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Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 9. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] freit war. Viele wollen behaupten daß diese Missethaten von den hieher
geflüchteten Italienern anderer Staaten begangen werden. Dieß mag in
einzelnen Fällen in der That so seyn. Im allgemeinen jedoch ist es factisch
daß die Mehrzahl der bereits eingefangenen Uebelthäter entweder geborne
Genuesen oder doch bereits seit vielen Jahren hier ansässig find. Einer
der ärgsten Fälle jener Art war das Vorsinden des Leichnams einer jun-
gen Frauensperson in einer der Hauptstraßen der Stadt. Der Körper
ward bei anbrechendem Tage, auf dem Straßenpflaster liegend, entdeckt
und trug untrügliche Spuren von Nothzucht.

Seit meinem letzten Schreiben hat sich der
ungemein rauhe Winter hier bedeutend gemildert. Die Straßen der
Stadt sind alle wieder gangbar und nur hie und da liegt der zu Haufen
gescharrte Schnee in schmutzig-rußigen, halbeisigen Massen in den wie-
der fahrbaren Straßen. Die ungemein reiche Stadt scheint für alles öf-
fentliche Gute bettelarm zu seyn, und konnte nur durch bittere Erfahrung
dazu bewogen werden einen Theil des Kostenaufwands zu tragen der
unerläßlich war um die gänzliche Verschlammung des prachtvollen Hafens
zu verhindern. Seit mehreren Jahren wird tagtäglich an der Entschlam-
mung desselben gearbeitet, und vor wenigen Monaten ist ein kleiner
Theil des Hafens soweit gereinigt worden daß wieder Linienschiffe erster
Größe (von 90 bis 100 Kanonen) hier einlaufen können. Glücklicher-
weise ist diese Reinigung auch in den zurückgezogensten Theilen des Ha-
fens soweit gediehen daß die größten Kauffahrteischiffe sich in dieselben
zurückziehen können, um sich vor den Unfällen zu schützen welche bei au-
ßerordentlichem Sturmwetter bisher diejenigen Fahrzeuge trafen die sich
in dem der 1500 Meter breiten Einfahrt des Hafens gegenüberliegenden
Theile des Hafenbeckens halten mußten. Dieser durch die sardinische Re-
gierung nun nach mehr als 100 Jahren wieder herbeigeführte vortheil-
hafte Zustand des Hasens wurde hier vollkommen gewürdigt bei dem
schrecklichen Sturm welcher gestern das ganze tyrrhenische Meer in ent-
setzliches Wogen und Wallen versetzte, und sich wegen der südöstlichen
Richtung des Windes über den hiesigen Hafen und die Stadt mit riesigem
Ungestüm gegen die wolkenhohen Mauern der nahen Apenninenkette un-
ter gräßlichem Knarren und Krachen der Lüfte brach. Noch fehlen alle
Nachrichten von dem leider gewiß sehr ausgedehnten Unheile welches die-
ses Sturmwetter auf der See angerichtet haben muß. Es war dieses
eine von jenen unterseeischen vulcanischen Erschütterungen welche der
Italiener mit dem Worte maremoto bezeichnet, und welche in dem tyr-
rhenischen Becken häufiger vorkommen als in irgendeinem andern Theile
des mittelländischen Meeres, wahrscheinlich wegen der entzündbaren Ma-
terien die sich in den Eingeweiden der Mutter Erde von Zeit zu Zeit in
großen Massen gegen die Mündungen der großen Krater des Vesuvs und
Aetna's drängen. Vor vier Jahren fand hier ein ähnliches maremoto
statt, welches entsetzliches Unglück auf der offenen See und nicht unbedeu-
tenden Schaden im hiesigen Hafen angerichtet hatte, und besonders diesen
letzten, sowie die zahlreich darin versammelten Schiffe zu Grunde zu rich-
ten drohte. Damals begab sich die hiesige Priesterschaft mit dem nun
verstorbenen Cardinal-Erzbischof von Genua in Procession nach dem gro-
ßen Hafendamme, von wo aus der erwähnte Prälat das noch hochbrau-
sende Meer beschwor sich in dem ihm vom Schöpfer des Himmels und der
Erden angewiesenen Gebiete ruhig und friedlich zu verhalten. Um dieser
Beschwörung des wüthenden Elements noch größere Wirksamkeit zu ver-
schaffen, hatte der Klerus die Asche des heil. Johannes des Täufers mit sich
geführt. Diese Asche wird in einer großen goldenen Lade von unschätz-
barem Werthe in der hiesigen Kathedrale von San Lorenzo aufbewahrt,
und nur in außerordentlichen Nötlen den Augen der Gläubigen enthüllt.
Bei dem gestrigen Ungestüm fand eine solche Procession nicht statt. Die
Schindeln, Schiefer- und Ziegelsteine wirbelten in allen Straßen in sol-
cher Fülle von den Häusern herab, daß es lebensgefährlich war durch die
Straßen zu gehen, während der nun bedeutend entschlammte Hafen den
Schiffen große Sicherheit gewährt. Damals wurden drei Kauffahrer an
den Granitwällen des innern Hafens zerschellt, wogegen gestern kein
einziges Fahrzeug im Hafen mehr als leicht ersetzlichen Schaden litt.
Größer war der Schaden welcher die Oliven- und andern Bäume traf von
denen viele Hunderte zersplittert und entästet stehen, und noch mehr ent-
wurzelt auf den mit kaum zwei Fuß Erde bedeckten Bergeshöhen zerstreut
liegen. Trotz der in den Straßen herrschenden Gefahr von herabschie-
ßenden Dachsteinen verletzt zu werden, war der Andrang zu den zahlrei-
chen Kirchen Genua's gestern ungemein groß, da in den meisten derselben
Predigten abgehalten wurden welche die jüngste Encyclica des Papstes
umschrieben. Die meisten der Kanzelredner hielten sich mit sehr bemerk-
licher Vorliebe an die in jener Schrift befindlichen heftigen Ausfälle ge-
gen die Preßfreiheit, und drohten jedem welcher hinfüro Journale der
schlechten Presse lesen sollte, mit dem Kirchenbann.



[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Merkwürdig ist's, wie sich die
Seenen des rohesten Radicalismus in den verschiedenen ihm unterthänigen
Kantonen wiederholen, fast in denselben gehässigen Formen. Er knechtet
protestantische wie katholische Länder. Wer erinnert sich nicht vor zwei
Jahren der unwürdigen Mißhandlungen womit die Kranke pflegenden
Diakonissinnen im waadtländischen Echallens nach Druey's Inspiration
ausgetrieben wurden? Ihren katholischen Schwestern, den Soeurs de
charite
am Armenhospiz zu Pruntrut ist es vor kurzem ebenso gegan-
gen. Auf Befehl der Berner Regierung verlangte der dortige Präsect
Braichet auf brutale Weise ihre sofortige Entfernung aus dem Hospiz,
aus der Stadt und dem Land. In Begleitung des Maire's verfügten sie
sich auf die Präfectur, zeigten ihre französischen Pässe vor und baten
zur Vorbereitung für die Reise und Ordnung ihrer Angelegenheiten
nur um kurze Ausenthaltserlaubniß. Aber dieß wurde ihnen gröblich ab-
geschlagen und dabei vom Präfecten bemerkt: er kenne sie so wenig als
die Unterschrift des französischen Ministers. Diese armen Frauen muß-
ten des Nachts das Hospiz verlassen und eine Zuflucht bei guten Leuten
suchen. Dieß aber war nicht leicht, denn der Präfect verfolgte auch mit
Strafen die Einwohner welche den armen Flüchtigen einigen Aufenthalt
in ihren Wohnungen gewährten. Er ließ die Namen solcher Leute von
Gendarmen aufschreiben, und sie mußten ihnen dabei sagen daß sie zur
Belohnung ihrer Gastfreiheit 20 Mann Erecution ins Haus bekom-
men sollten. Eine Freiburgerin, die nicht zu den "Schwestern" gehörte,
aber freundlichen Umgang mit ihnen gehabt hatte, wurde auf Befehl die-
ses Präfecten des Nachts in der Kälte auf einen Karren gesetzt und nach
la Chaur-de-Fonds nahe an der französischen Gränze gefahren. Warum?
Weil man in ihrem Stübchen zwei Altarblumen gefunden hatte, die einer
Blumenmacherin zurückgegeben werden sollten, von der sie die Schwestern
zum Geschenk bekommen hatten. Wie es heißt, hat der französische Ge-
sandte in Bern Schritte wegen der seiner Regierung zugefügten Beleidi-
gung gethan.



Denkschrift der griechischen Regierung über die Forde-
rungen Englands.

Der unterzeichnete Minister des k. Hauses
und der auswärtigen Angelegenheiten hat die Ehre durch Gegenwärtiges
dem sehr ehrenwerthen Thomas Wyse, bevollmächtigten Minister Ihrer
Majestät der Königin von Großbritannien am griechischen Hofe, den Em-
pfang der Note zu bestätigen welche derselbe an ihn am 19 Jul. d. J. ge-
richtet hat, um ihn zu erinnern daß vier Mittheilungen seines Vorgängers,
Sir Edmund Lyons, an die HH. Zographos, Risos und Londos, frühere
Minister der auswärtigen Angelegenheiten, bezüglich auf die Inseln Cervi
und Sapienza, bis jetzt ohne Antwort geblieben wären; insbesondere die
Mittheilung vom 13 März d. J., betreffend den Schiffbruch eines kleinen
jonischen Fahrzeugs bei der Insel Cervi, an dessen Bord fünf Personen
waren die man zur Strafe nach Cerigo transportirt hatte, und die von
den griechischen Behörden der genannten Insel waren zurückgehalten
worden.

Durch seine Note vom 27 Oct. 1839 theilte Sir Edmund Lyons dem
Ministerium die Depesche des Lord Obercommissärs Ihrer Maj. der Kö-
nigin von Großbritannien auf den jonischen Inseln mit, worin Se. Erc.
die Insel Elaphonist als zu den vereinigten Staaten der jonischen Inseln
gehörig, reclamirte. Der Gegenstand der zweiten Mittheilung des Sir
Edmund Lyons, vom 23 Sept. 1841 datirt, war eine Reclamation des
Lord Obercommissärs gegen die Erklärung in Quarantäne derselben Insel
durch den Gouverneur von Sparta. In der Note vom 14 Sept. 1843
kündigte die englische Gesandtschaft dem Ministerium an daß der Lord
Obercommissär auch die Insel Sapienza als zu den jonischen Staaten ge-
hörig reclamire. Die vierte Mittheilung des Sir Edmund Lyons war die
vom 13 März d. J., welche am Eingang dieses Schreibens erwähnt wor-
den ist.

Der Unterzeichnete beantwortet zugleich die vorhergegangenen Noten
des Sir Edmund Lyons, indem er dem gegenwärtigen Schreiben seine
Antwort auf die letzte Mittheilung des sehr ehrenwerthen Thomas Wyse
in Betreff der Reclamation der Inseln Cervi (Elaphonisi) und Sapienza
beifügt, welche die Hauptfrage in allen diesen Mittheilungen der englischen
Gesandtschaft ausmacht.

Die Regierung des Königs hat bis jetzt über diese Forderung des
Lord Obercommissärs Stillschweigen beobachtet, und die Mittheilungen
des Sir Edmund Lyons nicht beantwortet, weil der Lord Obercommissär

[Spaltenumbruch] freit war. Viele wollen behaupten daß dieſe Miſſethaten von den hieher
geflüchteten Italienern anderer Staaten begangen werden. Dieß mag in
einzelnen Fällen in der That ſo ſeyn. Im allgemeinen jedoch iſt es factiſch
daß die Mehrzahl der bereits eingefangenen Uebelthäter entweder geborne
Genueſen oder doch bereits ſeit vielen Jahren hier anſäſſig find. Einer
der ärgſten Fälle jener Art war das Vorſinden des Leichnams einer jun-
gen Frauensperſon in einer der Hauptſtraßen der Stadt. Der Körper
ward bei anbrechendem Tage, auf dem Straßenpflaſter liegend, entdeckt
und trug untrügliche Spuren von Nothzucht.

Seit meinem letzten Schreiben hat ſich der
ungemein rauhe Winter hier bedeutend gemildert. Die Straßen der
Stadt ſind alle wieder gangbar und nur hie und da liegt der zu Haufen
geſcharrte Schnee in ſchmutzig-rußigen, halbeiſigen Maſſen in den wie-
der fahrbaren Straßen. Die ungemein reiche Stadt ſcheint für alles öf-
fentliche Gute bettelarm zu ſeyn, und konnte nur durch bittere Erfahrung
dazu bewogen werden einen Theil des Koſtenaufwands zu tragen der
unerläßlich war um die gänzliche Verſchlammung des prachtvollen Hafens
zu verhindern. Seit mehreren Jahren wird tagtäglich an der Entſchlam-
mung desſelben gearbeitet, und vor wenigen Monaten iſt ein kleiner
Theil des Hafens ſoweit gereinigt worden daß wieder Linienſchiffe erſter
Größe (von 90 bis 100 Kanonen) hier einlaufen können. Glücklicher-
weiſe iſt dieſe Reinigung auch in den zurückgezogenſten Theilen des Ha-
fens ſoweit gediehen daß die größten Kauffahrteiſchiffe ſich in dieſelben
zurückziehen können, um ſich vor den Unfällen zu ſchützen welche bei au-
ßerordentlichem Sturmwetter bisher diejenigen Fahrzeuge trafen die ſich
in dem der 1500 Meter breiten Einfahrt des Hafens gegenüberliegenden
Theile des Hafenbeckens halten mußten. Dieſer durch die ſardiniſche Re-
gierung nun nach mehr als 100 Jahren wieder herbeigeführte vortheil-
hafte Zuſtand des Haſens wurde hier vollkommen gewürdigt bei dem
ſchrecklichen Sturm welcher geſtern das ganze tyrrheniſche Meer in ent-
ſetzliches Wogen und Wallen verſetzte, und ſich wegen der ſüdöſtlichen
Richtung des Windes über den hieſigen Hafen und die Stadt mit rieſigem
Ungeſtüm gegen die wolkenhohen Mauern der nahen Apenninenkette un-
ter gräßlichem Knarren und Krachen der Lüfte brach. Noch fehlen alle
Nachrichten von dem leider gewiß ſehr ausgedehnten Unheile welches die-
ſes Sturmwetter auf der See angerichtet haben muß. Es war dieſes
eine von jenen unterſeeiſchen vulcaniſchen Erſchütterungen welche der
Italiener mit dem Worte maremoto bezeichnet, und welche in dem tyr-
rheniſchen Becken häufiger vorkommen als in irgendeinem andern Theile
des mittelländiſchen Meeres, wahrſcheinlich wegen der entzündbaren Ma-
terien die ſich in den Eingeweiden der Mutter Erde von Zeit zu Zeit in
großen Maſſen gegen die Mündungen der großen Krater des Veſuvs und
Aetna’s drängen. Vor vier Jahren fand hier ein ähnliches maremoto
ſtatt, welches entſetzliches Unglück auf der offenen See und nicht unbedeu-
tenden Schaden im hieſigen Hafen angerichtet hatte, und beſonders dieſen
letzten, ſowie die zahlreich darin verſammelten Schiffe zu Grunde zu rich-
ten drohte. Damals begab ſich die hieſige Prieſterſchaft mit dem nun
verſtorbenen Cardinal-Erzbiſchof von Genua in Proceſſion nach dem gro-
ßen Hafendamme, von wo aus der erwähnte Prälat das noch hochbrau-
ſende Meer beſchwor ſich in dem ihm vom Schöpfer des Himmels und der
Erden angewieſenen Gebiete ruhig und friedlich zu verhalten. Um dieſer
Beſchwörung des wüthenden Elements noch größere Wirkſamkeit zu ver-
ſchaffen, hatte der Klerus die Aſche des heil. Johannes des Täufers mit ſich
geführt. Dieſe Aſche wird in einer großen goldenen Lade von unſchätz-
barem Werthe in der hieſigen Kathedrale von San Lorenzo aufbewahrt,
und nur in außerordentlichen Nötlen den Augen der Gläubigen enthüllt.
Bei dem geſtrigen Ungeſtüm fand eine ſolche Proceſſion nicht ſtatt. Die
Schindeln, Schiefer- und Ziegelſteine wirbelten in allen Straßen in ſol-
cher Fülle von den Häuſern herab, daß es lebensgefährlich war durch die
Straßen zu gehen, während der nun bedeutend entſchlammte Hafen den
Schiffen große Sicherheit gewährt. Damals wurden drei Kauffahrer an
den Granitwällen des innern Hafens zerſchellt, wogegen geſtern kein
einziges Fahrzeug im Hafen mehr als leicht erſetzlichen Schaden litt.
Größer war der Schaden welcher die Oliven- und andern Bäume traf von
denen viele Hunderte zerſplittert und entäſtet ſtehen, und noch mehr ent-
wurzelt auf den mit kaum zwei Fuß Erde bedeckten Bergeshöhen zerſtreut
liegen. Trotz der in den Straßen herrſchenden Gefahr von herabſchie-
ßenden Dachſteinen verletzt zu werden, war der Andrang zu den zahlrei-
chen Kirchen Genua’s geſtern ungemein groß, da in den meiſten derſelben
Predigten abgehalten wurden welche die jüngſte Encyclica des Papſtes
umſchrieben. Die meiſten der Kanzelredner hielten ſich mit ſehr bemerk-
licher Vorliebe an die in jener Schrift befindlichen heftigen Ausfälle ge-
gen die Preßfreiheit, und drohten jedem welcher hinfüro Journale der
ſchlechten Preſſe leſen ſollte, mit dem Kirchenbann.



[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Merkwürdig iſt’s, wie ſich die
Seenen des roheſten Radicalismus in den verſchiedenen ihm unterthänigen
Kantonen wiederholen, faſt in denſelben gehäſſigen Formen. Er knechtet
proteſtantiſche wie katholiſche Länder. Wer erinnert ſich nicht vor zwei
Jahren der unwürdigen Mißhandlungen womit die Kranke pflegenden
Diakoniſſinnen im waadtländiſchen Echallens nach Druey’s Inſpiration
ausgetrieben wurden? Ihren katholiſchen Schweſtern, den Sœurs de
charité
am Armenhoſpiz zu Pruntrut iſt es vor kurzem ebenſo gegan-
gen. Auf Befehl der Berner Regierung verlangte der dortige Präſect
Braichet auf brutale Weiſe ihre ſofortige Entfernung aus dem Hoſpiz,
aus der Stadt und dem Land. In Begleitung des Maire’s verfügten ſie
ſich auf die Präfectur, zeigten ihre franzöſiſchen Päſſe vor und baten
zur Vorbereitung für die Reiſe und Ordnung ihrer Angelegenheiten
nur um kurze Auſenthaltserlaubniß. Aber dieß wurde ihnen gröblich ab-
geſchlagen und dabei vom Präfecten bemerkt: er kenne ſie ſo wenig als
die Unterſchrift des franzöſiſchen Miniſters. Dieſe armen Frauen muß-
ten des Nachts das Hoſpiz verlaſſen und eine Zuflucht bei guten Leuten
ſuchen. Dieß aber war nicht leicht, denn der Präfect verfolgte auch mit
Strafen die Einwohner welche den armen Flüchtigen einigen Aufenthalt
in ihren Wohnungen gewährten. Er ließ die Namen ſolcher Leute von
Gendarmen aufſchreiben, und ſie mußten ihnen dabei ſagen daß ſie zur
Belohnung ihrer Gaſtfreiheit 20 Mann Erecution ins Haus bekom-
men ſollten. Eine Freiburgerin, die nicht zu den „Schweſtern“ gehörte,
aber freundlichen Umgang mit ihnen gehabt hatte, wurde auf Befehl die-
ſes Präfecten des Nachts in der Kälte auf einen Karren geſetzt und nach
la Chaur-de-Fonds nahe an der franzöſiſchen Gränze gefahren. Warum?
Weil man in ihrem Stübchen zwei Altarblumen gefunden hatte, die einer
Blumenmacherin zurückgegeben werden ſollten, von der ſie die Schweſtern
zum Geſchenk bekommen hatten. Wie es heißt, hat der franzöſiſche Ge-
ſandte in Bern Schritte wegen der ſeiner Regierung zugefügten Beleidi-
gung gethan.



Denkſchrift der griechiſchen Regierung über die Forde-
rungen Englands.

Der unterzeichnete Miniſter des k. Hauſes
und der auswärtigen Angelegenheiten hat die Ehre durch Gegenwärtiges
dem ſehr ehrenwerthen Thomas Wyſe, bevollmächtigten Miniſter Ihrer
Majeſtät der Königin von Großbritannien am griechiſchen Hofe, den Em-
pfang der Note zu beſtätigen welche derſelbe an ihn am 19 Jul. d. J. ge-
richtet hat, um ihn zu erinnern daß vier Mittheilungen ſeines Vorgängers,
Sir Edmund Lyons, an die HH. Zographos, Riſos und Londos, frühere
Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, bezüglich auf die Inſeln Cervi
und Sapienza, bis jetzt ohne Antwort geblieben wären; insbeſondere die
Mittheilung vom 13 März d. J., betreffend den Schiffbruch eines kleinen
joniſchen Fahrzeugs bei der Inſel Cervi, an deſſen Bord fünf Perſonen
waren die man zur Strafe nach Cerigo transportirt hatte, und die von
den griechiſchen Behörden der genannten Inſel waren zurückgehalten
worden.

Durch ſeine Note vom 27 Oct. 1839 theilte Sir Edmund Lyons dem
Miniſterium die Depeſche des Lord Obercommiſſärs Ihrer Maj. der Kö-
nigin von Großbritannien auf den joniſchen Inſeln mit, worin Se. Erc.
die Inſel Elaphoniſt als zu den vereinigten Staaten der joniſchen Inſeln
gehörig, reclamirte. Der Gegenſtand der zweiten Mittheilung des Sir
Edmund Lyons, vom 23 Sept. 1841 datirt, war eine Reclamation des
Lord Obercommiſſärs gegen die Erklärung in Quarantäne derſelben Inſel
durch den Gouverneur von Sparta. In der Note vom 14 Sept. 1843
kündigte die engliſche Geſandtſchaft dem Miniſterium an daß der Lord
Obercommiſſär auch die Inſel Sapienza als zu den joniſchen Staaten ge-
hörig reclamire. Die vierte Mittheilung des Sir Edmund Lyons war die
vom 13 März d. J., welche am Eingang dieſes Schreibens erwähnt wor-
den iſt.

Der Unterzeichnete beantwortet zugleich die vorhergegangenen Noten
des Sir Edmund Lyons, indem er dem gegenwärtigen Schreiben ſeine
Antwort auf die letzte Mittheilung des ſehr ehrenwerthen Thomas Wyſe
in Betreff der Reclamation der Inſeln Cervi (Elaphoniſi) und Sapienza
beifügt, welche die Hauptfrage in allen dieſen Mittheilungen der engliſchen
Geſandtſchaft ausmacht.

Die Regierung des Königs hat bis jetzt über dieſe Forderung des
Lord Obercommiſſärs Stillſchweigen beobachtet, und die Mittheilungen
des Sir Edmund Lyons nicht beantwortet, weil der Lord Obercommiſſär

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[636/0012] freit war. Viele wollen behaupten daß dieſe Miſſethaten von den hieher geflüchteten Italienern anderer Staaten begangen werden. Dieß mag in einzelnen Fällen in der That ſo ſeyn. Im allgemeinen jedoch iſt es factiſch daß die Mehrzahl der bereits eingefangenen Uebelthäter entweder geborne Genueſen oder doch bereits ſeit vielen Jahren hier anſäſſig find. Einer der ärgſten Fälle jener Art war das Vorſinden des Leichnams einer jun- gen Frauensperſon in einer der Hauptſtraßen der Stadt. Der Körper ward bei anbrechendem Tage, auf dem Straßenpflaſter liegend, entdeckt und trug untrügliche Spuren von Nothzucht. ᔕ Genua, 28 Jan. Seit meinem letzten Schreiben hat ſich der ungemein rauhe Winter hier bedeutend gemildert. Die Straßen der Stadt ſind alle wieder gangbar und nur hie und da liegt der zu Haufen geſcharrte Schnee in ſchmutzig-rußigen, halbeiſigen Maſſen in den wie- der fahrbaren Straßen. Die ungemein reiche Stadt ſcheint für alles öf- fentliche Gute bettelarm zu ſeyn, und konnte nur durch bittere Erfahrung dazu bewogen werden einen Theil des Koſtenaufwands zu tragen der unerläßlich war um die gänzliche Verſchlammung des prachtvollen Hafens zu verhindern. Seit mehreren Jahren wird tagtäglich an der Entſchlam- mung desſelben gearbeitet, und vor wenigen Monaten iſt ein kleiner Theil des Hafens ſoweit gereinigt worden daß wieder Linienſchiffe erſter Größe (von 90 bis 100 Kanonen) hier einlaufen können. Glücklicher- weiſe iſt dieſe Reinigung auch in den zurückgezogenſten Theilen des Ha- fens ſoweit gediehen daß die größten Kauffahrteiſchiffe ſich in dieſelben zurückziehen können, um ſich vor den Unfällen zu ſchützen welche bei au- ßerordentlichem Sturmwetter bisher diejenigen Fahrzeuge trafen die ſich in dem der 1500 Meter breiten Einfahrt des Hafens gegenüberliegenden Theile des Hafenbeckens halten mußten. Dieſer durch die ſardiniſche Re- gierung nun nach mehr als 100 Jahren wieder herbeigeführte vortheil- hafte Zuſtand des Haſens wurde hier vollkommen gewürdigt bei dem ſchrecklichen Sturm welcher geſtern das ganze tyrrheniſche Meer in ent- ſetzliches Wogen und Wallen verſetzte, und ſich wegen der ſüdöſtlichen Richtung des Windes über den hieſigen Hafen und die Stadt mit rieſigem Ungeſtüm gegen die wolkenhohen Mauern der nahen Apenninenkette un- ter gräßlichem Knarren und Krachen der Lüfte brach. Noch fehlen alle Nachrichten von dem leider gewiß ſehr ausgedehnten Unheile welches die- ſes Sturmwetter auf der See angerichtet haben muß. Es war dieſes eine von jenen unterſeeiſchen vulcaniſchen Erſchütterungen welche der Italiener mit dem Worte maremoto bezeichnet, und welche in dem tyr- rheniſchen Becken häufiger vorkommen als in irgendeinem andern Theile des mittelländiſchen Meeres, wahrſcheinlich wegen der entzündbaren Ma- terien die ſich in den Eingeweiden der Mutter Erde von Zeit zu Zeit in großen Maſſen gegen die Mündungen der großen Krater des Veſuvs und Aetna’s drängen. Vor vier Jahren fand hier ein ähnliches maremoto ſtatt, welches entſetzliches Unglück auf der offenen See und nicht unbedeu- tenden Schaden im hieſigen Hafen angerichtet hatte, und beſonders dieſen letzten, ſowie die zahlreich darin verſammelten Schiffe zu Grunde zu rich- ten drohte. Damals begab ſich die hieſige Prieſterſchaft mit dem nun verſtorbenen Cardinal-Erzbiſchof von Genua in Proceſſion nach dem gro- ßen Hafendamme, von wo aus der erwähnte Prälat das noch hochbrau- ſende Meer beſchwor ſich in dem ihm vom Schöpfer des Himmels und der Erden angewieſenen Gebiete ruhig und friedlich zu verhalten. Um dieſer Beſchwörung des wüthenden Elements noch größere Wirkſamkeit zu ver- ſchaffen, hatte der Klerus die Aſche des heil. Johannes des Täufers mit ſich geführt. Dieſe Aſche wird in einer großen goldenen Lade von unſchätz- barem Werthe in der hieſigen Kathedrale von San Lorenzo aufbewahrt, und nur in außerordentlichen Nötlen den Augen der Gläubigen enthüllt. Bei dem geſtrigen Ungeſtüm fand eine ſolche Proceſſion nicht ſtatt. Die Schindeln, Schiefer- und Ziegelſteine wirbelten in allen Straßen in ſol- cher Fülle von den Häuſern herab, daß es lebensgefährlich war durch die Straßen zu gehen, während der nun bedeutend entſchlammte Hafen den Schiffen große Sicherheit gewährt. Damals wurden drei Kauffahrer an den Granitwällen des innern Hafens zerſchellt, wogegen geſtern kein einziges Fahrzeug im Hafen mehr als leicht erſetzlichen Schaden litt. Größer war der Schaden welcher die Oliven- und andern Bäume traf von denen viele Hunderte zerſplittert und entäſtet ſtehen, und noch mehr ent- wurzelt auf den mit kaum zwei Fuß Erde bedeckten Bergeshöhen zerſtreut liegen. Trotz der in den Straßen herrſchenden Gefahr von herabſchie- ßenden Dachſteinen verletzt zu werden, war der Andrang zu den zahlrei- chen Kirchen Genua’s geſtern ungemein groß, da in den meiſten derſelben Predigten abgehalten wurden welche die jüngſte Encyclica des Papſtes umſchrieben. Die meiſten der Kanzelredner hielten ſich mit ſehr bemerk- licher Vorliebe an die in jener Schrift befindlichen heftigen Ausfälle ge- gen die Preßfreiheit, und drohten jedem welcher hinfüro Journale der ſchlechten Preſſe leſen ſollte, mit dem Kirchenbann. Schweiz. ** Weſt-Schweiz, Ende Januars. Merkwürdig iſt’s, wie ſich die Seenen des roheſten Radicalismus in den verſchiedenen ihm unterthänigen Kantonen wiederholen, faſt in denſelben gehäſſigen Formen. Er knechtet proteſtantiſche wie katholiſche Länder. Wer erinnert ſich nicht vor zwei Jahren der unwürdigen Mißhandlungen womit die Kranke pflegenden Diakoniſſinnen im waadtländiſchen Echallens nach Druey’s Inſpiration ausgetrieben wurden? Ihren katholiſchen Schweſtern, den Sœurs de charité am Armenhoſpiz zu Pruntrut iſt es vor kurzem ebenſo gegan- gen. Auf Befehl der Berner Regierung verlangte der dortige Präſect Braichet auf brutale Weiſe ihre ſofortige Entfernung aus dem Hoſpiz, aus der Stadt und dem Land. In Begleitung des Maire’s verfügten ſie ſich auf die Präfectur, zeigten ihre franzöſiſchen Päſſe vor und baten zur Vorbereitung für die Reiſe und Ordnung ihrer Angelegenheiten nur um kurze Auſenthaltserlaubniß. Aber dieß wurde ihnen gröblich ab- geſchlagen und dabei vom Präfecten bemerkt: er kenne ſie ſo wenig als die Unterſchrift des franzöſiſchen Miniſters. Dieſe armen Frauen muß- ten des Nachts das Hoſpiz verlaſſen und eine Zuflucht bei guten Leuten ſuchen. Dieß aber war nicht leicht, denn der Präfect verfolgte auch mit Strafen die Einwohner welche den armen Flüchtigen einigen Aufenthalt in ihren Wohnungen gewährten. Er ließ die Namen ſolcher Leute von Gendarmen aufſchreiben, und ſie mußten ihnen dabei ſagen daß ſie zur Belohnung ihrer Gaſtfreiheit 20 Mann Erecution ins Haus bekom- men ſollten. Eine Freiburgerin, die nicht zu den „Schweſtern“ gehörte, aber freundlichen Umgang mit ihnen gehabt hatte, wurde auf Befehl die- ſes Präfecten des Nachts in der Kälte auf einen Karren geſetzt und nach la Chaur-de-Fonds nahe an der franzöſiſchen Gränze gefahren. Warum? Weil man in ihrem Stübchen zwei Altarblumen gefunden hatte, die einer Blumenmacherin zurückgegeben werden ſollten, von der ſie die Schweſtern zum Geſchenk bekommen hatten. Wie es heißt, hat der franzöſiſche Ge- ſandte in Bern Schritte wegen der ſeiner Regierung zugefügten Beleidi- gung gethan. Denkſchrift der griechiſchen Regierung über die Forde- rungen Englands. Das Miniſterium des k. Hauſes und der aus wärtigen Ange- legenheiten. Athen, 29 Nov. 1849. Der unterzeichnete Miniſter des k. Hauſes und der auswärtigen Angelegenheiten hat die Ehre durch Gegenwärtiges dem ſehr ehrenwerthen Thomas Wyſe, bevollmächtigten Miniſter Ihrer Majeſtät der Königin von Großbritannien am griechiſchen Hofe, den Em- pfang der Note zu beſtätigen welche derſelbe an ihn am 19 Jul. d. J. ge- richtet hat, um ihn zu erinnern daß vier Mittheilungen ſeines Vorgängers, Sir Edmund Lyons, an die HH. Zographos, Riſos und Londos, frühere Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, bezüglich auf die Inſeln Cervi und Sapienza, bis jetzt ohne Antwort geblieben wären; insbeſondere die Mittheilung vom 13 März d. J., betreffend den Schiffbruch eines kleinen joniſchen Fahrzeugs bei der Inſel Cervi, an deſſen Bord fünf Perſonen waren die man zur Strafe nach Cerigo transportirt hatte, und die von den griechiſchen Behörden der genannten Inſel waren zurückgehalten worden. Durch ſeine Note vom 27 Oct. 1839 theilte Sir Edmund Lyons dem Miniſterium die Depeſche des Lord Obercommiſſärs Ihrer Maj. der Kö- nigin von Großbritannien auf den joniſchen Inſeln mit, worin Se. Erc. die Inſel Elaphoniſt als zu den vereinigten Staaten der joniſchen Inſeln gehörig, reclamirte. Der Gegenſtand der zweiten Mittheilung des Sir Edmund Lyons, vom 23 Sept. 1841 datirt, war eine Reclamation des Lord Obercommiſſärs gegen die Erklärung in Quarantäne derſelben Inſel durch den Gouverneur von Sparta. In der Note vom 14 Sept. 1843 kündigte die engliſche Geſandtſchaft dem Miniſterium an daß der Lord Obercommiſſär auch die Inſel Sapienza als zu den joniſchen Staaten ge- hörig reclamire. Die vierte Mittheilung des Sir Edmund Lyons war die vom 13 März d. J., welche am Eingang dieſes Schreibens erwähnt wor- den iſt. Der Unterzeichnete beantwortet zugleich die vorhergegangenen Noten des Sir Edmund Lyons, indem er dem gegenwärtigen Schreiben ſeine Antwort auf die letzte Mittheilung des ſehr ehrenwerthen Thomas Wyſe in Betreff der Reclamation der Inſeln Cervi (Elaphoniſi) und Sapienza beifügt, welche die Hauptfrage in allen dieſen Mittheilungen der engliſchen Geſandtſchaft ausmacht. Die Regierung des Königs hat bis jetzt über dieſe Forderung des Lord Obercommiſſärs Stillſchweigen beobachtet, und die Mittheilungen des Sir Edmund Lyons nicht beantwortet, weil der Lord Obercommiſſär

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 9. Februar 1850, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine40_1850/12>, abgerufen am 21.11.2024.