Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.[Spaltenumbruch]
Preßgesetzes mit diesen Ständen aufheben. -- Endlich ist dieß Ziel also: I. Bekanntmachung. Die Stimmen welche sich hier und da Dresden, 8 März. Die Landtagsabgeordneten Joseph und ** Dresden, 8 März. Wir befinden uns in einer Krisis unserer * Bremen, 7 März. Wenn Sie lesen sollten daß gestern Bremen, 8 März. Die Petition ist heute dem Senat über- [Spaltenumbruch]
Preßgeſetzes mit dieſen Ständen aufheben. — Endlich iſt dieß Ziel alſo: I. Bekanntmachung. Die Stimmen welche ſich hier und da Dresden, 8 März. Die Landtagsabgeordneten Joſeph und ** Dresden, 8 März. Wir befinden uns in einer Kriſis unſerer * Bremen, 7 März. Wenn Sie leſen ſollten daß geſtern Bremen, 8 März. Die Petition iſt heute dem Senat über- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div type="jArticle" n="5"> <p><pb facs="#f0018"/><cb/> Preßgeſetzes mit dieſen Ständen aufheben. — Endlich iſt dieß Ziel alſo:<lb/> auch in Sachſen errungen. Aber damit iſt doch noch keine Befriedigung<lb/> eingetreten. Denn noch ſtehen fünf verhaßte Miniſter in ihren Stel-<lb/> lungen; noch kein Beſcheid über die Frage des Verſammlungsrechtes,<lb/> endlich ein außerordentlicher Landtag, deſſen Competenz bekanntlich ſchon<lb/> im vorigen Jahre ſchweren Zweifeln unterworfen wurde.</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Bekanntmachung.</hi> Die Stimmen welche ſich hier und da<lb/> gegen die bisherige Wirkſamkeit der unterzeichneten Staatsminiſter er-<lb/> hoben, gaben denſelben Veranlaſſung Sr. Maj. dem König ſchon vor<lb/> mehreren Tagen und heute wiederholt ihre Entlaſſung anheimzugeben.<lb/> Se. Maj. der König haben aber Anſtand genommen ſelbige anzunehmen,<lb/> vielmehr die <hi rendition="#g">ſofortige Einberufung eines außerordentlichen<lb/> Landtags für den</hi> 20 d. M. zu befehlen geruht, damit ſogleich bei<lb/> deſſen Beginn darüber Gewißheit erlangt werde, ob das geſammte Land<lb/> die obgedachte Meinung theile. Dieſem Landtage wird dann auch das<lb/> erforderliche Geſetz über Einführung der durch die Verfaſſungsurkunde<lb/> zugeſicherten Preßfreiheit vorgelegt werden. Se Maj. der König er-<lb/> warten und hoffen daß nach dieſer auf allerhöchſten Befehl eröffneten<lb/> Entſchließung von jeden weitern Vorſchritten abgeſtanden und überall<lb/> Ruhe und Ordnung erhalten werden wird. Dresden, 9 März 1848.<lb/> Die Staatsminiſter: v. Könneritz, v. Zeſchau, v. Wietersheim, v. Carlo-<lb/> witz, v. Oppell. — <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#g">Verordnung an die Kreisdirectionen.</hi><lb/> Das Miniſterium des Innern hat beſchloſſen daß die Cenſur von jetzt an<lb/> bis zum 15 k. M. aufgehoben ſeyn ſoll, dafern nicht ſchon früher eine<lb/> Vereinbarung mit dem zum 20 d. M. einberufenen außerordentlichen<lb/> Landtage wegen des zu erlaſſenden Preßgeſetzes eintritt. Dieſe Verord-<lb/> nung iſt ſchleunigſt zu veröffentlichen. Dresden, 9 März 1848. Mini-<lb/> ſterium des Innern. In deſſen interimiſtiſcher Verwaltung <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Zſchinsky.</p> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 8 März.</dateline> <p>Die Landtagsabgeordneten Joſeph und<lb/> Schaffrath haben am 3 eine Vorſtellung an den König gerichtet, in<lb/> welcher ſie Preßfreiheit, Gewiſſensfreiheit, Schwurgerichte, erweitertes<lb/> Wahlrecht u. ſ. w. auf das dringendſte und offenſte bevorworten.<lb/> Heute wird von den hieſigen Bürgern und Einwohnern eine Adreſſe<lb/> an den König zu unterzeichnen begonnen, welche auf zehn Punkte an-<lb/> trägt. Daneben wird eine Dankadreſſe an die Leipziger unterzeichnet.<lb/> Aehnliche Kundgebungen treten im ganzen Lande hervor. Nicht über-<lb/> all iſt man ſo zaghaft wie der Tharander Stadtrath, „der den König<lb/> in dieſer ſorgenſchweren Zeit nicht auch noch mit einer Adreſſe be-<lb/> helligen will.“ Vielleicht übt die Einſtimmigkeit des Landes in ſeinen<lb/> Adreſſen einen moraliſchen Einfluß auf den König aus, der bis jetzt<lb/> fehlte. Den Abgeordneten der ſechs Städte Zwickau, Werdau u. ſ. w.,<lb/> bemerkte der König heut als ſie ihm ihre Adreſſen übergaben: <cit><quote>„Ich<lb/> muß Sie auf meine öffentliche Bekanntmachung verweiſen, ich werde<lb/> die Verlangen welche billigen, beſcheidenen Wünſchen entſprechen, dem<lb/> nächſten Landtage vorlegen.“</quote></cit> Darauf antwortete Bürgermeiſter Schwed-<lb/> ler von Meerane: <cit><quote>„Majeſtät! Sie erlauben“</quote></cit> — — wurde aber von<lb/> dem König mit den Worten unterbrochen: <cit><quote>„nein, nein, nein, nein!<lb/> unbillige Wünſche werde ich nicht bérückſichtigen. Ich kann mich mit<lb/> Ihnen nicht in Discuſſion einlaſſen; ich habe Ihnen nichts zu ſagen<lb/> als: Leben Sie wohl.“</quote></cit> Noch einmal nahm Hr. Bürgermeiſter Schwed-<lb/> ter das Wort: <cit><quote>„Majeſtät! entlaſſen Sie uns nicht ohne alle Zuſagen;“</quote></cit><lb/> erhielt aber ſogleich dieſelbe Antwort: <cit><quote>„Ich habe Ihnen weiter nichts<lb/> zu ſagen als: Leben Sie wohl.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline>** <hi rendition="#b">Dresden,</hi> 8 März.</dateline> <p>Wir befinden uns in einer Kriſis unſerer<lb/> politiſchen Entwicklung, die allerdings länger dauert als im Intereſſe der<lb/> jetzt beſonders ſo nothwendigen Einheit zwiſchen der Regierung und dem<lb/> Volke zu wünſchen iſt. Die Proclamation des Königs hat keine bedeu-<lb/> tende Wirkung gehabt, da ſie in ihrer allgemeinen Haltung gar zu ver-<lb/> ſchieden iſt von den beſtimmten Erklärungen der Regierungen in Würt-<lb/> temberg, Baden, Heſſen und andern deutſchen Ländern. Heute ward<lb/> hier in aller Ruhe eine Bürgerverſammlung gehalten, in welcher die<lb/> Wünſche der Dresdner Bürger berathen wurden. Sie ſollen der Staats-<lb/> regierung mitgetheilt und die Miniſter, aufgefordert werden, wenn die<lb/> Erfüllung dieſer Wünſche ihren Ueberzeugungen widerſprechen ſollte,<lb/> durch freiwilligen Rücktritt das geſetzliche Zuſtandekommen zeitgemäßer<lb/> Reformen zu ermöglichen. Wenn auch dieſe Wünſche hier ziemlich all-<lb/> gemeinen Anklang finden, ſo tritt bis jetzt doch nur eine kleine Anzahl<lb/> von Bürgern öffentlich dafür auf, während die Oppoſition in Leipzig<lb/> allgemein iſt. Eine Deputation von Zwickau und fünf andern Commu-<lb/> nen des Landes mit einer der Leipziger ähnlichen Petition iſt, wie ver-<lb/> lautet, vom König ungnädig aufgenommen worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline>* <hi rendition="#b">Bremen,</hi> 7 März.</dateline> <p>Wenn Sie leſen ſollten daß geſtern<lb/> Abend bei uns „ernſte Unruhen“ ausgebrochen ſind, ſo dürfen Sie zu-<lb/><cb/> verſichtlich glauben daß dieſe ernſten Unruhen nichts weiter waren als<lb/> der Faßnachtsſpektakel einer Anzahl ſtark „inſpirirter“ Arbeiter, welche<lb/> in Begleitung der nie und nirgend fehlenden wohllöblichen Straßen-<lb/> jugend ihren revolutionären Enthuſiasmus gegen die hieſige Thorſperre<lb/> kehrten, und in der That durch muthiges Bekämpfen der zwei Sperr-<lb/> gelderheber an einem der Thore für die Nacht freien Durchgang er-<lb/> zwangen. Dabei wurden denn freilich an einigen Häuſern in der Stadt<lb/> und am Walle Fenſter eingeworfen. Man war einmal im Zuge, und<lb/> Fenſtereinwerfen gehört zu unſerer „Revolutionen.“ Indeſſen wurde doch<lb/> das hieſige geworbene Militär, die ſogenannten „Hanſeaten“, zurückgezo-<lb/> gen und die Bürgerwehr zuſammenberufen um ernſtlichern Folgen die-<lb/> ſes Krawalls rechtzeitig zu begegnen. Daß die Gaſſenjugend bei dieſem<lb/> Treiben zuweilen „es lebe die Republik!“ „es lebe die Reform!“ rief,<lb/> vervollſtändigt den Charakter einer Volksſcene wo der ideale Schwung<lb/> fehlt, und wo, wie <hi rendition="#g">Heine</hi> vor 16 Jahren ſagte, „nicht die Schrift-<lb/> ſteller das Volk verleitet haben eine Erklärung der Menſchenrechte zu<lb/> verlangen, ſondern wo man eine Revolution macht, um keine Thor-<lb/> ſperre zu bezahlen,“ ... Indeſſen ganz ohne ernſthafte Regung zur<lb/> Reform ſcheint doch auch unſer Freiſtaat nicht bleiben zu ſollen. Dem<lb/> Vernehmen nach wird heute Abend eine Verſammlung von Bürgern<lb/> ſtattfinden, welche eine Adreſſe an den Senat in dieſem Sinne beſchlie-<lb/> ßen will. Dieſe Verſammlung wird ſich an den vor etwa acht Wochen<lb/> hier geſtifteten Bürgerverein anſchließen, eine Geſellſchaft welche als<lb/> ihren Zweck die theoretiſche Förderung eines tüchtigen Bürgerthums<lb/> ausgeſprochen hat. Dieſe Verſammlung will eine Petition einreichen<lb/> des Inhalts: die bisherige ariſtokratiſche Verfaſſung auf demokratiſchen<lb/> Grundlagen neu zu geſtalten. Preßfreiheit — welche hier bereits factiſch<lb/> eingetreten iſt — Oeffentlichkeit der Sitzungen und Verhandlungen des<lb/> Senats, Druck der Protokolle mit Namennennung, dieß und anderes ſind<lb/> die Petita, welche man dem hohen Senat unſerer freien Stadt vorzulegen<lb/> gedenkt. Daß die Erregtheit welche ſich in ganz Deutſchland gegenwärtig<lb/> kund gibt, auch hier nicht ganz fehlt, verſteht ſichwohl von ſelbſt. Doch iſt an<lb/> eine Energie und Beſtimmtheit, wie ſie ſich in Bayern, Baden und<lb/> Württemberg und am Rheine zeigt, in unſerm Norden nicht von fern zu<lb/> denken. Zwar haben auch in dem benáchbarten Oldenburg Bürger und<lb/> Stadtrath in dieſen Tagen ihre frühern Petitionen um baldige Ver-<lb/> öffentlichung des <hi rendition="#g">Verfaſſungsgrundgeſetzes</hi> erneuert, und wie<lb/> es heißt ſtehen ähnliche Geſuche und Adreſſen aus den andern Pro-<lb/> vinzen des Großherzogthums zu erwarten. Zwar ſind auch in Han-<lb/> nover und Braunſchweig von Seiten der Magiſtrate und Stadtver-<lb/> ordneten Schritte geſchehen welche an die ſüddeutſchen Vorgänge an-<lb/> klingen. Aber wenn man die tumultuariſchen Auftritte in Hamburg<lb/> ausnimmt, ſo iſt im ganzen und namentlich in Hannover die vor-<lb/> wiegende Stimmung die des Zu- und Abwartens. Man fürchtet be-<lb/> ſonders in dem letzteren Lande durch Vorgehen unter gegenwärtigen Um-<lb/> ſtänden nur einen um ſo ſchrofferen Widerſtand hervorzurufen. Da-<lb/> gegen ſind alle Blicke mit geſpannteſter Erwartung auf Preußen ge-<lb/> richtet, das nach den Vorfällen in Köln und nach der dort ſich zei-<lb/> genden Stimmung nicht umhin können wird bald entſcheidende Schritte<lb/> zu thun. Unſere Bremer Zeitungen regen ſich aufs eifrigſte. Die<lb/> Bremer Zeitung, von <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Alfred Wohlbrück und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Lorentzen (einem<lb/> Holſteiner) redigirt, beſtrebt ſich den ſchweren Verluſt den ſie durch<lb/> den Abgang <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Andrees erlitten hat minder fühlbar zu machen.<lb/> Sie hat ſo eben den <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Wilhelm Jordan, welcher ſeit ſeiner Vertrei-<lb/> bung von Leipzig hier Aufnahme gefunden, als Berichterſtatter über<lb/> die franzöſiſchen Zuſtände nach Paris geſchickt. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Andree, welcher<lb/> jetzt häufig leitende Artikel für die Weſer Zeitung ſchreibt, iſt heute<lb/> nach dem Rheine abgegangen um der Quelle der deutſchen Bewegung<lb/> näher zu ſeyn.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">Bremen,</hi> 8 März.</dateline> <p>Die Petition iſt heute dem Senat über-<lb/> geben. Sie ſtellt ihm folgende dringende Anträge: Er wolle unver-<lb/> züglich zur definitiven Feſteſtllung unſrer Verfaſſung eine auf den<lb/> Grundlagen <hi rendition="#g">gleicher Wahlfähigkeit</hi> und <hi rendition="#g">Wählbarkeit aller<lb/> Staatsbürger</hi> beruhende Vertretung einleiten, indem er nach altem<lb/> Brauch zum Zwecke der Wahlen die Gemeinheit nach Kirchſpielen in<lb/> Partialverſammlungen zuſammentreten läßt; von dieſem Augenblicke<lb/> an <hi rendition="#g">Oeffentlichkeit der Sitzungen des Convents</hi> und <hi rendition="#g">voll-<lb/> ſtändigen Druck der Verhandlungen desſelben mit Na-<lb/> mennennung der Redner</hi> verfügen, und ſofort die Preſſe un-<lb/> beſchränkt frei geben. Dem letztern Antrage iſt bereits geantwortet.<lb/> Vorläufig hat der Senat Aufhebung der Cenſur verordnet, dabei <hi rendition="#g">die</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Preßgeſetzes mit dieſen Ständen aufheben. — Endlich iſt dieß Ziel alſo:
auch in Sachſen errungen. Aber damit iſt doch noch keine Befriedigung
eingetreten. Denn noch ſtehen fünf verhaßte Miniſter in ihren Stel-
lungen; noch kein Beſcheid über die Frage des Verſammlungsrechtes,
endlich ein außerordentlicher Landtag, deſſen Competenz bekanntlich ſchon
im vorigen Jahre ſchweren Zweifeln unterworfen wurde.
I. Bekanntmachung. Die Stimmen welche ſich hier und da
gegen die bisherige Wirkſamkeit der unterzeichneten Staatsminiſter er-
hoben, gaben denſelben Veranlaſſung Sr. Maj. dem König ſchon vor
mehreren Tagen und heute wiederholt ihre Entlaſſung anheimzugeben.
Se. Maj. der König haben aber Anſtand genommen ſelbige anzunehmen,
vielmehr die ſofortige Einberufung eines außerordentlichen
Landtags für den 20 d. M. zu befehlen geruht, damit ſogleich bei
deſſen Beginn darüber Gewißheit erlangt werde, ob das geſammte Land
die obgedachte Meinung theile. Dieſem Landtage wird dann auch das
erforderliche Geſetz über Einführung der durch die Verfaſſungsurkunde
zugeſicherten Preßfreiheit vorgelegt werden. Se Maj. der König er-
warten und hoffen daß nach dieſer auf allerhöchſten Befehl eröffneten
Entſchließung von jeden weitern Vorſchritten abgeſtanden und überall
Ruhe und Ordnung erhalten werden wird. Dresden, 9 März 1848.
Die Staatsminiſter: v. Könneritz, v. Zeſchau, v. Wietersheim, v. Carlo-
witz, v. Oppell. — II. Verordnung an die Kreisdirectionen.
Das Miniſterium des Innern hat beſchloſſen daß die Cenſur von jetzt an
bis zum 15 k. M. aufgehoben ſeyn ſoll, dafern nicht ſchon früher eine
Vereinbarung mit dem zum 20 d. M. einberufenen außerordentlichen
Landtage wegen des zu erlaſſenden Preßgeſetzes eintritt. Dieſe Verord-
nung iſt ſchleunigſt zu veröffentlichen. Dresden, 9 März 1848. Mini-
ſterium des Innern. In deſſen interimiſtiſcher Verwaltung Dr. Zſchinsky.
Dresden, 8 März.Die Landtagsabgeordneten Joſeph und
Schaffrath haben am 3 eine Vorſtellung an den König gerichtet, in
welcher ſie Preßfreiheit, Gewiſſensfreiheit, Schwurgerichte, erweitertes
Wahlrecht u. ſ. w. auf das dringendſte und offenſte bevorworten.
Heute wird von den hieſigen Bürgern und Einwohnern eine Adreſſe
an den König zu unterzeichnen begonnen, welche auf zehn Punkte an-
trägt. Daneben wird eine Dankadreſſe an die Leipziger unterzeichnet.
Aehnliche Kundgebungen treten im ganzen Lande hervor. Nicht über-
all iſt man ſo zaghaft wie der Tharander Stadtrath, „der den König
in dieſer ſorgenſchweren Zeit nicht auch noch mit einer Adreſſe be-
helligen will.“ Vielleicht übt die Einſtimmigkeit des Landes in ſeinen
Adreſſen einen moraliſchen Einfluß auf den König aus, der bis jetzt
fehlte. Den Abgeordneten der ſechs Städte Zwickau, Werdau u. ſ. w.,
bemerkte der König heut als ſie ihm ihre Adreſſen übergaben: „Ich
muß Sie auf meine öffentliche Bekanntmachung verweiſen, ich werde
die Verlangen welche billigen, beſcheidenen Wünſchen entſprechen, dem
nächſten Landtage vorlegen.“ Darauf antwortete Bürgermeiſter Schwed-
ler von Meerane: „Majeſtät! Sie erlauben“ — — wurde aber von
dem König mit den Worten unterbrochen: „nein, nein, nein, nein!
unbillige Wünſche werde ich nicht bérückſichtigen. Ich kann mich mit
Ihnen nicht in Discuſſion einlaſſen; ich habe Ihnen nichts zu ſagen
als: Leben Sie wohl.“ Noch einmal nahm Hr. Bürgermeiſter Schwed-
ter das Wort: „Majeſtät! entlaſſen Sie uns nicht ohne alle Zuſagen;“
erhielt aber ſogleich dieſelbe Antwort: „Ich habe Ihnen weiter nichts
zu ſagen als: Leben Sie wohl.“
** Dresden, 8 März.Wir befinden uns in einer Kriſis unſerer
politiſchen Entwicklung, die allerdings länger dauert als im Intereſſe der
jetzt beſonders ſo nothwendigen Einheit zwiſchen der Regierung und dem
Volke zu wünſchen iſt. Die Proclamation des Königs hat keine bedeu-
tende Wirkung gehabt, da ſie in ihrer allgemeinen Haltung gar zu ver-
ſchieden iſt von den beſtimmten Erklärungen der Regierungen in Würt-
temberg, Baden, Heſſen und andern deutſchen Ländern. Heute ward
hier in aller Ruhe eine Bürgerverſammlung gehalten, in welcher die
Wünſche der Dresdner Bürger berathen wurden. Sie ſollen der Staats-
regierung mitgetheilt und die Miniſter, aufgefordert werden, wenn die
Erfüllung dieſer Wünſche ihren Ueberzeugungen widerſprechen ſollte,
durch freiwilligen Rücktritt das geſetzliche Zuſtandekommen zeitgemäßer
Reformen zu ermöglichen. Wenn auch dieſe Wünſche hier ziemlich all-
gemeinen Anklang finden, ſo tritt bis jetzt doch nur eine kleine Anzahl
von Bürgern öffentlich dafür auf, während die Oppoſition in Leipzig
allgemein iſt. Eine Deputation von Zwickau und fünf andern Commu-
nen des Landes mit einer der Leipziger ähnlichen Petition iſt, wie ver-
lautet, vom König ungnädig aufgenommen worden.
* Bremen, 7 März.Wenn Sie leſen ſollten daß geſtern
Abend bei uns „ernſte Unruhen“ ausgebrochen ſind, ſo dürfen Sie zu-
verſichtlich glauben daß dieſe ernſten Unruhen nichts weiter waren als
der Faßnachtsſpektakel einer Anzahl ſtark „inſpirirter“ Arbeiter, welche
in Begleitung der nie und nirgend fehlenden wohllöblichen Straßen-
jugend ihren revolutionären Enthuſiasmus gegen die hieſige Thorſperre
kehrten, und in der That durch muthiges Bekämpfen der zwei Sperr-
gelderheber an einem der Thore für die Nacht freien Durchgang er-
zwangen. Dabei wurden denn freilich an einigen Häuſern in der Stadt
und am Walle Fenſter eingeworfen. Man war einmal im Zuge, und
Fenſtereinwerfen gehört zu unſerer „Revolutionen.“ Indeſſen wurde doch
das hieſige geworbene Militär, die ſogenannten „Hanſeaten“, zurückgezo-
gen und die Bürgerwehr zuſammenberufen um ernſtlichern Folgen die-
ſes Krawalls rechtzeitig zu begegnen. Daß die Gaſſenjugend bei dieſem
Treiben zuweilen „es lebe die Republik!“ „es lebe die Reform!“ rief,
vervollſtändigt den Charakter einer Volksſcene wo der ideale Schwung
fehlt, und wo, wie Heine vor 16 Jahren ſagte, „nicht die Schrift-
ſteller das Volk verleitet haben eine Erklärung der Menſchenrechte zu
verlangen, ſondern wo man eine Revolution macht, um keine Thor-
ſperre zu bezahlen,“ ... Indeſſen ganz ohne ernſthafte Regung zur
Reform ſcheint doch auch unſer Freiſtaat nicht bleiben zu ſollen. Dem
Vernehmen nach wird heute Abend eine Verſammlung von Bürgern
ſtattfinden, welche eine Adreſſe an den Senat in dieſem Sinne beſchlie-
ßen will. Dieſe Verſammlung wird ſich an den vor etwa acht Wochen
hier geſtifteten Bürgerverein anſchließen, eine Geſellſchaft welche als
ihren Zweck die theoretiſche Förderung eines tüchtigen Bürgerthums
ausgeſprochen hat. Dieſe Verſammlung will eine Petition einreichen
des Inhalts: die bisherige ariſtokratiſche Verfaſſung auf demokratiſchen
Grundlagen neu zu geſtalten. Preßfreiheit — welche hier bereits factiſch
eingetreten iſt — Oeffentlichkeit der Sitzungen und Verhandlungen des
Senats, Druck der Protokolle mit Namennennung, dieß und anderes ſind
die Petita, welche man dem hohen Senat unſerer freien Stadt vorzulegen
gedenkt. Daß die Erregtheit welche ſich in ganz Deutſchland gegenwärtig
kund gibt, auch hier nicht ganz fehlt, verſteht ſichwohl von ſelbſt. Doch iſt an
eine Energie und Beſtimmtheit, wie ſie ſich in Bayern, Baden und
Württemberg und am Rheine zeigt, in unſerm Norden nicht von fern zu
denken. Zwar haben auch in dem benáchbarten Oldenburg Bürger und
Stadtrath in dieſen Tagen ihre frühern Petitionen um baldige Ver-
öffentlichung des Verfaſſungsgrundgeſetzes erneuert, und wie
es heißt ſtehen ähnliche Geſuche und Adreſſen aus den andern Pro-
vinzen des Großherzogthums zu erwarten. Zwar ſind auch in Han-
nover und Braunſchweig von Seiten der Magiſtrate und Stadtver-
ordneten Schritte geſchehen welche an die ſüddeutſchen Vorgänge an-
klingen. Aber wenn man die tumultuariſchen Auftritte in Hamburg
ausnimmt, ſo iſt im ganzen und namentlich in Hannover die vor-
wiegende Stimmung die des Zu- und Abwartens. Man fürchtet be-
ſonders in dem letzteren Lande durch Vorgehen unter gegenwärtigen Um-
ſtänden nur einen um ſo ſchrofferen Widerſtand hervorzurufen. Da-
gegen ſind alle Blicke mit geſpannteſter Erwartung auf Preußen ge-
richtet, das nach den Vorfällen in Köln und nach der dort ſich zei-
genden Stimmung nicht umhin können wird bald entſcheidende Schritte
zu thun. Unſere Bremer Zeitungen regen ſich aufs eifrigſte. Die
Bremer Zeitung, von Dr. Alfred Wohlbrück und Dr. Lorentzen (einem
Holſteiner) redigirt, beſtrebt ſich den ſchweren Verluſt den ſie durch
den Abgang Dr. Andrees erlitten hat minder fühlbar zu machen.
Sie hat ſo eben den Dr. Wilhelm Jordan, welcher ſeit ſeiner Vertrei-
bung von Leipzig hier Aufnahme gefunden, als Berichterſtatter über
die franzöſiſchen Zuſtände nach Paris geſchickt. Dr. Andree, welcher
jetzt häufig leitende Artikel für die Weſer Zeitung ſchreibt, iſt heute
nach dem Rheine abgegangen um der Quelle der deutſchen Bewegung
näher zu ſeyn.
Bremen, 8 März.Die Petition iſt heute dem Senat über-
geben. Sie ſtellt ihm folgende dringende Anträge: Er wolle unver-
züglich zur definitiven Feſteſtllung unſrer Verfaſſung eine auf den
Grundlagen gleicher Wahlfähigkeit und Wählbarkeit aller
Staatsbürger beruhende Vertretung einleiten, indem er nach altem
Brauch zum Zwecke der Wahlen die Gemeinheit nach Kirchſpielen in
Partialverſammlungen zuſammentreten läßt; von dieſem Augenblicke
an Oeffentlichkeit der Sitzungen des Convents und voll-
ſtändigen Druck der Verhandlungen desſelben mit Na-
mennennung der Redner verfügen, und ſofort die Preſſe un-
beſchränkt frei geben. Dem letztern Antrage iſt bereits geantwortet.
Vorläufig hat der Senat Aufhebung der Cenſur verordnet, dabei die
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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