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Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.

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[Spaltenumbruch] wärtigen Frage vorbehalten durch freien großherzigen Entschluß die Ret-
tung Deutschlands zu sichern.

Stuttgart. Das neue Ministerium hat folgendes Programm
ausgegeben:

"An die Württemberger. Se. Majestät
der König haben einen Theil der verfassungsmäßigen Verwaltungs-
departements neu zu besetzen geruht, und es ist demnach das Departement
der Justiz dem Abgeordneten Römer, das Departement des Innern dem
Abgeordneten Duvernoy, das Departement des Kirchen- und Schul-
wesens dem Dr. P. Pfizer und das Departement der Finanzen dem
Abgeordneten Goppelt anvertraut. Im vollen Bewußtseyn der Schwierig-
keit ihrer Aufgabe und der gegen König und Vaterland übernommenen
Pflichten treten die durch das allerhöchste Vertrauen Berufenen in ihr
Amt, und die Unterzeichneten sind ermächtigt zu erklären: daß mit der
Wiederherstellung der Preßfreiheit das erste Wahrzeichen und die nächste
Bürgschaft einer neuen Zeit für die Entwicklung unserer staatlichen Ver-
hältnisse gegeben seyn soll; als weitere Bürgschaft soll die unverweilte
Beeidigung des Heeres auf die Verfassung folgen; Gesetzesentwürfe zur
Aufhebung der bestehenden Beschränkungen in dem Rechte der Abhaltung
öffentlicher Versammlungen und zum Zweck der Volksbewaffnung sollen
den hiernächst wieder zusammentretenden Ständen vorgelegt werden.
Nach Erledigung der dringendsten ständischen Angelegenheiten wird dem
württembergischen Volk die Gelegenheit geboten werden durch neue
Stän dewahlen seine Gefinnung der neu gebilderen Verwaltung gegen-
über auszusprechen und die Einführung der Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit in die Rechtspflege, durch Schwurgerichte, die Revision des Straf-
gesetz buchs und der Strafproceßordnung, die Entlastung des Grund-
eigenthums, die Hebung der Gewerbe und der Schutz der Arbeit durch
hiezu geeignete Maßregeln, die Vereinfachung des Staatshaushalts und
der Staatsverwaltung, die Kräftigung der Gemeinden zu erhöhter Selb-
ständigkeit und Unabhängigkeit, die weitere Entwicklung der Verfassung,
wo eine solche im Bedürfniß der Zeit gegründet erscheint, bleiben der
neuen Ständeversammlung vorbehalten. Vor allem aber ist es der
Entschluß Sr. Maj. des Königs sich dem Rufe nach Vertretung der
deutschen Nation am Bundestage anzuschließen, damit die Verfassung
des deutschen Bundes eine den gerechten Erwartungen Deutschlands ent-
sprechende Ausbildung erhalte, damit das allen Deutschen längst ver-
heißene deutsche Bürgerrecht durch Berufung von Abgeordneten des
deutschen Volks zur Mitberathung der gemeinsamen Angelegenheiten
verwirklicht werde, und damit Deutschland, durch Befestigung seines
Nationalverbands zu der Stufe die unter den Nationen ihm gebührt
emporgehoben, nicht wieder den Gefahren der Theilung, der Zerstücke-
lung und der Abhängigkeit vom Ausland gegengehe. Nachdem so der
königliche Wille den Wünschen des Volks entgegengekommen ist, richten
die Unterzeichneten an ihre Mitbürger die Aufforderung die Ausführung
des Beschlossenen mit Vertrauen zu erwarten, und ihre Bemühungen mit
der Staatsregierung dahin zu vereinigen daß Ruhe und Ordnung auf-
rechterhalten und ein Umschwung der Dinge, welcher bei Vernunft und
Mäßigung die segensreichste Zukunft für das gesammte Vaterland ver-
spricht, nicht in das Gegentheil verkehrt und zu verbrecherischen Zwecken
ausgebeutet werde. Doch ist es nicht die Ruhe der Theilnahmlosigkeit
zu der die Unterzeichneten auffordern wollen. In einem Augenblick wie
er nur selten im Leben der Völker wiederkehrt sind alle, jeder an seinem
Theil, der Mitwelt und Nachwelt verantwortlich daß die günstige Stunde
welche für die Sache der Menschheit und die Ehre unseres Volks ge-
schlagen hat nicht ungenützt verstreiche, und daß nach dem Ziel einer ge-
sicherten und freien Nationalität jetzt ein entscheidender Vorschritt ge-
schehe.

In einigen Bezirken der Oberämter
Neckarsulm, Oehringen, Künzelsau und Gerabronn sind grobe Excesse
gegen Personen und Eigenthum theils versucht, theils wirklich ausge-
führt worden. Die Staatsregierung ist fest entschlossen die Interessen
aller in gleicher Weise zu wahren. Eben deßhalb darf sie nicht dulden
daß wahre oder vermeintliche Rechte, statt ihre Erledigung im gesetzlichen
Wege zu erhalten, durch Anwendung roher Gewalt gegen Personen und
Eigenthum verfolgt werden. Sie hat daher bereits die geeigneten Maß-
[Spaltenumbruch] regeln ergriffen um der Wiederholung solcher Frevelthaten mit den ihr
zu Gebot stehenden Mitteln kräftig entgegenzutreten, und sie richtet an
alle diejenigen welche etwa versucht seyn könnten die öffentliche Ruhe
und Ordnung zu beeinträchtigen, die wohlgemeinte Warnung die Schranken
des Gesetzes nicht zu überschreiten. Eine Mißachtung dieser Warnung
würde das Unglück der Ruhestörer und ihrer Familien zur unausbleib-
lichen Folge haben. (Folgen wie oben die Unterschriften sämmtlicher
Minister.)

Eben hier eingetroffene Reisende trafen
zu Hechingen fast das ganze Fürstenthum zusammengelaufen, alles mit
neuen schweren Bleistöcken bewaffnet, in hellem Aufstand und vom Für-
sten Aufhebung der Abgaben verlangend. Dieser entfloh hieher. Nach
Tübingen hatten sich alle Juden Hechingens geflüchtet.

So eben trifft der Fürst von Hechin-
gen landflüchtig hier ein. Die Bauerschaft des ganzen Stäätchens
hatte sich in der Stadt versammelt, bewaffnet mit dicken, bleiausgegosse-
nen Prügeln und erklärt sie bezahle keine Steuern mehr! Im ganzen
württembergischen Oberlande glimmt jetzt auch Feuer unter der Asche;
wie es in Baden und dem Unterlande aussieht, können Sie aus dem
Merkur und dem Beobachter bemerken. Heute Nacht sollen sieben Schlösser
abgebrannt seyn.

Gr. Baden.

In der gestrigen Stände-
versammlung erklärte Staatsrath Bekk auf Interpellation von Bren-
tano: es seyen dem Souverän nicht von einem auswärtigen Staate Zu-
muthungen gegen den Vollzug seines Wortes gemacht worden, *) "und
unsere Handlungen sind die Antwort, wenn eine ähnliche Aufforderung
erfolgt wäre."
Als derselbe einzelnen Abgeordneten für ihre Procla-
mation wegen der Judenverfolgung dankte, stimmte die ganze Kammer
ihm bei. (Bad. Bl.)

In der Kammer der Abgeordneten wurden am 10 von der Regie-
rung zwei wichtige Gesetzentwürfe vorgelegt. Der erste bestimmt:

"Die sämmtlichen Feudalrechte, über deren Beseitigung
nicht schon besondere Gesetze ergangen, werden hiermit für
aufgehoben erklärt.
Eine billige Entschädigung der Berechtigten
wird durch besondere Gesetze nachträglich bestimmt werden. Soweit eine
Berechtigung nicht einen privatrechtlichen Entstehungsgrund hat, kann
die Entschädigung nur aus der Staatscasse bezahlt werden.
"

Der zweite macht (wie in Belgien) die Gemeinden verantwortlich für den
bei einem Aufruhr etc. sich ergebenden Schaden am öffentlichen und Pri-
vateigenthum. Die Karlsruher Zig. und unser unten folgender
Heidelberger Brief geben eine traurige Motivirung zu diesen raschen
Maßnahmen. Wie im württembergischen Unterlande, sind im Badischen,
namentlich in dem sogenannten Baulande, auch gegen den Neckargrund
und den Kraichgau zu förmliche Bauernunruhen ausgebrochen: "Helle
Haufen" greifen grundherrliche Schlösser und Verwaltungsgebäude an,
sengen und brennen, vernichten die Zins- und Hypothenbücher, zwingen
zum Theil (wenigstens geschah dieß im Württembergischen bei den HH.
v. Berlichingen, Racknitz, Rieth etc.) die Edelleute oder ihre Rentbeamten
selbst die Urkunden und Saalbücher ins Feuer zu werfen. Viele Edel-
leute flüchteten sich in die benachbarten Städte. Kurz, es ist ein furcht-
barer Geist erwacht, der kräftiges Zusammenschließen aller Wohlgefinn-
ten zu rascher That und energischer Abhülfe gebietet. Am 10 März
Abends 9 Uhr erschallte wieder Feuerlärm. Es brannte in Gottesau.
Der Brand wurde in Bälde gelöscht. Am 11 März kam eines der
von Karlsruhe entsendeten Bataillone zurück; es war nur bis Langen-
brücken gekommen, wo die inzwischen eingetroffenen Nachrichten eine
weitere Truppenverstärkung als unnöthig erscheinen ließen. Dagegen
war von Mannheim und Bruchsal Reiterei abgegangen.

Die Zeiten werden sehr schwer, und
von allen Seiten drängen sich die Folgen einer tiefen Zerrüttung, man
möchte sagen, Verrottung der socialen Verhältnisse zu Tage. Vom
Westen ist aus dem Elsaß eine rohe Judenverfolgung, besonders in
unser Oberland herübergedrungen, und hat dieser Tage in Mühlheim
damit geendet das Amthaus zu stürmen und zu verwüsten, weil der
bis dahin einflußreiche, nicht bloß amtlich geachtete Amtmann J. Win-

*) Auch die Deutsche Zeitung widerruft die frühere Meldung als hätte
das preußische Cabinet den Großherzog aufgefordert durchaus keine
Concessionen zu machen.

[Spaltenumbruch] wärtigen Frage vorbehalten durch freien großherzigen Entſchluß die Ret-
tung Deutſchlands zu ſichern.

Stuttgart. Das neue Miniſterium hat folgendes Programm
ausgegeben:

An die Württemberger. Se. Majeſtät
der König haben einen Theil der verfaſſungsmäßigen Verwaltungs-
departements neu zu beſetzen geruht, und es iſt demnach das Departement
der Juſtiz dem Abgeordneten Römer, das Departement des Innern dem
Abgeordneten Duvernoy, das Departement des Kirchen- und Schul-
weſens dem Dr. P. Pfizer und das Departement der Finanzen dem
Abgeordneten Goppelt anvertraut. Im vollen Bewußtſeyn der Schwierig-
keit ihrer Aufgabe und der gegen König und Vaterland übernommenen
Pflichten treten die durch das allerhöchſte Vertrauen Berufenen in ihr
Amt, und die Unterzeichneten ſind ermächtigt zu erklären: daß mit der
Wiederherſtellung der Preßfreiheit das erſte Wahrzeichen und die nächſte
Bürgſchaft einer neuen Zeit für die Entwicklung unſerer ſtaatlichen Ver-
hältniſſe gegeben ſeyn ſoll; als weitere Bürgſchaft ſoll die unverweilte
Beeidigung des Heeres auf die Verfaſſung folgen; Geſetzesentwürfe zur
Aufhebung der beſtehenden Beſchränkungen in dem Rechte der Abhaltung
öffentlicher Verſammlungen und zum Zweck der Volksbewaffnung ſollen
den hiernächſt wieder zuſammentretenden Ständen vorgelegt werden.
Nach Erledigung der dringendſten ſtändiſchen Angelegenheiten wird dem
württembergiſchen Volk die Gelegenheit geboten werden durch neue
Stän dewahlen ſeine Gefinnung der neu gebilderen Verwaltung gegen-
über auszuſprechen und die Einführung der Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit in die Rechtspflege, durch Schwurgerichte, die Reviſion des Straf-
geſetz buchs und der Strafproceßordnung, die Entlaſtung des Grund-
eigenthums, die Hebung der Gewerbe und der Schutz der Arbeit durch
hiezu geeignete Maßregeln, die Vereinfachung des Staatshaushalts und
der Staatsverwaltung, die Kräftigung der Gemeinden zu erhöhter Selb-
ſtändigkeit und Unabhängigkeit, die weitere Entwicklung der Verfaſſung,
wo eine ſolche im Bedürfniß der Zeit gegründet erſcheint, bleiben der
neuen Ständeverſammlung vorbehalten. Vor allem aber iſt es der
Entſchluß Sr. Maj. des Königs ſich dem Rufe nach Vertretung der
deutſchen Nation am Bundestage anzuſchließen, damit die Verfaſſung
des deutſchen Bundes eine den gerechten Erwartungen Deutſchlands ent-
ſprechende Ausbildung erhalte, damit das allen Deutſchen längſt ver-
heißene deutſche Bürgerrecht durch Berufung von Abgeordneten des
deutſchen Volks zur Mitberathung der gemeinſamen Angelegenheiten
verwirklicht werde, und damit Deutſchland, durch Befeſtigung ſeines
Nationalverbands zu der Stufe die unter den Nationen ihm gebührt
emporgehoben, nicht wieder den Gefahren der Theilung, der Zerſtücke-
lung und der Abhängigkeit vom Ausland gegengehe. Nachdem ſo der
königliche Wille den Wünſchen des Volks entgegengekommen iſt, richten
die Unterzeichneten an ihre Mitbürger die Aufforderung die Ausführung
des Beſchloſſenen mit Vertrauen zu erwarten, und ihre Bemühungen mit
der Staatsregierung dahin zu vereinigen daß Ruhe und Ordnung auf-
rechterhalten und ein Umſchwung der Dinge, welcher bei Vernunft und
Mäßigung die ſegensreichſte Zukunft für das geſammte Vaterland ver-
ſpricht, nicht in das Gegentheil verkehrt und zu verbrecheriſchen Zwecken
ausgebeutet werde. Doch iſt es nicht die Ruhe der Theilnahmloſigkeit
zu der die Unterzeichneten auffordern wollen. In einem Augenblick wie
er nur ſelten im Leben der Völker wiederkehrt ſind alle, jeder an ſeinem
Theil, der Mitwelt und Nachwelt verantwortlich daß die günſtige Stunde
welche für die Sache der Menſchheit und die Ehre unſeres Volks ge-
ſchlagen hat nicht ungenützt verſtreiche, und daß nach dem Ziel einer ge-
ſicherten und freien Nationalität jetzt ein entſcheidender Vorſchritt ge-
ſchehe.

In einigen Bezirken der Oberämter
Neckarſulm, Oehringen, Künzelsau und Gerabronn ſind grobe Exceſſe
gegen Perſonen und Eigenthum theils verſucht, theils wirklich ausge-
führt worden. Die Staatsregierung iſt feſt entſchloſſen die Intereſſen
aller in gleicher Weiſe zu wahren. Eben deßhalb darf ſie nicht dulden
daß wahre oder vermeintliche Rechte, ſtatt ihre Erledigung im geſetzlichen
Wege zu erhalten, durch Anwendung roher Gewalt gegen Perſonen und
Eigenthum verfolgt werden. Sie hat daher bereits die geeigneten Maß-
[Spaltenumbruch] regeln ergriffen um der Wiederholung ſolcher Frevelthaten mit den ihr
zu Gebot ſtehenden Mitteln kräftig entgegenzutreten, und ſie richtet an
alle diejenigen welche etwa verſucht ſeyn könnten die öffentliche Ruhe
und Ordnung zu beeinträchtigen, die wohlgemeinte Warnung die Schranken
des Geſetzes nicht zu überſchreiten. Eine Mißachtung dieſer Warnung
würde das Unglück der Ruheſtörer und ihrer Familien zur unausbleib-
lichen Folge haben. (Folgen wie oben die Unterſchriften ſämmtlicher
Miniſter.)

Eben hier eingetroffene Reiſende trafen
zu Hechingen faſt das ganze Fürſtenthum zuſammengelaufen, alles mit
neuen ſchweren Bleiſtöcken bewaffnet, in hellem Aufſtand und vom Für-
ſten Aufhebung der Abgaben verlangend. Dieſer entfloh hieher. Nach
Tübingen hatten ſich alle Juden Hechingens geflüchtet.

So eben trifft der Fürſt von Hechin-
gen landflüchtig hier ein. Die Bauerſchaft des ganzen Stäätchens
hatte ſich in der Stadt verſammelt, bewaffnet mit dicken, bleiausgegoſſe-
nen Prügeln und erklärt ſie bezahle keine Steuern mehr! Im ganzen
württembergiſchen Oberlande glimmt jetzt auch Feuer unter der Aſche;
wie es in Baden und dem Unterlande ausſieht, können Sie aus dem
Merkur und dem Beobachter bemerken. Heute Nacht ſollen ſieben Schlöſſer
abgebrannt ſeyn.

Gr. Baden.

In der geſtrigen Stände-
verſammlung erklärte Staatsrath Bekk auf Interpellation von Bren-
tano: es ſeyen dem Souverän nicht von einem auswärtigen Staate Zu-
muthungen gegen den Vollzug ſeines Wortes gemacht worden, *) „und
unſere Handlungen ſind die Antwort, wenn eine ähnliche Aufforderung
erfolgt wäre.“
Als derſelbe einzelnen Abgeordneten für ihre Procla-
mation wegen der Judenverfolgung dankte, ſtimmte die ganze Kammer
ihm bei. (Bad. Bl.)

In der Kammer der Abgeordneten wurden am 10 von der Regie-
rung zwei wichtige Geſetzentwürfe vorgelegt. Der erſte beſtimmt:

Die ſämmtlichen Feudalrechte, über deren Beſeitigung
nicht ſchon beſondere Geſetze ergangen, werden hiermit für
aufgehoben erklärt.
Eine billige Entſchädigung der Berechtigten
wird durch beſondere Geſetze nachträglich beſtimmt werden. Soweit eine
Berechtigung nicht einen privatrechtlichen Entſtehungsgrund hat, kann
die Entſchädigung nur aus der Staatscaſſe bezahlt werden.

Der zweite macht (wie in Belgien) die Gemeinden verantwortlich für den
bei einem Aufruhr ꝛc. ſich ergebenden Schaden am öffentlichen und Pri-
vateigenthum. Die Karlsruher Zig. und unſer unten folgender
Heidelberger Brief geben eine traurige Motivirung zu dieſen raſchen
Maßnahmen. Wie im württembergiſchen Unterlande, ſind im Badiſchen,
namentlich in dem ſogenannten Baulande, auch gegen den Neckargrund
und den Kraichgau zu förmliche Bauernunruhen ausgebrochen: „Helle
Haufen“ greifen grundherrliche Schlöſſer und Verwaltungsgebäude an,
ſengen und brennen, vernichten die Zins- und Hypothenbücher, zwingen
zum Theil (wenigſtens geſchah dieß im Württembergiſchen bei den HH.
v. Berlichingen, Racknitz, Rieth ꝛc.) die Edelleute oder ihre Rentbeamten
ſelbſt die Urkunden und Saalbücher ins Feuer zu werfen. Viele Edel-
leute flüchteten ſich in die benachbarten Städte. Kurz, es iſt ein furcht-
barer Geiſt erwacht, der kräftiges Zuſammenſchließen aller Wohlgefinn-
ten zu raſcher That und energiſcher Abhülfe gebietet. Am 10 März
Abends 9 Uhr erſchallte wieder Feuerlärm. Es brannte in Gottesau.
Der Brand wurde in Bälde gelöſcht. Am 11 März kam eines der
von Karlsruhe entſendeten Bataillone zurück; es war nur bis Langen-
brücken gekommen, wo die inzwiſchen eingetroffenen Nachrichten eine
weitere Truppenverſtärkung als unnöthig erſcheinen ließen. Dagegen
war von Mannheim und Bruchſal Reiterei abgegangen.

Die Zeiten werden ſehr ſchwer, und
von allen Seiten drängen ſich die Folgen einer tiefen Zerrüttung, man
möchte ſagen, Verrottung der ſocialen Verhältniſſe zu Tage. Vom
Weſten iſt aus dem Elſaß eine rohe Judenverfolgung, beſonders in
unſer Oberland herübergedrungen, und hat dieſer Tage in Mühlheim
damit geendet das Amthaus zu ſtürmen und zu verwüſten, weil der
bis dahin einflußreiche, nicht bloß amtlich geachtete Amtmann J. Win-

*) Auch die Deutſche Zeitung widerruft die frühere Meldung als hätte
das preußiſche Cabinet den Großherzog aufgefordert durchaus keine
Conceſſionen zu machen.
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[1155/0003] wärtigen Frage vorbehalten durch freien großherzigen Entſchluß die Ret- tung Deutſchlands zu ſichern. Stuttgart. Das neue Miniſterium hat folgendes Programm ausgegeben: „An die Württemberger. Se. Majeſtät der König haben einen Theil der verfaſſungsmäßigen Verwaltungs- departements neu zu beſetzen geruht, und es iſt demnach das Departement der Juſtiz dem Abgeordneten Römer, das Departement des Innern dem Abgeordneten Duvernoy, das Departement des Kirchen- und Schul- weſens dem Dr. P. Pfizer und das Departement der Finanzen dem Abgeordneten Goppelt anvertraut. Im vollen Bewußtſeyn der Schwierig- keit ihrer Aufgabe und der gegen König und Vaterland übernommenen Pflichten treten die durch das allerhöchſte Vertrauen Berufenen in ihr Amt, und die Unterzeichneten ſind ermächtigt zu erklären: daß mit der Wiederherſtellung der Preßfreiheit das erſte Wahrzeichen und die nächſte Bürgſchaft einer neuen Zeit für die Entwicklung unſerer ſtaatlichen Ver- hältniſſe gegeben ſeyn ſoll; als weitere Bürgſchaft ſoll die unverweilte Beeidigung des Heeres auf die Verfaſſung folgen; Geſetzesentwürfe zur Aufhebung der beſtehenden Beſchränkungen in dem Rechte der Abhaltung öffentlicher Verſammlungen und zum Zweck der Volksbewaffnung ſollen den hiernächſt wieder zuſammentretenden Ständen vorgelegt werden. Nach Erledigung der dringendſten ſtändiſchen Angelegenheiten wird dem württembergiſchen Volk die Gelegenheit geboten werden durch neue Stän dewahlen ſeine Gefinnung der neu gebilderen Verwaltung gegen- über auszuſprechen und die Einführung der Oeffentlichkeit und Münd- lichkeit in die Rechtspflege, durch Schwurgerichte, die Reviſion des Straf- geſetz buchs und der Strafproceßordnung, die Entlaſtung des Grund- eigenthums, die Hebung der Gewerbe und der Schutz der Arbeit durch hiezu geeignete Maßregeln, die Vereinfachung des Staatshaushalts und der Staatsverwaltung, die Kräftigung der Gemeinden zu erhöhter Selb- ſtändigkeit und Unabhängigkeit, die weitere Entwicklung der Verfaſſung, wo eine ſolche im Bedürfniß der Zeit gegründet erſcheint, bleiben der neuen Ständeverſammlung vorbehalten. Vor allem aber iſt es der Entſchluß Sr. Maj. des Königs ſich dem Rufe nach Vertretung der deutſchen Nation am Bundestage anzuſchließen, damit die Verfaſſung des deutſchen Bundes eine den gerechten Erwartungen Deutſchlands ent- ſprechende Ausbildung erhalte, damit das allen Deutſchen längſt ver- heißene deutſche Bürgerrecht durch Berufung von Abgeordneten des deutſchen Volks zur Mitberathung der gemeinſamen Angelegenheiten verwirklicht werde, und damit Deutſchland, durch Befeſtigung ſeines Nationalverbands zu der Stufe die unter den Nationen ihm gebührt emporgehoben, nicht wieder den Gefahren der Theilung, der Zerſtücke- lung und der Abhängigkeit vom Ausland gegengehe. Nachdem ſo der königliche Wille den Wünſchen des Volks entgegengekommen iſt, richten die Unterzeichneten an ihre Mitbürger die Aufforderung die Ausführung des Beſchloſſenen mit Vertrauen zu erwarten, und ihre Bemühungen mit der Staatsregierung dahin zu vereinigen daß Ruhe und Ordnung auf- rechterhalten und ein Umſchwung der Dinge, welcher bei Vernunft und Mäßigung die ſegensreichſte Zukunft für das geſammte Vaterland ver- ſpricht, nicht in das Gegentheil verkehrt und zu verbrecheriſchen Zwecken ausgebeutet werde. Doch iſt es nicht die Ruhe der Theilnahmloſigkeit zu der die Unterzeichneten auffordern wollen. In einem Augenblick wie er nur ſelten im Leben der Völker wiederkehrt ſind alle, jeder an ſeinem Theil, der Mitwelt und Nachwelt verantwortlich daß die günſtige Stunde welche für die Sache der Menſchheit und die Ehre unſeres Volks ge- ſchlagen hat nicht ungenützt verſtreiche, und daß nach dem Ziel einer ge- ſicherten und freien Nationalität jetzt ein entſcheidender Vorſchritt ge- ſchehe. Stuttgart, 11 März 1848.Der Chef des Juſtizdepartements: Staatsrath Römer; der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten: Beroldingen; der Chef des Departements des Innern: Duvernoy; der Chef des Departements des Kirchen- und Schulweſens: Pfizer; der Kriegsminiſter: Graf v. Sontheim; der Chef des Finanz- departements: Goppelt.“ Stuttgart, 11 März.In einigen Bezirken der Oberämter Neckarſulm, Oehringen, Künzelsau und Gerabronn ſind grobe Exceſſe gegen Perſonen und Eigenthum theils verſucht, theils wirklich ausge- führt worden. Die Staatsregierung iſt feſt entſchloſſen die Intereſſen aller in gleicher Weiſe zu wahren. Eben deßhalb darf ſie nicht dulden daß wahre oder vermeintliche Rechte, ſtatt ihre Erledigung im geſetzlichen Wege zu erhalten, durch Anwendung roher Gewalt gegen Perſonen und Eigenthum verfolgt werden. Sie hat daher bereits die geeigneten Maß- regeln ergriffen um der Wiederholung ſolcher Frevelthaten mit den ihr zu Gebot ſtehenden Mitteln kräftig entgegenzutreten, und ſie richtet an alle diejenigen welche etwa verſucht ſeyn könnten die öffentliche Ruhe und Ordnung zu beeinträchtigen, die wohlgemeinte Warnung die Schranken des Geſetzes nicht zu überſchreiten. Eine Mißachtung dieſer Warnung würde das Unglück der Ruheſtörer und ihrer Familien zur unausbleib- lichen Folge haben. (Folgen wie oben die Unterſchriften ſämmtlicher Miniſter.) * Stuttgart, 11 März.Eben hier eingetroffene Reiſende trafen zu Hechingen faſt das ganze Fürſtenthum zuſammengelaufen, alles mit neuen ſchweren Bleiſtöcken bewaffnet, in hellem Aufſtand und vom Für- ſten Aufhebung der Abgaben verlangend. Dieſer entfloh hieher. Nach Tübingen hatten ſich alle Juden Hechingens geflüchtet. *** Stuttgart, 11 März.So eben trifft der Fürſt von Hechin- gen landflüchtig hier ein. Die Bauerſchaft des ganzen Stäätchens hatte ſich in der Stadt verſammelt, bewaffnet mit dicken, bleiausgegoſſe- nen Prügeln und erklärt ſie bezahle keine Steuern mehr! Im ganzen württembergiſchen Oberlande glimmt jetzt auch Feuer unter der Aſche; wie es in Baden und dem Unterlande ausſieht, können Sie aus dem Merkur und dem Beobachter bemerken. Heute Nacht ſollen ſieben Schlöſſer abgebrannt ſeyn. Gr. Baden. Karlsruhe, 9 März.In der geſtrigen Stände- verſammlung erklärte Staatsrath Bekk auf Interpellation von Bren- tano: es ſeyen dem Souverän nicht von einem auswärtigen Staate Zu- muthungen gegen den Vollzug ſeines Wortes gemacht worden, *) „und unſere Handlungen ſind die Antwort, wenn eine ähnliche Aufforderung erfolgt wäre.“ Als derſelbe einzelnen Abgeordneten für ihre Procla- mation wegen der Judenverfolgung dankte, ſtimmte die ganze Kammer ihm bei. (Bad. Bl.) In der Kammer der Abgeordneten wurden am 10 von der Regie- rung zwei wichtige Geſetzentwürfe vorgelegt. Der erſte beſtimmt: „Die ſämmtlichen Feudalrechte, über deren Beſeitigung nicht ſchon beſondere Geſetze ergangen, werden hiermit für aufgehoben erklärt. Eine billige Entſchädigung der Berechtigten wird durch beſondere Geſetze nachträglich beſtimmt werden. Soweit eine Berechtigung nicht einen privatrechtlichen Entſtehungsgrund hat, kann die Entſchädigung nur aus der Staatscaſſe bezahlt werden.“ Der zweite macht (wie in Belgien) die Gemeinden verantwortlich für den bei einem Aufruhr ꝛc. ſich ergebenden Schaden am öffentlichen und Pri- vateigenthum. Die Karlsruher Zig. und unſer unten folgender Heidelberger Brief geben eine traurige Motivirung zu dieſen raſchen Maßnahmen. Wie im württembergiſchen Unterlande, ſind im Badiſchen, namentlich in dem ſogenannten Baulande, auch gegen den Neckargrund und den Kraichgau zu förmliche Bauernunruhen ausgebrochen: „Helle Haufen“ greifen grundherrliche Schlöſſer und Verwaltungsgebäude an, ſengen und brennen, vernichten die Zins- und Hypothenbücher, zwingen zum Theil (wenigſtens geſchah dieß im Württembergiſchen bei den HH. v. Berlichingen, Racknitz, Rieth ꝛc.) die Edelleute oder ihre Rentbeamten ſelbſt die Urkunden und Saalbücher ins Feuer zu werfen. Viele Edel- leute flüchteten ſich in die benachbarten Städte. Kurz, es iſt ein furcht- barer Geiſt erwacht, der kräftiges Zuſammenſchließen aller Wohlgefinn- ten zu raſcher That und energiſcher Abhülfe gebietet. Am 10 März Abends 9 Uhr erſchallte wieder Feuerlärm. Es brannte in Gottesau. Der Brand wurde in Bälde gelöſcht. Am 11 März kam eines der von Karlsruhe entſendeten Bataillone zurück; es war nur bis Langen- brücken gekommen, wo die inzwiſchen eingetroffenen Nachrichten eine weitere Truppenverſtärkung als unnöthig erſcheinen ließen. Dagegen war von Mannheim und Bruchſal Reiterei abgegangen. * Heidelberg, 10 März.Die Zeiten werden ſehr ſchwer, und von allen Seiten drängen ſich die Folgen einer tiefen Zerrüttung, man möchte ſagen, Verrottung der ſocialen Verhältniſſe zu Tage. Vom Weſten iſt aus dem Elſaß eine rohe Judenverfolgung, beſonders in unſer Oberland herübergedrungen, und hat dieſer Tage in Mühlheim damit geendet das Amthaus zu ſtürmen und zu verwüſten, weil der bis dahin einflußreiche, nicht bloß amtlich geachtete Amtmann J. Win- *) Auch die Deutſche Zeitung widerruft die frühere Meldung als hätte das preußiſche Cabinet den Großherzog aufgefordert durchaus keine Conceſſionen zu machen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848, S. 1155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine73_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.