Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] mit Soldaten angefüllt ward. Der Palast Doria-Tursis hingegen
wurde von der Stadt in Beschlag genommen und einstweilen zum
Exercierhause der so eben ins Leben getretenen hiesigen Bürgergarde
verwendet. Letztere besteht annoch erst aus fünfzehn Compagnien,
deren Mannschaft mit Schießgewehren aus dem hiesigen Arsenal
versehen ist. (In dem Arsenal befinden sich gegen hunderttausend
Flinten mit Feuersteinschlössern.) Von einer Uniform ist bis jetzt noch
nicht die Rede; doch haben diese fünfzehn Compagnien sich bereits mit
Trommelschlägern versorgt und exercieren nun von Morgens bis Abends
auf der Aqua-Solapromenade, welche, sowie die Stadt selbst, von dem
beständigen Dröhnen der Trommeln wiederhallt. Die Bürgergarde
patrouillirt nicht nur in zahlreichen Schaaren von Abends 6 Uhr an,
sondern hat auch die meisten Wachtposten entweder allein oder gemein-
schaftlich mit dem Militär bezogen, wodurch eine enge Verbrüderung
zwischen beiden bewirkt werden soll. Mit Lord Palmerston zu sprechen
darf man sich freilich nicht erlauben an Anarchie oder dergleichen zu
glauben. Dessenungeachtet kann sich niemand verhehlen daß alles Regi-
ment hier plötzlich aufgehört hat. Am 1 d. M. plünderte der Pöbel so
zu sagen unter Anleitung des Platzcommandanten Quaglia das Jesuiten-
kloster. Eine Bürgergarde wird mir nichts dir nichts errichtet und so-
dann der Regierung zu Turin Bericht erstattet. Mit größter Schnelle
langt aus der Hauptstadt der Beschluß der Landesverweisung der Jesuiten
hier an; zugleich aber auch die Entsetzung des Platzcommandanten
Quaglia. Sogleich erscheinen lang und breitgedehnte Aufforderungen
des Polizeiintendanten an die ehrenhaften ordnungsliebenden Bethei-
ligten, welche höflichst gebeten werden die geraubten Gegenstände bei den
Viertelscommissarien abzuliefern. Einzelne Theile von Kirchenvätern,
[Spaltenumbruch] Reliquien, Heiligenbilder und dergl. werden auch von einigen her-
beigeschafft und ihre Auslieferung in pomphaften Lobeserhebungen aus-
posaunt. Der verabschiedete Platzcommandant wird nun mit Ungestüm
zurückverlangt. Vorgestern Abend rottete sich eine zahllose Volksmenge
vor dem Gouvernementshaus (palazzo ducale) zusammen und rief den
Gouverneur heraus unter wüthendem Gebrüll von: wir wollen Quaglia
haben! Nieder mit dem schändlichen Borelli (Minister des Innern)!
Wir wollen ein neues Ministerium, die Revision der Constitution! Der
Gouverneur schickte seinen Adjutanten heraus, welcher eben anhub: "Se.
Excellenz der Hr. Gouverneur ...." Sogleich wurde ihm das Wort ge-
brochen durch wildes Geschrei von: was Henker Excellenz! Der Gou-
verneur schlechtweg ist alles was wir wollen; schafft uns den Gouverneur
herbei. Nolens volens trat dieser heraus. Wir wollen das und
das und das, erscholl es von allen Seiten. Der Gouverneur ver-
sprach Sr. Majestät die Wünsche .... Was Wünsche! erscholl es laut,
wir wollen es (lo vogliamo); und nun mußte der Gouverneur schreiben
und sodann das Geschriebene ablesen um gewiß zu seyn daß nichts ver-
gessen sey. Mit beschwichtigenden Worten an die Menge zog sich der
Gouverneur zurück. Die Massen verliefen sich allmählich in die nahen
Straßen, welche sie fast die ganze Nacht mit anhaltendem Geschrei von
vogliamo Quaglia! Morte a Borelli, l'infame Borelli etc. erfüllten.
Die Aufregung dauert seitdem unausgesetzt fort. Niemand scheint mehr
das Heft in der Hand zu haben. Ein Eilbote ward sogleich vom Gou-
verneur nach Turin gesandt. Morgen wird seine Rückkunft erwartet,
und nach Befinden der Antwort wird sodann der beabsichtigte Haupt-
streich gleich ausgeführt oder noch um einige Tage hinausgeschoben
werden. Einstweilen leidet der Handel schon bedeutend, und große
Bangigkeit herrscht in vielen Gemüthern.



[irrelevantes Material]


[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] mit Soldaten angefüllt ward. Der Palaſt Doria-Turſis hingegen
wurde von der Stadt in Beſchlag genommen und einſtweilen zum
Exercierhauſe der ſo eben ins Leben getretenen hieſigen Bürgergarde
verwendet. Letztere beſteht annoch erſt aus fünfzehn Compagnien,
deren Mannſchaft mit Schießgewehren aus dem hieſigen Arſenal
verſehen iſt. (In dem Arſenal befinden ſich gegen hunderttauſend
Flinten mit Feuerſteinſchlöſſern.) Von einer Uniform iſt bis jetzt noch
nicht die Rede; doch haben dieſe fünfzehn Compagnien ſich bereits mit
Trommelſchlägern verſorgt und exercieren nun von Morgens bis Abends
auf der Aqua-Solapromenade, welche, ſowie die Stadt ſelbſt, von dem
beſtändigen Dröhnen der Trommeln wiederhallt. Die Bürgergarde
patrouillirt nicht nur in zahlreichen Schaaren von Abends 6 Uhr an,
ſondern hat auch die meiſten Wachtpoſten entweder allein oder gemein-
ſchaftlich mit dem Militär bezogen, wodurch eine enge Verbrüderung
zwiſchen beiden bewirkt werden ſoll. Mit Lord Palmerſton zu ſprechen
darf man ſich freilich nicht erlauben an Anarchie oder dergleichen zu
glauben. Deſſenungeachtet kann ſich niemand verhehlen daß alles Regi-
ment hier plötzlich aufgehört hat. Am 1 d. M. plünderte der Pöbel ſo
zu ſagen unter Anleitung des Platzcommandanten Quaglia das Jeſuiten-
kloſter. Eine Bürgergarde wird mir nichts dir nichts errichtet und ſo-
dann der Regierung zu Turin Bericht erſtattet. Mit größter Schnelle
langt aus der Hauptſtadt der Beſchluß der Landesverweiſung der Jeſuiten
hier an; zugleich aber auch die Entſetzung des Platzcommandanten
Quaglia. Sogleich erſcheinen lang und breitgedehnte Aufforderungen
des Polizeiintendanten an die ehrenhaften ordnungsliebenden Bethei-
ligten, welche höflichſt gebeten werden die geraubten Gegenſtände bei den
Viertelscommiſſarien abzuliefern. Einzelne Theile von Kirchenvätern,
[Spaltenumbruch] Reliquien, Heiligenbilder und dergl. werden auch von einigen her-
beigeſchafft und ihre Auslieferung in pomphaften Lobeserhebungen aus-
poſaunt. Der verabſchiedete Platzcommandant wird nun mit Ungeſtüm
zurückverlangt. Vorgeſtern Abend rottete ſich eine zahlloſe Volksmenge
vor dem Gouvernementshaus (palazzo ducale) zuſammen und rief den
Gouverneur heraus unter wüthendem Gebrüll von: wir wollen Quaglia
haben! Nieder mit dem ſchändlichen Borelli (Miniſter des Innern)!
Wir wollen ein neues Miniſterium, die Reviſion der Conſtitution! Der
Gouverneur ſchickte ſeinen Adjutanten heraus, welcher eben anhub: „Se.
Excellenz der Hr. Gouverneur ….“ Sogleich wurde ihm das Wort ge-
brochen durch wildes Geſchrei von: was Henker Excellenz! Der Gou-
verneur ſchlechtweg iſt alles was wir wollen; ſchafft uns den Gouverneur
herbei. Nolens volens trat dieſer heraus. Wir wollen das und
das und das, erſcholl es von allen Seiten. Der Gouverneur ver-
ſprach Sr. Majeſtät die Wünſche …. Was Wünſche! erſcholl es laut,
wir wollen es (lo vogliamo); und nun mußte der Gouverneur ſchreiben
und ſodann das Geſchriebene ableſen um gewiß zu ſeyn daß nichts ver-
geſſen ſey. Mit beſchwichtigenden Worten an die Menge zog ſich der
Gouverneur zurück. Die Maſſen verliefen ſich allmählich in die nahen
Straßen, welche ſie faſt die ganze Nacht mit anhaltendem Geſchrei von
vogliamo Quaglia! Morte a Borelli, l’infame Borelli etc. erfüllten.
Die Aufregung dauert ſeitdem unausgeſetzt fort. Niemand ſcheint mehr
das Heft in der Hand zu haben. Ein Eilbote ward ſogleich vom Gou-
verneur nach Turin geſandt. Morgen wird ſeine Rückkunft erwartet,
und nach Befinden der Antwort wird ſodann der beabſichtigte Haupt-
ſtreich gleich ausgeführt oder noch um einige Tage hinausgeſchoben
werden. Einſtweilen leidet der Handel ſchon bedeutend, und große
Bangigkeit herrſcht in vielen Gemüthern.



[irrelevantes Material]


[irrelevantes Material]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jSupplement" n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="jPoliticalNews" n="2">
              <div n="3">
                <div type="jArticle" n="4">
                  <p><pb facs="#f0013" n="1181"/><cb/>
mit Soldaten angefüllt ward. Der Pala&#x017F;t Doria-Tur&#x017F;is hingegen<lb/>
wurde von der Stadt in Be&#x017F;chlag genommen und ein&#x017F;tweilen zum<lb/>
Exercierhau&#x017F;e der &#x017F;o eben ins Leben getretenen hie&#x017F;igen Bürgergarde<lb/>
verwendet. Letztere be&#x017F;teht annoch er&#x017F;t aus fünfzehn Compagnien,<lb/>
deren Mann&#x017F;chaft mit Schießgewehren aus dem hie&#x017F;igen Ar&#x017F;enal<lb/>
ver&#x017F;ehen i&#x017F;t. (In dem Ar&#x017F;enal befinden &#x017F;ich gegen hunderttau&#x017F;end<lb/>
Flinten mit Feuer&#x017F;tein&#x017F;chlö&#x017F;&#x017F;ern.) Von einer Uniform i&#x017F;t bis jetzt noch<lb/>
nicht die Rede; doch haben die&#x017F;e fünfzehn Compagnien &#x017F;ich bereits mit<lb/>
Trommel&#x017F;chlägern ver&#x017F;orgt und exercieren nun von Morgens bis Abends<lb/>
auf der Aqua-Solapromenade, welche, &#x017F;owie die Stadt &#x017F;elb&#x017F;t, von dem<lb/>
be&#x017F;tändigen Dröhnen der Trommeln wiederhallt. Die Bürgergarde<lb/>
patrouillirt nicht nur in zahlreichen Schaaren von Abends 6 Uhr an,<lb/>
&#x017F;ondern hat auch die mei&#x017F;ten Wachtpo&#x017F;ten entweder allein oder gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich mit dem Militär bezogen, wodurch eine enge Verbrüderung<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden bewirkt werden &#x017F;oll. Mit Lord Palmer&#x017F;ton zu &#x017F;prechen<lb/>
darf man &#x017F;ich freilich nicht erlauben an Anarchie oder dergleichen zu<lb/>
glauben. De&#x017F;&#x017F;enungeachtet kann &#x017F;ich niemand verhehlen daß alles Regi-<lb/>
ment hier plötzlich aufgehört hat. Am 1 d. M. plünderte der Pöbel &#x017F;o<lb/>
zu &#x017F;agen unter Anleitung des Platzcommandanten Quaglia das Je&#x017F;uiten-<lb/>
klo&#x017F;ter. Eine Bürgergarde wird mir nichts dir nichts errichtet und &#x017F;o-<lb/>
dann der Regierung zu Turin Bericht er&#x017F;tattet. Mit größter Schnelle<lb/>
langt aus der Haupt&#x017F;tadt der Be&#x017F;chluß der Landesverwei&#x017F;ung der Je&#x017F;uiten<lb/>
hier an; zugleich aber auch die Ent&#x017F;etzung des Platzcommandanten<lb/>
Quaglia. Sogleich er&#x017F;cheinen lang und breitgedehnte Aufforderungen<lb/>
des Polizeiintendanten an die ehrenhaften ordnungsliebenden Bethei-<lb/>
ligten, welche höflich&#x017F;t gebeten werden die geraubten Gegen&#x017F;tände bei den<lb/>
Viertelscommi&#x017F;&#x017F;arien abzuliefern. Einzelne Theile von Kirchenvätern,<lb/><cb/>
Reliquien, Heiligenbilder und dergl. werden auch von einigen her-<lb/>
beige&#x017F;chafft und ihre Auslieferung in pomphaften Lobeserhebungen aus-<lb/>
po&#x017F;aunt. Der verab&#x017F;chiedete Platzcommandant wird nun mit Unge&#x017F;tüm<lb/>
zurückverlangt. Vorge&#x017F;tern Abend rottete &#x017F;ich eine zahllo&#x017F;e Volksmenge<lb/>
vor dem Gouvernementshaus <hi rendition="#aq">(palazzo ducale)</hi> zu&#x017F;ammen und rief den<lb/>
Gouverneur heraus unter wüthendem Gebrüll von: wir wollen Quaglia<lb/>
haben! Nieder mit dem &#x017F;chändlichen Borelli (Mini&#x017F;ter des Innern)!<lb/>
Wir wollen ein neues Mini&#x017F;terium, die Revi&#x017F;ion der Con&#x017F;titution! Der<lb/>
Gouverneur &#x017F;chickte &#x017F;einen Adjutanten heraus, welcher eben anhub: &#x201E;Se.<lb/>
Excellenz der Hr. Gouverneur &#x2026;.&#x201C; Sogleich wurde ihm das Wort ge-<lb/>
brochen durch wildes Ge&#x017F;chrei von: was Henker Excellenz! Der Gou-<lb/>
verneur &#x017F;chlechtweg i&#x017F;t alles was wir wollen; &#x017F;chafft uns den Gouverneur<lb/>
herbei. <hi rendition="#aq">Nolens volens</hi> trat die&#x017F;er heraus. Wir wollen das und<lb/>
das und das, er&#x017F;choll es von allen Seiten. Der Gouverneur ver-<lb/>
&#x017F;prach Sr. Maje&#x017F;tät die Wün&#x017F;che &#x2026;. Was Wün&#x017F;che! er&#x017F;choll es laut,<lb/>
wir wollen es <hi rendition="#aq">(lo vogliamo)</hi>; und nun mußte der Gouverneur &#x017F;chreiben<lb/>
und &#x017F;odann das Ge&#x017F;chriebene able&#x017F;en um gewiß zu &#x017F;eyn daß nichts ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey. Mit be&#x017F;chwichtigenden Worten an die Menge zog &#x017F;ich der<lb/>
Gouverneur zurück. Die Ma&#x017F;&#x017F;en verliefen &#x017F;ich allmählich in die nahen<lb/>
Straßen, welche &#x017F;ie fa&#x017F;t die ganze Nacht mit anhaltendem Ge&#x017F;chrei von<lb/><hi rendition="#aq">vogliamo Quaglia! Morte a Borelli, l&#x2019;infame Borelli etc.</hi> erfüllten.<lb/>
Die Aufregung dauert &#x017F;eitdem unausge&#x017F;etzt fort. Niemand &#x017F;cheint mehr<lb/>
das Heft in der Hand zu haben. Ein Eilbote ward &#x017F;ogleich vom Gou-<lb/>
verneur nach Turin ge&#x017F;andt. Morgen wird &#x017F;eine Rückkunft erwartet,<lb/>
und nach Befinden der Antwort wird &#x017F;odann der beab&#x017F;ichtigte Haupt-<lb/>
&#x017F;treich gleich ausgeführt oder noch um einige Tage hinausge&#x017F;choben<lb/>
werden. Ein&#x017F;tweilen leidet der Handel &#x017F;chon bedeutend, und große<lb/>
Bangigkeit herr&#x017F;cht in vielen Gemüthern.</p>
                </div>
              </div>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <div type="jAnnouncements" n="2">
              <gap reason="insignificant"/>
            </div>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <div type="jAnnouncements" n="2">
              <gap reason="insignificant"/>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1181/0013] mit Soldaten angefüllt ward. Der Palaſt Doria-Turſis hingegen wurde von der Stadt in Beſchlag genommen und einſtweilen zum Exercierhauſe der ſo eben ins Leben getretenen hieſigen Bürgergarde verwendet. Letztere beſteht annoch erſt aus fünfzehn Compagnien, deren Mannſchaft mit Schießgewehren aus dem hieſigen Arſenal verſehen iſt. (In dem Arſenal befinden ſich gegen hunderttauſend Flinten mit Feuerſteinſchlöſſern.) Von einer Uniform iſt bis jetzt noch nicht die Rede; doch haben dieſe fünfzehn Compagnien ſich bereits mit Trommelſchlägern verſorgt und exercieren nun von Morgens bis Abends auf der Aqua-Solapromenade, welche, ſowie die Stadt ſelbſt, von dem beſtändigen Dröhnen der Trommeln wiederhallt. Die Bürgergarde patrouillirt nicht nur in zahlreichen Schaaren von Abends 6 Uhr an, ſondern hat auch die meiſten Wachtpoſten entweder allein oder gemein- ſchaftlich mit dem Militär bezogen, wodurch eine enge Verbrüderung zwiſchen beiden bewirkt werden ſoll. Mit Lord Palmerſton zu ſprechen darf man ſich freilich nicht erlauben an Anarchie oder dergleichen zu glauben. Deſſenungeachtet kann ſich niemand verhehlen daß alles Regi- ment hier plötzlich aufgehört hat. Am 1 d. M. plünderte der Pöbel ſo zu ſagen unter Anleitung des Platzcommandanten Quaglia das Jeſuiten- kloſter. Eine Bürgergarde wird mir nichts dir nichts errichtet und ſo- dann der Regierung zu Turin Bericht erſtattet. Mit größter Schnelle langt aus der Hauptſtadt der Beſchluß der Landesverweiſung der Jeſuiten hier an; zugleich aber auch die Entſetzung des Platzcommandanten Quaglia. Sogleich erſcheinen lang und breitgedehnte Aufforderungen des Polizeiintendanten an die ehrenhaften ordnungsliebenden Bethei- ligten, welche höflichſt gebeten werden die geraubten Gegenſtände bei den Viertelscommiſſarien abzuliefern. Einzelne Theile von Kirchenvätern, Reliquien, Heiligenbilder und dergl. werden auch von einigen her- beigeſchafft und ihre Auslieferung in pomphaften Lobeserhebungen aus- poſaunt. Der verabſchiedete Platzcommandant wird nun mit Ungeſtüm zurückverlangt. Vorgeſtern Abend rottete ſich eine zahlloſe Volksmenge vor dem Gouvernementshaus (palazzo ducale) zuſammen und rief den Gouverneur heraus unter wüthendem Gebrüll von: wir wollen Quaglia haben! Nieder mit dem ſchändlichen Borelli (Miniſter des Innern)! Wir wollen ein neues Miniſterium, die Reviſion der Conſtitution! Der Gouverneur ſchickte ſeinen Adjutanten heraus, welcher eben anhub: „Se. Excellenz der Hr. Gouverneur ….“ Sogleich wurde ihm das Wort ge- brochen durch wildes Geſchrei von: was Henker Excellenz! Der Gou- verneur ſchlechtweg iſt alles was wir wollen; ſchafft uns den Gouverneur herbei. Nolens volens trat dieſer heraus. Wir wollen das und das und das, erſcholl es von allen Seiten. Der Gouverneur ver- ſprach Sr. Majeſtät die Wünſche …. Was Wünſche! erſcholl es laut, wir wollen es (lo vogliamo); und nun mußte der Gouverneur ſchreiben und ſodann das Geſchriebene ableſen um gewiß zu ſeyn daß nichts ver- geſſen ſey. Mit beſchwichtigenden Worten an die Menge zog ſich der Gouverneur zurück. Die Maſſen verliefen ſich allmählich in die nahen Straßen, welche ſie faſt die ganze Nacht mit anhaltendem Geſchrei von vogliamo Quaglia! Morte a Borelli, l’infame Borelli etc. erfüllten. Die Aufregung dauert ſeitdem unausgeſetzt fort. Niemand ſcheint mehr das Heft in der Hand zu haben. Ein Eilbote ward ſogleich vom Gou- verneur nach Turin geſandt. Morgen wird ſeine Rückkunft erwartet, und nach Befinden der Antwort wird ſodann der beabſichtigte Haupt- ſtreich gleich ausgeführt oder noch um einige Tage hinausgeſchoben werden. Einſtweilen leidet der Handel ſchon bedeutend, und große Bangigkeit herrſcht in vielen Gemüthern. _ _

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine74_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine74_1848/13
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848, S. 1181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine74_1848/13>, abgerufen am 03.12.2024.