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Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914.

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Allgemeine Zeitung 5. September 1914.
[Spaltenumbruch]
Zur Lage in den Schutzgebieten.

Ueber die derzeitige Lage in den deutschen Schutzgebieten gibt
das Reichskolonialamt folgendes bekannt:

In Ostafrika haben kurz nach Ausbruch des Krieges die
Engländer den Funkenturm von Dar-es-Salaam zerstört. Im
Innern des Landes haben nach neueren englischen Nachrichten
unsere Schutztruppen die Offensive ergriffen und den wichtigen engli-
schen Verkehrspunkt Taveta, südwestlich vom Kilima-Ndscharo,
besetzt.

Aus Togo, das nur von einer kleinen Schar kriegsfreiwilliger
Weißer und einer schwachen Eingeborenen-Polizeitruppe verteidigt
wurde, ist bereits gemeldet worden, daß die Engländer und Fran-
zosen einige Gebiete besetzten. Zwischen unseren Truppen und den
aus Dahomey und der Goldküste anmarschierenden, weit überlegenen
Streitkräften fanden verschiedene Gefechte statt, in denen auf unserer
Seite mit großer Tapferkeit gekämpft wurde. In diesen Gefechten
fielen, wie teilweise schon früher gemeldet, Hauptmann Pfähler und
die Kriegsfreiwilligen Berke und Klemoc, während Dr. Raven und
die Kriegsfreiwilligen Lengmüller, Kolsdorf und Ebert verwundet
wurden.

Aus Kamerun, das bis vor wenigen Tagen vom Feinde
nicht behelligt war, liegen neuere Nachrichten nicht vor; einem
Eindringen feindlicher Streitkräfte in das Land dürften die Schutz-
truppen erfolgreichen Widerstand entgegensetzen.

Da der Funkenturm vor Kamina in Togo vor seiner Besitz-
ergreifung durch die Engländer von unseren Truppen zerstört wurde,
sind weitere Nachrichten aus Togo und aus Kamerun in nächster
Zeit nicht zu erwarten.

In Deutsch-Südwestafrika war bisher alles ruhig.
Nach englischen Meldungen haben die Schutztruppen die Offensive
ergriffen und sind von der Südostecke her in Richtung auf Upington
in die Kapkolonie eingedrungen.

Aus unseren Besitzungen in der Südsee liegen Nachrichten
nicht vor.

Während in ganz Deutschland das wärmste Interesse an dem
heldenmütigen Kampfe besteht, den die tapfere Marinebesatzung von
Tsingtau gegen die japanisch-englische Uebermacht bis zum
Aeußersten durchkämpfen wird, ist zugleich tiefe menschliche Teil-
nahme verbreitet, an dem Schicksal der Frauen und Kinder, die sich
in der Kolonie befanden. Es wird deshalb überall ein Gefühl der
Beruhigung und Genugtuung erwecken, daß es nach zuverlässiger
Nachrichten gelungen ist, die Familien aus Tsingtau zu entfernen
und nach neutralem chinesischen Gebiet zu bringen. Inzwischen
dürften sie bereits in Schanghai eingetroffen sein. Von der Marine-
verwaltung ist rechtzeitig alles veranlaßt worden, um diese Familien
mit Geldmitteln und sonst in jeder Weise zu unterstützen.



Eine Frage an das Gewissen der englischen Christen.

Zu dem unter diesem Titel in unserer Nummer vom 22. August
erschienenen Artikel, erfahren wir von Herrn Pfarrer D. Stein-
lein
in Ansbach, daß die sehr gut besuchte Bayerische Pfarrer-
konferenz vom 31. August einstimmig folgende Erklärung beschlossen
hat: "Die Pfarrerkonferenz begrüßt es lebhaft, daß D. Freiherr
von Pechmann-München in der Frage des vor allem durch
England verschuldeten Weltkrieges so mannhaft das Wort ergriffen
und den englischen Christen so ernstlich ins Gewissen geredet hat."



Der Tag von Sedan.

Der Sedan-Tag ist unter dem Eindruck der Siege in
West und Ost heuer viel mehr gefeiert worden, als seit lan-
gem. In München war fast jedes Haus, auch alle Staats-
gebäude, beflaggt, und so wird es wohl überall im Deutschen
Reiche gewesen sein. Aus viel zu weitgehender Rücksicht
gegen die Empfindlichkeit der Herren Franzosen hatten wir
die Feier des Sedan-Tages beinahe ganz einschlafen lassen,
während es doch gewiß ist, daß Frankreich, hätte es einen
solchen Sieg zu verzeichnen gehabt, in diesen 44 Jahren nie
aufgehört haben würde, ihn gründlich und im ganzen Lande
zu feiern. Diese Rücksicht hat nun wohl ein für allemal ein
Ende, und das ist gut so. Nur wird vielleicht der Tag von
Sedan hinter einem anderen, hoffentlich nicht zu fernen Tag
zurückstehen müssen, an dem wir die völlige Niederwerfung
unseres alten Erbfeindes feiern werden.



[Spaltenumbruch]
Wird der Krieg lange dauern?

Generalmajor Keim schreibt im "Tag": Diese Frage
kann man heutzutage oft hören. Eine bestimmte Antwort
geben zu wollen, wäre vermessen. Aber eine Antwort zu
geben in allgemeinen Umrissen ist wohl möglich. Unter sach-
licher Abwägung der erreichten militärischen Erfolge sowie
unter Berücksichtigung der politischen Ziele, die durch diesen
Krieg erreicht werden sollen und erreicht werden müssen. Krieg
ist weiter nichts als Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen
Mitteln, und es liegt deshalb klar zutage, daß Heerführung
-- also der Krieg -- und Leitung der hohen Politik Hand in
Hand zu gehen haben, was das Kriegsziel betrifft, dem der
Friedenschluß das politische Siegel aufdrückt.

Fürst Bülow hat kürzlich treffend gesagt: "Ein Friede,
der den ungeheuren Opfern entspricht, die das deutsche Volk
bringt, muß unser Ziel sein." Hieraus ginge hervor, daß der
Krieg so lange seinen Fortgang nehmen muß, bis ein solches
Ziel erreicht ist. Es hängt natürlich mit von dem Widerstand
unserer Gegner ab, ein großes Ziel früher oder später er-
reichen zu lassen in einem für sie unvermeidlich harten Frie-
densschluß.

Denn darüber wollen wir uns doch nicht täuschen, daß
man einem besiegten Deutschland sicher das ganze linke Rhein-
ufer sowie Ost- und Westpreußen abgenommen hätte. Wir
sind aber jetzt schon in der günstigen Lage, den Widerstand der
westlichen Gegner, Frankreich, England, Belgien, zu Lande
als so gründlich erschüttert ansehen zu können, daß dort das
Kriegsziel erheblich nähergerückt ist. Der französische Plan
-- der an sich richtig war -- nördlich wie südlich Metz durch-
zustoßen, um unser Vordringen in Belgien zum Stehen zu
bringen, scheiterte an der Tapferkeit der Truppen sowie an
der Ueberlegenheit der Führung. Damit ist der Kriegsplan
der Franzosen, wie ja auch in Paris amtlich zugestanden
wurde, in der Hauptsache als gescheitert anzusehen. Es ist
jetzt sehr schwer für sie, das von den Deutschen durchstoßene
strategische Netz wieder zusammenzuflicken, und dabei wird
ihnen auch General French nicht viel helfen können, der an-
scheinend jetzt den wahren Generalissimus des französisch-eng-
lischen Heeres darstellt. Der Gegenstoß unserer Heere in
Nordfrankreich-Südbelgien ist wuchtig und siegreich geführt
worden und damit der erste Abschnitt des Krieges in Frank-
reich festgelegt, der uns ganz Belgien (abgesehen von Ant-
werpen), ferner die Gebiete der Mosel, Maas, Schelde, Aisne,
also den weitaus größten Teil des nordöstlichen Frankreichs,
in unsere Hände gegeben hat. Man wird einwenden, daß in
jenen Gebieten noch starke, unbezwungene Festungen liegen,
Verdun, Toul, Epinal, Belfort, die den Krieg ähnlich wie
1870/71 in die Länge ziehen müßten, ganz abgesehen von der
Riesenfestung Paris. Dazu möchte ich folgendes bemerken:
Die gewaltige Wirkung unserer schweren Artillerie gegen die
stärksten Anlagen neuzeitlicher Befestigungskunst haben einen
Faktor zu unseren Gunsten in die Kriegführung gebracht, der
Zeitgewinn, Menschenschonung und strategische Vorteile in
sich schließt, deren Bedeutung jetzt schon zu übersehen ist. Auch
was die Dauer des Krieges angeht. Denn ein im Felde ge-
schlagener Gegner, der in seinen Festungen keinen Schutz
mehr findet -- und die französischen Festungen bieten aus-
nahmslos diesen Schutz auf längere Zeit nicht mehr --, der
muß entweder bald Frieden anstreben oder sich der schließ-
lichen Vernichtung aussetzen. Die englischen Truppen können
sich am Ende letzterer entziehen und irgendwo auf ihre Schiffe
gehen. Die belgische Armee ist hoffnungslos in Antwerpen
eingeschlossen, bliebe also nur noch das wiederholt geschlagene,
in seinem innersten Wesen erschütterte französische Heer, das
nicht mehr wie 1870/71, gestützt auf Festungen, lange Wider-
stand zu leisten vermöchte. Es kommt hinzu, daß angesichts
der fortdauernden Niederlagen die Revolution in irgendeiner
Form das Haupt erheben könnte, was naturgemäß unter
allen Umständen der deutschen Kriegsleitung zugute käme.
Vielleicht auch dem französischen Wunsche, dem Krieg rasch
ein Ende zu bereiten, weil jede Verlängerung des Kampfes
die französischen Opfer vermehren müßte.

Am Ende besinnt es sich auch darauf, wenn ihm der
Weg zu einem neuen Rachekrieg auf Generationen hinaus

Allgemeine Zeitung 5. September 1914.
[Spaltenumbruch]
Zur Lage in den Schutzgebieten.

Ueber die derzeitige Lage in den deutſchen Schutzgebieten gibt
das Reichskolonialamt folgendes bekannt:

In Oſtafrika haben kurz nach Ausbruch des Krieges die
Engländer den Funkenturm von Dar-es-Salaam zerſtört. Im
Innern des Landes haben nach neueren engliſchen Nachrichten
unſere Schutztruppen die Offenſive ergriffen und den wichtigen engli-
ſchen Verkehrspunkt Taveta, ſüdweſtlich vom Kilima-Ndſcharo,
beſetzt.

Aus Togo, das nur von einer kleinen Schar kriegsfreiwilliger
Weißer und einer ſchwachen Eingeborenen-Polizeitruppe verteidigt
wurde, iſt bereits gemeldet worden, daß die Engländer und Fran-
zoſen einige Gebiete beſetzten. Zwiſchen unſeren Truppen und den
aus Dahomey und der Goldküſte anmarſchierenden, weit überlegenen
Streitkräften fanden verſchiedene Gefechte ſtatt, in denen auf unſerer
Seite mit großer Tapferkeit gekämpft wurde. In dieſen Gefechten
fielen, wie teilweiſe ſchon früher gemeldet, Hauptmann Pfähler und
die Kriegsfreiwilligen Berke und Klemoc, während Dr. Raven und
die Kriegsfreiwilligen Lengmüller, Kolsdorf und Ebert verwundet
wurden.

Aus Kamerun, das bis vor wenigen Tagen vom Feinde
nicht behelligt war, liegen neuere Nachrichten nicht vor; einem
Eindringen feindlicher Streitkräfte in das Land dürften die Schutz-
truppen erfolgreichen Widerſtand entgegenſetzen.

Da der Funkenturm vor Kamina in Togo vor ſeiner Beſitz-
ergreifung durch die Engländer von unſeren Truppen zerſtört wurde,
ſind weitere Nachrichten aus Togo und aus Kamerun in nächſter
Zeit nicht zu erwarten.

In Deutſch-Südweſtafrika war bisher alles ruhig.
Nach engliſchen Meldungen haben die Schutztruppen die Offenſive
ergriffen und ſind von der Südoſtecke her in Richtung auf Upington
in die Kapkolonie eingedrungen.

Aus unſeren Beſitzungen in der Südſee liegen Nachrichten
nicht vor.

Während in ganz Deutſchland das wärmſte Intereſſe an dem
heldenmütigen Kampfe beſteht, den die tapfere Marinebeſatzung von
Tſingtau gegen die japaniſch-engliſche Uebermacht bis zum
Aeußerſten durchkämpfen wird, iſt zugleich tiefe menſchliche Teil-
nahme verbreitet, an dem Schickſal der Frauen und Kinder, die ſich
in der Kolonie befanden. Es wird deshalb überall ein Gefühl der
Beruhigung und Genugtuung erwecken, daß es nach zuverläſſiger
Nachrichten gelungen iſt, die Familien aus Tſingtau zu entfernen
und nach neutralem chineſiſchen Gebiet zu bringen. Inzwiſchen
dürften ſie bereits in Schanghai eingetroffen ſein. Von der Marine-
verwaltung iſt rechtzeitig alles veranlaßt worden, um dieſe Familien
mit Geldmitteln und ſonſt in jeder Weiſe zu unterſtützen.



Eine Frage an das Gewiſſen der engliſchen Chriſten.

Zu dem unter dieſem Titel in unſerer Nummer vom 22. Auguſt
erſchienenen Artikel, erfahren wir von Herrn Pfarrer D. Stein-
lein
in Ansbach, daß die ſehr gut beſuchte Bayeriſche Pfarrer-
konferenz vom 31. Auguſt einſtimmig folgende Erklärung beſchloſſen
hat: „Die Pfarrerkonferenz begrüßt es lebhaft, daß D. Freiherr
von Pechmann-München in der Frage des vor allem durch
England verſchuldeten Weltkrieges ſo mannhaft das Wort ergriffen
und den engliſchen Chriſten ſo ernſtlich ins Gewiſſen geredet hat.“



Der Tag von Sedan.

Der Sedan-Tag iſt unter dem Eindruck der Siege in
Weſt und Oſt heuer viel mehr gefeiert worden, als ſeit lan-
gem. In München war faſt jedes Haus, auch alle Staats-
gebäude, beflaggt, und ſo wird es wohl überall im Deutſchen
Reiche geweſen ſein. Aus viel zu weitgehender Rückſicht
gegen die Empfindlichkeit der Herren Franzoſen hatten wir
die Feier des Sedan-Tages beinahe ganz einſchlafen laſſen,
während es doch gewiß iſt, daß Frankreich, hätte es einen
ſolchen Sieg zu verzeichnen gehabt, in dieſen 44 Jahren nie
aufgehört haben würde, ihn gründlich und im ganzen Lande
zu feiern. Dieſe Rückſicht hat nun wohl ein für allemal ein
Ende, und das iſt gut ſo. Nur wird vielleicht der Tag von
Sedan hinter einem anderen, hoffentlich nicht zu fernen Tag
zurückſtehen müſſen, an dem wir die völlige Niederwerfung
unſeres alten Erbfeindes feiern werden.



[Spaltenumbruch]
Wird der Krieg lange dauern?

Generalmajor Keim ſchreibt im „Tag“: Dieſe Frage
kann man heutzutage oft hören. Eine beſtimmte Antwort
geben zu wollen, wäre vermeſſen. Aber eine Antwort zu
geben in allgemeinen Umriſſen iſt wohl möglich. Unter ſach-
licher Abwägung der erreichten militäriſchen Erfolge ſowie
unter Berückſichtigung der politiſchen Ziele, die durch dieſen
Krieg erreicht werden ſollen und erreicht werden müſſen. Krieg
iſt weiter nichts als Fortſetzung der Politik mit gewaltſamen
Mitteln, und es liegt deshalb klar zutage, daß Heerführung
— alſo der Krieg — und Leitung der hohen Politik Hand in
Hand zu gehen haben, was das Kriegsziel betrifft, dem der
Friedenſchluß das politiſche Siegel aufdrückt.

Fürſt Bülow hat kürzlich treffend geſagt: „Ein Friede,
der den ungeheuren Opfern entſpricht, die das deutſche Volk
bringt, muß unſer Ziel ſein.“ Hieraus ginge hervor, daß der
Krieg ſo lange ſeinen Fortgang nehmen muß, bis ein ſolches
Ziel erreicht iſt. Es hängt natürlich mit von dem Widerſtand
unſerer Gegner ab, ein großes Ziel früher oder ſpäter er-
reichen zu laſſen in einem für ſie unvermeidlich harten Frie-
densſchluß.

Denn darüber wollen wir uns doch nicht täuſchen, daß
man einem beſiegten Deutſchland ſicher das ganze linke Rhein-
ufer ſowie Oſt- und Weſtpreußen abgenommen hätte. Wir
ſind aber jetzt ſchon in der günſtigen Lage, den Widerſtand der
weſtlichen Gegner, Frankreich, England, Belgien, zu Lande
als ſo gründlich erſchüttert anſehen zu können, daß dort das
Kriegsziel erheblich nähergerückt iſt. Der franzöſiſche Plan
— der an ſich richtig war — nördlich wie ſüdlich Metz durch-
zuſtoßen, um unſer Vordringen in Belgien zum Stehen zu
bringen, ſcheiterte an der Tapferkeit der Truppen ſowie an
der Ueberlegenheit der Führung. Damit iſt der Kriegsplan
der Franzoſen, wie ja auch in Paris amtlich zugeſtanden
wurde, in der Hauptſache als geſcheitert anzuſehen. Es iſt
jetzt ſehr ſchwer für ſie, das von den Deutſchen durchſtoßene
ſtrategiſche Netz wieder zuſammenzuflicken, und dabei wird
ihnen auch General French nicht viel helfen können, der an-
ſcheinend jetzt den wahren Generaliſſimus des franzöſiſch-eng-
liſchen Heeres darſtellt. Der Gegenſtoß unſerer Heere in
Nordfrankreich-Südbelgien iſt wuchtig und ſiegreich geführt
worden und damit der erſte Abſchnitt des Krieges in Frank-
reich feſtgelegt, der uns ganz Belgien (abgeſehen von Ant-
werpen), ferner die Gebiete der Moſel, Maas, Schelde, Aisne,
alſo den weitaus größten Teil des nordöſtlichen Frankreichs,
in unſere Hände gegeben hat. Man wird einwenden, daß in
jenen Gebieten noch ſtarke, unbezwungene Feſtungen liegen,
Verdun, Toul, Epinal, Belfort, die den Krieg ähnlich wie
1870/71 in die Länge ziehen müßten, ganz abgeſehen von der
Rieſenfeſtung Paris. Dazu möchte ich folgendes bemerken:
Die gewaltige Wirkung unſerer ſchweren Artillerie gegen die
ſtärkſten Anlagen neuzeitlicher Befeſtigungskunſt haben einen
Faktor zu unſeren Gunſten in die Kriegführung gebracht, der
Zeitgewinn, Menſchenſchonung und ſtrategiſche Vorteile in
ſich ſchließt, deren Bedeutung jetzt ſchon zu überſehen iſt. Auch
was die Dauer des Krieges angeht. Denn ein im Felde ge-
ſchlagener Gegner, der in ſeinen Feſtungen keinen Schutz
mehr findet — und die franzöſiſchen Feſtungen bieten aus-
nahmslos dieſen Schutz auf längere Zeit nicht mehr —, der
muß entweder bald Frieden anſtreben oder ſich der ſchließ-
lichen Vernichtung ausſetzen. Die engliſchen Truppen können
ſich am Ende letzterer entziehen und irgendwo auf ihre Schiffe
gehen. Die belgiſche Armee iſt hoffnungslos in Antwerpen
eingeſchloſſen, bliebe alſo nur noch das wiederholt geſchlagene,
in ſeinem innerſten Weſen erſchütterte franzöſiſche Heer, das
nicht mehr wie 1870/71, geſtützt auf Feſtungen, lange Wider-
ſtand zu leiſten vermöchte. Es kommt hinzu, daß angeſichts
der fortdauernden Niederlagen die Revolution in irgendeiner
Form das Haupt erheben könnte, was naturgemäß unter
allen Umſtänden der deutſchen Kriegsleitung zugute käme.
Vielleicht auch dem franzöſiſchen Wunſche, dem Krieg raſch
ein Ende zu bereiten, weil jede Verlängerung des Kampfes
die franzöſiſchen Opfer vermehren müßte.

Am Ende beſinnt es ſich auch darauf, wenn ihm der
Weg zu einem neuen Rachekrieg auf Generationen hinaus

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[542/0004] Allgemeine Zeitung 5. September 1914. Zur Lage in den Schutzgebieten. Ueber die derzeitige Lage in den deutſchen Schutzgebieten gibt das Reichskolonialamt folgendes bekannt: In Oſtafrika haben kurz nach Ausbruch des Krieges die Engländer den Funkenturm von Dar-es-Salaam zerſtört. Im Innern des Landes haben nach neueren engliſchen Nachrichten unſere Schutztruppen die Offenſive ergriffen und den wichtigen engli- ſchen Verkehrspunkt Taveta, ſüdweſtlich vom Kilima-Ndſcharo, beſetzt. Aus Togo, das nur von einer kleinen Schar kriegsfreiwilliger Weißer und einer ſchwachen Eingeborenen-Polizeitruppe verteidigt wurde, iſt bereits gemeldet worden, daß die Engländer und Fran- zoſen einige Gebiete beſetzten. Zwiſchen unſeren Truppen und den aus Dahomey und der Goldküſte anmarſchierenden, weit überlegenen Streitkräften fanden verſchiedene Gefechte ſtatt, in denen auf unſerer Seite mit großer Tapferkeit gekämpft wurde. In dieſen Gefechten fielen, wie teilweiſe ſchon früher gemeldet, Hauptmann Pfähler und die Kriegsfreiwilligen Berke und Klemoc, während Dr. Raven und die Kriegsfreiwilligen Lengmüller, Kolsdorf und Ebert verwundet wurden. Aus Kamerun, das bis vor wenigen Tagen vom Feinde nicht behelligt war, liegen neuere Nachrichten nicht vor; einem Eindringen feindlicher Streitkräfte in das Land dürften die Schutz- truppen erfolgreichen Widerſtand entgegenſetzen. Da der Funkenturm vor Kamina in Togo vor ſeiner Beſitz- ergreifung durch die Engländer von unſeren Truppen zerſtört wurde, ſind weitere Nachrichten aus Togo und aus Kamerun in nächſter Zeit nicht zu erwarten. In Deutſch-Südweſtafrika war bisher alles ruhig. Nach engliſchen Meldungen haben die Schutztruppen die Offenſive ergriffen und ſind von der Südoſtecke her in Richtung auf Upington in die Kapkolonie eingedrungen. Aus unſeren Beſitzungen in der Südſee liegen Nachrichten nicht vor. Während in ganz Deutſchland das wärmſte Intereſſe an dem heldenmütigen Kampfe beſteht, den die tapfere Marinebeſatzung von Tſingtau gegen die japaniſch-engliſche Uebermacht bis zum Aeußerſten durchkämpfen wird, iſt zugleich tiefe menſchliche Teil- nahme verbreitet, an dem Schickſal der Frauen und Kinder, die ſich in der Kolonie befanden. Es wird deshalb überall ein Gefühl der Beruhigung und Genugtuung erwecken, daß es nach zuverläſſiger Nachrichten gelungen iſt, die Familien aus Tſingtau zu entfernen und nach neutralem chineſiſchen Gebiet zu bringen. Inzwiſchen dürften ſie bereits in Schanghai eingetroffen ſein. Von der Marine- verwaltung iſt rechtzeitig alles veranlaßt worden, um dieſe Familien mit Geldmitteln und ſonſt in jeder Weiſe zu unterſtützen. Eine Frage an das Gewiſſen der engliſchen Chriſten. Zu dem unter dieſem Titel in unſerer Nummer vom 22. Auguſt erſchienenen Artikel, erfahren wir von Herrn Pfarrer D. Stein- lein in Ansbach, daß die ſehr gut beſuchte Bayeriſche Pfarrer- konferenz vom 31. Auguſt einſtimmig folgende Erklärung beſchloſſen hat: „Die Pfarrerkonferenz begrüßt es lebhaft, daß D. Freiherr von Pechmann-München in der Frage des vor allem durch England verſchuldeten Weltkrieges ſo mannhaft das Wort ergriffen und den engliſchen Chriſten ſo ernſtlich ins Gewiſſen geredet hat.“ Der Tag von Sedan. Der Sedan-Tag iſt unter dem Eindruck der Siege in Weſt und Oſt heuer viel mehr gefeiert worden, als ſeit lan- gem. In München war faſt jedes Haus, auch alle Staats- gebäude, beflaggt, und ſo wird es wohl überall im Deutſchen Reiche geweſen ſein. Aus viel zu weitgehender Rückſicht gegen die Empfindlichkeit der Herren Franzoſen hatten wir die Feier des Sedan-Tages beinahe ganz einſchlafen laſſen, während es doch gewiß iſt, daß Frankreich, hätte es einen ſolchen Sieg zu verzeichnen gehabt, in dieſen 44 Jahren nie aufgehört haben würde, ihn gründlich und im ganzen Lande zu feiern. Dieſe Rückſicht hat nun wohl ein für allemal ein Ende, und das iſt gut ſo. Nur wird vielleicht der Tag von Sedan hinter einem anderen, hoffentlich nicht zu fernen Tag zurückſtehen müſſen, an dem wir die völlige Niederwerfung unſeres alten Erbfeindes feiern werden. Wird der Krieg lange dauern? Generalmajor Keim ſchreibt im „Tag“: Dieſe Frage kann man heutzutage oft hören. Eine beſtimmte Antwort geben zu wollen, wäre vermeſſen. Aber eine Antwort zu geben in allgemeinen Umriſſen iſt wohl möglich. Unter ſach- licher Abwägung der erreichten militäriſchen Erfolge ſowie unter Berückſichtigung der politiſchen Ziele, die durch dieſen Krieg erreicht werden ſollen und erreicht werden müſſen. Krieg iſt weiter nichts als Fortſetzung der Politik mit gewaltſamen Mitteln, und es liegt deshalb klar zutage, daß Heerführung — alſo der Krieg — und Leitung der hohen Politik Hand in Hand zu gehen haben, was das Kriegsziel betrifft, dem der Friedenſchluß das politiſche Siegel aufdrückt. Fürſt Bülow hat kürzlich treffend geſagt: „Ein Friede, der den ungeheuren Opfern entſpricht, die das deutſche Volk bringt, muß unſer Ziel ſein.“ Hieraus ginge hervor, daß der Krieg ſo lange ſeinen Fortgang nehmen muß, bis ein ſolches Ziel erreicht iſt. Es hängt natürlich mit von dem Widerſtand unſerer Gegner ab, ein großes Ziel früher oder ſpäter er- reichen zu laſſen in einem für ſie unvermeidlich harten Frie- densſchluß. Denn darüber wollen wir uns doch nicht täuſchen, daß man einem beſiegten Deutſchland ſicher das ganze linke Rhein- ufer ſowie Oſt- und Weſtpreußen abgenommen hätte. Wir ſind aber jetzt ſchon in der günſtigen Lage, den Widerſtand der weſtlichen Gegner, Frankreich, England, Belgien, zu Lande als ſo gründlich erſchüttert anſehen zu können, daß dort das Kriegsziel erheblich nähergerückt iſt. Der franzöſiſche Plan — der an ſich richtig war — nördlich wie ſüdlich Metz durch- zuſtoßen, um unſer Vordringen in Belgien zum Stehen zu bringen, ſcheiterte an der Tapferkeit der Truppen ſowie an der Ueberlegenheit der Führung. Damit iſt der Kriegsplan der Franzoſen, wie ja auch in Paris amtlich zugeſtanden wurde, in der Hauptſache als geſcheitert anzuſehen. Es iſt jetzt ſehr ſchwer für ſie, das von den Deutſchen durchſtoßene ſtrategiſche Netz wieder zuſammenzuflicken, und dabei wird ihnen auch General French nicht viel helfen können, der an- ſcheinend jetzt den wahren Generaliſſimus des franzöſiſch-eng- liſchen Heeres darſtellt. Der Gegenſtoß unſerer Heere in Nordfrankreich-Südbelgien iſt wuchtig und ſiegreich geführt worden und damit der erſte Abſchnitt des Krieges in Frank- reich feſtgelegt, der uns ganz Belgien (abgeſehen von Ant- werpen), ferner die Gebiete der Moſel, Maas, Schelde, Aisne, alſo den weitaus größten Teil des nordöſtlichen Frankreichs, in unſere Hände gegeben hat. Man wird einwenden, daß in jenen Gebieten noch ſtarke, unbezwungene Feſtungen liegen, Verdun, Toul, Epinal, Belfort, die den Krieg ähnlich wie 1870/71 in die Länge ziehen müßten, ganz abgeſehen von der Rieſenfeſtung Paris. Dazu möchte ich folgendes bemerken: Die gewaltige Wirkung unſerer ſchweren Artillerie gegen die ſtärkſten Anlagen neuzeitlicher Befeſtigungskunſt haben einen Faktor zu unſeren Gunſten in die Kriegführung gebracht, der Zeitgewinn, Menſchenſchonung und ſtrategiſche Vorteile in ſich ſchließt, deren Bedeutung jetzt ſchon zu überſehen iſt. Auch was die Dauer des Krieges angeht. Denn ein im Felde ge- ſchlagener Gegner, der in ſeinen Feſtungen keinen Schutz mehr findet — und die franzöſiſchen Feſtungen bieten aus- nahmslos dieſen Schutz auf längere Zeit nicht mehr —, der muß entweder bald Frieden anſtreben oder ſich der ſchließ- lichen Vernichtung ausſetzen. Die engliſchen Truppen können ſich am Ende letzterer entziehen und irgendwo auf ihre Schiffe gehen. Die belgiſche Armee iſt hoffnungslos in Antwerpen eingeſchloſſen, bliebe alſo nur noch das wiederholt geſchlagene, in ſeinem innerſten Weſen erſchütterte franzöſiſche Heer, das nicht mehr wie 1870/71, geſtützt auf Feſtungen, lange Wider- ſtand zu leiſten vermöchte. Es kommt hinzu, daß angeſichts der fortdauernden Niederlagen die Revolution in irgendeiner Form das Haupt erheben könnte, was naturgemäß unter allen Umſtänden der deutſchen Kriegsleitung zugute käme. Vielleicht auch dem franzöſiſchen Wunſche, dem Krieg raſch ein Ende zu bereiten, weil jede Verlängerung des Kampfes die franzöſiſchen Opfer vermehren müßte. Am Ende beſinnt es ſich auch darauf, wenn ihm der Weg zu einem neuen Rachekrieg auf Generationen hinaus

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine36_1914/4>, abgerufen am 24.11.2024.