Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.[Spaltenumbruch]
versucht daß die kirchenrechtlichen Grundsätze der Jesuiten mit den im Zu 2. Hätte unser Gegner den Umstand daß gerade Clemens XIV So weit unsere Vertheidigung! Nun aber zum Schluß noch ein Fragen an die Zukunft. *** Vom Reckar, 7 März."Ehre dem französischen Namen! *) Allgemeine Encyklopädie von Ersch und Gruber. Section II. Bd. 16. S. 420. **) Da uns das betreffende Heft noch nicht zugänglich geworden ist, so
bleibt die Erläuterung anderer etwa noch bestrittener Punkte vorbe- halten. [Spaltenumbruch]
verſucht daß die kirchenrechtlichen Grundſätze der Jeſuiten mit den im Zu 2. Hätte unſer Gegner den Umſtand daß gerade Clemens XIV So weit unſere Vertheidigung! Nun aber zum Schluß noch ein Fragen an die Zukunft. *** Vom Reckar, 7 März.„Ehre dem franzöſiſchen Namen! *) Allgemeine Encyklopädie von Erſch und Gruber. Section II. Bd. 16. S. 420. **) Da uns das betreffende Heft noch nicht zugänglich geworden iſt, ſo
bleibt die Erläuterung anderer etwa noch beſtrittener Punkte vorbe- halten. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="1227"/><cb/> verſucht daß die kirchenrechtlichen Grundſätze der Jeſuiten mit den im<lb/> ſchweizeriſchen Bundesvertrage anerkannten ſtaatsrechtlichen Verhält-<lb/> niſſen unvereinbar ſeyen. Da es bekanntlich ſehr ſchwer iſt die von<lb/> dem genannten Orden anerkannten Grundſätze dieſer Art <hi rendition="#g">actenmäßig</hi><lb/> feſtzuſtellen, ſo ward, um alle etwaigen Zweifel an der Aechtheit der<lb/> Urkunde von vornherein abzuſchneiden, der Text der Nachtmahlsbulle<lb/> gewählt, da, wie ſich Prof. <hi rendition="#g">Danz</hi> in einer kurzen Geſchichte dieſer<lb/> Bulle<note place="foot" n="*)">Allgemeine Encyklopädie von <hi rendition="#g">Erſch</hi> und <hi rendition="#g">Gruber.</hi> Section <hi rendition="#aq">II.</hi> Bd. 16.<lb/> S. 420.</note> ausdrückt, „außer den Verdienſten welche ſich die Jeſuiten um<lb/> die Abfaſſung der Nachtmahlsbulle erworben haben.... auch ihre Be-<lb/> mühungen dieſelbe überall bekannt zu machen nicht außer Acht zu<lb/> laſſen“ find, und dieſelbe faſt in keinem Werke ihrer berühmteſten<lb/> Caſuiften fehlt. Dagegen ſind nun, wie wir aus Nr. 32 S. 509 der<lb/> Beilage dieſer Zeitung erſehen, in einem der neueſten Hefte der Hiſtoriſch-<lb/> politiſchen Blätter Einwendungen gemacht worden welche „im weſent-<lb/> lichen“ auf folgende zwei Behauptungen zurückgeführt werden können<note place="foot" n="**)">Da uns das betreffende Heft noch nicht zugänglich geworden iſt, ſo<lb/> bleibt die Erläuterung anderer etwa noch beſtrittener Punkte vorbe-<lb/> halten.</note>:<lb/> 1) Die Abendmahlsbulle könne als eine authentiſche Quelle der noch<lb/> jetzt zu Rom geltenden kirchenrechtlichen Grundſätze nicht angeſehen<lb/> werden, weil „die Päpſte ſeit Clemens <hi rendition="#aq">XIV</hi> und Pius <hi rendition="#aq">VI</hi> dem Zeit-<lb/> geiſt, und zwar mit Recht, das Zugeſtändniß gemacht haben daß dieſe<lb/> Bulle gar nicht mehr publicirt wird.“ 2) Jn der Abendmahlsbulle<lb/> ſeyen den Jeſuiten gar keine beſondern Verpflichtungen auferlegt,<lb/> ſondern nur den katholiſchen Geiſtlichen überhaupt. Und daraus wird<lb/> der Schluß gezogen: „Wenn alſo die Gefährlichkeit der Jeſuiten für<lb/> die Ruhe des Landes auf der <hi rendition="#aq">bulla coenae</hi> beruhen ſoll, ſo iſt ſie rein<lb/> aus der Luft gegriffen.“ Was den <hi rendition="#g">erſten</hi> Punkt betrifft, ſo behauptet<lb/> zwar Danz daß noch die bekannte <hi rendition="#g">Eliſe von der Recke</hi> und der Hof-<lb/> rath <hi rendition="#g">Göttling</hi> zu Jena bei ihrem Aufenthalt in Rom der Verleſung<lb/> dieſer Bulle perſönlich beigewohnt haben. Jndeſſen hat die erſtere (im<lb/> J. 1806) nur etwas vorleſen <hi rendition="#g">ſehen,</hi> und das Buch welches die Er-<lb/> zählung des letztern (aus dem J. 1828) enthält haben wir nicht ſelbſt<lb/> vergleichen können; wir wollen deßhalb annehmen daß unſer Gegner<lb/> in den Hiſtoriſch-politiſchen Blättern in dieſem Stück beſſer unterrichtet<lb/> iſt, und wir begrüßen dieſes Zugeſtändniß von Seite der römiſchen Curie<lb/> mit aufrichtiger Freude als ein Zeichen friedlicherer Geſinnungen, aber —<lb/> in Beziehung <hi rendition="#g">auf die fortwährende Gültigkeit der Bulle</hi> iſt die<lb/> alljährliche Verleſung doch offenbar ganz <hi rendition="#g">unerheblich,</hi> und wir können<lb/> die von dem Recenſenten aus dieſer Unterlaſſung gezogene Folgerung<lb/> nur dann für richtig anerkennen wenn er nachzuweiſen im Stande wäre<lb/> daß die fragliche Bulle <hi rendition="#g">förmlich und rechtskräftig aufgehoben</hi><lb/> worden; denn der Art. 21 derſelben beſagt ausdrücklich: „Und wir wollen<lb/> daß dieſe unſere gegenwärtige Bannbulle und alles was darin enthalten<lb/> iſt dauere und in Kraft bleibe bis andere dergleichen von uns oder dem<lb/> jeweiligen römiſchen Papſt gemacht oder erlaſſen werden.“ Wäre übrigens<lb/> wirklich eine ſolche Aufhebungsbulle vorhanden, ſo würde das ein freu-<lb/> diges Ereigniß nicht bloß für die proteſtantiſche ſondern auch für die ganze<lb/> katholiſche Chriſtenheit ſeyn; denn es werden in jener Bulle nicht etwa<lb/> nur die kirchenrechtlichen ſondern auch die reinſtaatlichen Anſprüche des<lb/> römiſchen Stuhls allen Gläubigen dergeſtalt ins Gewiſſen geſchoben daß<lb/> nicht etwa nur das neue revolutionäre Frankreich, ſondern auch ſchon<lb/> Fénélon und Boſſuet und alle Gallicaner, deßgleichen das katholiſche<lb/> Deutſchland faſt ohne Ausnahme, und zwar Geiſtliche wie Laien, den<lb/> darin enthaltenen Bannflüchen unterliegen. Wir find bereit dieß im<lb/> einzelnen nachzuweiſen wenn dieſe Thatſache irgendwie in Zweifel ge-<lb/> zogen werden ſollte.</p><lb/> <p>Zu 2. Hätte unſer Gegner den Umſtand daß gerade Clemens <hi rendition="#aq">XIV</hi><lb/> der erſte Papſt war welcher die jährliche Verleſung der Abendmahls-<lb/> bulle abgeſchafft hat gehörig gewürdigt, ſo würde er die Beziehungen<lb/> welche wir zwiſchen den Beſtrebungen des Jeſuitenordens und den in<lb/> der Bulle ausgeſprochenen Grundſätzen zu finden glauben, nicht ſo ohne<lb/> weiteres als ungegründet verworfen haben. Und wenn er behauptet:<lb/> „die Jeſuiten find nicht ſtaatsgefährlicher als jeder andere katholiſche<lb/> Geiſtliche“, ſo hat er offenbar nicht bedacht daß, ſolange die förmliche<lb/> Abſchaffung der Abendmahlsbulle nicht erfolgt iſt, dieſer Satz gleich-<lb/> bedeutend iſt mit der Behauptung: jeder katholiſche Geiſtliche habe alle<lb/> Beſtimmungen der Bulle ebenſo rückſichtslos zu vollziehen wie ein ſolches<lb/> Ordensmitglied — eine Behauptung die wir für durchaus irrig halten;<lb/><cb/> denn die in den einzelnen deutſchen Staaten wirklich beſtellten Geiſt-<lb/> lichen welche auf den Grund der deutſchen Bundesacte und der beſondern<lb/> Landesverfaſſung den Unterthaneneid offenkundig geleiſtet haben, über-<lb/> nehmen dadurch unſtreitig die Verpflichtung die Gewiſſen ihrer Beicht-<lb/> kinder in Beziehung auf alle verfaſſungsmäßig anerkannten Staats-<lb/> und Kirchenverhältniſſe nicht zu beunruhigen, während jene Ordens-<lb/> glieder ſich zu einem ſolchen Eide ohne Vorbehalt wohl in keinem<lb/> paritätiſchen Lande verſtanden haben, auch in Gemäßheit ihrer Ordens-<lb/> regel ſchwerlich verſtehen dürfen.</p><lb/> <p>So weit unſere Vertheidigung! Nun aber zum Schluß noch ein<lb/> friedliches und zwar offnes deutſches Wort. Schreiber dieſes iſt, was<lb/> dem Leſer kaum zweifelhaft geblieben ſeyn wird, Proteſtant, der Ver-<lb/> faſſer des fraglichen Aufſatzes dagegen unſtreitig Katholik. Gewiß be-<lb/> klagen wir aber beide gleich aufrichtig das religiöſe Zerwürfniß welches<lb/> ſeit drei Jahrhunderten Deutſchlands politiſchen Lebensnerv wenn nicht<lb/> zerſchnitten, doch in allen wichtigen Unternehmungen dergeſtalt gelähmt<lb/> hat daß das „Reich deutſcher Nation“ zum Spielball des Auslands ge-<lb/> worden iſt; wiewohl wir nicht läugnen wollen daß das geiſtige und<lb/> wiſſenſchaftliche Leben der Nation durch dieſe Kämpfe weſentlich ange-<lb/> regt und gefördert worden iſt, und gegen die Schmach der Vergangenheit<lb/> wenigſtens die Hoffnung einer reichen Zukunft eingetauſcht hat. Sollte<lb/> es nun nicht die Aufgabe unſerer Zeit ſeyn dahin zu wirken daß man in<lb/> Deutſchland, ähnlich wie in England, den wiſſenſchaftlichen Kampf der<lb/> Ueberzeugungen frei walten laſſe, ohne dabei im Hintergrunde die ſtaats-<lb/> rechtlichen Grundlagen des heutigen Deutſchlands immer wieder in Frage<lb/> zu ſtellen? Mit andern Worten: iſt denn wohl gar keine Hoffnung daß<lb/> die Grundgeſetze des neuern europäiſchen Staatsrechts, wie ſie in Münſter,<lb/> Osnabrück und Wien feſtgeſtellt find, endlich auch jenſeits der Alpen un-<lb/> umwundene Anerkennung finden? Deutſchland begeht in dieſem Jahr die<lb/> zweihundertjährige Feier des Vertrags welcher einen dreißigjährigen<lb/> Krieg beſchloß und eine drittelhundertjährige Feier desjenigen welcher<lb/> einen mehr als dreißigjährigen Frieden gebracht und bis dahin glücklich<lb/> erhalten hat! Welch ſchöneres Geſchenk könnten unſere deutſchen Brüder<lb/> katholiſchen Bekenntniſſes bei dieſer Feier auf den Altar des Vaterlands<lb/> niederlegen als ein „Ja und <hi rendition="#g">Amen</hi>“, zu dieſen Werken des Friedens<lb/> feierlich ausgeſprochen von dem hochherzigen Mann in deſſen Hand der<lb/> Herr die wunderbare Macht gelegt hat Millionen von Herzen mit Einem<lb/> Wort zu erregen oder zu beruhigen? Mögen unſere katholiſchen Brüder<lb/> von uns Proteſtanten eine entſprechende Gegenleiſtung verlangen! Wir<lb/> wollen gern ein Opfer bringen wenn wir es dahin bringen können daß<lb/> die friedlichen und freundlichen Beziehungen, die nur mit ſeltenen und<lb/> vereinzelten Ausnahmen in ganz Deutſchland zwiſchen Proteſtanten und<lb/> Katholiken bereits <hi rendition="#g">factiſch</hi> beſtehen, auch <hi rendition="#g">kirchenrechtlich</hi> ſo geſichert<lb/> werden daß man ſie dogmatiſchen Eiferern gegenüber <hi rendition="#g">principiell</hi> ver-<lb/> theidigen und aufrechterhalten kann. Jn dieſes Jahr fällt ja auch das<lb/> ſechshundertjährige Jubelfeft des <hi rendition="#g">Kölner Dombaues</hi>! Nun, ſo wollen<lb/> wir euch helfen euren Dom fertigbanen zum ewigen Zeugniß daß wir<lb/> uns aufrichtig freuen wenn eure Kirchen auf deutſchem Boden glänzend<lb/> emporſteigen, und daß neben dem Verein der Guſtav-Adolf-Stiftung<lb/> und deſſen Zweck in unſern Herzen noch Raum iſt für die Auferbauung<lb/> der chriſtlichen Kirche nach all ihren verſchiedenen Bekenntniſſen. K. 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Mit welchen ſchwarzen Farben wurde ſie<lb/> zumeiſt von bekehrten Radicalen gemalt, die, mit den ſchlechten Lei-<lb/> denſchaften aus der eigenen Vergangenheit vertraut, das böſe Princip,<lb/> von welchem ſie ſich abgewandt, geſpenſtiſch allenthalben außer ſich er-<lb/> blicken und, weil ſie auf der eigenen Lebensfahrt Schiffbruch gelitten,<lb/> die <hi rendition="#g">Welt</hi> für morſch erklären. Nun, da die Tiefen ſich geöffnet, wo<lb/> find jene dämoniſchen Mächte die nach der Berkündigung jener Pro-<lb/> pheten aus dem Abgrunde ſteigen mußten? Freien Spielraum hatten<lb/> in jenen Tagen die Leidenſchaften: aber wo find die Ausbrüche des<lb/> grimmigen Neides und des wüthenden Haſſes die verkündigt worden<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1227/0011]
verſucht daß die kirchenrechtlichen Grundſätze der Jeſuiten mit den im
ſchweizeriſchen Bundesvertrage anerkannten ſtaatsrechtlichen Verhält-
niſſen unvereinbar ſeyen. Da es bekanntlich ſehr ſchwer iſt die von
dem genannten Orden anerkannten Grundſätze dieſer Art actenmäßig
feſtzuſtellen, ſo ward, um alle etwaigen Zweifel an der Aechtheit der
Urkunde von vornherein abzuſchneiden, der Text der Nachtmahlsbulle
gewählt, da, wie ſich Prof. Danz in einer kurzen Geſchichte dieſer
Bulle *) ausdrückt, „außer den Verdienſten welche ſich die Jeſuiten um
die Abfaſſung der Nachtmahlsbulle erworben haben.... auch ihre Be-
mühungen dieſelbe überall bekannt zu machen nicht außer Acht zu
laſſen“ find, und dieſelbe faſt in keinem Werke ihrer berühmteſten
Caſuiften fehlt. Dagegen ſind nun, wie wir aus Nr. 32 S. 509 der
Beilage dieſer Zeitung erſehen, in einem der neueſten Hefte der Hiſtoriſch-
politiſchen Blätter Einwendungen gemacht worden welche „im weſent-
lichen“ auf folgende zwei Behauptungen zurückgeführt werden können **):
1) Die Abendmahlsbulle könne als eine authentiſche Quelle der noch
jetzt zu Rom geltenden kirchenrechtlichen Grundſätze nicht angeſehen
werden, weil „die Päpſte ſeit Clemens XIV und Pius VI dem Zeit-
geiſt, und zwar mit Recht, das Zugeſtändniß gemacht haben daß dieſe
Bulle gar nicht mehr publicirt wird.“ 2) Jn der Abendmahlsbulle
ſeyen den Jeſuiten gar keine beſondern Verpflichtungen auferlegt,
ſondern nur den katholiſchen Geiſtlichen überhaupt. Und daraus wird
der Schluß gezogen: „Wenn alſo die Gefährlichkeit der Jeſuiten für
die Ruhe des Landes auf der bulla coenae beruhen ſoll, ſo iſt ſie rein
aus der Luft gegriffen.“ Was den erſten Punkt betrifft, ſo behauptet
zwar Danz daß noch die bekannte Eliſe von der Recke und der Hof-
rath Göttling zu Jena bei ihrem Aufenthalt in Rom der Verleſung
dieſer Bulle perſönlich beigewohnt haben. Jndeſſen hat die erſtere (im
J. 1806) nur etwas vorleſen ſehen, und das Buch welches die Er-
zählung des letztern (aus dem J. 1828) enthält haben wir nicht ſelbſt
vergleichen können; wir wollen deßhalb annehmen daß unſer Gegner
in den Hiſtoriſch-politiſchen Blättern in dieſem Stück beſſer unterrichtet
iſt, und wir begrüßen dieſes Zugeſtändniß von Seite der römiſchen Curie
mit aufrichtiger Freude als ein Zeichen friedlicherer Geſinnungen, aber —
in Beziehung auf die fortwährende Gültigkeit der Bulle iſt die
alljährliche Verleſung doch offenbar ganz unerheblich, und wir können
die von dem Recenſenten aus dieſer Unterlaſſung gezogene Folgerung
nur dann für richtig anerkennen wenn er nachzuweiſen im Stande wäre
daß die fragliche Bulle förmlich und rechtskräftig aufgehoben
worden; denn der Art. 21 derſelben beſagt ausdrücklich: „Und wir wollen
daß dieſe unſere gegenwärtige Bannbulle und alles was darin enthalten
iſt dauere und in Kraft bleibe bis andere dergleichen von uns oder dem
jeweiligen römiſchen Papſt gemacht oder erlaſſen werden.“ Wäre übrigens
wirklich eine ſolche Aufhebungsbulle vorhanden, ſo würde das ein freu-
diges Ereigniß nicht bloß für die proteſtantiſche ſondern auch für die ganze
katholiſche Chriſtenheit ſeyn; denn es werden in jener Bulle nicht etwa
nur die kirchenrechtlichen ſondern auch die reinſtaatlichen Anſprüche des
römiſchen Stuhls allen Gläubigen dergeſtalt ins Gewiſſen geſchoben daß
nicht etwa nur das neue revolutionäre Frankreich, ſondern auch ſchon
Fénélon und Boſſuet und alle Gallicaner, deßgleichen das katholiſche
Deutſchland faſt ohne Ausnahme, und zwar Geiſtliche wie Laien, den
darin enthaltenen Bannflüchen unterliegen. Wir find bereit dieß im
einzelnen nachzuweiſen wenn dieſe Thatſache irgendwie in Zweifel ge-
zogen werden ſollte.
Zu 2. Hätte unſer Gegner den Umſtand daß gerade Clemens XIV
der erſte Papſt war welcher die jährliche Verleſung der Abendmahls-
bulle abgeſchafft hat gehörig gewürdigt, ſo würde er die Beziehungen
welche wir zwiſchen den Beſtrebungen des Jeſuitenordens und den in
der Bulle ausgeſprochenen Grundſätzen zu finden glauben, nicht ſo ohne
weiteres als ungegründet verworfen haben. Und wenn er behauptet:
„die Jeſuiten find nicht ſtaatsgefährlicher als jeder andere katholiſche
Geiſtliche“, ſo hat er offenbar nicht bedacht daß, ſolange die förmliche
Abſchaffung der Abendmahlsbulle nicht erfolgt iſt, dieſer Satz gleich-
bedeutend iſt mit der Behauptung: jeder katholiſche Geiſtliche habe alle
Beſtimmungen der Bulle ebenſo rückſichtslos zu vollziehen wie ein ſolches
Ordensmitglied — eine Behauptung die wir für durchaus irrig halten;
denn die in den einzelnen deutſchen Staaten wirklich beſtellten Geiſt-
lichen welche auf den Grund der deutſchen Bundesacte und der beſondern
Landesverfaſſung den Unterthaneneid offenkundig geleiſtet haben, über-
nehmen dadurch unſtreitig die Verpflichtung die Gewiſſen ihrer Beicht-
kinder in Beziehung auf alle verfaſſungsmäßig anerkannten Staats-
und Kirchenverhältniſſe nicht zu beunruhigen, während jene Ordens-
glieder ſich zu einem ſolchen Eide ohne Vorbehalt wohl in keinem
paritätiſchen Lande verſtanden haben, auch in Gemäßheit ihrer Ordens-
regel ſchwerlich verſtehen dürfen.
So weit unſere Vertheidigung! Nun aber zum Schluß noch ein
friedliches und zwar offnes deutſches Wort. Schreiber dieſes iſt, was
dem Leſer kaum zweifelhaft geblieben ſeyn wird, Proteſtant, der Ver-
faſſer des fraglichen Aufſatzes dagegen unſtreitig Katholik. Gewiß be-
klagen wir aber beide gleich aufrichtig das religiöſe Zerwürfniß welches
ſeit drei Jahrhunderten Deutſchlands politiſchen Lebensnerv wenn nicht
zerſchnitten, doch in allen wichtigen Unternehmungen dergeſtalt gelähmt
hat daß das „Reich deutſcher Nation“ zum Spielball des Auslands ge-
worden iſt; wiewohl wir nicht läugnen wollen daß das geiſtige und
wiſſenſchaftliche Leben der Nation durch dieſe Kämpfe weſentlich ange-
regt und gefördert worden iſt, und gegen die Schmach der Vergangenheit
wenigſtens die Hoffnung einer reichen Zukunft eingetauſcht hat. Sollte
es nun nicht die Aufgabe unſerer Zeit ſeyn dahin zu wirken daß man in
Deutſchland, ähnlich wie in England, den wiſſenſchaftlichen Kampf der
Ueberzeugungen frei walten laſſe, ohne dabei im Hintergrunde die ſtaats-
rechtlichen Grundlagen des heutigen Deutſchlands immer wieder in Frage
zu ſtellen? Mit andern Worten: iſt denn wohl gar keine Hoffnung daß
die Grundgeſetze des neuern europäiſchen Staatsrechts, wie ſie in Münſter,
Osnabrück und Wien feſtgeſtellt find, endlich auch jenſeits der Alpen un-
umwundene Anerkennung finden? Deutſchland begeht in dieſem Jahr die
zweihundertjährige Feier des Vertrags welcher einen dreißigjährigen
Krieg beſchloß und eine drittelhundertjährige Feier desjenigen welcher
einen mehr als dreißigjährigen Frieden gebracht und bis dahin glücklich
erhalten hat! Welch ſchöneres Geſchenk könnten unſere deutſchen Brüder
katholiſchen Bekenntniſſes bei dieſer Feier auf den Altar des Vaterlands
niederlegen als ein „Ja und Amen“, zu dieſen Werken des Friedens
feierlich ausgeſprochen von dem hochherzigen Mann in deſſen Hand der
Herr die wunderbare Macht gelegt hat Millionen von Herzen mit Einem
Wort zu erregen oder zu beruhigen? Mögen unſere katholiſchen Brüder
von uns Proteſtanten eine entſprechende Gegenleiſtung verlangen! Wir
wollen gern ein Opfer bringen wenn wir es dahin bringen können daß
die friedlichen und freundlichen Beziehungen, die nur mit ſeltenen und
vereinzelten Ausnahmen in ganz Deutſchland zwiſchen Proteſtanten und
Katholiken bereits factiſch beſtehen, auch kirchenrechtlich ſo geſichert
werden daß man ſie dogmatiſchen Eiferern gegenüber principiell ver-
theidigen und aufrechterhalten kann. Jn dieſes Jahr fällt ja auch das
ſechshundertjährige Jubelfeft des Kölner Dombaues! Nun, ſo wollen
wir euch helfen euren Dom fertigbanen zum ewigen Zeugniß daß wir
uns aufrichtig freuen wenn eure Kirchen auf deutſchem Boden glänzend
emporſteigen, und daß neben dem Verein der Guſtav-Adolf-Stiftung
und deſſen Zweck in unſern Herzen noch Raum iſt für die Auferbauung
der chriſtlichen Kirche nach all ihren verſchiedenen Bekenntniſſen. K. B.
Fragen an die Zukunft.
*** Vom Reckar, 7 März.
„Ehre dem franzöſiſchen Namen!
Das Volk das ihn trägt hat ſeinem Ruhmeskranz einen neuen Lorbeer
zugefügt. Nennt mir eine Nation und eine Zeit in welcher eine ſo
gewaltige Umwälzung mit ſo geringem Blutverluſt, mit ſo wenig Aus-
ſchweifung und mit ſo viel Edelmuth gegen die Befiegten vollbracht
worden wäre! Die Kriſts welche der Denkende längſt erwartete iſt ein-
getreten. Mit welchen Schrecken hatten die Unglückspropheten das
Bild derſelben ausgeſtattet! Mit welchen ſchwarzen Farben wurde ſie
zumeiſt von bekehrten Radicalen gemalt, die, mit den ſchlechten Lei-
denſchaften aus der eigenen Vergangenheit vertraut, das böſe Princip,
von welchem ſie ſich abgewandt, geſpenſtiſch allenthalben außer ſich er-
blicken und, weil ſie auf der eigenen Lebensfahrt Schiffbruch gelitten,
die Welt für morſch erklären. Nun, da die Tiefen ſich geöffnet, wo
find jene dämoniſchen Mächte die nach der Berkündigung jener Pro-
pheten aus dem Abgrunde ſteigen mußten? Freien Spielraum hatten
in jenen Tagen die Leidenſchaften: aber wo find die Ausbrüche des
grimmigen Neides und des wüthenden Haſſes die verkündigt worden
*) Allgemeine Encyklopädie von Erſch und Gruber. Section II. Bd. 16.
S. 420.
**) Da uns das betreffende Heft noch nicht zugänglich geworden iſt, ſo
bleibt die Erläuterung anderer etwa noch beſtrittener Punkte vorbe-
halten.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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