Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 6. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
Innsbruck. Die Höchstbesteuerten werden bei dem Wahlact nach Analogie s s Wien, 2 Febr. Die Ostd. Post widerspricht heute selbst die vom 2 Febr. ist uns, statt gestern früh, erst heute früh zugekommen. Großbritannien. London, 1 Febr. Das am 31 Jan. im Hause der Lords vom Grafen v. Strad- Die Thronrede wurde durch den elektristischen Telegraphen, von der Die englischen Blätter hatten, mit ihrem altgewohnten Tact in Be- Das Chronicle hat eine mit "Anglo-Austriaco" unterzeichnete Frankreich. Paris, 2 Febr. Die gerichtlichen Verfolgungen wegen Aufreizung zum Haß und zur *) "At the first blush of the matter." Wann kommt wohl the first
blush of Viscount Palmerston? [Spaltenumbruch]
Innsbruck. Die Höchſtbeſteuerten werden bei dem Wahlact nach Analogie s s Wien, 2 Febr. Die Oſtd. Poſt widerſpricht heute ſelbſt die vom 2 Febr. iſt uns, ſtatt geſtern früh, erſt heute früh zugekommen. Großbritannien. London, 1 Febr. Das am 31 Jan. im Hauſe der Lords vom Grafen v. Strad- Die Thronrede wurde durch den elektriſtiſchen Telegraphen, von der Die engliſchen Blätter hatten, mit ihrem altgewohnten Tact in Be- Das Chronicle hat eine mit „Anglo-Auſtriaco“ unterzeichnete Frankreich. Paris, 2 Febr. Die gerichtlichen Verfolgungen wegen Aufreizung zum Haß und zur *) „At the first blush of the matter.“ Wann kommt wohl the first
blush of Viscount Palmerston? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="582"/><cb/> Innsbruck. Die Höchſtbeſteuerten werden bei dem Wahlact nach Analogie<lb/> der vier Kreiſe abgeſondert, und zwar wählen die aus dem Innsbrucker und<lb/> Brixener je 6, aus dem Trienter 9, aus dem Bregenzer 3. Auch das Ba-<lb/> taillon Wohlgemuth wird nächſtens von hier zum böhmiſchen Obſerva-<lb/> tionscorps abgehen. Von Arbeitseinſtellungen hört man neuerdings wie-<lb/> derholt aus Prag und den nördlichen Diſtricten. Die kürzlich vorgekom-<lb/> men Fälle zeigen aber daß das Unrecht auf Seite der Arbeiter iſt, welche<lb/> von dem gegenwärtigen Mangel an thätigen Händen zur Erzielung-<lb/> höheren Lohnes Gebrauch machen. Seit heute Morgen hören wir<lb/> von Zeit zu Zeit Kanonendonner von den Baſteien als Signal wegen der<lb/> Waſſergefahr. Geſtern Nacht ſchon änderte ſich die Temperatur, und<lb/> heute Morgen bei einem warmen Regen ging das Eis fort. Nun ſtehen<lb/> die Wiener Kopf an Kopf am Ufer und den Baſteien, und ſchauen der<lb/> prächtig angeſchwollenen Donau zu. Das Waſſer hat bereits die Kaien<lb/> an der linken Seite des Donauarmes überſtiegen, und ſteht ziemlich auf<lb/> dem Niveau mit den nach dem Fluſſe mündenden Straßen der Leopold-<lb/> ſtadt. Unſer Freund Dingelſtedt iſt kurz vor ſeiner beabſichtigten Rück-<lb/> reiſe erkrankt, wie ich höre am Gallenſieber. — <hi rendition="#g">Nachſchrift.</hi> Halb 6 Uhr.<lb/> In den dem Waſſer nahe gelegenen Straßen der Leopoldſtadt fährt man<lb/> bereits mit Kähnen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#aq">s s</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 2 Febr.</dateline> <p>Die <hi rendition="#g">Oſtd. 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Aber John Bull hat<lb/> kleine Ohren und große Cottonballen um ſie gegen derartiges Schreien<lb/> zu verſtopfen. Wahrlich, wir ſehen es, wie lange ein Krug zum Waſſer<lb/> gehen kann! Das beſte iſt daß das herzliche Verhältniß zur franzöſiſchen<lb/> Republik dadurch wieder mehr gelockert wird, und aus dem <hi rendition="#aq">pas des deux</hi><lb/> welchen man im Mittelmeere bis an die Dardanellen tanzte, ein Solo<lb/> werden könnte. Wenn England die griechiſche Regierung nicht deßwegen<lb/> bloß ins Geſicht ſchlug um Rußland zu reizen, dürfte freilich der Handel<lb/> keine weiteren Folgen haben als daß unſere hartköpfigen Politiker auf dem<lb/> Feſtland vielleicht ein wenig zur Einſicht kommen, wie es mit dem britti-<lb/> ſchen Liberalismus beſchaffen, und daß auch ein Volk von 30 und mehr<lb/> Millionen derartigen Rippenſtößen wehrlos preisgegeben ſey, ſolange es<lb/> keine Flotte hat.</p><lb/> <note>* Die neueſte <hi rendition="#g">Wiener</hi> Poſt (vom 3 Febr.) iſt noch im Rückſtand;<lb/> die vom 2 Febr. iſt uns, ſtatt geſtern früh, erſt heute früh zugekommen.</note> </div> </div> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 1 Febr.</dateline><lb/> <p>Das am 31 Jan. im <hi rendition="#g">Hauſe der Lords</hi> vom Grafen v. <hi rendition="#g">Strad-<lb/> broke</hi> zur Adreſſe beantragte Amendement lautete: „Mit Bedauern<lb/> müſſen wir jedoch Ew. Majeſtät ehrerbietig vorſtellen daß in vielen<lb/> Theilen des Vereinigten Königreichs, und insbeſondere in Irland, die<lb/> verſchiedenen Claſſen von Ew. Maj. Unterthanen welche mit der Boden-<lb/> cultur in Verbindung ſtehen, unter harter Bedrängniß leiden, deren Ur-<lb/> ſachen zumeiſt in neuerlichen legislativen Beſtimmungen, erſchwert durch<lb/> den Druck örtlicher Beſteuerung, zu ſuchen ſind.“ Dieſer Gegenvorſchlag<lb/> ward unterſtützt vom Grafen v. <hi rendition="#g">Deſart,</hi> dem Herzog v. <hi rendition="#g">Richmond</hi><lb/> und vor allem von Lord <hi rendition="#g">Stanley</hi> in einer langen und ſcharfen Rede.<lb/> Miniſteriellerſeits, d. h. im Geiſte der Handelsfreiheit, ſprachen der<lb/> junge Lord <hi rendition="#g">Methuen,</hi> als Unterſtützer der Adreſſe, die Miniſter<lb/> Graf v. <hi rendition="#g">Carlisle</hi> (Morpeth) und Marquis v. <hi rendition="#g">Lansdowne,</hi> dann<lb/> die Lords <hi rendition="#g">Fitzwilliam, Granville</hi> und <hi rendition="#g">Brougham,</hi> der alſo<lb/> in dieſer Beziehung den Whigs treu geblieben iſt. Man ſchritt zur<lb/> Abſtimmung, und das Amendement wurde mit 152 Stimmen (darun-<lb/> ter 66 Proxies, d. h. übertragene Stimmen) gegen 103 (worunter<lb/> 34 Proxies) verworfen, und die Adreſſe ſofort in der beantragten ur-<lb/> ſprünglichen Form <hi rendition="#g">angenommen.</hi> Dieſe Majorität von 49 Stimmen<lb/> im Oberhaus, wo vorzugsweiſe die großen Grundeigenthümer ſitzen, und<lb/> wo die Tories, wenn ſie ernſtlich wollen, leicht die Oberhand gewinnen<lb/> können, iſt ein für das Whigminiſterium ſehr günſtiges Vorzeichen; es<lb/> müßte denn ſehn daß die Protectioniſten den Hauptkampf auf einen ſpä-<lb/> teren Zeitpunkt zu verſparen übereingekommen ſind, weil Adreßdebatten<lb/> ſeit lange in England außer Gewohnheit gekommen ſind. — Im <hi rendition="#g">Hauſe<lb/><cb/> der Gemeinen</hi> ward ein ähnliches Amendement wie das obige von Sir<lb/> J. <hi rendition="#g">Trollope</hi> vorgeſchlagen, und unterſtützt von Oberſt <hi rendition="#g">Chatterton,</hi><lb/> Hrn. L. H. <hi rendition="#g">Herbert</hi> und einigen andern Mitgliedern. Die bedeutendſte<lb/> Rede in der Sitzung war die des Schatzkanzlers Sir Charles <hi rendition="#g">Wood,</hi> der<lb/> mit vielen aus amtlichen Quellen geſchöpften Einzelangaben die allgemei-<lb/> nen guten Folgen der Freihandelsmaßregeln für den Flor des Landes<lb/> nachzuweiſen ſuchte, auf die Verminderung der Armenſteuer in England,<lb/> die große Zunahme des Handels und Verbrauchs, und den Revenuen-<lb/> Ueberſchuß von 2,098,000 Pf. St. hinwies. Die Verhandlung wurde ver-<lb/> tagt, und am 1 Febr. durch den Marquis v. <hi rendition="#g">Granby</hi> im protectioniſti-<lb/> ſchen Intereſſe wieder aufgenommen. Es unterliegt nicht dem mindeſten<lb/> Zweifel daß die Miniſter auch im Unterhaus mit einer beträchtlichen<lb/> Mehrheit obſiegen werden. Daß die Whigregierung ſich zur Zeit ſehr<lb/> feſt fühlt, davon dürfte eben ein neuer Beweis in den griechichen Vor-<lb/> gängen liegen; denn ohne dieſes Gefühl der Sicherheit hätte Lord Pal-<lb/> merſton, bei all ſeiner Verwegenheit, den andern Ferienſünden, die er<lb/> „auf dem Kerbholz hat“, ſchwerlich dieſes neue Item beizufügen gewagt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Thronrede wurde durch den elektriſtiſchen Telegraphen, von der<lb/> Centralftation in Lothbury aus, raſch nach allen Hauptpunkten des Reichs<lb/> verbreitet. Zur „Abſtrömung“ der 954 Worte, welche dieſelbe enthält,<lb/> brauchte man eine halbe Stunde, ſo daß 15 auf je eine Minute kamen.<lb/> Man hat aber ſchon öfter 37 bis 45 Worte in der Minute abgefertigt.<lb/> So lief die Thronrede mittels des elektriſchen Funkens über 200 engl.<lb/> Meilen Drath.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die engliſchen Blätter hatten, mit ihrem altgewohnten Tact in Be-<lb/> handlung der auswärtigen Angelegenheiten, den ſo eben von Palmerſton<lb/> in Griechenland geführten Schlag kaum angedeutet; denn daß einige der-<lb/> ſelben im voraus nähere Kunde davon hatten, läßt ſich doch wohl anneh-<lb/> men, aber gerade der <hi rendition="#g">Globe,</hi> der im Vertrauen des auswärtigen Amtes<lb/> ſteht, berührte mit keiner Sylbe das Geheimniß. Unter den neueſten<lb/> Londoner Zeitungen ſinden wir nur im <hi rendition="#g">Standard</hi> folgende auf die<lb/> Sache bezügliche Aeußerung: „Durch die franzöſiſche Poſt haben wir ſehr<lb/> wichtige Nachrichten aus Griechenland. Auf den erſten Anblick<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">„At the first <hi rendition="#i">blush</hi> of the matter.“</hi> Wann kommt wohl <hi rendition="#aq">the first<lb/><hi rendition="#i">blush</hi> of Viscount Palmerston?</hi></note> der<lb/> Sache möcht es ſcheinen daß die Repräſentanten Englands am griechiſchen<lb/> Hof ſich großer Uebereilung ſchuldig gemacht; indeſſen muß man erſt die<lb/> Umſtände genauer kennen ehe man ſich über das Hrn. Wyſe und dem<lb/> Admiral Parker zugeſchriebene Verfahren ein richtiges Urtheil bilden<lb/> kann. Die Nothwendigkeit ſtrenger Maßregeln, um die Anſprüche<lb/> der Staatsgläubiger Griechenlands gegen die dortige Regierung geltend<lb/> zu machen, läßt ſich nicht läugnen, und es iſt daher geeignet zu warten<lb/> bis uns die ganze Sache vorliegt, bevor wir über die Politik oder Unpo-<lb/> litik der im gegenwärtigen Fall ergriffenen ſtarken Maßregeln abſprechen.<lb/> Uebrigens iſt kaum zu zweifeln daß die Blokade des Piräeus zu einer<lb/> beſſern Anordnung der betreffenden Frage führen wird.“ — Aus Kon-<lb/> ſtantinopel hatte man in London Nachrichten bis zum 14 Jan., indem<lb/> das Schraubenſchiff „Helleſpont“ die Hin- und Herfahrt von und nach<lb/> Liverpool in je 15 Tagen zurückgelegt — wohl die ſchnellſte Fahrt die je<lb/> vorgekommen. Neues wird von der türkiſchen Hauptſtadt nicht<lb/> gemeldet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Das <hi rendition="#g">Chronicle</hi> hat eine mit „Anglo-Auſtriaco“ unterzeichnete<lb/> Zuſchrift, welche die neuliche Zeitungsnotiz (namentlich des Globe) von<lb/> einem öſterreichiſchen Mordanſchlag auf Koſſuth eine ſchamloſe Verleum-<lb/> dung nennt, und die Hoffnung ausſpricht daß die öfterreichiſche Regie-<lb/> rung es unter ihrer Würde halten werde auch nur darauf zu antworten.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 Febr.</dateline><lb/> <p>Die gerichtlichen Verfolgungen wegen Aufreizung zum Haß und zur<lb/> Verachtung des Präſidenten der Republik ſind eine ganz gewöhnliche Er-<lb/> ſcheinung. Dieſer Tage ſtand die ex-bonapartiſche, jetzt radicale <hi rendition="#g">Liberté,</hi><lb/> in der Perſon ihres Gérants, des Hrn. Mouillard, vor den Aſſiſen. Man<lb/> muß den angeſchuldigten Artikel leſen wenn man ſich einen Begriff machen<lb/> will von der wegwerfenden Sprache welche die Oppoſitionspreſſe nicht ſelten<lb/> führt. So iſt unter anderm geſagt: „Man nennt ſich Bonaparte und thut<lb/> Handlungen welche Ludwig Philipp nicht gewagt hätte. Man iſt der Vetter<lb/> des großen Mannes und gibt ſich die Miene zu niemand Vertrauen zu ha-<lb/> ben als zu den Verräthern von 1814 und 1815. Wäre nicht Bourmont<lb/> geſtorben, ſo wäre er erſter Miniſter, lebte noch der Kerkermeiſter von<lb/> St. Helena, Sir Hudſon Lowe, er hätte freien Zutritt im Elyſée u. ſ. f.“<lb/> Der Angeklagte wurde von Hrn. Cremieux vertheidigt, aber ohne mil-<lb/> dernde Umſtände ſchuldig befunden und zu dreimonatlicher Haft und einer<lb/> Buße von 4000 Fr. verurtheilt. Dieſe Aufreizungen richten ſich beſon-<lb/> ders an das Heer. Von dem Ex-Repräſentanten und Ex-Sergenten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [582/0006]
Innsbruck. Die Höchſtbeſteuerten werden bei dem Wahlact nach Analogie
der vier Kreiſe abgeſondert, und zwar wählen die aus dem Innsbrucker und
Brixener je 6, aus dem Trienter 9, aus dem Bregenzer 3. Auch das Ba-
taillon Wohlgemuth wird nächſtens von hier zum böhmiſchen Obſerva-
tionscorps abgehen. Von Arbeitseinſtellungen hört man neuerdings wie-
derholt aus Prag und den nördlichen Diſtricten. Die kürzlich vorgekom-
men Fälle zeigen aber daß das Unrecht auf Seite der Arbeiter iſt, welche
von dem gegenwärtigen Mangel an thätigen Händen zur Erzielung-
höheren Lohnes Gebrauch machen. Seit heute Morgen hören wir
von Zeit zu Zeit Kanonendonner von den Baſteien als Signal wegen der
Waſſergefahr. Geſtern Nacht ſchon änderte ſich die Temperatur, und
heute Morgen bei einem warmen Regen ging das Eis fort. Nun ſtehen
die Wiener Kopf an Kopf am Ufer und den Baſteien, und ſchauen der
prächtig angeſchwollenen Donau zu. Das Waſſer hat bereits die Kaien
an der linken Seite des Donauarmes überſtiegen, und ſteht ziemlich auf
dem Niveau mit den nach dem Fluſſe mündenden Straßen der Leopold-
ſtadt. Unſer Freund Dingelſtedt iſt kurz vor ſeiner beabſichtigten Rück-
reiſe erkrankt, wie ich höre am Gallenſieber. — Nachſchrift. Halb 6 Uhr.
In den dem Waſſer nahe gelegenen Straßen der Leopoldſtadt fährt man
bereits mit Kähnen.
s s Wien, 2 Febr. Die Oſtd. Poſt widerſpricht heute ſelbſt
dem von Anfang an unwahrſcheinlich klingenden Gerücht, als werde Fürſt
Windiſch-Grätz als Miniſterpräſident hier einziehen. Er ſoll, ſchreibt
ſie, die Miſſion der Vermittelung übernommen haben zwiſchen dem Cen-
tralminiſterium und dem ſchmollenden Föderalismus der magyariſchen
Tories. Wir ſinden alſo darin nur etwas längſt bekanntes beſtätigt:
daß man ohne eine Partei in Ungarn nicht regieren kann und daher den
Altconſervativen Zugeſtändniſſe machen will, ſoweit ſie nicht das Ein-
heitswerk der Novemberminiſter vereiteln würden. Im Lloyd finden Sie
heute die Actenſtücke welche zwiſchen den Bevollmächtigten von Frankreich,
Rußland und England und der griechiſchen Regierung gewechſelt wurden.
Wenn das etwas bedeuten wollte, würde ich von dem Entrüſtungsſchrei
ſprechen der in ganz Europa über dieſen neuen Streich des diplomatiſchen
Gentleman jenſeits des Canals ſich erheben wird. Aber John Bull hat
kleine Ohren und große Cottonballen um ſie gegen derartiges Schreien
zu verſtopfen. Wahrlich, wir ſehen es, wie lange ein Krug zum Waſſer
gehen kann! Das beſte iſt daß das herzliche Verhältniß zur franzöſiſchen
Republik dadurch wieder mehr gelockert wird, und aus dem pas des deux
welchen man im Mittelmeere bis an die Dardanellen tanzte, ein Solo
werden könnte. Wenn England die griechiſche Regierung nicht deßwegen
bloß ins Geſicht ſchlug um Rußland zu reizen, dürfte freilich der Handel
keine weiteren Folgen haben als daß unſere hartköpfigen Politiker auf dem
Feſtland vielleicht ein wenig zur Einſicht kommen, wie es mit dem britti-
ſchen Liberalismus beſchaffen, und daß auch ein Volk von 30 und mehr
Millionen derartigen Rippenſtößen wehrlos preisgegeben ſey, ſolange es
keine Flotte hat.
* Die neueſte Wiener Poſt (vom 3 Febr.) iſt noch im Rückſtand;
die vom 2 Febr. iſt uns, ſtatt geſtern früh, erſt heute früh zugekommen.
Großbritannien.
London, 1 Febr.
Das am 31 Jan. im Hauſe der Lords vom Grafen v. Strad-
broke zur Adreſſe beantragte Amendement lautete: „Mit Bedauern
müſſen wir jedoch Ew. Majeſtät ehrerbietig vorſtellen daß in vielen
Theilen des Vereinigten Königreichs, und insbeſondere in Irland, die
verſchiedenen Claſſen von Ew. Maj. Unterthanen welche mit der Boden-
cultur in Verbindung ſtehen, unter harter Bedrängniß leiden, deren Ur-
ſachen zumeiſt in neuerlichen legislativen Beſtimmungen, erſchwert durch
den Druck örtlicher Beſteuerung, zu ſuchen ſind.“ Dieſer Gegenvorſchlag
ward unterſtützt vom Grafen v. Deſart, dem Herzog v. Richmond
und vor allem von Lord Stanley in einer langen und ſcharfen Rede.
Miniſteriellerſeits, d. h. im Geiſte der Handelsfreiheit, ſprachen der
junge Lord Methuen, als Unterſtützer der Adreſſe, die Miniſter
Graf v. Carlisle (Morpeth) und Marquis v. Lansdowne, dann
die Lords Fitzwilliam, Granville und Brougham, der alſo
in dieſer Beziehung den Whigs treu geblieben iſt. Man ſchritt zur
Abſtimmung, und das Amendement wurde mit 152 Stimmen (darun-
ter 66 Proxies, d. h. übertragene Stimmen) gegen 103 (worunter
34 Proxies) verworfen, und die Adreſſe ſofort in der beantragten ur-
ſprünglichen Form angenommen. Dieſe Majorität von 49 Stimmen
im Oberhaus, wo vorzugsweiſe die großen Grundeigenthümer ſitzen, und
wo die Tories, wenn ſie ernſtlich wollen, leicht die Oberhand gewinnen
können, iſt ein für das Whigminiſterium ſehr günſtiges Vorzeichen; es
müßte denn ſehn daß die Protectioniſten den Hauptkampf auf einen ſpä-
teren Zeitpunkt zu verſparen übereingekommen ſind, weil Adreßdebatten
ſeit lange in England außer Gewohnheit gekommen ſind. — Im Hauſe
der Gemeinen ward ein ähnliches Amendement wie das obige von Sir
J. Trollope vorgeſchlagen, und unterſtützt von Oberſt Chatterton,
Hrn. L. H. Herbert und einigen andern Mitgliedern. Die bedeutendſte
Rede in der Sitzung war die des Schatzkanzlers Sir Charles Wood, der
mit vielen aus amtlichen Quellen geſchöpften Einzelangaben die allgemei-
nen guten Folgen der Freihandelsmaßregeln für den Flor des Landes
nachzuweiſen ſuchte, auf die Verminderung der Armenſteuer in England,
die große Zunahme des Handels und Verbrauchs, und den Revenuen-
Ueberſchuß von 2,098,000 Pf. St. hinwies. Die Verhandlung wurde ver-
tagt, und am 1 Febr. durch den Marquis v. Granby im protectioniſti-
ſchen Intereſſe wieder aufgenommen. Es unterliegt nicht dem mindeſten
Zweifel daß die Miniſter auch im Unterhaus mit einer beträchtlichen
Mehrheit obſiegen werden. Daß die Whigregierung ſich zur Zeit ſehr
feſt fühlt, davon dürfte eben ein neuer Beweis in den griechichen Vor-
gängen liegen; denn ohne dieſes Gefühl der Sicherheit hätte Lord Pal-
merſton, bei all ſeiner Verwegenheit, den andern Ferienſünden, die er
„auf dem Kerbholz hat“, ſchwerlich dieſes neue Item beizufügen gewagt.
Die Thronrede wurde durch den elektriſtiſchen Telegraphen, von der
Centralftation in Lothbury aus, raſch nach allen Hauptpunkten des Reichs
verbreitet. Zur „Abſtrömung“ der 954 Worte, welche dieſelbe enthält,
brauchte man eine halbe Stunde, ſo daß 15 auf je eine Minute kamen.
Man hat aber ſchon öfter 37 bis 45 Worte in der Minute abgefertigt.
So lief die Thronrede mittels des elektriſchen Funkens über 200 engl.
Meilen Drath.
Die engliſchen Blätter hatten, mit ihrem altgewohnten Tact in Be-
handlung der auswärtigen Angelegenheiten, den ſo eben von Palmerſton
in Griechenland geführten Schlag kaum angedeutet; denn daß einige der-
ſelben im voraus nähere Kunde davon hatten, läßt ſich doch wohl anneh-
men, aber gerade der Globe, der im Vertrauen des auswärtigen Amtes
ſteht, berührte mit keiner Sylbe das Geheimniß. Unter den neueſten
Londoner Zeitungen ſinden wir nur im Standard folgende auf die
Sache bezügliche Aeußerung: „Durch die franzöſiſche Poſt haben wir ſehr
wichtige Nachrichten aus Griechenland. Auf den erſten Anblick *) der
Sache möcht es ſcheinen daß die Repräſentanten Englands am griechiſchen
Hof ſich großer Uebereilung ſchuldig gemacht; indeſſen muß man erſt die
Umſtände genauer kennen ehe man ſich über das Hrn. Wyſe und dem
Admiral Parker zugeſchriebene Verfahren ein richtiges Urtheil bilden
kann. Die Nothwendigkeit ſtrenger Maßregeln, um die Anſprüche
der Staatsgläubiger Griechenlands gegen die dortige Regierung geltend
zu machen, läßt ſich nicht läugnen, und es iſt daher geeignet zu warten
bis uns die ganze Sache vorliegt, bevor wir über die Politik oder Unpo-
litik der im gegenwärtigen Fall ergriffenen ſtarken Maßregeln abſprechen.
Uebrigens iſt kaum zu zweifeln daß die Blokade des Piräeus zu einer
beſſern Anordnung der betreffenden Frage führen wird.“ — Aus Kon-
ſtantinopel hatte man in London Nachrichten bis zum 14 Jan., indem
das Schraubenſchiff „Helleſpont“ die Hin- und Herfahrt von und nach
Liverpool in je 15 Tagen zurückgelegt — wohl die ſchnellſte Fahrt die je
vorgekommen. Neues wird von der türkiſchen Hauptſtadt nicht
gemeldet.
Das Chronicle hat eine mit „Anglo-Auſtriaco“ unterzeichnete
Zuſchrift, welche die neuliche Zeitungsnotiz (namentlich des Globe) von
einem öſterreichiſchen Mordanſchlag auf Koſſuth eine ſchamloſe Verleum-
dung nennt, und die Hoffnung ausſpricht daß die öfterreichiſche Regie-
rung es unter ihrer Würde halten werde auch nur darauf zu antworten.
Frankreich.
Paris, 2 Febr.
Die gerichtlichen Verfolgungen wegen Aufreizung zum Haß und zur
Verachtung des Präſidenten der Republik ſind eine ganz gewöhnliche Er-
ſcheinung. Dieſer Tage ſtand die ex-bonapartiſche, jetzt radicale Liberté,
in der Perſon ihres Gérants, des Hrn. Mouillard, vor den Aſſiſen. Man
muß den angeſchuldigten Artikel leſen wenn man ſich einen Begriff machen
will von der wegwerfenden Sprache welche die Oppoſitionspreſſe nicht ſelten
führt. So iſt unter anderm geſagt: „Man nennt ſich Bonaparte und thut
Handlungen welche Ludwig Philipp nicht gewagt hätte. Man iſt der Vetter
des großen Mannes und gibt ſich die Miene zu niemand Vertrauen zu ha-
ben als zu den Verräthern von 1814 und 1815. Wäre nicht Bourmont
geſtorben, ſo wäre er erſter Miniſter, lebte noch der Kerkermeiſter von
St. Helena, Sir Hudſon Lowe, er hätte freien Zutritt im Elyſée u. ſ. f.“
Der Angeklagte wurde von Hrn. Cremieux vertheidigt, aber ohne mil-
dernde Umſtände ſchuldig befunden und zu dreimonatlicher Haft und einer
Buße von 4000 Fr. verurtheilt. Dieſe Aufreizungen richten ſich beſon-
ders an das Heer. Von dem Ex-Repräſentanten und Ex-Sergenten
*) „At the first blush of the matter.“ Wann kommt wohl the first
blush of Viscount Palmerston?
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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