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Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.

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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871.

Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adressiren.
ANZEIGEN werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr, in der Beilage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, mit 9 kr.;
ausserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Austraggeber und der Anhersendung des Betrags in Papiergeld und Briefmarken eine
wortweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Ausschrist, Firma etc. durch sette Lettern ausgezeichnet) um "baar und sranco 4 kr. südd. (auch 7 Nkr. ö. W.,
41/4 Ngr., 15 Cent) für jedes Wort oder Zahl" in der Beilage Aufnahme findet: bezüglich der Collectivanzeige vid. am Schluss der Beilage.

[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Deutschland und die Donaumündungen. Von Franz Maurer. (II.) --
Joseph Hillebrand. (Nekrolog.)
Neuefte Poften. München: Aus der Abgeordnetenkammer. Brüs-
sel:
Baron v. Gerlache. Ventimiglia: Die Unruhen in Nizza.
Die Wahlen.



Telegraphische Berichte.

Die Nationalversammlung wurde heute
Nachmittags 2 Uhr eröffnet. Der Präsident theilt mit daß die Kammer,
wie im Jahre 1849, in 15 Bureaux eingetheilt sei. Die Prüfungen der
Vollmachten würden erfolgen sobald die Umstände es erlauben. Der
Präsident verliest ein Schreiben Garibaldi's, worin es heißt: "Als letzten
der Republik erwiesenen Dienst gieng ich nach Bordeaux, wo die Vertreter
des Landes tagen; allein ich verzichte auf ein Mandat welches verschiedene
Departements mir antrugen." Sodann erklärt Jules Favre Namens
seiner Collegen von Paris und Bordeaux: die Regierung der nationalen
Vertheidigung lege ihre Gewalt in die Hände der Volksvertretung nieder.
"Als wir die Regierungslast," erklärt Favre, "auf uns nahmen, hatten wir
keine andere Absicht, als die Gewalt die wir unter den damaligen Umständen
übernommen hatten, in die Hände der Nationalversammlung zurückzulegen.
Dank dem Patriotismus und der Einigkeit hoffen wir, das Land, belehrt durch
das Unglück, werde gelernt haben seine Klagen zurückzudrängen und werde
die Bedingungen für seine normale Existenz wiederfinden. Wir treten nun-
mehr völlig zurück, und überlassen alles Ihrer Entscheidung; wir erwarten mit
Vertrauen die Bildung einer neuen gesetzmäßigen Gewalt." Favre kündigt
sodann an daß die Minister, um den Gesetzen Achtung zu verschaffen, so lange
auf ihren Posten verbleiben bis eine neue Regierung gebildet sei, er bittet um
die Erlaubniß auf seinen Posten zurückkehren zu dürfen, um die schwierige
und heikle Aufgabe zu erfüllen. Favre schloß folgendermaßen: "Ich erwarte
Ihr Urtheil mit Vertrauen, ich hoffe denjenigen mit welchen wir unterhandeln
mittheilen zu können daß das Land im Stande ist seine Pflicht zu er-
füllen. Der Feind soll wissen daß wir für die Ehre Frankreichs sorgen, er
wird auch wissen daß ganz Frankreich es ist welches gemäß den Bestim-
mungen der Convention nunmehr zu entscheiden hat, ob eine Verlän-
gerung des Waffenstillstandes nothwendig ist. Verlieren wir keinen Au-
genblick, denken wir an die Bedrängnisse unseres vom Feinde besetzten
Landes. Ich hoffe die Regierung kann auf Ihren Beistand zählen um
den nöthigen Aufschub zu erlangen." Lebhafter Beifall.

Garibaldi legte das Commando der
Vogesen-Armee nieder, da seine Mission beendigt sei. Die Regierung
antwortete ihm: daß sie seine Entlassung annehme, indem sie ihm zugleich
im Namen des Landes ihren Dank aussprach. Die Antwort ist unter-
zeichnet von allen Mitgliedern der Regierung.

Weitere Telegramme siehe fünfte Seite.


Deutschland und die Donaumündungen.
II.*)

* Die Mündungsverhältnisse der Donau sind folgende: der nördliche
oder Kilia-Arm führt 17 Siebenundzwanzigstel der Wassermenge ins Meer,
der südliche oder St. Georgs-Arm 8, der Sulina-Arm jedoch nur 2 Sieben-
undzwanzigstel. Dabei ist der letztere durchschnittlich nur 500 Fuß breit,
bei niedrigem Wasserstande bloß 8 bis 9 Fuß tief und vielfältig von kaum
zu beseitigenden Untiefen durchschnitten. Der St. Georgs-Arm hingegen
ist durchschnittlich 1400 Fuß breit und 15 Fuß tief. Er theilt sich bei seinem
Austritt ins Meer in zwei Canäle, in den Olinka- und in den Chidr-illis
(Georgs-) Canal. Durch letztern fließt eine doppelt so große Wassermenge
ins Meer als durch erstern. Die noch günstigern Verhältnisse des Kilia-
[Spaltenumbruch] Arms werden durch vielfältige Gabelung des Stroms paralysirt, stehen
aber bis zum Meere denen des Georgs-Arms nicht nach, durch die neun-
fache Mündung werden sie indessen völlig nutzlos gemacht. Oesterreichs
Ingenieur, der Oberbaurath Wex, wies auf alle diese Verhältnisse in einer
ausgezeichneten Denkschrift hin und plaidirte für die St. Georgs-Mün-
dung, indem er alle Verbesserungen der Sulina nur Nothbehelfe nannte.
Umsonst, sein von Oesterreich auf das wärmste unterstützter Vorschlag fand
nicht die Mehrheit, und man wandte sich der Sulina zu.*) Ob hiebei vor-
wiegend politische Gründe den Ausschlag gaben, oder die Rücksichten auf
die damalige Wasserhöhe der Flußbarren, bleibe dahingestellt. Beiläufig
gesagt, lag die Barre vor der Georgs-Mündung bei niedrigstem Stande 5
bis 61/2 und bei höchstem 6 bis 7 Fuß unter Wasser, die vor der Sulina
9 bis 101/2, resp. 10 bis 101/2 Fuß und die vor der Stambuler Kilia-
Mündung 4 Fuß, während die Otschakower 6 Fuß zeigte. Die Barre bei
Chidr-illis entstand in Folge von Hochwasser vor 70 Jahren, die vor der
Sulina erst seitdem Rußland seine verderbende Hand darauf gelegt hatte.
Zur türkischen Zeit mußte jedes auslaufende Schiff eine Harke zur Auf-
lockerung anhängen, und trotz dieses primitiven Mittels blieb die Mündung
offen.

Auch hinsichtlich der Stromrichtung ist der Sulina-Arm ungünstiger
als die beiden andern ausgestattet. Von der Mündung kommt man zu-
nächst in die Tschibukly-Tschatal, oder Rohr-Gabelung, die 2 Meilen in
westlicher Richtung zu verfolgen ist, worauf sie bei der Tschamurly-Tschatal,
oder schmutzigen Gabelung, scharf nach Norden wendet und erst nach dem
Laufe von einer Meile Länge wieder nach Südwesten geht, um mit der
Batmyschkawak-Tschatal (versunkene Pappel-Gabelung) und der Lodos-
Tschatal (Südwind-Gabelung) ein riesiges M zu bilden, dessen nach Norden
streichende Linien bei dem vorherrschenden Nordostwinde den stromauf-
wärtsfahrenden Seglern fast die Fahrt unmöglich machen, zumal ein La-
viren in dem engen Graben nicht stattfinden kann. Der Kilia-Arm hat
solche scharfe Wendungen nicht, der St. Georgs-Arm hingegen weist deren
mehrere auf, doch bilden sie bei ihm so geschweifte und an der Basis
zusammengezogene Schleifen, daß man mittelst vier 1 Viertelsmeile langer
Durchstiche den ganzen Stromlauf um ungefähr 3 Meilen in seiner Länge
verkürzen könnte, was bekanntlich eine starke Vermehrung der Strömungs-
geschwindigkeit und verminderte Verschlammung zur Folge hätte. Ueber-
dieß ist die Richtung des Armes eine südöstliche, so daß die stromaufwärts
fahrenden Schiffe den herrschenden Wind in der günstigsten Weise seit-
wärts haben. Alle diese Vortheile hatten Wex, Nobiling und Pasetti schon
geltend gemacht, aber ohne Gehör zu finden.

So steht es mit den Ursachen der geringen Erfolge der Donauregu-
lirung, die bald gleich Null sein werden. Man hat sich verrannt, und sollte
froh sein daß die politischen Ereignisse ein Aufgeben der unnützen Position
mit Ehren ermöglichen. Will sich die Türkei zur alleinigen Unterhaltung
des Geschaffenen verpflichten, d. h. durch Hinterlegung einer Caution, dann
nehme man das Anerbieten an. Ehe man indessen zu neuen Experimenten
auf gemeinsame Kosten schreitet, warte man ab was Rumänien an der
Kilia-Mündung auf eigene Hand (mit Hülfe europäischer Capitalien) aus-
zuführen im Begriffe steht. Vor einigen Jahren trat nämlich der französi-
sche Prof. Desjardin mit dem Project hervor einen 12 Kilometer langen
Schleusencanal vom Orte Wilkow (nahe der Kilia-Mündung) nach der
Dschibriani-Bucht zu graben, die nördlich von den vor der genannten Mün-
dung angeschwemmten Inseln liegt. In der Bucht sollte der Hafen sein,
dem man jedenfalls durch einen langen Wogenbrecher (breakwater) eine
gesicherte Rhede geben würde. Die rumänische Regierung interessirte sich
sehr für dieses Project, die Donaucommission wies es jedoch sehr kurz zu-
rück, worauf Desjardin in einer ausführlichen Schrift alle Blößen der
Sulinaregulirung aufdeckte. Nunmehr ist sein Project auf Betreiben der
rumänischen Regierung der Verwirklichung nahe getreten, indem vor einiger
Zeit der bekannte Unternehmer Dr. Strousberg die Sache in die Hand
nahm. Der Krieg und die nichtsnutzigen Rechtsverhältnisse Rumäniens

*) S. Allg. Ztg. Nr. 44.
*) Zur Orientirung sei hier auf die Kiepert'sche Karte vom Donau-Delta ver-
wiesen (bei Reimer in Berlin ersch enen), die alle neueren Messungen und
Ermittelungen sowie die Ergebnisse der Untersuchungen des hervorragenden
Geognosten K. F. Peters enthält. D. E.

Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871.

Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.

Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſiren.
ANZEIGEN werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr, in der Beilage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, mit 9 kr.;
ausserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Auſtraggeber und der Anhersendung des Betrags in Papiergeld und Briefmarken eine
wortweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Auſschriſt, Firma etc. durch ſette Lettern ausgezeichnet) um „baar und ſranco 4 kr. ſüdd. (auch 7 Nkr. ö. W.,
4¼ Ngr., 15 Cent) für jedes Wort oder Zahl“ in der Beilage Aufnahme findet: bezüglich der Collectivanzeige vid. am Schluss der Beilage.

[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Deutſchland und die Donaumündungen. Von Franz Maurer. (II.) —
Joſeph Hillebrand. (Nekrolog.)
Neuefte Poften. München: Aus der Abgeordnetenkammer. Brüſ-
ſel:
Baron v. Gerlache. Ventimiglia: Die Unruhen in Nizza.
Die Wahlen.



Telegraphiſche Berichte.

Die Nationalverſammlung wurde heute
Nachmittags 2 Uhr eröffnet. Der Präſident theilt mit daß die Kammer,
wie im Jahre 1849, in 15 Bureaux eingetheilt ſei. Die Prüfungen der
Vollmachten würden erfolgen ſobald die Umſtände es erlauben. Der
Präſident verliest ein Schreiben Garibaldi’s, worin es heißt: „Als letzten
der Republik erwieſenen Dienſt gieng ich nach Bordeaux, wo die Vertreter
des Landes tagen; allein ich verzichte auf ein Mandat welches verſchiedene
Departements mir antrugen.“ Sodann erklärt Jules Favre Namens
ſeiner Collegen von Paris und Bordeaux: die Regierung der nationalen
Vertheidigung lege ihre Gewalt in die Hände der Volksvertretung nieder.
„Als wir die Regierungslaſt,“ erklärt Favre, „auf uns nahmen, hatten wir
keine andere Abſicht, als die Gewalt die wir unter den damaligen Umſtänden
übernommen hatten, in die Hände der Nationalverſammlung zurückzulegen.
Dank dem Patriotismus und der Einigkeit hoffen wir, das Land, belehrt durch
das Unglück, werde gelernt haben ſeine Klagen zurückzudrängen und werde
die Bedingungen für ſeine normale Exiſtenz wiederfinden. Wir treten nun-
mehr völlig zurück, und überlaſſen alles Ihrer Entſcheidung; wir erwarten mit
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ſodann an daß die Miniſter, um den Geſetzen Achtung zu verſchaffen, ſo lange
auf ihren Poſten verbleiben bis eine neue Regierung gebildet ſei, er bittet um
die Erlaubniß auf ſeinen Poſten zurückkehren zu dürfen, um die ſchwierige
und heikle Aufgabe zu erfüllen. Favre ſchloß folgendermaßen: „Ich erwarte
Ihr Urtheil mit Vertrauen, ich hoffe denjenigen mit welchen wir unterhandeln
mittheilen zu können daß das Land im Stande iſt ſeine Pflicht zu er-
füllen. Der Feind ſoll wiſſen daß wir für die Ehre Frankreichs ſorgen, er
wird auch wiſſen daß ganz Frankreich es iſt welches gemäß den Beſtim-
mungen der Convention nunmehr zu entſcheiden hat, ob eine Verlän-
gerung des Waffenſtillſtandes nothwendig iſt. Verlieren wir keinen Au-
genblick, denken wir an die Bedrängniſſe unſeres vom Feinde beſetzten
Landes. Ich hoffe die Regierung kann auf Ihren Beiſtand zählen um
den nöthigen Aufſchub zu erlangen.“ Lebhafter Beifall.

Garibaldi legte das Commando der
Vogeſen-Armee nieder, da ſeine Miſſion beendigt ſei. Die Regierung
antwortete ihm: daß ſie ſeine Entlaſſung annehme, indem ſie ihm zugleich
im Namen des Landes ihren Dank ausſprach. Die Antwort iſt unter-
zeichnet von allen Mitgliedern der Regierung.

Weitere Telegramme ſiehe fünfte Seite.


Deutſchland und die Donaumündungen.
II.*)

* Die Mündungsverhältniſſe der Donau ſind folgende: der nördliche
oder Kilia-Arm führt 17 Siebenundzwanzigſtel der Waſſermenge ins Meer,
der ſüdliche oder St. Georgs-Arm 8, der Sulina-Arm jedoch nur 2 Sieben-
undzwanzigſtel. Dabei iſt der letztere durchſchnittlich nur 500 Fuß breit,
bei niedrigem Waſſerſtande bloß 8 bis 9 Fuß tief und vielfältig von kaum
zu beſeitigenden Untiefen durchſchnitten. Der St. Georgs-Arm hingegen
iſt durchſchnittlich 1400 Fuß breit und 15 Fuß tief. Er theilt ſich bei ſeinem
Austritt ins Meer in zwei Canäle, in den Olinka- und in den Chidr-illis
(Georgs-) Canal. Durch letztern fließt eine doppelt ſo große Waſſermenge
ins Meer als durch erſtern. Die noch günſtigern Verhältniſſe des Kilia-
[Spaltenumbruch] Arms werden durch vielfältige Gabelung des Stroms paralyſirt, ſtehen
aber bis zum Meere denen des Georgs-Arms nicht nach, durch die neun-
fache Mündung werden ſie indeſſen völlig nutzlos gemacht. Oeſterreichs
Ingenieur, der Oberbaurath Wex, wies auf alle dieſe Verhältniſſe in einer
ausgezeichneten Denkſchrift hin und plaidirte für die St. Georgs-Mün-
dung, indem er alle Verbeſſerungen der Sulina nur Nothbehelfe nannte.
Umſonſt, ſein von Oeſterreich auf das wärmſte unterſtützter Vorſchlag fand
nicht die Mehrheit, und man wandte ſich der Sulina zu.*) Ob hiebei vor-
wiegend politiſche Gründe den Ausſchlag gaben, oder die Rückſichten auf
die damalige Waſſerhöhe der Flußbarren, bleibe dahingeſtellt. Beiläufig
geſagt, lag die Barre vor der Georgs-Mündung bei niedrigſtem Stande 5
bis 6½ und bei höchſtem 6 bis 7 Fuß unter Waſſer, die vor der Sulina
9 bis 10½, reſp. 10 bis 10½ Fuß und die vor der Stambuler Kilia-
Mündung 4 Fuß, während die Otſchakower 6 Fuß zeigte. Die Barre bei
Chidr-illis entſtand in Folge von Hochwaſſer vor 70 Jahren, die vor der
Sulina erſt ſeitdem Rußland ſeine verderbende Hand darauf gelegt hatte.
Zur türkiſchen Zeit mußte jedes auslaufende Schiff eine Harke zur Auf-
lockerung anhängen, und trotz dieſes primitiven Mittels blieb die Mündung
offen.

Auch hinſichtlich der Stromrichtung iſt der Sulina-Arm ungünſtiger
als die beiden andern ausgeſtattet. Von der Mündung kommt man zu-
nächſt in die Tſchibukly-Tſchatal, oder Rohr-Gabelung, die 2 Meilen in
weſtlicher Richtung zu verfolgen iſt, worauf ſie bei der Tſchamurly-Tſchatal,
oder ſchmutzigen Gabelung, ſcharf nach Norden wendet und erſt nach dem
Laufe von einer Meile Länge wieder nach Südweſten geht, um mit der
Batmyſchkawak-Tſchatal (verſunkene Pappel-Gabelung) und der Lodos-
Tſchatal (Südwind-Gabelung) ein rieſiges M zu bilden, deſſen nach Norden
ſtreichende Linien bei dem vorherrſchenden Nordoſtwinde den ſtromauf-
wärtsfahrenden Seglern faſt die Fahrt unmöglich machen, zumal ein La-
viren in dem engen Graben nicht ſtattfinden kann. Der Kilia-Arm hat
ſolche ſcharfe Wendungen nicht, der St. Georgs-Arm hingegen weist deren
mehrere auf, doch bilden ſie bei ihm ſo geſchweifte und an der Baſis
zuſammengezogene Schleifen, daß man mittelſt vier 1 Viertelsmeile langer
Durchſtiche den ganzen Stromlauf um ungefähr 3 Meilen in ſeiner Länge
verkürzen könnte, was bekanntlich eine ſtarke Vermehrung der Strömungs-
geſchwindigkeit und verminderte Verſchlammung zur Folge hätte. Ueber-
dieß iſt die Richtung des Armes eine ſüdöſtliche, ſo daß die ſtromaufwärts
fahrenden Schiffe den herrſchenden Wind in der günſtigſten Weiſe ſeit-
wärts haben. Alle dieſe Vortheile hatten Wex, Nobiling und Paſetti ſchon
geltend gemacht, aber ohne Gehör zu finden.

So ſteht es mit den Urſachen der geringen Erfolge der Donauregu-
lirung, die bald gleich Null ſein werden. Man hat ſich verrannt, und ſollte
froh ſein daß die politiſchen Ereigniſſe ein Aufgeben der unnützen Poſition
mit Ehren ermöglichen. Will ſich die Türkei zur alleinigen Unterhaltung
des Geſchaffenen verpflichten, d. h. durch Hinterlegung einer Caution, dann
nehme man das Anerbieten an. Ehe man indeſſen zu neuen Experimenten
auf gemeinſame Koſten ſchreitet, warte man ab was Rumänien an der
Kilia-Mündung auf eigene Hand (mit Hülfe europäiſcher Capitalien) aus-
zuführen im Begriffe ſteht. Vor einigen Jahren trat nämlich der franzöſi-
ſche Prof. Desjardin mit dem Project hervor einen 12 Kilometer langen
Schleuſencanal vom Orte Wilkow (nahe der Kilia-Mündung) nach der
Dſchibriani-Bucht zu graben, die nördlich von den vor der genannten Mün-
dung angeſchwemmten Inſeln liegt. In der Bucht ſollte der Hafen ſein,
dem man jedenfalls durch einen langen Wogenbrecher (breakwater) eine
geſicherte Rhede geben würde. Die rumäniſche Regierung intereſſirte ſich
ſehr für dieſes Project, die Donaucommiſſion wies es jedoch ſehr kurz zu-
rück, worauf Desjardin in einer ausführlichen Schrift alle Blößen der
Sulinaregulirung aufdeckte. Nunmehr iſt ſein Project auf Betreiben der
rumäniſchen Regierung der Verwirklichung nahe getreten, indem vor einiger
Zeit der bekannte Unternehmer Dr. Strousberg die Sache in die Hand
nahm. Der Krieg und die nichtsnutzigen Rechtsverhältniſſe Rumäniens

*) S. Allg. Ztg. Nr. 44.
*) Zur Orientirung ſei hier auf die Kiepert’ſche Karte vom Donau-Delta ver-
wieſen (bei Reimer in Berlin erſch enen), die alle neueren Meſſungen und
Ermittelungen ſowie die Ergebniſſe der Unterſuchungen des hervorragenden
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[0009] Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nr. 46. Mittwoch, 15 Februar 1871. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſiren. ANZEIGEN werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr, in der Beilage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, mit 9 kr.; ausserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Auſtraggeber und der Anhersendung des Betrags in Papiergeld und Briefmarken eine wortweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Auſschriſt, Firma etc. durch ſette Lettern ausgezeichnet) um „baar und ſranco 4 kr. ſüdd. (auch 7 Nkr. ö. W., 4¼ Ngr., 15 Cent) für jedes Wort oder Zahl“ in der Beilage Aufnahme findet: bezüglich der Collectivanzeige vid. am Schluss der Beilage. Ueberſicht. Deutſchland und die Donaumündungen. Von Franz Maurer. (II.) — Joſeph Hillebrand. (Nekrolog.) Neuefte Poften. München: Aus der Abgeordnetenkammer. Brüſ- ſel: Baron v. Gerlache. Ventimiglia: Die Unruhen in Nizza. Die Wahlen. Telegraphiſche Berichte. * Bordeaux, 13 Febr. Die Nationalverſammlung wurde heute Nachmittags 2 Uhr eröffnet. Der Präſident theilt mit daß die Kammer, wie im Jahre 1849, in 15 Bureaux eingetheilt ſei. Die Prüfungen der Vollmachten würden erfolgen ſobald die Umſtände es erlauben. Der Präſident verliest ein Schreiben Garibaldi’s, worin es heißt: „Als letzten der Republik erwieſenen Dienſt gieng ich nach Bordeaux, wo die Vertreter des Landes tagen; allein ich verzichte auf ein Mandat welches verſchiedene Departements mir antrugen.“ Sodann erklärt Jules Favre Namens ſeiner Collegen von Paris und Bordeaux: die Regierung der nationalen Vertheidigung lege ihre Gewalt in die Hände der Volksvertretung nieder. „Als wir die Regierungslaſt,“ erklärt Favre, „auf uns nahmen, hatten wir keine andere Abſicht, als die Gewalt die wir unter den damaligen Umſtänden übernommen hatten, in die Hände der Nationalverſammlung zurückzulegen. Dank dem Patriotismus und der Einigkeit hoffen wir, das Land, belehrt durch das Unglück, werde gelernt haben ſeine Klagen zurückzudrängen und werde die Bedingungen für ſeine normale Exiſtenz wiederfinden. Wir treten nun- mehr völlig zurück, und überlaſſen alles Ihrer Entſcheidung; wir erwarten mit Vertrauen die Bildung einer neuen geſetzmäßigen Gewalt.“ Favre kündigt ſodann an daß die Miniſter, um den Geſetzen Achtung zu verſchaffen, ſo lange auf ihren Poſten verbleiben bis eine neue Regierung gebildet ſei, er bittet um die Erlaubniß auf ſeinen Poſten zurückkehren zu dürfen, um die ſchwierige und heikle Aufgabe zu erfüllen. Favre ſchloß folgendermaßen: „Ich erwarte Ihr Urtheil mit Vertrauen, ich hoffe denjenigen mit welchen wir unterhandeln mittheilen zu können daß das Land im Stande iſt ſeine Pflicht zu er- füllen. Der Feind ſoll wiſſen daß wir für die Ehre Frankreichs ſorgen, er wird auch wiſſen daß ganz Frankreich es iſt welches gemäß den Beſtim- mungen der Convention nunmehr zu entſcheiden hat, ob eine Verlän- gerung des Waffenſtillſtandes nothwendig iſt. Verlieren wir keinen Au- genblick, denken wir an die Bedrängniſſe unſeres vom Feinde beſetzten Landes. Ich hoffe die Regierung kann auf Ihren Beiſtand zählen um den nöthigen Aufſchub zu erlangen.“ Lebhafter Beifall. * Bordeaux, 13 Febr. Garibaldi legte das Commando der Vogeſen-Armee nieder, da ſeine Miſſion beendigt ſei. Die Regierung antwortete ihm: daß ſie ſeine Entlaſſung annehme, indem ſie ihm zugleich im Namen des Landes ihren Dank ausſprach. Die Antwort iſt unter- zeichnet von allen Mitgliedern der Regierung. Weitere Telegramme ſiehe fünfte Seite. Deutſchland und die Donaumündungen. II. *) Von Franz Maurer. * Die Mündungsverhältniſſe der Donau ſind folgende: der nördliche oder Kilia-Arm führt 17 Siebenundzwanzigſtel der Waſſermenge ins Meer, der ſüdliche oder St. Georgs-Arm 8, der Sulina-Arm jedoch nur 2 Sieben- undzwanzigſtel. Dabei iſt der letztere durchſchnittlich nur 500 Fuß breit, bei niedrigem Waſſerſtande bloß 8 bis 9 Fuß tief und vielfältig von kaum zu beſeitigenden Untiefen durchſchnitten. Der St. Georgs-Arm hingegen iſt durchſchnittlich 1400 Fuß breit und 15 Fuß tief. Er theilt ſich bei ſeinem Austritt ins Meer in zwei Canäle, in den Olinka- und in den Chidr-illis (Georgs-) Canal. Durch letztern fließt eine doppelt ſo große Waſſermenge ins Meer als durch erſtern. Die noch günſtigern Verhältniſſe des Kilia- Arms werden durch vielfältige Gabelung des Stroms paralyſirt, ſtehen aber bis zum Meere denen des Georgs-Arms nicht nach, durch die neun- fache Mündung werden ſie indeſſen völlig nutzlos gemacht. Oeſterreichs Ingenieur, der Oberbaurath Wex, wies auf alle dieſe Verhältniſſe in einer ausgezeichneten Denkſchrift hin und plaidirte für die St. Georgs-Mün- dung, indem er alle Verbeſſerungen der Sulina nur Nothbehelfe nannte. Umſonſt, ſein von Oeſterreich auf das wärmſte unterſtützter Vorſchlag fand nicht die Mehrheit, und man wandte ſich der Sulina zu. *) Ob hiebei vor- wiegend politiſche Gründe den Ausſchlag gaben, oder die Rückſichten auf die damalige Waſſerhöhe der Flußbarren, bleibe dahingeſtellt. Beiläufig geſagt, lag die Barre vor der Georgs-Mündung bei niedrigſtem Stande 5 bis 6½ und bei höchſtem 6 bis 7 Fuß unter Waſſer, die vor der Sulina 9 bis 10½, reſp. 10 bis 10½ Fuß und die vor der Stambuler Kilia- Mündung 4 Fuß, während die Otſchakower 6 Fuß zeigte. Die Barre bei Chidr-illis entſtand in Folge von Hochwaſſer vor 70 Jahren, die vor der Sulina erſt ſeitdem Rußland ſeine verderbende Hand darauf gelegt hatte. Zur türkiſchen Zeit mußte jedes auslaufende Schiff eine Harke zur Auf- lockerung anhängen, und trotz dieſes primitiven Mittels blieb die Mündung offen. Auch hinſichtlich der Stromrichtung iſt der Sulina-Arm ungünſtiger als die beiden andern ausgeſtattet. Von der Mündung kommt man zu- nächſt in die Tſchibukly-Tſchatal, oder Rohr-Gabelung, die 2 Meilen in weſtlicher Richtung zu verfolgen iſt, worauf ſie bei der Tſchamurly-Tſchatal, oder ſchmutzigen Gabelung, ſcharf nach Norden wendet und erſt nach dem Laufe von einer Meile Länge wieder nach Südweſten geht, um mit der Batmyſchkawak-Tſchatal (verſunkene Pappel-Gabelung) und der Lodos- Tſchatal (Südwind-Gabelung) ein rieſiges M zu bilden, deſſen nach Norden ſtreichende Linien bei dem vorherrſchenden Nordoſtwinde den ſtromauf- wärtsfahrenden Seglern faſt die Fahrt unmöglich machen, zumal ein La- viren in dem engen Graben nicht ſtattfinden kann. Der Kilia-Arm hat ſolche ſcharfe Wendungen nicht, der St. Georgs-Arm hingegen weist deren mehrere auf, doch bilden ſie bei ihm ſo geſchweifte und an der Baſis zuſammengezogene Schleifen, daß man mittelſt vier 1 Viertelsmeile langer Durchſtiche den ganzen Stromlauf um ungefähr 3 Meilen in ſeiner Länge verkürzen könnte, was bekanntlich eine ſtarke Vermehrung der Strömungs- geſchwindigkeit und verminderte Verſchlammung zur Folge hätte. Ueber- dieß iſt die Richtung des Armes eine ſüdöſtliche, ſo daß die ſtromaufwärts fahrenden Schiffe den herrſchenden Wind in der günſtigſten Weiſe ſeit- wärts haben. Alle dieſe Vortheile hatten Wex, Nobiling und Paſetti ſchon geltend gemacht, aber ohne Gehör zu finden. So ſteht es mit den Urſachen der geringen Erfolge der Donauregu- lirung, die bald gleich Null ſein werden. Man hat ſich verrannt, und ſollte froh ſein daß die politiſchen Ereigniſſe ein Aufgeben der unnützen Poſition mit Ehren ermöglichen. Will ſich die Türkei zur alleinigen Unterhaltung des Geſchaffenen verpflichten, d. h. durch Hinterlegung einer Caution, dann nehme man das Anerbieten an. Ehe man indeſſen zu neuen Experimenten auf gemeinſame Koſten ſchreitet, warte man ab was Rumänien an der Kilia-Mündung auf eigene Hand (mit Hülfe europäiſcher Capitalien) aus- zuführen im Begriffe ſteht. Vor einigen Jahren trat nämlich der franzöſi- ſche Prof. Desjardin mit dem Project hervor einen 12 Kilometer langen Schleuſencanal vom Orte Wilkow (nahe der Kilia-Mündung) nach der Dſchibriani-Bucht zu graben, die nördlich von den vor der genannten Mün- dung angeſchwemmten Inſeln liegt. In der Bucht ſollte der Hafen ſein, dem man jedenfalls durch einen langen Wogenbrecher (breakwater) eine geſicherte Rhede geben würde. Die rumäniſche Regierung intereſſirte ſich ſehr für dieſes Project, die Donaucommiſſion wies es jedoch ſehr kurz zu- rück, worauf Desjardin in einer ausführlichen Schrift alle Blößen der Sulinaregulirung aufdeckte. Nunmehr iſt ſein Project auf Betreiben der rumäniſchen Regierung der Verwirklichung nahe getreten, indem vor einiger Zeit der bekannte Unternehmer Dr. Strousberg die Sache in die Hand nahm. Der Krieg und die nichtsnutzigen Rechtsverhältniſſe Rumäniens *) S. Allg. Ztg. Nr. 44. *) Zur Orientirung ſei hier auf die Kiepert’ſche Karte vom Donau-Delta ver- wieſen (bei Reimer in Berlin erſch enen), die alle neueren Meſſungen und Ermittelungen ſowie die Ergebniſſe der Unterſuchungen des hervorragenden Geognoſten K. F. Peters enthält. D. E.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871/9>, abgerufen am 23.11.2024.