Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.[Spaltenumbruch]
"Honoratioren" hatten das Nachsehen. Darin liegt eine große politische Italien. 🜁 Rom, 5 März. Bereits gestern Abend durchzog ein Volks- D Rom, 6 März. Gestern Nachmittag bewegte sich ein langer Rom, 6 März. Die Constitution befindet sich bereits unter der * Genua, 9 März. Gestern langte hier ein Courier von Turin [Spaltenumbruch]
„Honoratioren“ hatten das Nachſehen. Darin liegt eine große politiſche Italien. 🜁 Rom, 5 März. Bereits geſtern Abend durchzog ein Volks- Δ Rom, 6 März. Geſtern Nachmittag bewegte ſich ein langer ♀ Rom, 6 März. Die Conſtitution befindet ſich bereits unter der * Genua, 9 März. Geſtern langte hier ein Courier von Turin <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0018"/><cb/> „Honoratioren“ hatten das Nachſehen. Darin liegt eine große politiſche<lb/> Lehre. Möge ſie in und außerhalb Bremen benutzt werden! Kaum<lb/> eine Stunde nach der Bekanntmachung des Entſcheides ward die ganze<lb/> Stadt erleuchtet. In ruhiger Freude durchwogte das Volk die Straßen.<lb/> Militär und Polizei ſah man ſeit drei Tagen ſchon nicht mehr. Nur Bür-<lb/> gergardiſten, die Gewehr im Arm mit Weib und Kindern plaudernd<lb/> und fröhlich die Straßen durchzogen. Kein einziger Unfug trübte die<lb/> Erinnerung an einen Tag der für <hi rendition="#g">Bremens</hi> politiſches Leben eine<lb/> neue Epoche begründet. Das Reich des Patriarchalismus geht überall<lb/> zu Ende, ſelbſt das des wohlgeſinnteſten und beſten; denn „Selbſt iſt<lb/> der Mann!“</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>&#x1F701; <hi rendition="#b">Rom,</hi> 5 März.</dateline> <p>Bereits geſtern Abend durchzog ein Volks-<lb/> haufen die Straßen und ließ eine Reihe von Stichwörtern ertönen,<lb/> welche alle auf den Grundaccord: „Es lebe die Republik!“ geſtimmt<lb/> waren. Ordentliche Leute ſcheinen nicht daran Theil genommen zu ha-<lb/> ben; im Gegentheil ſah man wie die Liberalen kurz nachdem ſie der Ge-<lb/> fellſchaft die ſich gebildet hatte, anſichtig geworden waren, raſch in das<lb/> Café zurückkehrten. Inſofern fand die Demonſtration auch keinen An-<lb/> klang, als ſich der Zug, nachdem er ſich lange auf- und abbewegt hatte,<lb/> nicht zu vermehren ſchien. Gleichzeitig hatten ſich die hier anweſen-<lb/> den Franzoſen, vorzugsweiſe wohl die Künſtler, zuſammengethan und<lb/> waren vor den Palaſt ihrer Botſchaft gezogen. Graf Roſſt nämlich<lb/> hatte ſich nach Empfang der beſtürzenden Nachrichten eingeſchloſſen,<lb/> und war nicht zu bewegen geweſen ſelbſt den Angeſeheneren ſeiner Lands-<lb/> leute und Schutzbefohlenen die Sachlage mitzutheilen. Der Secretär<lb/> der Botſchaft dagegen hatte die alarmirenden Gerüchte in grellſter Weiſe<lb/> in Umlauf geſetzt. Man ſandte daher eine Deputation an den Botſchaf-<lb/> ter ſelbſt, der alles was er Officielles in Händen hätte vorzeigen mußte.<lb/> Viel war dieß allerdings auch nicht, da alle Poſtverbindung zwiſchen<lb/> Paris und dem Süden unterbrochen zu ſeyn ſcheint, und wir ſichere<lb/> Nachrichten zunächſt durch Ihre Zeitung zu erwarten haben, die wir<lb/> wahrſcheinlich auch ſchon haben würden wenn nicht der heutige Tag<lb/> poſtlos wäre. Den Fremdenhaß hat man namentlich dem niedern Ge-<lb/> findel, ſelbſt den Dienern deutſcher Herrſchaften, einzuimpfen geſucht<lb/> und verſtanden. Mehrere haben in der That bereits Aeußerungen ge-<lb/> than die beunruhigen könnten wenn es nicht in Rom wäre. Dieſen zu-<lb/> folge ſollte der Carnevalsſchluß zu einem Blutbade benützt werden. Die<lb/> Aufregung wächst von Stunde zu Stunde. Die Nachrichten welche,<lb/> obwohl verworren, von Neapel hier eintreffen, drücken bedeutend und<lb/> mit ſtark reagirender Wirkung auf die Gemüther.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>Δ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 6 März.</dateline> <p>Geſtern Nachmittag bewegte ſich ein langer<lb/> Zug mit klingendem Spiel und zahlreichen Fahnen nach dem auf dem<lb/> Corſo gelegenen Palaſt des ſardiniſchen Geſandten. Eröffnet wurde<lb/> derſelbe durch eine an zwei langen Stangen befeſtigte Flagge, auf wel-<lb/> cher die Loſungsworte ſtanden: <cit><quote><hi rendition="#aq">„Viva Pio IX, Viva lo Straniero.“</hi></quote></cit><lb/> Trotz des unlängſt erſchienenen Tagsbefehls des Generalſtabs der Civica,<lb/> demzufolge kein Bürgergardiſt in Uniform an ähnlichen Demonſtratio-<lb/> nen theilnehmen ſoll, waren dieſelben in großer Anzahl, zum Theil ſo-<lb/> gar von Officieren geführt, erſchienen. Ja ſelbſt Dragoner hatten ſich<lb/> in ihre Reihen gemiſcht, wofür man ſie natürlich auch hochleben ließ.<lb/> Wie gewöhnlich wogte der Zug unter allerlei demonſtrativen Schreien<lb/> voran. Als der Ausdruck der Gefinnungen Einzelner, und von Einzel-<lb/> nen vorgebracht, haben ſie immerhin eine ſymptomatiſche Geltung. Man<lb/> ließ nicht bloß, wie neulich den Krieg, ſondern den Krieg gegen die<lb/> Deutſchen leben. Vor dem Palaſt des Geſandten angelangt, machte der<lb/> Zug Halt. Die Fahnen wurden hineingetragen, und erſchienen kurz<lb/> darauf wieder auf dem Balcon, von dem aus der Marcheſe Pareto die<lb/> verſammelte Menge begrüßte. Nachdem er die ſardiniſche Fahne ge-<lb/> ſchwungen, dankte er dem „großherzigen römiſchen Volk“ für dieſe De-<lb/> monſtration, von der ſein König erfahren ſolle, und die ihm ſehr ange-<lb/> nehm ſeyn werde. Hierauf nahm einer der Fahnenträger das Wort<lb/> und verſicherte dem römiſchen Volk im Namen der Genoveſen und Pie-<lb/> monteſen daß ſie vollkommen ſympathiſirten. Nur mahne er zur Mäßi-<lb/> gung (lautes Ziſchen), zur Mäßigung, durch welche die weiſen Rath-<lb/> ſchläge und hohen Intentionen Pio’s <hi rendition="#aq">IX</hi> allein zur Reife grbracht wer-<lb/> den könnten. Von unten auf wurde nun auch mit vielen Vivats und<lb/> Pereats geantwortet. Karl Albert ließ man in der Lombardei hoch le-<lb/> ben. Das fand natürlich rauſchenden Beifall. Ein Glück iſt es daß<lb/> hier die conſtitutionellen Vorarbeiten ſoweit gediehen ſind. Jetzt wäre<lb/> es ſicher zu ſpät. Man hat hier ein Circular aufgeſetzt in welchem der<lb/><cb/> Papſt um ungeſäumte Ertheilung der Conſtitution unter den gegenwär-<lb/> tigen Umſtänden dringend erſucht wird. Einige tauſend Abdrücke ſind<lb/> davon in Umlauf geſetzt worden, und befinden ſich ſchon mit Unter-<lb/> ſchriften bedeckt. Das Municipium, welches auch eine ſolche Adreſſe<lb/> vorbereitet hatte, kommt damit zu ſpät. Die beiden Caſino’s des Cir-<lb/> colo Romano uad der Handelsleute hatten Gaslampen ausgeſtellt, um<lb/> auf dieſe Weiſe ihre Freude über die Wendung der franzöſiſchen Angele-<lb/> geiten zu bezeugen. — Der Proceß des Fürſten von Canino iſt raſch been-<lb/> digt worden. Mehrerere Punkte blieben wegen Incompetenz unentſchie-<lb/> den, andere wegen unzureichenden Beweiſes.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>♀ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 6 März.</dateline> <p>Die Conſtitution befindet ſich bereits unter der<lb/> Preſſe, und ſoll übermorgen, alſo am Aſchermittwoch, veröffentlicht<lb/> werden. Hätte man die Proclamation derſelben noch in den Carneval<lb/> fallen laſſen, ſo würde dieſer leicht allzu rauſchend geworden ſeyn. Es<lb/> geht dießmal ohnedieß etwas ungeſtüm her, weniger auf dem Corſo als<lb/> auf den Feſtbällen und in den Verſammlungsſälen der Liberalen. Im<lb/> Cafè Nuovo waren deren angeblich 8000 bis nach Mitternacht beiſam-<lb/> men, und erklärten feierlich ihren Entſchluß ſofort nach der Gränze zu<lb/> ziehen. Heute ſoll in Abſicht ſeyn zum Papſt zu dringen, und ihm die<lb/> Erlaubniß zu dieſem Kreuzzug abzuverlangen. — Der franzöſiſche Bot-<lb/> ſchafter hat die Thore ſeines Palaſtes geſchloſſen und läßt, ſeitdem man<lb/> ihn auch geſtern um Mittheilung von officiellen Nachrichten, die er nicht<lb/> beſitzt, beſtürmt hat, niemand mehr vor ſich.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Genua,</hi> 9 März.</dateline> <p>Geſtern langte hier ein Courier von Turin<lb/> an mit einem Schreiben des Königs an den Marquis Pareto, wodurch<lb/> dieſer ungeſäumt nach Hof beſchieden wurde, um an der Bildung eines<lb/> neuen Miniſteriums Theil zu nehmen. Der Marquis Pareto, Genueſe,<lb/> iſt nicht nur als Diplomat rühmlichſt bekannt, ſondern hat auch als<lb/> Präſident der genealogiſchen Section bei den wiſſenſchaftlichen Con-<lb/> greſſen zu Genua und Venedig 1846 und 47 ſich die allgemeine Achtung<lb/> und Zuneigung in hohem Grad zu erwerben gewußt. Derſelbe reiste<lb/> ſchon einige Stunden nach Empfang des königl. Einladungsſchreibens<lb/> und unter dem lauteſten Jubel der verſammelten Menge von hier nach<lb/> der Hauptſtadt ab. Eine andere ſehr hervorragende Notabilität, welche<lb/> mit zur Bildung eines neuen Miniſteriums berufen worden, iſt der<lb/> Graf Ceſare Balbo, ſeit dem 1 Jan. der Hauptpfeiler des zu Turin da-<lb/> mals ins Leben getretenen Journals „Il Riſorgimento“, und bekanntlich<lb/> der Gründer der Anti-Giobertiſchen politiſchen Schule, welche lange<lb/> Zeit vor jener die Oberhand hatte, und durch ihr rationelles, praktiſches<lb/> Princip eines italieniſchen Staatenbundes oder Föderativſyſtems über<lb/> das Giobertiſche Princip der päpſtlichen Suprematie als weltlichen<lb/> Fürſten von Italien den Sieg davontragen muß. Gioberti, als Werkzeug<lb/> der Jeſuitenvertreibung, hat gewiß rieſenhafte Dienſte geleiſtet. In<lb/> jeder andern Hinſicht aber iſt ſein politiſches Talent nur ein ſehr unter-<lb/> geordnetes, und ſein Syſtem dem Zuſtand und den Wünſchen Italiens<lb/> jedenfalls gänzlich zuwider. Die unerwartete Wendung der franzöſi-<lb/> ſchen Begebniſſe hat aber nicht wenig dazu beigetragen Gioberti als<lb/> politiſche Notabilität auf ſeinen wahren Platz zu ſtellen, und die be-<lb/> ſonders in Sardinien ſtets ſo zahlreichen und eifrigen Anhänger Balbo’s<lb/> mit erneutem Vertrauen um deſſen Fahne zu verſammeln. Zu gleicher<lb/> Zeit kamen auch die königl. Verordnung über die Nationalgarden<lb/> und das Statut der Repräſentativverfaſſung hier an. Weder die eine<lb/> noch die andere haben den Erwartungen entſprochen, und die am Abend<lb/> ſtattgehabte theilweiſe Erleuchtung der Stadt kann daher nur dem be-<lb/> vorſtehenden Miniſterwechſel gegolten haben. Der Haß gegen den<lb/> Miniſter des Innern und der Polizei, den Grafen Borelli, einen gebornen<lb/> Genueſen und bis zu ſeiner Ernennung als Miniſterpräſident Mitglied<lb/> des hiefigen Senats, iſt gränzenlos, und ſcheint beſonders erregt worden<lb/> zu ſeyn durch die ſchnöde Art womit er im Monat December v. J. die<lb/> Deputation empfing welche die Genueſen nach Turin geſandt hatten<lb/> um den König um unverzügliche Errichtung der Bürgergarde zu bitten.<lb/> Borelli empfing jene Deputation mit dem Beſcheid daß Se. Maj.<lb/> zu dringende Geſchäfte habe als daß er ſich erlauben könne Höchſiden-<lb/> ſelben jenes Geſuch jetzt vorzulegen. Darauf nachläſſig nach der Uhr<lb/> ſehend, fügte er hinzu: <cit><quote>„Sie haben gerade noch Zeit die Meſſe anzuhören,<lb/> ehe der Eilwagen nach Genua abfährt.“</quote></cit> Dieſes Benehmen haben ihm<lb/> die Deputirten, worunter ſich auch die Marquis Georg Doria, James<lb/> Balbi, und Raggio befanden, wohl ſchwerlich ſchon vergeben. Nach dem Sta-<lb/> tut iſt die Steuerquota für die zur Bürgergarde zuläſſigen Staatsbürger auf<lb/> 3 bis 20 Franken, nach Verhältniß der Einwohnerzahl feſtgeſtellt. Auch<lb/> ganz Unbeſteuerte können zugelaſſen werden, wenn ſie ein Vermögen in<lb/> Geld oder Geldeswerth beſitzen. Großes Mißfallen erregte der Para-<lb/> graph welcher die Bürgergarde für Genua auf etwa 600 Mann be-<lb/> ſchränkt, während bei Gelegenheit der Plünderung des Jeſuitenkloſters<lb/> von St. Ambroſio ſogleich gegen 2000 Schießgewehre aus dem hieſiger<lb/> Arſenal an die Bürgerſchaft verabreicht worden ſind. Die Rückerſtat<lb/> tung von ⅔ derſelben könnte leicht zum Vorwande dienen um den nur<lb/> einmal ins Auge gefaßten Zielpunkt raſch zu verfolgen.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
„Honoratioren“ hatten das Nachſehen. Darin liegt eine große politiſche
Lehre. Möge ſie in und außerhalb Bremen benutzt werden! Kaum
eine Stunde nach der Bekanntmachung des Entſcheides ward die ganze
Stadt erleuchtet. In ruhiger Freude durchwogte das Volk die Straßen.
Militär und Polizei ſah man ſeit drei Tagen ſchon nicht mehr. Nur Bür-
gergardiſten, die Gewehr im Arm mit Weib und Kindern plaudernd
und fröhlich die Straßen durchzogen. Kein einziger Unfug trübte die
Erinnerung an einen Tag der für Bremens politiſches Leben eine
neue Epoche begründet. Das Reich des Patriarchalismus geht überall
zu Ende, ſelbſt das des wohlgeſinnteſten und beſten; denn „Selbſt iſt
der Mann!“
Italien.
🜁 Rom, 5 März.Bereits geſtern Abend durchzog ein Volks-
haufen die Straßen und ließ eine Reihe von Stichwörtern ertönen,
welche alle auf den Grundaccord: „Es lebe die Republik!“ geſtimmt
waren. Ordentliche Leute ſcheinen nicht daran Theil genommen zu ha-
ben; im Gegentheil ſah man wie die Liberalen kurz nachdem ſie der Ge-
fellſchaft die ſich gebildet hatte, anſichtig geworden waren, raſch in das
Café zurückkehrten. Inſofern fand die Demonſtration auch keinen An-
klang, als ſich der Zug, nachdem er ſich lange auf- und abbewegt hatte,
nicht zu vermehren ſchien. Gleichzeitig hatten ſich die hier anweſen-
den Franzoſen, vorzugsweiſe wohl die Künſtler, zuſammengethan und
waren vor den Palaſt ihrer Botſchaft gezogen. Graf Roſſt nämlich
hatte ſich nach Empfang der beſtürzenden Nachrichten eingeſchloſſen,
und war nicht zu bewegen geweſen ſelbſt den Angeſeheneren ſeiner Lands-
leute und Schutzbefohlenen die Sachlage mitzutheilen. Der Secretär
der Botſchaft dagegen hatte die alarmirenden Gerüchte in grellſter Weiſe
in Umlauf geſetzt. Man ſandte daher eine Deputation an den Botſchaf-
ter ſelbſt, der alles was er Officielles in Händen hätte vorzeigen mußte.
Viel war dieß allerdings auch nicht, da alle Poſtverbindung zwiſchen
Paris und dem Süden unterbrochen zu ſeyn ſcheint, und wir ſichere
Nachrichten zunächſt durch Ihre Zeitung zu erwarten haben, die wir
wahrſcheinlich auch ſchon haben würden wenn nicht der heutige Tag
poſtlos wäre. Den Fremdenhaß hat man namentlich dem niedern Ge-
findel, ſelbſt den Dienern deutſcher Herrſchaften, einzuimpfen geſucht
und verſtanden. Mehrere haben in der That bereits Aeußerungen ge-
than die beunruhigen könnten wenn es nicht in Rom wäre. Dieſen zu-
folge ſollte der Carnevalsſchluß zu einem Blutbade benützt werden. Die
Aufregung wächst von Stunde zu Stunde. Die Nachrichten welche,
obwohl verworren, von Neapel hier eintreffen, drücken bedeutend und
mit ſtark reagirender Wirkung auf die Gemüther.
Δ Rom, 6 März.Geſtern Nachmittag bewegte ſich ein langer
Zug mit klingendem Spiel und zahlreichen Fahnen nach dem auf dem
Corſo gelegenen Palaſt des ſardiniſchen Geſandten. Eröffnet wurde
derſelbe durch eine an zwei langen Stangen befeſtigte Flagge, auf wel-
cher die Loſungsworte ſtanden: „Viva Pio IX, Viva lo Straniero.“
Trotz des unlängſt erſchienenen Tagsbefehls des Generalſtabs der Civica,
demzufolge kein Bürgergardiſt in Uniform an ähnlichen Demonſtratio-
nen theilnehmen ſoll, waren dieſelben in großer Anzahl, zum Theil ſo-
gar von Officieren geführt, erſchienen. Ja ſelbſt Dragoner hatten ſich
in ihre Reihen gemiſcht, wofür man ſie natürlich auch hochleben ließ.
Wie gewöhnlich wogte der Zug unter allerlei demonſtrativen Schreien
voran. Als der Ausdruck der Gefinnungen Einzelner, und von Einzel-
nen vorgebracht, haben ſie immerhin eine ſymptomatiſche Geltung. Man
ließ nicht bloß, wie neulich den Krieg, ſondern den Krieg gegen die
Deutſchen leben. Vor dem Palaſt des Geſandten angelangt, machte der
Zug Halt. Die Fahnen wurden hineingetragen, und erſchienen kurz
darauf wieder auf dem Balcon, von dem aus der Marcheſe Pareto die
verſammelte Menge begrüßte. Nachdem er die ſardiniſche Fahne ge-
ſchwungen, dankte er dem „großherzigen römiſchen Volk“ für dieſe De-
monſtration, von der ſein König erfahren ſolle, und die ihm ſehr ange-
nehm ſeyn werde. Hierauf nahm einer der Fahnenträger das Wort
und verſicherte dem römiſchen Volk im Namen der Genoveſen und Pie-
monteſen daß ſie vollkommen ſympathiſirten. Nur mahne er zur Mäßi-
gung (lautes Ziſchen), zur Mäßigung, durch welche die weiſen Rath-
ſchläge und hohen Intentionen Pio’s IX allein zur Reife grbracht wer-
den könnten. Von unten auf wurde nun auch mit vielen Vivats und
Pereats geantwortet. Karl Albert ließ man in der Lombardei hoch le-
ben. Das fand natürlich rauſchenden Beifall. Ein Glück iſt es daß
hier die conſtitutionellen Vorarbeiten ſoweit gediehen ſind. Jetzt wäre
es ſicher zu ſpät. Man hat hier ein Circular aufgeſetzt in welchem der
Papſt um ungeſäumte Ertheilung der Conſtitution unter den gegenwär-
tigen Umſtänden dringend erſucht wird. Einige tauſend Abdrücke ſind
davon in Umlauf geſetzt worden, und befinden ſich ſchon mit Unter-
ſchriften bedeckt. Das Municipium, welches auch eine ſolche Adreſſe
vorbereitet hatte, kommt damit zu ſpät. Die beiden Caſino’s des Cir-
colo Romano uad der Handelsleute hatten Gaslampen ausgeſtellt, um
auf dieſe Weiſe ihre Freude über die Wendung der franzöſiſchen Angele-
geiten zu bezeugen. — Der Proceß des Fürſten von Canino iſt raſch been-
digt worden. Mehrerere Punkte blieben wegen Incompetenz unentſchie-
den, andere wegen unzureichenden Beweiſes.
♀ Rom, 6 März.Die Conſtitution befindet ſich bereits unter der
Preſſe, und ſoll übermorgen, alſo am Aſchermittwoch, veröffentlicht
werden. Hätte man die Proclamation derſelben noch in den Carneval
fallen laſſen, ſo würde dieſer leicht allzu rauſchend geworden ſeyn. Es
geht dießmal ohnedieß etwas ungeſtüm her, weniger auf dem Corſo als
auf den Feſtbällen und in den Verſammlungsſälen der Liberalen. Im
Cafè Nuovo waren deren angeblich 8000 bis nach Mitternacht beiſam-
men, und erklärten feierlich ihren Entſchluß ſofort nach der Gränze zu
ziehen. Heute ſoll in Abſicht ſeyn zum Papſt zu dringen, und ihm die
Erlaubniß zu dieſem Kreuzzug abzuverlangen. — Der franzöſiſche Bot-
ſchafter hat die Thore ſeines Palaſtes geſchloſſen und läßt, ſeitdem man
ihn auch geſtern um Mittheilung von officiellen Nachrichten, die er nicht
beſitzt, beſtürmt hat, niemand mehr vor ſich.
* Genua, 9 März.Geſtern langte hier ein Courier von Turin
an mit einem Schreiben des Königs an den Marquis Pareto, wodurch
dieſer ungeſäumt nach Hof beſchieden wurde, um an der Bildung eines
neuen Miniſteriums Theil zu nehmen. Der Marquis Pareto, Genueſe,
iſt nicht nur als Diplomat rühmlichſt bekannt, ſondern hat auch als
Präſident der genealogiſchen Section bei den wiſſenſchaftlichen Con-
greſſen zu Genua und Venedig 1846 und 47 ſich die allgemeine Achtung
und Zuneigung in hohem Grad zu erwerben gewußt. Derſelbe reiste
ſchon einige Stunden nach Empfang des königl. Einladungsſchreibens
und unter dem lauteſten Jubel der verſammelten Menge von hier nach
der Hauptſtadt ab. Eine andere ſehr hervorragende Notabilität, welche
mit zur Bildung eines neuen Miniſteriums berufen worden, iſt der
Graf Ceſare Balbo, ſeit dem 1 Jan. der Hauptpfeiler des zu Turin da-
mals ins Leben getretenen Journals „Il Riſorgimento“, und bekanntlich
der Gründer der Anti-Giobertiſchen politiſchen Schule, welche lange
Zeit vor jener die Oberhand hatte, und durch ihr rationelles, praktiſches
Princip eines italieniſchen Staatenbundes oder Föderativſyſtems über
das Giobertiſche Princip der päpſtlichen Suprematie als weltlichen
Fürſten von Italien den Sieg davontragen muß. Gioberti, als Werkzeug
der Jeſuitenvertreibung, hat gewiß rieſenhafte Dienſte geleiſtet. In
jeder andern Hinſicht aber iſt ſein politiſches Talent nur ein ſehr unter-
geordnetes, und ſein Syſtem dem Zuſtand und den Wünſchen Italiens
jedenfalls gänzlich zuwider. Die unerwartete Wendung der franzöſi-
ſchen Begebniſſe hat aber nicht wenig dazu beigetragen Gioberti als
politiſche Notabilität auf ſeinen wahren Platz zu ſtellen, und die be-
ſonders in Sardinien ſtets ſo zahlreichen und eifrigen Anhänger Balbo’s
mit erneutem Vertrauen um deſſen Fahne zu verſammeln. Zu gleicher
Zeit kamen auch die königl. Verordnung über die Nationalgarden
und das Statut der Repräſentativverfaſſung hier an. Weder die eine
noch die andere haben den Erwartungen entſprochen, und die am Abend
ſtattgehabte theilweiſe Erleuchtung der Stadt kann daher nur dem be-
vorſtehenden Miniſterwechſel gegolten haben. Der Haß gegen den
Miniſter des Innern und der Polizei, den Grafen Borelli, einen gebornen
Genueſen und bis zu ſeiner Ernennung als Miniſterpräſident Mitglied
des hiefigen Senats, iſt gränzenlos, und ſcheint beſonders erregt worden
zu ſeyn durch die ſchnöde Art womit er im Monat December v. J. die
Deputation empfing welche die Genueſen nach Turin geſandt hatten
um den König um unverzügliche Errichtung der Bürgergarde zu bitten.
Borelli empfing jene Deputation mit dem Beſcheid daß Se. Maj.
zu dringende Geſchäfte habe als daß er ſich erlauben könne Höchſiden-
ſelben jenes Geſuch jetzt vorzulegen. Darauf nachläſſig nach der Uhr
ſehend, fügte er hinzu: „Sie haben gerade noch Zeit die Meſſe anzuhören,
ehe der Eilwagen nach Genua abfährt.“ Dieſes Benehmen haben ihm
die Deputirten, worunter ſich auch die Marquis Georg Doria, James
Balbi, und Raggio befanden, wohl ſchwerlich ſchon vergeben. Nach dem Sta-
tut iſt die Steuerquota für die zur Bürgergarde zuläſſigen Staatsbürger auf
3 bis 20 Franken, nach Verhältniß der Einwohnerzahl feſtgeſtellt. Auch
ganz Unbeſteuerte können zugelaſſen werden, wenn ſie ein Vermögen in
Geld oder Geldeswerth beſitzen. Großes Mißfallen erregte der Para-
graph welcher die Bürgergarde für Genua auf etwa 600 Mann be-
ſchränkt, während bei Gelegenheit der Plünderung des Jeſuitenkloſters
von St. Ambroſio ſogleich gegen 2000 Schießgewehre aus dem hieſiger
Arſenal an die Bürgerſchaft verabreicht worden ſind. Die Rückerſtat
tung von ⅔ derſelben könnte leicht zum Vorwande dienen um den nur
einmal ins Auge gefaßten Zielpunkt raſch zu verfolgen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |