne ich zwar die Schriften des Hochwürdigsten Herrn
Erzbischofs, von welchem ich mir die neueste, seine "Natürliche
Theologie und allgemeine Religionsgeschichte", gerade zurechtgelegt
hatte, als der Krieg ausbrach, der für solche Studien nichts mehr
übrig läßt. Aber ich habe nicht die Ehre, den Herrn Erzbischof
persönlich zu kennen und ihm bekannt zu sein. So erlaube ich mir,
Ihnen, Hochwürdigster Herr Bischof, einige Exemplare eines
Briefes zu schicken, den ich an den bisherigen englischen Geistlichen
in München Rev. Cowling geschrieben und der Münchener
"Allgemeinen Zeitung" auf Wunsch ihres Chefredakteurs zum Ab-

Allgemeine Zeitung 22. Auguſt 1914.
[Spaltenumbruch] waltung, mit deſſen Rechtsordnung, mit deſſen Kriegsrüſtung
ſich kein Land der Erde vergleichen kann, ſeit deutſche Han-
dels- und Kriegsſchiffe alle Ozeane befahren, ſeitdem iſt es
die Furcht des neidiſchen Auslandes vor der Ueberlegenheit
des deutſchen Weſens, was der Politik unſerer Nachbarn
ihren gefährlichen deutſchfeindlichen Charakter gibt.

Eine ewige göttliche Ordnung iſt es, daß alles Große
und Bedeutende im Leben ſich nur im Kampfe ſtählt und
entwickelt. Alles, was beſtimmt iſt, in der Entwicklung der
Menſchheitsgeſchichte eine hervorragende Rolle zu ſpielen,
das hat ſtets zuvor in einem Kampf auf Tod und Leben
ſeine Kraft erproben, ſeine innere Miſſion zu einer großen
Beſtimmung darlegen müſſen. Vor den Ruhm haben nicht
nur, wie die alten Griechen ſchon ſagten, die Götter den
Schweiß geſetzt. Nein der göttliche ewige Ratſchluß verlangt
auch die volle Hingabe der Perſon, das Einſetzen von Gut
und Blut, von Leib und Leben von jedem, der zu großen
Dingen ſich berufen fühlt. Wer für ein Ideal kämpft, dem
gilt das Wort unſeres großen Dichters, das wir einſt beim
Ausbruch des Krieges 1870 zum Thema unſeres Abiturien-
tenaufſatzes bekamen: „Und ſetzt ihr nicht das Leben ein, nie
wird euch das Leben gewonnen ſein.“

Und wofür ſetzen wir heute das Leben ein? Wofür eilt
die Jugend begeiſtert in den Kampf? Für welches Ideal
iſt das deutſche Volk bereit, Hab und Gut, ſeinen Frieden,
ſein materielles Gedeihen und ſeinen Wohlſtand zu opfern?
Für die Zukunft unſeres Vaterlandes, für
ſeine Freiheit und ſeine ihm von der göttlichen Vorſehung
unter den Völkern der Erde gewieſene weltgeſchichtliche
Miſſion. Wir kämpfen für alles, was groß und herrlich iſt
in unſerem deutſchen Vaterlande. Wir kämpfen für unſere
edle deutſche, im Chriſtentum verankerte Kultur, wir kämpfen
für den Segen und die Ehre der deutſchen Arbeit. Wir
kämpfen für den geheiligten Boden unſeres deutſchen Vater-
landes, auf dem eine tauſendjährige Geſchichte ohnegleichen
ſich entwickelte. Wir kämpfen für unſer deutſches Staats-
weſen, für dieſes herrliche Werk, das deutſcher Idealismus,
deutſche Vaterlandsliebe, deutſche kriegeriſche Kraft und deut-
ſches Heldentum vor vierundvierzig Jahren ſchufen. Wir
kämpfen um unſer deutſches Volkstum, unſere deutſche Art
und Sitte. Wir kämpfen um unſer deutſches wiedererſtan-
denes Kaiſertum, wir kämpfen für die uns teuren deutſchen
Dynaſtien. —

Und warum mußten wir noch einmal kämpfen? War
es nicht genug mit den blutigen Siegen des Jahres 1870, die
uns die deutſche Einheit, das deutſche Kaiſertum brachten?
Warum dieſe neue Saat von Blut und Tränen?

Niemand vermag die ewige Tiefe des göttlichen Rat-
ſchluſſes zu ergründen. Der Menſch, auch der größte unſeres
Geſchlechtes, ſelbſt der die Völkergeſchichte ſcheinbar lenkende
Staatsmann kann, wie Heinrich von Treitſchke einmal
ſagt, nur mit Demut den Pfaden folgen, welche die göttliche
Weltregierung der Entwicklung der Menſchheitsgeſchichte
nach einem ewigen Plane vorgezeichnet hat. Eine höhere
Hand als die ſchwache irdiſche Hand der Könige und Staats-
männer lenkt die Geſchicke der Völker und wir können nichts
tun, als uns in Demut beugen vor dem Ueberirdiſchen und
Unerklärbaren.

Und doch können wir eins heute ſchon ſagen: Haben
die deutſchen Patrioten, haben nicht alle wahren Volks-
freunde ſo oft ſchon in den letzten Jahren bange und ſorgen-
erfüllt die Frage aufgeworfen, ob nicht auch bei uns Deut-
ſchen viele Erſcheinungen ſich gezeigt haben, die unſer Volk
mit Niedergang, mit Schwinden ſeines inneren Wertes, mit
Erſchütterung ſeiner alten ſittlichen Ideale bedrohten?
Mußten wir es nicht erleben, wie die einzige wahre Quelle
aller menſchlichen Tüchtigkeit, der religiöſe Glaube, weiten
Kreiſen unſeres Volkes zu verſiegen begann? Hatten wir
nicht zu klagen über eine laxer werdende Moral, die vieles
für erlaubt hielt, was das alte Geſchlecht verabſcheut hatte?
War nicht ſtatt der ſchönen Einheit von 1870 wieder der alte
deutſche Parteigeiſt und Parteihader erwacht? Wie viele
Schichten unſeres Volkes haben zuletzt unſerem Vaterlande
ſtatt eines warmherzigen, echt deutſchen Idealismus Gleich-
gültigkeit und ſtumpfe Teilnahmsloſigkeit entgegengebracht!
[Spaltenumbruch] Mußte man nicht mit ſchwerer Sorge fragen, wohin es mit
Deutſchland kommen würde, wenn es noch zehn oder zwanzig
Jahre ſo weiter ging, wenn der höchſte Beſitz, den ein Volk
ſein eigen nennen kann, die feſten ſittlichen Ueberzeugungen
immer mehr ins Wanken gekommen wären?

Wer an eine göttliche Lenkung der Menſchengeſchicke
glaubt, wer in den Nöten, den großen Erſchütterungen des
Völkerlebens das Walten einer überirdiſchen Macht erkennt,
die durch ſie unſer Geſchlecht zur Selbſtbeſinnung, zur
inneren Vertiefung und ſittlichen Läuterung führen will, der
wird auch in dem furchtbaren Kriege, den uns heute der
Haß des Auslandes aufdrängt, die Hand einer höheren
Macht demütig erkennen, die unſer deutſches Volk zurückreißt
von drohendem Verfall, von Glaubensloſigkeit und ſittlichem
Niedergange.

Die Deutſchen aber müßten nicht das Volk der Reforma-
tion ſein, nicht das ideale Volk der Dichter und Denker, wenn
der eherne Ruf des Krieges, wenn die bevorſtehenden furcht-
baren Opfer des Kampfes es nicht zur inneren Vertiefung
führen ſollten. Schon ſehen unſere Feinde mit Staunen,
welche gewaltige innere Wandlung ſich in den Deutſchen in
dieſen Tagen vollzogen hat. Alles drängt bei uns heute
zur Vertiefung, zur Veredlung, zu Glauben und Religion,
zu nationaler Einheit und Geſchloſſenheit. Man kennt das
Volk nicht wieder, das noch vor wenigen Monaten ſich in
gehäſſigen Parteikämpfen zerfleiſchte, dem man den Hohn
der Maſſenaustritte aus der Kirche zu bieten wagte.

Und in dieſer Umwandlung unſeres Volkes, in dieſer
innerlichen großen Erneuerung liegt die ſchönſte Gewähr
unſeres Sieges, unſerer nationalen Zukunft.



Eine Frage an das Gewiſſen der engliſchen
Chriſten.

Der Brief, in welchem ich eine ſolche Frage geſtellt habe, iſt
ſehr verſchieden beurteilt worden; die Stimmen darüber, ſo weit
ſie mir zu Gehör gekommen ſind, bewegen ſich von „begeiſterter
Zuſtimmung“ bis zu herbem, z. T. ſchroff abſprechendem Tadel.
Ich habe immer wieder gewiſſenhaft geprüft, kann aber nicht finden,
daß ich Grund hätte, irgend ein Wort zurückzunehmen oder auch
nur abzuſchwächen. Doch trägt es vielleicht zur Verſtändigung bei,
wenn ich nun auch das Begleitſchreiben veröffentliche, mit welchem
ich den Brief an den Biſchof von Visby, Herrn D. Dr. v. Schéele,
geſandt habe, ſowie eine kurze Erwiderung, die ich der Augsburger
Poſtzeitung habe zugehen laſſen. Auf die Kritik der letzteren hin haben
auch gute Freunde den Kopf geſchüttelt, die nun aber beruhigt und
völlig einverſtanden ſind, ſeitdem ſie den Brief ſelber kennen.
Einer davon ſchickt den Brief an einen mit ihm befreundeten
Profeſſor der Theologie in Chriſtiania.



An den Hochwürdigſten Biſchof
Herrn D. Dr. von Schéele
Visby

Schweden, Gotland.
Mein Hochwürdigſter und hochzuverehrender Herr Biſchof!

Nach einer Zeitungsnotiz, die mir leider nicht mehr zur Hand
iſt, hat der neuernannte Erzbiſchof von Upſala Herr D. Dr. N.
Söderblom an den Erzbiſchof von Canterbury ein Schreiben
gerichtet, das die Kriegserklärung Englands an das Deutſche Reich
zum Gegenſtand hat.
Nun kenne ich zwar die Schriften des Hochwürdigſten Herrn
Erzbiſchofs, von welchem ich mir die neueſte, ſeine „Natürliche
Theologie und allgemeine Religionsgeſchichte“, gerade zurechtgelegt
hatte, als der Krieg ausbrach, der für ſolche Studien nichts mehr
übrig läßt. Aber ich habe nicht die Ehre, den Herrn Erzbiſchof
perſönlich zu kennen und ihm bekannt zu ſein. So erlaube ich mir,
Ihnen, Hochwürdigſter Herr Biſchof, einige Exemplare eines
Briefes zu ſchicken, den ich an den bisherigen engliſchen Geiſtlichen
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„Allgemeinen Zeitung“ auf Wunſch ihres Chefredakteurs zum Ab-

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[522/0008] Allgemeine Zeitung 22. Auguſt 1914. waltung, mit deſſen Rechtsordnung, mit deſſen Kriegsrüſtung ſich kein Land der Erde vergleichen kann, ſeit deutſche Han- dels- und Kriegsſchiffe alle Ozeane befahren, ſeitdem iſt es die Furcht des neidiſchen Auslandes vor der Ueberlegenheit des deutſchen Weſens, was der Politik unſerer Nachbarn ihren gefährlichen deutſchfeindlichen Charakter gibt. Eine ewige göttliche Ordnung iſt es, daß alles Große und Bedeutende im Leben ſich nur im Kampfe ſtählt und entwickelt. Alles, was beſtimmt iſt, in der Entwicklung der Menſchheitsgeſchichte eine hervorragende Rolle zu ſpielen, das hat ſtets zuvor in einem Kampf auf Tod und Leben ſeine Kraft erproben, ſeine innere Miſſion zu einer großen Beſtimmung darlegen müſſen. Vor den Ruhm haben nicht nur, wie die alten Griechen ſchon ſagten, die Götter den Schweiß geſetzt. Nein der göttliche ewige Ratſchluß verlangt auch die volle Hingabe der Perſon, das Einſetzen von Gut und Blut, von Leib und Leben von jedem, der zu großen Dingen ſich berufen fühlt. Wer für ein Ideal kämpft, dem gilt das Wort unſeres großen Dichters, das wir einſt beim Ausbruch des Krieges 1870 zum Thema unſeres Abiturien- tenaufſatzes bekamen: „Und ſetzt ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen ſein.“ Und wofür ſetzen wir heute das Leben ein? Wofür eilt die Jugend begeiſtert in den Kampf? Für welches Ideal iſt das deutſche Volk bereit, Hab und Gut, ſeinen Frieden, ſein materielles Gedeihen und ſeinen Wohlſtand zu opfern? Für die Zukunft unſeres Vaterlandes, für ſeine Freiheit und ſeine ihm von der göttlichen Vorſehung unter den Völkern der Erde gewieſene weltgeſchichtliche Miſſion. Wir kämpfen für alles, was groß und herrlich iſt in unſerem deutſchen Vaterlande. Wir kämpfen für unſere edle deutſche, im Chriſtentum verankerte Kultur, wir kämpfen für den Segen und die Ehre der deutſchen Arbeit. Wir kämpfen für den geheiligten Boden unſeres deutſchen Vater- landes, auf dem eine tauſendjährige Geſchichte ohnegleichen ſich entwickelte. Wir kämpfen für unſer deutſches Staats- weſen, für dieſes herrliche Werk, das deutſcher Idealismus, deutſche Vaterlandsliebe, deutſche kriegeriſche Kraft und deut- ſches Heldentum vor vierundvierzig Jahren ſchufen. Wir kämpfen um unſer deutſches Volkstum, unſere deutſche Art und Sitte. Wir kämpfen um unſer deutſches wiedererſtan- denes Kaiſertum, wir kämpfen für die uns teuren deutſchen Dynaſtien. — Und warum mußten wir noch einmal kämpfen? War es nicht genug mit den blutigen Siegen des Jahres 1870, die uns die deutſche Einheit, das deutſche Kaiſertum brachten? Warum dieſe neue Saat von Blut und Tränen? Niemand vermag die ewige Tiefe des göttlichen Rat- ſchluſſes zu ergründen. Der Menſch, auch der größte unſeres Geſchlechtes, ſelbſt der die Völkergeſchichte ſcheinbar lenkende Staatsmann kann, wie Heinrich von Treitſchke einmal ſagt, nur mit Demut den Pfaden folgen, welche die göttliche Weltregierung der Entwicklung der Menſchheitsgeſchichte nach einem ewigen Plane vorgezeichnet hat. Eine höhere Hand als die ſchwache irdiſche Hand der Könige und Staats- männer lenkt die Geſchicke der Völker und wir können nichts tun, als uns in Demut beugen vor dem Ueberirdiſchen und Unerklärbaren. Und doch können wir eins heute ſchon ſagen: Haben die deutſchen Patrioten, haben nicht alle wahren Volks- freunde ſo oft ſchon in den letzten Jahren bange und ſorgen- erfüllt die Frage aufgeworfen, ob nicht auch bei uns Deut- ſchen viele Erſcheinungen ſich gezeigt haben, die unſer Volk mit Niedergang, mit Schwinden ſeines inneren Wertes, mit Erſchütterung ſeiner alten ſittlichen Ideale bedrohten? Mußten wir es nicht erleben, wie die einzige wahre Quelle aller menſchlichen Tüchtigkeit, der religiöſe Glaube, weiten Kreiſen unſeres Volkes zu verſiegen begann? Hatten wir nicht zu klagen über eine laxer werdende Moral, die vieles für erlaubt hielt, was das alte Geſchlecht verabſcheut hatte? War nicht ſtatt der ſchönen Einheit von 1870 wieder der alte deutſche Parteigeiſt und Parteihader erwacht? Wie viele Schichten unſeres Volkes haben zuletzt unſerem Vaterlande ſtatt eines warmherzigen, echt deutſchen Idealismus Gleich- gültigkeit und ſtumpfe Teilnahmsloſigkeit entgegengebracht! Mußte man nicht mit ſchwerer Sorge fragen, wohin es mit Deutſchland kommen würde, wenn es noch zehn oder zwanzig Jahre ſo weiter ging, wenn der höchſte Beſitz, den ein Volk ſein eigen nennen kann, die feſten ſittlichen Ueberzeugungen immer mehr ins Wanken gekommen wären? Wer an eine göttliche Lenkung der Menſchengeſchicke glaubt, wer in den Nöten, den großen Erſchütterungen des Völkerlebens das Walten einer überirdiſchen Macht erkennt, die durch ſie unſer Geſchlecht zur Selbſtbeſinnung, zur inneren Vertiefung und ſittlichen Läuterung führen will, der wird auch in dem furchtbaren Kriege, den uns heute der Haß des Auslandes aufdrängt, die Hand einer höheren Macht demütig erkennen, die unſer deutſches Volk zurückreißt von drohendem Verfall, von Glaubensloſigkeit und ſittlichem Niedergange. Die Deutſchen aber müßten nicht das Volk der Reforma- tion ſein, nicht das ideale Volk der Dichter und Denker, wenn der eherne Ruf des Krieges, wenn die bevorſtehenden furcht- baren Opfer des Kampfes es nicht zur inneren Vertiefung führen ſollten. Schon ſehen unſere Feinde mit Staunen, welche gewaltige innere Wandlung ſich in den Deutſchen in dieſen Tagen vollzogen hat. Alles drängt bei uns heute zur Vertiefung, zur Veredlung, zu Glauben und Religion, zu nationaler Einheit und Geſchloſſenheit. Man kennt das Volk nicht wieder, das noch vor wenigen Monaten ſich in gehäſſigen Parteikämpfen zerfleiſchte, dem man den Hohn der Maſſenaustritte aus der Kirche zu bieten wagte. Und in dieſer Umwandlung unſeres Volkes, in dieſer innerlichen großen Erneuerung liegt die ſchönſte Gewähr unſeres Sieges, unſerer nationalen Zukunft. Wolfgang Eiſenhart. Eine Frage an das Gewiſſen der engliſchen Chriſten. Der Brief, in welchem ich eine ſolche Frage geſtellt habe, iſt ſehr verſchieden beurteilt worden; die Stimmen darüber, ſo weit ſie mir zu Gehör gekommen ſind, bewegen ſich von „begeiſterter Zuſtimmung“ bis zu herbem, z. T. ſchroff abſprechendem Tadel. Ich habe immer wieder gewiſſenhaft geprüft, kann aber nicht finden, daß ich Grund hätte, irgend ein Wort zurückzunehmen oder auch nur abzuſchwächen. Doch trägt es vielleicht zur Verſtändigung bei, wenn ich nun auch das Begleitſchreiben veröffentliche, mit welchem ich den Brief an den Biſchof von Visby, Herrn D. Dr. v. Schéele, geſandt habe, ſowie eine kurze Erwiderung, die ich der Augsburger Poſtzeitung habe zugehen laſſen. Auf die Kritik der letzteren hin haben auch gute Freunde den Kopf geſchüttelt, die nun aber beruhigt und völlig einverſtanden ſind, ſeitdem ſie den Brief ſelber kennen. Einer davon ſchickt den Brief an einen mit ihm befreundeten Profeſſor der Theologie in Chriſtiania. München, 20. Auguſt 1914. D. Wilhelm Frhr. v. Pechmann. München, 17. Auguſt 1914. An den Hochwürdigſten Biſchof Herrn D. Dr. von Schéele Visby Schweden, Gotland. Mein Hochwürdigſter und hochzuverehrender Herr Biſchof! Nach einer Zeitungsnotiz, die mir leider nicht mehr zur Hand iſt, hat der neuernannte Erzbiſchof von Upſala Herr D. Dr. N. Söderblom an den Erzbiſchof von Canterbury ein Schreiben gerichtet, das die Kriegserklärung Englands an das Deutſche Reich zum Gegenſtand hat. Nun kenne ich zwar die Schriften des Hochwürdigſten Herrn Erzbiſchofs, von welchem ich mir die neueſte, ſeine „Natürliche Theologie und allgemeine Religionsgeſchichte“, gerade zurechtgelegt hatte, als der Krieg ausbrach, der für ſolche Studien nichts mehr übrig läßt. Aber ich habe nicht die Ehre, den Herrn Erzbiſchof perſönlich zu kennen und ihm bekannt zu ſein. So erlaube ich mir, Ihnen, Hochwürdigſter Herr Biſchof, einige Exemplare eines Briefes zu ſchicken, den ich an den bisherigen engliſchen Geiſtlichen in München Rev. Cowling geſchrieben und der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ auf Wunſch ihres Chefredakteurs zum Ab-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine34_1914/8>, abgerufen am 21.11.2024.