Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.[Spaltenumbruch]
gibt eine wachsende Partei die nichts mehr wissen will von dem "junke- Elberfeld, 6 März. Der Gemeinderath hat eine Commission er- ** Berlin, 9 März, Abends 6 Uhr. Ich schreibe Ihnen aus öffentlicher Wismar, 5 März. Es wird hier eine Petition an die Landes- Oesterreich. = Wien, 9 März. Die Verhältnisse der Bank * + Wien, 9 März. Die Unruhe und Aufregung welche die Er- x Wien, 10 März. In einer gestern Abend hier unter dem Vor- [] Wien, 10 März. Folgende von unzähligen Unterschriften [Spaltenumbruch]
gibt eine wachſende Partei die nichts mehr wiſſen will von dem „junke- Elberfeld, 6 März. Der Gemeinderath hat eine Commiſſion er- ** Berlin, 9 März, Abends 6 Uhr. Ich ſchreibe Ihnen aus öffentlicher Wismar, 5 März. Es wird hier eine Petition an die Landes- Oeſterreich. = Wien, 9 März. Die Verhältniſſe der Bank * † Wien, 9 März. Die Unruhe und Aufregung welche die Er- × Wien, 10 März. In einer geſtern Abend hier unter dem Vor- [] Wien, 10 März. Folgende von unzähligen Unterſchriften <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="1157"/><cb/> gibt eine wachſende Partei die nichts mehr wiſſen will von dem „junke-<lb/> ri ſchen“ Vereinigten Landtag. Die Wünſche des deutſchen Volkes ſind<lb/> von ganz Rheinland adoptirt und dem König mehr als Forderungen<lb/> denn als Bitten vorgetragen. Endlich ſcheint man auch in Berlin in<lb/> den höchſten Kreiſen anzufangen die Dinge in ihrer wahren Geſtalt an-<lb/> zuſehen. Wenigſtens ſoll der Prinz von Preußen beim Abſchied dem<lb/> ſonſt ſo verkannten Camphauſen die Hand gedrückt, und zu ihm geſagt<lb/> haben er möge ein Friedensbote ſeyn und ſeine Rheinländer beruhigen.<lb/> Aber Worte, und wären es die ſchönſten, genügen nicht mehr um den<lb/> Sturm der Gemüther zu beſchwören. Die Rede des Königs iſt, wie<lb/> es ſcheint, ohne genaue Kenntniß der hieſigen Verhältniſſe entworfen.<lb/> Sie deutet außer der Periodicität keine Zugeſtändniſſe an, und hat die<lb/> Aufregung vermehrt. Heute Abend iſt wieder große Bürgerverſammlung.<lb/> Die Zuſtände hier ertragen keine Dauer. Die Cenſur ſtreicht fort-<lb/> während, und von allen Seiten kommen uncenſirte Zeitungen an! Nie-<lb/> mand begreift wie es werden ſoll wenn Preußen verſucht ſich vom übri-<lb/> gen Deutſchland abzuſondern.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Elberfeld,</hi> 6 März.</dateline> <p>Der Gemeinderath hat eine Commiſſion er-<lb/> nannt, welche mit den Arbeitgebern berathen ſoll wie durch ſie ſelbſt der<lb/> Arbeitsloſigkeit der arbeitenden Claſſen entgegengewirkt werden könne.<lb/> (<hi rendition="#g">Aachener.</hi> Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>** <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 9 März,</dateline> <p>Abends 6 Uhr. Ich ſchreibe Ihnen aus öffentlicher<lb/> Sitzung unſrer Stadtverordneten. Die Tribüne iſt zum Erdrücken gefüllt,<lb/> und weit hinaus über die Treppen, Flur, bis auf die Straßen ſteht die ge-<lb/> ſpannte Menge. Es werden zwei wichtige Petitionen berathen, welche<lb/> von hieſigen Mitbürgern bei der Stadtverordnetenverſammlung einge-<lb/> reicht ſind. Die eine bezieht ſich auf die <hi rendition="#g">arbeitende Claſſe,</hi> von<lb/> welcher die Bittſteller bei der jetzigen Nahrungsloſigkeit Gefahren be-<lb/> fürchten, welche die ſchlimmſten Eventualitäten in Ausſicht ſtellen und<lb/> die ernſteſte Aufmerkſamkeit erheiſchen. Sie beantragen daher 1) eine<lb/> permanente Deputation der ſtädtiſchen Behörde, welche ſich unausgeſetzt<lb/> mit ihrem Wohl beſchäftigen ſoll; 2) Veranſtaltung einer allgemeinen<lb/> Hauscollecte um Mittel zu beſchaffen öffentliche Arbeiten, Bauten ꝛc.<lb/> unternehmen zu können. Die berathenden Stimmen theilten ſich ſehr<lb/> darüber, ob der <hi rendition="#g">Staat</hi> oder die <hi rendition="#g">Stadt</hi> hier zunächſt helfend einzuwirken<lb/> habe; man vereinte ſich endlich dahin die Angelegenheit einer vorberathen-<lb/> den Deputation zu überweiſen, der aber größte Eile empfohlen wurde. Die<lb/> zweite Petition bezog ſich auf die <hi rendition="#g">politiſchen Verhältniſſe.</hi> Die<lb/> Bittſteller weiſen darauf hin welche Gefahren möglicherweiſe in näch-<lb/> ſter Zukunft drohen könnten. Wie es nöthig ſey Einigkeit zwiſchen<lb/> Fürſt und Volk aufrechtzu erhalten, wie dieß aber auch bei uns nur<lb/> durch ſolche Conceſſionen geſchehen könne welche die übereinſtimmende<lb/> Anſicht aller Deutſchen verlange. Dieſe Conceſſionen lägen in den Ver-<lb/> ſprechungen die „vor, in und nach den Freiheitskriegen“ ertheilt ſeyen.<lb/> Die Bittſteller tragen darauf an: die ſtädtiſchen Behörden möchten eine<lb/> Adreſſe an Se. M. den König votiren, und darin die Hauptwünſche der Zeit<lb/> niederlegen, als 1) Preßfreiheit, 2) angemeſſenere Vertretung der Land-<lb/> und Stadtgemeinden am Landtage mit Aufhebung aller Wahlbeſchrän-<lb/> kungen, 3) Vertretung des deutſchen Volkes beim Bunde durch Aus-<lb/> ſchüſſe aller deutſchen Ständeverſammlungen. Auch dieſe Angelegen-<lb/> heit wurde, nach kurzer Anregung über baldige Beſeitigung einiger Com-<lb/> petenzzweifel, einer Deputation überwieſen, welche dieſelbe auf das ſchleu-<lb/> nigſte erledigen und dann ſofort einer zweiten öffentlichen Sitzung, die<lb/> wenn möglich ſchon übermorgen Vormittag gehalten werden wird, zur<lb/> definitiven Beſchlußnahme vorlegen ſoll. Ueber die letzten Punkte, die<lb/> Oeffentlichkeit und den beſchleunigten Zeitpunkt der nächſten Verſamm-<lb/> lung war die Berathung eine ſehr lebhafte, zum Theil ſtürmiſche, und<lb/> durch fortwährenden Applaus, Gemurr und ſonſtige Zeichen der Be-<lb/> wegung der Zuhörer unterbrochen. Einige Stadtverordneten zeig-<lb/> ten nicht übel Luſt die Sache auf die lange Bank zu ſchieben, doch muß-<lb/> ten ſie ſich dem moraliſchen Zwange der Zuhörertribüne fügen. Gleich<lb/> von vornherein erzwangen die Zuhörer gegen die Erklärung und den Be-<lb/> ſchluß der Stadtverordnetenverſammlung das Oeffnen der Thüren nach<lb/> der Treppe. Mehreremale drohte der Vorſitzende die Tribüne räumen<lb/> zu laſſen, doch war die Stimmung zu erregt um ſich beſchwichtigen zu<lb/> laſſen; es entſtand wiederholt ein wahrhaft betäubender Lärm, der die<lb/> Leidenſchaftlichkeit einzelner Redner um ſo ſchärfer provocirte. Die<lb/> nächſte Sitzung wird indeß vorausſichtlich noch lebhafter werden. —<lb/> Heute Abend findet im Thiergarten eine große Volksverſammlung ſtatt,<lb/> zu welcher ſich wahrſcheinlich Tauſende einfinden werden. In derſelben<lb/><cb/> ſoll eine Adreſſe an den König berathen werden. Die Polizei ſcheint da-<lb/> rum zu wiſſen, aber ſtillſchweigend einzuwilligen, was offenbar das ver-<lb/> ſtändigſte iſt. Einem Preßgeſetz ſehen wir ſtündlich entgegen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wismar,</hi> 5 März.</dateline> <p>Es wird hier eine Petition an die Landes-<lb/> regierung um zeitgemäße Reform der Landesvertretung unterzeichnet.<lb/> Eine große Zahl von hiefigen Bürgern hätte es lieber geſehen wenn<lb/> man ſich ſpecieller über die Art der Reform ausgelaſſen und auch vom<lb/> deutſchen Parlament geredet hätte. (<hi rendition="#g">Ch.</hi> C.)</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Wien,</hi> 9 März.</dateline> <p>Die Verhältniſſe der Bank<lb/> wie der Sparcaſſe ſind öffentlich bekannt gegeben worden, und au-<lb/> genblicklich hat dieſe Veröffentlichung den beſten Eindruck hervorge-<lb/> bracht; unſere Papiere ſind ſeit vorgeſtern im Steigen. Weitere finan-<lb/> zielle Darlegungen werden nicht verfehlen dieſe gute Wirkung zu ver-<lb/> ſtärken, denn man wird ſehen, daß die Befürchtungen ſich immer<lb/> grundloſer herausſtellen werden. — Aus der Lombardei lauten die<lb/> Nachrichten <hi rendition="#g">viel</hi> beſſer! Die Rückwirkung der franzöſiſchen Ereig-<lb/> niſſe hat dort zu einer heilſamen Ueberlegung geführt, und die Hoff-<lb/> nung iſt nicht aus der Luft gegriffen daß man auch in Sardinien<lb/> zu gleicher Erkenntniß gelangen werde. Die dortigen Reformen werden<lb/> fortgehen, und von hier natürlich weder direct noch indirect gehin-<lb/> dert werden; aber man wird vermuthlich in Sardinien bald fühlen daß<lb/> der Stützpunkt der italieniſchen <hi rendition="#g">Territorialſelb</hi>ſtändigkeit in Oeſter-<lb/> reich ruht. An Aggreſſion denkt kein Menſch. — Graf Montecuculi iſt<lb/> noch nicht nach ſeiner Beſtimmung abgereist. Er wird zuvor noch die<lb/> niederöſterreichiſchen Stände eröffnen. Was die Eintracht zwiſchen<lb/> Regierung und Volk fördern kann, wird hoffentlich von <hi rendition="#g">beiden</hi> Sei-<lb/> ten deutlich erkannt und feſtgehalten werden. Belgien und Holland<lb/> haben mitten im Kampf der Parteien innegehalten und ſich auf das<lb/> feſteſte um den Thron vereint, der mit ebenſoviel Vertrauen ſich dem<lb/> Volk hingibt. So iſt es auch zu allen gefahrvollen Zeiten in Oeſter-<lb/> reich geweſen, ſo wird es hoffentlich wieder ſeyn!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* † <hi rendition="#b">Wien,</hi> 9 März.</dateline> <p>Die Unruhe und Aufregung welche die Er-<lb/> eigniſſe von Paris, und die vielleicht übertriebenen Beſorgniſſe über de-<lb/> ren Folgen hervorgebracht hatten, fangen an ſich zu legen und einer ru-<lb/> higeren Beurtheilung der Lage der Dinge Raum zu geben. — Der Bun-<lb/> despräſtdialgeſandte, Graf v. Münch-Bellinghauſen, iſt nach Dresden<lb/> abgegangen, wo, wie es nach einem unverbürgten Gerücht heißt, ein<lb/> Miniſtercongreß abgehalten werden ſoll. An ſeiner Stelle hat ſich Graf<lb/> Colloredo nach Frankfurt begeben. — Ein ſpecieller Abgeſandter des<lb/> Kaiſers von Rußland, Hr. v. Orloff, iſt dieſer Tage hier eingetroffen.<lb/> Auch der ruſſiſche Geſandte, Hr. v. Medem, wird zurück erwartet. —<lb/> Der Erbprinz von Parma hat ſich nach einem kurzen Aufenthalt in die-<lb/> ſer Hauptſtadt wieder nach Italien begeben. Hr. v. Radowitz verweilt<lb/> noch hier, und ſcheint mit wichtigen Aufträgen von Seite ſeiner Regie-<lb/> rung betraut zu ſeyn. Der ruſſiſche Botſchaftsrath, Hr. v. Fonton, iſt<lb/> als Courier nach St. Petersburg gegangen. Er ſoll vor ſeiner Abreiſe<lb/> eine lange Unterredung auf dem auswärtigen Departement ge-<lb/> habt haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>× <hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 März.</dateline> <p>In einer geſtern Abend hier unter dem Vor-<lb/> ſitz des ungariſchen Hofkanzlers abgehaltenen Conferenz der ungariſchen<lb/> Reichswürdenträger wurde dem Vernehmen nach die einſtimmige An-<lb/> ſicht ausgeſprochen: daß bei der neuen Stellung welche die Oppoſition in<lb/> der Ständetafel eingenommen, eine conſtitutionelle Berufung an die<lb/> Wähler eingelegt werden ſollte. <hi rendition="#g">Man ſieht demnach einer als-<lb/> baldigen Auflöſung des ungariſchen Reichstages entgegen.</hi><lb/> Heute begibt ſich der Erzherzog-Palatin nach Preßburg, und morgen<lb/> wird die Magnatentafel wahrſcheinlich die Adreſſe der Deputirtentafel<lb/> an Se. Majeſtät in Verhandlung nehmen, worin dieſe Verantwortlich-<lb/> keit des Miniſteriums, Vorlage des Budgets, Nationalbewaffnung,<lb/> Ertheilung einer Conſtitution für die Erbprovinzen u. ſ. w. verlangt.<lb/> Von dem Beſchluß der Magnatentafel in dieſer Angelegenheit hängt<lb/> alſo die nächſte Zukunft Ungarns ab. Denn die Folgen einer Auflöſung<lb/> in dieſer bewegten Zeit wären nicht vorherzuſehen, und einige der Re-<lb/> formen welche man von dieſem Reichstag erwartete, ſind von der Art<lb/> daß ſie jetzt um ſo weniger einen Aufſchub leiden können!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 März.</dateline> <p>Folgende von unzähligen Unterſchriften<lb/> begleitete Adreſſe iſt geſtern abgefaßt und übergeben worden: <cit><quote>„An die<lb/> hochlöblichen Stände des Erzherzogthums Oeſterreich unter der Enns<lb/> zu Handen des hochlöblichen ſtändiſchen verordneten Collegiums! Seit<lb/></quote></cit></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1157/0005]
gibt eine wachſende Partei die nichts mehr wiſſen will von dem „junke-
ri ſchen“ Vereinigten Landtag. Die Wünſche des deutſchen Volkes ſind
von ganz Rheinland adoptirt und dem König mehr als Forderungen
denn als Bitten vorgetragen. Endlich ſcheint man auch in Berlin in
den höchſten Kreiſen anzufangen die Dinge in ihrer wahren Geſtalt an-
zuſehen. Wenigſtens ſoll der Prinz von Preußen beim Abſchied dem
ſonſt ſo verkannten Camphauſen die Hand gedrückt, und zu ihm geſagt
haben er möge ein Friedensbote ſeyn und ſeine Rheinländer beruhigen.
Aber Worte, und wären es die ſchönſten, genügen nicht mehr um den
Sturm der Gemüther zu beſchwören. Die Rede des Königs iſt, wie
es ſcheint, ohne genaue Kenntniß der hieſigen Verhältniſſe entworfen.
Sie deutet außer der Periodicität keine Zugeſtändniſſe an, und hat die
Aufregung vermehrt. Heute Abend iſt wieder große Bürgerverſammlung.
Die Zuſtände hier ertragen keine Dauer. Die Cenſur ſtreicht fort-
während, und von allen Seiten kommen uncenſirte Zeitungen an! Nie-
mand begreift wie es werden ſoll wenn Preußen verſucht ſich vom übri-
gen Deutſchland abzuſondern.
Elberfeld, 6 März.Der Gemeinderath hat eine Commiſſion er-
nannt, welche mit den Arbeitgebern berathen ſoll wie durch ſie ſelbſt der
Arbeitsloſigkeit der arbeitenden Claſſen entgegengewirkt werden könne.
(Aachener. Z.)
** Berlin, 9 März,Abends 6 Uhr. Ich ſchreibe Ihnen aus öffentlicher
Sitzung unſrer Stadtverordneten. Die Tribüne iſt zum Erdrücken gefüllt,
und weit hinaus über die Treppen, Flur, bis auf die Straßen ſteht die ge-
ſpannte Menge. Es werden zwei wichtige Petitionen berathen, welche
von hieſigen Mitbürgern bei der Stadtverordnetenverſammlung einge-
reicht ſind. Die eine bezieht ſich auf die arbeitende Claſſe, von
welcher die Bittſteller bei der jetzigen Nahrungsloſigkeit Gefahren be-
fürchten, welche die ſchlimmſten Eventualitäten in Ausſicht ſtellen und
die ernſteſte Aufmerkſamkeit erheiſchen. Sie beantragen daher 1) eine
permanente Deputation der ſtädtiſchen Behörde, welche ſich unausgeſetzt
mit ihrem Wohl beſchäftigen ſoll; 2) Veranſtaltung einer allgemeinen
Hauscollecte um Mittel zu beſchaffen öffentliche Arbeiten, Bauten ꝛc.
unternehmen zu können. Die berathenden Stimmen theilten ſich ſehr
darüber, ob der Staat oder die Stadt hier zunächſt helfend einzuwirken
habe; man vereinte ſich endlich dahin die Angelegenheit einer vorberathen-
den Deputation zu überweiſen, der aber größte Eile empfohlen wurde. Die
zweite Petition bezog ſich auf die politiſchen Verhältniſſe. Die
Bittſteller weiſen darauf hin welche Gefahren möglicherweiſe in näch-
ſter Zukunft drohen könnten. Wie es nöthig ſey Einigkeit zwiſchen
Fürſt und Volk aufrechtzu erhalten, wie dieß aber auch bei uns nur
durch ſolche Conceſſionen geſchehen könne welche die übereinſtimmende
Anſicht aller Deutſchen verlange. Dieſe Conceſſionen lägen in den Ver-
ſprechungen die „vor, in und nach den Freiheitskriegen“ ertheilt ſeyen.
Die Bittſteller tragen darauf an: die ſtädtiſchen Behörden möchten eine
Adreſſe an Se. M. den König votiren, und darin die Hauptwünſche der Zeit
niederlegen, als 1) Preßfreiheit, 2) angemeſſenere Vertretung der Land-
und Stadtgemeinden am Landtage mit Aufhebung aller Wahlbeſchrän-
kungen, 3) Vertretung des deutſchen Volkes beim Bunde durch Aus-
ſchüſſe aller deutſchen Ständeverſammlungen. Auch dieſe Angelegen-
heit wurde, nach kurzer Anregung über baldige Beſeitigung einiger Com-
petenzzweifel, einer Deputation überwieſen, welche dieſelbe auf das ſchleu-
nigſte erledigen und dann ſofort einer zweiten öffentlichen Sitzung, die
wenn möglich ſchon übermorgen Vormittag gehalten werden wird, zur
definitiven Beſchlußnahme vorlegen ſoll. Ueber die letzten Punkte, die
Oeffentlichkeit und den beſchleunigten Zeitpunkt der nächſten Verſamm-
lung war die Berathung eine ſehr lebhafte, zum Theil ſtürmiſche, und
durch fortwährenden Applaus, Gemurr und ſonſtige Zeichen der Be-
wegung der Zuhörer unterbrochen. Einige Stadtverordneten zeig-
ten nicht übel Luſt die Sache auf die lange Bank zu ſchieben, doch muß-
ten ſie ſich dem moraliſchen Zwange der Zuhörertribüne fügen. Gleich
von vornherein erzwangen die Zuhörer gegen die Erklärung und den Be-
ſchluß der Stadtverordnetenverſammlung das Oeffnen der Thüren nach
der Treppe. Mehreremale drohte der Vorſitzende die Tribüne räumen
zu laſſen, doch war die Stimmung zu erregt um ſich beſchwichtigen zu
laſſen; es entſtand wiederholt ein wahrhaft betäubender Lärm, der die
Leidenſchaftlichkeit einzelner Redner um ſo ſchärfer provocirte. Die
nächſte Sitzung wird indeß vorausſichtlich noch lebhafter werden. —
Heute Abend findet im Thiergarten eine große Volksverſammlung ſtatt,
zu welcher ſich wahrſcheinlich Tauſende einfinden werden. In derſelben
ſoll eine Adreſſe an den König berathen werden. Die Polizei ſcheint da-
rum zu wiſſen, aber ſtillſchweigend einzuwilligen, was offenbar das ver-
ſtändigſte iſt. Einem Preßgeſetz ſehen wir ſtündlich entgegen.
Wismar, 5 März.Es wird hier eine Petition an die Landes-
regierung um zeitgemäße Reform der Landesvertretung unterzeichnet.
Eine große Zahl von hiefigen Bürgern hätte es lieber geſehen wenn
man ſich ſpecieller über die Art der Reform ausgelaſſen und auch vom
deutſchen Parlament geredet hätte. (Ch. C.)
Oeſterreich.
= Wien, 9 März.Die Verhältniſſe der Bank
wie der Sparcaſſe ſind öffentlich bekannt gegeben worden, und au-
genblicklich hat dieſe Veröffentlichung den beſten Eindruck hervorge-
bracht; unſere Papiere ſind ſeit vorgeſtern im Steigen. Weitere finan-
zielle Darlegungen werden nicht verfehlen dieſe gute Wirkung zu ver-
ſtärken, denn man wird ſehen, daß die Befürchtungen ſich immer
grundloſer herausſtellen werden. — Aus der Lombardei lauten die
Nachrichten viel beſſer! Die Rückwirkung der franzöſiſchen Ereig-
niſſe hat dort zu einer heilſamen Ueberlegung geführt, und die Hoff-
nung iſt nicht aus der Luft gegriffen daß man auch in Sardinien
zu gleicher Erkenntniß gelangen werde. Die dortigen Reformen werden
fortgehen, und von hier natürlich weder direct noch indirect gehin-
dert werden; aber man wird vermuthlich in Sardinien bald fühlen daß
der Stützpunkt der italieniſchen Territorialſelbſtändigkeit in Oeſter-
reich ruht. An Aggreſſion denkt kein Menſch. — Graf Montecuculi iſt
noch nicht nach ſeiner Beſtimmung abgereist. Er wird zuvor noch die
niederöſterreichiſchen Stände eröffnen. Was die Eintracht zwiſchen
Regierung und Volk fördern kann, wird hoffentlich von beiden Sei-
ten deutlich erkannt und feſtgehalten werden. Belgien und Holland
haben mitten im Kampf der Parteien innegehalten und ſich auf das
feſteſte um den Thron vereint, der mit ebenſoviel Vertrauen ſich dem
Volk hingibt. So iſt es auch zu allen gefahrvollen Zeiten in Oeſter-
reich geweſen, ſo wird es hoffentlich wieder ſeyn!
* † Wien, 9 März.Die Unruhe und Aufregung welche die Er-
eigniſſe von Paris, und die vielleicht übertriebenen Beſorgniſſe über de-
ren Folgen hervorgebracht hatten, fangen an ſich zu legen und einer ru-
higeren Beurtheilung der Lage der Dinge Raum zu geben. — Der Bun-
despräſtdialgeſandte, Graf v. Münch-Bellinghauſen, iſt nach Dresden
abgegangen, wo, wie es nach einem unverbürgten Gerücht heißt, ein
Miniſtercongreß abgehalten werden ſoll. An ſeiner Stelle hat ſich Graf
Colloredo nach Frankfurt begeben. — Ein ſpecieller Abgeſandter des
Kaiſers von Rußland, Hr. v. Orloff, iſt dieſer Tage hier eingetroffen.
Auch der ruſſiſche Geſandte, Hr. v. Medem, wird zurück erwartet. —
Der Erbprinz von Parma hat ſich nach einem kurzen Aufenthalt in die-
ſer Hauptſtadt wieder nach Italien begeben. Hr. v. Radowitz verweilt
noch hier, und ſcheint mit wichtigen Aufträgen von Seite ſeiner Regie-
rung betraut zu ſeyn. Der ruſſiſche Botſchaftsrath, Hr. v. Fonton, iſt
als Courier nach St. Petersburg gegangen. Er ſoll vor ſeiner Abreiſe
eine lange Unterredung auf dem auswärtigen Departement ge-
habt haben.
× Wien, 10 März.In einer geſtern Abend hier unter dem Vor-
ſitz des ungariſchen Hofkanzlers abgehaltenen Conferenz der ungariſchen
Reichswürdenträger wurde dem Vernehmen nach die einſtimmige An-
ſicht ausgeſprochen: daß bei der neuen Stellung welche die Oppoſition in
der Ständetafel eingenommen, eine conſtitutionelle Berufung an die
Wähler eingelegt werden ſollte. Man ſieht demnach einer als-
baldigen Auflöſung des ungariſchen Reichstages entgegen.
Heute begibt ſich der Erzherzog-Palatin nach Preßburg, und morgen
wird die Magnatentafel wahrſcheinlich die Adreſſe der Deputirtentafel
an Se. Majeſtät in Verhandlung nehmen, worin dieſe Verantwortlich-
keit des Miniſteriums, Vorlage des Budgets, Nationalbewaffnung,
Ertheilung einer Conſtitution für die Erbprovinzen u. ſ. w. verlangt.
Von dem Beſchluß der Magnatentafel in dieſer Angelegenheit hängt
alſo die nächſte Zukunft Ungarns ab. Denn die Folgen einer Auflöſung
in dieſer bewegten Zeit wären nicht vorherzuſehen, und einige der Re-
formen welche man von dieſem Reichstag erwartete, ſind von der Art
daß ſie jetzt um ſo weniger einen Aufſchub leiden können!
 Wien, 10 März.Folgende von unzähligen Unterſchriften
begleitete Adreſſe iſt geſtern abgefaßt und übergeben worden: „An die
hochlöblichen Stände des Erzherzogthums Oeſterreich unter der Enns
zu Handen des hochlöblichen ſtändiſchen verordneten Collegiums! Seit
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(2021-08-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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