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Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.

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[Spaltenumbruch] des Magistrats an die Ecken geschlagen, in welcher ausgesprochen wurde
daß die Versammlung unterbleiben möge, da sie ungesetzlich, und daß
die Einwohnerschaft zu den städtischen Behörden das Vertrauen hegen
möchte daß letztere die Bedürfnisse des Volks kennen, und zu deren Be-
friedigung die gesetzlichen Schritte thun würden. Zu gleicher Zeit
wurde der Wintergarten von einigen hundert Mann Soldaten besetzt.
Nichtsdestoweniger versammelte sich hier eine große Volksmasse, und
leider auch gefährliche Haufen aus den niedrigsten Classen. Um 5 Uhr
wurde eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten eröffnet, wel-
cher der gesammte Magistrat beiwohnte. Die Zuhörer-Räume wa-
ren überfüllt, man hob die Thüren aus, und stand noch haufenweise
auf den angränzenden Corridors und Treppen. Die Verhandlungen
drehten sich um die Wünsche welche man vor Se. Maj. bringen wollte,
das Publicum begleitete die Reden mit lauten Zeichen des Beifalls oder
der Mißbilligung, je nachdem das Gesagte ihm behagte oder nicht. End-
lich nach 6 Uhr verlas der Oberbürgermeister den Adreßentwurf, in
welchem besoders um Preßfreiheit und sosortige Einberufung der Stände
gebeten wurde. Der Schlußparagraph berührte sehr scharf die Noth in
Oberschlesien. Als nun die specielle Debatte begann, wurde die Theil-
nahme des Volks eine äußerst lebendige, man sprach in die Verhand-
lungen, billigte oder verwarf das Gesagte, genug gebärdete sich so als
ob das Publicum ein handelnder Theil der berathenden Versammlung
sey. Die Störungen wurden endlich so arg daß der Vorsitzende die
Versammlung als aufgehoben erklärte. Das war das Zeichen zu einem
ungeheuern Tumult. Man sprang auf die Bänke, schrie, lärmte und
verlangte stürmisch die Fortführung der Debatte. Vergebens wies der Vor-
stand auf dieß ungesetzliche und entwürdigende Verfahren hin, vergebens
protestirte der Oberbürgermeister energisch gegen jede Volksherrschaft,
man schrie und lärmte immer mehr, und forderte mit Ungestüm das
Vorlesen einer Schrift welche während der Sitzung eingereicht worden
war und die wirklichen Anforderungen und Wünsche des Volks aus-
sprechen sollte. Endlich, nachdem der Tumult unbeschreiblich geworden,
beruhigte der geachtete Stadtverordnete Tschocke die Gemüther durch eine
feurige Rede, in welcher er die Einwohner Breslau's zum Vertrauen
gegen ihre Vertreter und den Magistrat aufforderte. Nun zerstreuten
sich allmählich die Haufen, während sich ein Theil der Stadtverordne-
ten und der Magistrat auf das Rathhaus begaben. Unterdeß hatten
sich mit einbrechender Dunkelheit die Straßen gefüllt, und um 8 Uhr
ergossen sich die am Wintergarten versammelten Haufen in die Straßen
der Stadt. Wie es heißt sollen sie die an dem Thore, welches sie passi-
ren mußten, aufgestellte Wachtmannschaft überrumpelt haben. Nun
durchbrauste das Geschrei der aufgewiegelten Menge die großen Plätze
und Straßen der Stadt, vergebens suchten sie bedeutende Abtheilungen
Cavallerie und Infanterie zu zerstreuen, ja an einigen Stellen wurde
sogar scharf eingehauen, der Tumult tobte bis in die Nacht fort. Zum
Glück waren die umsichtigsten Vorsichtsmaßregeln getroffen, die Haupt-
gänge, alle Bahnhöfe sowie fämmtliche öffentliche Anflalten waren
mit zahlreichen Truppenpikets besetzt. Leider sieht man heut, wo we-
gen der Fastnacht die arbeitenden Classen feiern, ärgeren Ruhestörun-
gen mit Bangen entgegen.

Frankreich.

Noch ist man von der Bestürzung welche die
Zahlungseinstellung der Casse Gouin erregt hat, nicht ganz zurückgekom-
men. Indessen scheint der Verlust doch mehr auf die Actionäre selbst
als auf die Gläubiger zu fallen. Das Gesellschaftscapital der Casse be-
trug 15 Mill. Ein Artikel der Statuten schreibt vor daß die Gesellschaft
zu ihrer Liquidation schreiten müsse im Fall des Verlusts eines Viertheils
dieses Capitals. Dieser Fall soll nun eingetreten gewesen seyn, weßhalb
die Geschäftsführer für die Liquidation sich entschieden. Man glaubt die
eigentlichen Gläubiger der Casse werden in nicht ferner Zeit ganz bezahlt
werden können. Vielleicht kommt auch die Regierung diesem Hause we-
[Spaltenumbruch] gen seiner Bedeutung und der großen Dienste die es dem Kleinhandel
leistete, doch noch zu Hülfe. -- Von den Pyrenäen her lauten die Berichte
traurig. Eine etwa 1000 Mann starke Bande kam aus den Hochpyre-
näen herab, verheerte einen Theil des Bezirks von Tarbes und drang
dann in das Departement der Obergaronne ein, wo mehrere Schlösser,
darunter eines dem Herzog v. Rovigo, ein anderes Hrn. v. Goulard bis-
herigen conservativen Deputirten von Bagneres de Bigorre gehörig,
plünderten, und richteten auch in Staatsforsten und Privatwaldungen
große Verwüstungen an. Aber die Nationalgarden aller Gemeinden der
Gegend vereinigten sich mit der Gendarmerie zu Verfolgung dieser wild
hausenden Bande, und hatten bei Abgang der letzten Nachrichten aus
Toulouse (4) bereits 3 der Plünderer getödtet und 25 gefangen, die nun
im Gefängniß zu St. Gaudens sitzen, welcher Bezirk besonders schwer
heimgesucht wurde. Von Toulouse und andern Orten sind nun auch
starke Truppenabtheilungen in Eilmärschen gegen die Bande im Anzuge,
und auch die Gerichtsbehörden, der Appellhof von Toulouse befinden sich
bereits zu St. Gaudens, wo der Proceß eingeleitet wird gegen die Schul-
digen. -- Die Polizeipräfectur hier hält sich im Paßwesen noch ganz an
die vor der Revolution bestandenen Regeln in Betreff der Ausländer in
Frankreich. Sie visirt deren Pässe, gleichviel wohin, nur wenn das Vi-
sum des Gesandten des betreffenden Landes, welchem der Paßinhaber an-
gehört, vorher erlangt worden ist. -- Alles in den Tuilerien vorgefun-
dene Privateigenthum der Personen welche im Dienste des Hofes stan-
den ist unter Siegel gelegt und wird so den Eigenthümern, die es später
zurückverlangen können, erhalten bleiben.

Die Regierung beharrt dabei sich nicht ein-
zumischen in die Verhältnisse der Casse Gouin. Dagegen thut der
Handel nun Schritte um diese Creditanstalt zu retten und damit den
Ruin zahlreicher Interessen abzuwenden. Heute ist auf der Börse an
den Handel und die Industrie von Paris eine Aufforderung zu schleu-
nigster Hülfleistung angeschlagen. Eine Summe von 20 Millionen
soll durch ungesäumte Unterzeichnung von Actien von je 1000 Fr.
aufgebracht und der Casse Gouin vorgeschossen werden, um dieselbe in
den Stand zu setzen ihre Geschäfte wieder aufzunehmen. Ein anderer
Schritt des Pariser Handelsstandes, um aus der augenblicklichen Ver-
legenheit herauszukommen, ist das heute in einer Versammlung auf
dem Stadthause von ihm gestellte Verlangen an die Regierung daß
die Verlängerung aller jetzt verfallenden Wechselbriefe um 1 Monat
ausgesprochen werden möge. Inzwischen ist die Lage des Credits jetzt
traurig genug, wenn auch nicht alle umlaufenden schlimmen Gerüchte
begründet sind. So hatte man gestern Abend von der Absicht mehrerer der
ersten Bankierhäuser von Paris gesprochen zu ihrer Liquidirung zu schrei-
ten, ohne noch in Verlegenheit sich zu befinden, nur um aus den Geschäften
bei den mißlichen Umständen sich zurückzuziehen. Bis jetzt ist dieß un-
gegründet. Daß Mißtrauen herrscht, ist natürlich, dieß spricht sich in
den ungeheuren Rückzahlungen aus die von den Sparcassen verlangt
werden, darin daß jedermann sein baares Geld zurückhält, das Gold
nur zu enormen Preisen zu haben ist und die Curse aller Werthe sö
bedeutend gesunken sind. Auswärtiges Papiergeld, namentlich öster-
reichisches, ist nur mit größter Mühe, ja fast gar nicht mehr anzu-
bringen. Heute hat sich an der Börse übrigens wieder etwas mehr
Ruhe gezeigt, die 5 proc. Rente fiel allerdings noch etwas, von 75
(gestriger Curs) auf 73.50; die 3 proc. aber stieg von 47 wieder
auf 52. Dagegen haben die Bankactien noch einen weiteren Fall von
70 Fr. erlitten, sie schließen mit 1925 heute. -- N. S. Man ver-
sichert mir eben die Regierung habe das Verlangen des Handelsstandes
wegen Verlängerung der Zahlungsfrist der verfallenden Wechsel um 1
Monat abgeschlagen. Hr. v. Rothschild soll gestern die betreffende
Monatsrate des Anlehens richtig an die Regierung eingezahlt haben.
Ein Börsengerücht sprach davon, von Hrn. Lagrange sey auf Hrn.
Lamartine geschossen worden: ich halte es für unbegründet.

[Spaltenumbruch] des Magiſtrats an die Ecken geſchlagen, in welcher ausgeſprochen wurde
daß die Verſammlung unterbleiben möge, da ſie ungeſetzlich, und daß
die Einwohnerſchaft zu den ſtädtiſchen Behörden das Vertrauen hegen
möchte daß letztere die Bedürfniſſe des Volks kennen, und zu deren Be-
friedigung die geſetzlichen Schritte thun würden. Zu gleicher Zeit
wurde der Wintergarten von einigen hundert Mann Soldaten beſetzt.
Nichtsdeſtoweniger verſammelte ſich hier eine große Volksmaſſe, und
leider auch gefährliche Haufen aus den niedrigſten Claſſen. Um 5 Uhr
wurde eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten eröffnet, wel-
cher der geſammte Magiſtrat beiwohnte. Die Zuhörer-Räume wa-
ren überfüllt, man hob die Thüren aus, und ſtand noch haufenweiſe
auf den angränzenden Corridors und Treppen. Die Verhandlungen
drehten ſich um die Wünſche welche man vor Se. Maj. bringen wollte,
das Publicum begleitete die Reden mit lauten Zeichen des Beifalls oder
der Mißbilligung, je nachdem das Geſagte ihm behagte oder nicht. End-
lich nach 6 Uhr verlas der Oberbürgermeiſter den Adreßentwurf, in
welchem beſoders um Preßfreiheit und ſoſortige Einberufung der Stände
gebeten wurde. Der Schlußparagraph berührte ſehr ſcharf die Noth in
Oberſchleſien. Als nun die ſpecielle Debatte begann, wurde die Theil-
nahme des Volks eine äußerſt lebendige, man ſprach in die Verhand-
lungen, billigte oder verwarf das Geſagte, genug gebärdete ſich ſo als
ob das Publicum ein handelnder Theil der berathenden Verſammlung
ſey. Die Störungen wurden endlich ſo arg daß der Vorſitzende die
Verſammlung als aufgehoben erklärte. Das war das Zeichen zu einem
ungeheuern Tumult. Man ſprang auf die Bänke, ſchrie, lärmte und
verlangte ſtürmiſch die Fortführung der Debatte. Vergebens wies der Vor-
ſtand auf dieß ungeſetzliche und entwürdigende Verfahren hin, vergebens
proteſtirte der Oberbürgermeiſter energiſch gegen jede Volksherrſchaft,
man ſchrie und lärmte immer mehr, und forderte mit Ungeſtüm das
Vorleſen einer Schrift welche während der Sitzung eingereicht worden
war und die wirklichen Anforderungen und Wünſche des Volks aus-
ſprechen ſollte. Endlich, nachdem der Tumult unbeſchreiblich geworden,
beruhigte der geachtete Stadtverordnete Tſchocke die Gemüther durch eine
feurige Rede, in welcher er die Einwohner Breslau’s zum Vertrauen
gegen ihre Vertreter und den Magiſtrat aufforderte. Nun zerſtreuten
ſich allmählich die Haufen, während ſich ein Theil der Stadtverordne-
ten und der Magiſtrat auf das Rathhaus begaben. Unterdeß hatten
ſich mit einbrechender Dunkelheit die Straßen gefüllt, und um 8 Uhr
ergoſſen ſich die am Wintergarten verſammelten Haufen in die Straßen
der Stadt. Wie es heißt ſollen ſie die an dem Thore, welches ſie paſſi-
ren mußten, aufgeſtellte Wachtmannſchaft überrumpelt haben. Nun
durchbrauste das Geſchrei der aufgewiegelten Menge die großen Plätze
und Straßen der Stadt, vergebens ſuchten ſie bedeutende Abtheilungen
Cavallerie und Infanterie zu zerſtreuen, ja an einigen Stellen wurde
ſogar ſcharf eingehauen, der Tumult tobte bis in die Nacht fort. Zum
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gänge, alle Bahnhöfe ſowie fämmtliche öffentliche Anflalten waren
mit zahlreichen Truppenpikets beſetzt. Leider ſieht man heut, wo we-
gen der Faſtnacht die arbeitenden Claſſen feiern, ärgeren Ruheſtörun-
gen mit Bangen entgegen.

Frankreich.

Noch iſt man von der Beſtürzung welche die
Zahlungseinſtellung der Caſſe Gouin erregt hat, nicht ganz zurückgekom-
men. Indeſſen ſcheint der Verluſt doch mehr auf die Actionäre ſelbſt
als auf die Gläubiger zu fallen. Das Geſellſchaftscapital der Caſſe be-
trug 15 Mill. Ein Artikel der Statuten ſchreibt vor daß die Geſellſchaft
zu ihrer Liquidation ſchreiten müſſe im Fall des Verluſts eines Viertheils
dieſes Capitals. Dieſer Fall ſoll nun eingetreten geweſen ſeyn, weßhalb
die Geſchäftsführer für die Liquidation ſich entſchieden. Man glaubt die
eigentlichen Gläubiger der Caſſe werden in nicht ferner Zeit ganz bezahlt
werden können. Vielleicht kommt auch die Regierung dieſem Hauſe we-
[Spaltenumbruch] gen ſeiner Bedeutung und der großen Dienſte die es dem Kleinhandel
leiſtete, doch noch zu Hülfe. — Von den Pyrenäen her lauten die Berichte
traurig. Eine etwa 1000 Mann ſtarke Bande kam aus den Hochpyre-
näen herab, verheerte einen Theil des Bezirks von Tarbes und drang
dann in das Departement der Obergaronne ein, wo mehrere Schlöſſer,
darunter eines dem Herzog v. Rovigo, ein anderes Hrn. v. Goulard bis-
herigen conſervativen Deputirten von Bagnères de Bigorre gehörig,
plünderten, und richteten auch in Staatsforſten und Privatwaldungen
große Verwüſtungen an. Aber die Nationalgarden aller Gemeinden der
Gegend vereinigten ſich mit der Gendarmerie zu Verfolgung dieſer wild
hauſenden Bande, und hatten bei Abgang der letzten Nachrichten aus
Toulouſe (4) bereits 3 der Plünderer getödtet und 25 gefangen, die nun
im Gefängniß zu St. Gaudens ſitzen, welcher Bezirk beſonders ſchwer
heimgeſucht wurde. Von Toulouſe und andern Orten ſind nun auch
ſtarke Truppenabtheilungen in Eilmärſchen gegen die Bande im Anzuge,
und auch die Gerichtsbehörden, der Appellhof von Toulouſe befinden ſich
bereits zu St. Gaudens, wo der Proceß eingeleitet wird gegen die Schul-
digen. — Die Polizeipräfectur hier hält ſich im Paßweſen noch ganz an
die vor der Revolution beſtandenen Regeln in Betreff der Ausländer in
Frankreich. Sie viſirt deren Päſſe, gleichviel wohin, nur wenn das Vi-
ſum des Geſandten des betreffenden Landes, welchem der Paßinhaber an-
gehört, vorher erlangt worden iſt. — Alles in den Tuilerien vorgefun-
dene Privateigenthum der Perſonen welche im Dienſte des Hofes ſtan-
den iſt unter Siegel gelegt und wird ſo den Eigenthümern, die es ſpäter
zurückverlangen können, erhalten bleiben.

Die Regierung beharrt dabei ſich nicht ein-
zumiſchen in die Verhältniſſe der Caſſe Gouin. Dagegen thut der
Handel nun Schritte um dieſe Creditanſtalt zu retten und damit den
Ruin zahlreicher Intereſſen abzuwenden. Heute iſt auf der Börſe an
den Handel und die Induſtrie von Paris eine Aufforderung zu ſchleu-
nigſter Hülfleiſtung angeſchlagen. Eine Summe von 20 Millionen
ſoll durch ungeſäumte Unterzeichnung von Actien von je 1000 Fr.
aufgebracht und der Caſſe Gouin vorgeſchoſſen werden, um dieſelbe in
den Stand zu ſetzen ihre Geſchäfte wieder aufzunehmen. Ein anderer
Schritt des Pariſer Handelsſtandes, um aus der augenblicklichen Ver-
legenheit herauszukommen, iſt das heute in einer Verſammlung auf
dem Stadthauſe von ihm geſtellte Verlangen an die Regierung daß
die Verlängerung aller jetzt verfallenden Wechſelbriefe um 1 Monat
ausgeſprochen werden möge. Inzwiſchen iſt die Lage des Credits jetzt
traurig genug, wenn auch nicht alle umlaufenden ſchlimmen Gerüchte
begründet ſind. So hatte man geſtern Abend von der Abſicht mehrerer der
erſten Bankierhäuſer von Paris geſprochen zu ihrer Liquidirung zu ſchrei-
ten, ohne noch in Verlegenheit ſich zu befinden, nur um aus den Geſchäften
bei den mißlichen Umſtänden ſich zurückzuziehen. Bis jetzt iſt dieß un-
gegründet. Daß Mißtrauen herrſcht, iſt natürlich, dieß ſpricht ſich in
den ungeheuren Rückzahlungen aus die von den Sparcaſſen verlangt
werden, darin daß jedermann ſein baares Geld zurückhält, das Gold
nur zu enormen Preiſen zu haben iſt und die Curſe aller Werthe ſö
bedeutend geſunken ſind. Auswärtiges Papiergeld, namentlich öſter-
reichiſches, iſt nur mit größter Mühe, ja faſt gar nicht mehr anzu-
bringen. Heute hat ſich an der Börſe übrigens wieder etwas mehr
Ruhe gezeigt, die 5 proc. Rente fiel allerdings noch etwas, von 75
(geſtriger Curs) auf 73.50; die 3 proc. aber ſtieg von 47 wieder
auf 52. Dagegen haben die Bankactien noch einen weiteren Fall von
70 Fr. erlitten, ſie ſchließen mit 1925 heute. — N. S. Man ver-
ſichert mir eben die Regierung habe das Verlangen des Handelsſtandes
wegen Verlängerung der Zahlungsfriſt der verfallenden Wechſel um 1
Monat abgeſchlagen. Hr. v. Rothſchild ſoll geſtern die betreffende
Monatsrate des Anlehens richtig an die Regierung eingezahlt haben.
Ein Börſengerücht ſprach davon, von Hrn. Lagrange ſey auf Hrn.
Lamartine geſchoſſen worden: ich halte es für unbegründet.

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[0020] des Magiſtrats an die Ecken geſchlagen, in welcher ausgeſprochen wurde daß die Verſammlung unterbleiben möge, da ſie ungeſetzlich, und daß die Einwohnerſchaft zu den ſtädtiſchen Behörden das Vertrauen hegen möchte daß letztere die Bedürfniſſe des Volks kennen, und zu deren Be- friedigung die geſetzlichen Schritte thun würden. Zu gleicher Zeit wurde der Wintergarten von einigen hundert Mann Soldaten beſetzt. Nichtsdeſtoweniger verſammelte ſich hier eine große Volksmaſſe, und leider auch gefährliche Haufen aus den niedrigſten Claſſen. Um 5 Uhr wurde eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten eröffnet, wel- cher der geſammte Magiſtrat beiwohnte. Die Zuhörer-Räume wa- ren überfüllt, man hob die Thüren aus, und ſtand noch haufenweiſe auf den angränzenden Corridors und Treppen. Die Verhandlungen drehten ſich um die Wünſche welche man vor Se. Maj. bringen wollte, das Publicum begleitete die Reden mit lauten Zeichen des Beifalls oder der Mißbilligung, je nachdem das Geſagte ihm behagte oder nicht. End- lich nach 6 Uhr verlas der Oberbürgermeiſter den Adreßentwurf, in welchem beſoders um Preßfreiheit und ſoſortige Einberufung der Stände gebeten wurde. Der Schlußparagraph berührte ſehr ſcharf die Noth in Oberſchleſien. Als nun die ſpecielle Debatte begann, wurde die Theil- nahme des Volks eine äußerſt lebendige, man ſprach in die Verhand- lungen, billigte oder verwarf das Geſagte, genug gebärdete ſich ſo als ob das Publicum ein handelnder Theil der berathenden Verſammlung ſey. Die Störungen wurden endlich ſo arg daß der Vorſitzende die Verſammlung als aufgehoben erklärte. Das war das Zeichen zu einem ungeheuern Tumult. Man ſprang auf die Bänke, ſchrie, lärmte und verlangte ſtürmiſch die Fortführung der Debatte. Vergebens wies der Vor- ſtand auf dieß ungeſetzliche und entwürdigende Verfahren hin, vergebens proteſtirte der Oberbürgermeiſter energiſch gegen jede Volksherrſchaft, man ſchrie und lärmte immer mehr, und forderte mit Ungeſtüm das Vorleſen einer Schrift welche während der Sitzung eingereicht worden war und die wirklichen Anforderungen und Wünſche des Volks aus- ſprechen ſollte. Endlich, nachdem der Tumult unbeſchreiblich geworden, beruhigte der geachtete Stadtverordnete Tſchocke die Gemüther durch eine feurige Rede, in welcher er die Einwohner Breslau’s zum Vertrauen gegen ihre Vertreter und den Magiſtrat aufforderte. Nun zerſtreuten ſich allmählich die Haufen, während ſich ein Theil der Stadtverordne- ten und der Magiſtrat auf das Rathhaus begaben. Unterdeß hatten ſich mit einbrechender Dunkelheit die Straßen gefüllt, und um 8 Uhr ergoſſen ſich die am Wintergarten verſammelten Haufen in die Straßen der Stadt. Wie es heißt ſollen ſie die an dem Thore, welches ſie paſſi- ren mußten, aufgeſtellte Wachtmannſchaft überrumpelt haben. Nun durchbrauste das Geſchrei der aufgewiegelten Menge die großen Plätze und Straßen der Stadt, vergebens ſuchten ſie bedeutende Abtheilungen Cavallerie und Infanterie zu zerſtreuen, ja an einigen Stellen wurde ſogar ſcharf eingehauen, der Tumult tobte bis in die Nacht fort. Zum Glück waren die umſichtigſten Vorſichtsmaßregeln getroffen, die Haupt- gänge, alle Bahnhöfe ſowie fämmtliche öffentliche Anflalten waren mit zahlreichen Truppenpikets beſetzt. Leider ſieht man heut, wo we- gen der Faſtnacht die arbeitenden Claſſen feiern, ärgeren Ruheſtörun- gen mit Bangen entgegen. Frankreich. # Paris, 8 März.Noch iſt man von der Beſtürzung welche die Zahlungseinſtellung der Caſſe Gouin erregt hat, nicht ganz zurückgekom- men. Indeſſen ſcheint der Verluſt doch mehr auf die Actionäre ſelbſt als auf die Gläubiger zu fallen. Das Geſellſchaftscapital der Caſſe be- trug 15 Mill. Ein Artikel der Statuten ſchreibt vor daß die Geſellſchaft zu ihrer Liquidation ſchreiten müſſe im Fall des Verluſts eines Viertheils dieſes Capitals. Dieſer Fall ſoll nun eingetreten geweſen ſeyn, weßhalb die Geſchäftsführer für die Liquidation ſich entſchieden. Man glaubt die eigentlichen Gläubiger der Caſſe werden in nicht ferner Zeit ganz bezahlt werden können. Vielleicht kommt auch die Regierung dieſem Hauſe we- gen ſeiner Bedeutung und der großen Dienſte die es dem Kleinhandel leiſtete, doch noch zu Hülfe. — Von den Pyrenäen her lauten die Berichte traurig. Eine etwa 1000 Mann ſtarke Bande kam aus den Hochpyre- näen herab, verheerte einen Theil des Bezirks von Tarbes und drang dann in das Departement der Obergaronne ein, wo mehrere Schlöſſer, darunter eines dem Herzog v. Rovigo, ein anderes Hrn. v. Goulard bis- herigen conſervativen Deputirten von Bagnères de Bigorre gehörig, plünderten, und richteten auch in Staatsforſten und Privatwaldungen große Verwüſtungen an. Aber die Nationalgarden aller Gemeinden der Gegend vereinigten ſich mit der Gendarmerie zu Verfolgung dieſer wild hauſenden Bande, und hatten bei Abgang der letzten Nachrichten aus Toulouſe (4) bereits 3 der Plünderer getödtet und 25 gefangen, die nun im Gefängniß zu St. Gaudens ſitzen, welcher Bezirk beſonders ſchwer heimgeſucht wurde. Von Toulouſe und andern Orten ſind nun auch ſtarke Truppenabtheilungen in Eilmärſchen gegen die Bande im Anzuge, und auch die Gerichtsbehörden, der Appellhof von Toulouſe befinden ſich bereits zu St. Gaudens, wo der Proceß eingeleitet wird gegen die Schul- digen. — Die Polizeipräfectur hier hält ſich im Paßweſen noch ganz an die vor der Revolution beſtandenen Regeln in Betreff der Ausländer in Frankreich. Sie viſirt deren Päſſe, gleichviel wohin, nur wenn das Vi- ſum des Geſandten des betreffenden Landes, welchem der Paßinhaber an- gehört, vorher erlangt worden iſt. — Alles in den Tuilerien vorgefun- dene Privateigenthum der Perſonen welche im Dienſte des Hofes ſtan- den iſt unter Siegel gelegt und wird ſo den Eigenthümern, die es ſpäter zurückverlangen können, erhalten bleiben. # Paris, 9 März.Die Regierung beharrt dabei ſich nicht ein- zumiſchen in die Verhältniſſe der Caſſe Gouin. Dagegen thut der Handel nun Schritte um dieſe Creditanſtalt zu retten und damit den Ruin zahlreicher Intereſſen abzuwenden. Heute iſt auf der Börſe an den Handel und die Induſtrie von Paris eine Aufforderung zu ſchleu- nigſter Hülfleiſtung angeſchlagen. Eine Summe von 20 Millionen ſoll durch ungeſäumte Unterzeichnung von Actien von je 1000 Fr. aufgebracht und der Caſſe Gouin vorgeſchoſſen werden, um dieſelbe in den Stand zu ſetzen ihre Geſchäfte wieder aufzunehmen. Ein anderer Schritt des Pariſer Handelsſtandes, um aus der augenblicklichen Ver- legenheit herauszukommen, iſt das heute in einer Verſammlung auf dem Stadthauſe von ihm geſtellte Verlangen an die Regierung daß die Verlängerung aller jetzt verfallenden Wechſelbriefe um 1 Monat ausgeſprochen werden möge. Inzwiſchen iſt die Lage des Credits jetzt traurig genug, wenn auch nicht alle umlaufenden ſchlimmen Gerüchte begründet ſind. So hatte man geſtern Abend von der Abſicht mehrerer der erſten Bankierhäuſer von Paris geſprochen zu ihrer Liquidirung zu ſchrei- ten, ohne noch in Verlegenheit ſich zu befinden, nur um aus den Geſchäften bei den mißlichen Umſtänden ſich zurückzuziehen. Bis jetzt iſt dieß un- gegründet. Daß Mißtrauen herrſcht, iſt natürlich, dieß ſpricht ſich in den ungeheuren Rückzahlungen aus die von den Sparcaſſen verlangt werden, darin daß jedermann ſein baares Geld zurückhält, das Gold nur zu enormen Preiſen zu haben iſt und die Curſe aller Werthe ſö bedeutend geſunken ſind. Auswärtiges Papiergeld, namentlich öſter- reichiſches, iſt nur mit größter Mühe, ja faſt gar nicht mehr anzu- bringen. Heute hat ſich an der Börſe übrigens wieder etwas mehr Ruhe gezeigt, die 5 proc. Rente fiel allerdings noch etwas, von 75 (geſtriger Curs) auf 73.50; die 3 proc. aber ſtieg von 47 wieder auf 52. Dagegen haben die Bankactien noch einen weiteren Fall von 70 Fr. erlitten, ſie ſchließen mit 1925 heute. — N. S. Man ver- ſichert mir eben die Regierung habe das Verlangen des Handelsſtandes wegen Verlängerung der Zahlungsfriſt der verfallenden Wechſel um 1 Monat abgeſchlagen. Hr. v. Rothſchild ſoll geſtern die betreffende Monatsrate des Anlehens richtig an die Regierung eingezahlt haben. Ein Börſengerücht ſprach davon, von Hrn. Lagrange ſey auf Hrn. Lamartine geſchoſſen worden: ich halte es für unbegründet.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine73_1848/20>, abgerufen am 01.06.2024.