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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 17 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Deutschland.

Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach
der Pariserrevolution gemeldet, wie vom Elsaß herüber eine allgemeine
Flucht der Juden anhebe. Wenige Tage später wurde dasselbe von
badischen Ortschaften erwähnt welche man bisher als den Sitz der poli-
tischen Aufklärung zu betrachten gewohnt war. Man braucht jetzt nicht
so weit zu gehen um ähnliches berichten zu können. Nach den gestern
hier eingetroffenen Nachrichten ist der nördliche Theil von Franken, von
Bayreuth und Bamberg gegen die sächsische Gränze, in einem sehr be-
denklichen Zustande. Die Abneigung des Landvolks gegen die im Frän-
kischen so zahlreiche jüdische Bevölkerung hat sich, in seltsamem Contrast
zu den Behauptungen der Freunde der Judenemancipation in Lichten-
fels, Burgkundstadt und etwa fünf anderen Orten in starken Excessen
gegen die Juden Luft gemacht welche, das muß man freilich gestehen, in
ihrem Wucher und Schacher nur zu sehr Anlaß zu Klagen geben. Der Bahn-
zug welcher gestern Abends von Lichtenfels um halb 6 Uhr eintreffen sollte,
kam erst nach 61/2 Uhr und brachte -- in 32 Wägen 500 Judenfamilien
mit welche, der Plünderung und persönlichen Verfolgung entronnen, fich,
ihre Kinder und was fie von ihrer Habe mitnehmen konnten, von dem
flachen Lande und den kleinen Städten nach der Stadt retteten. Ein
trauriger Anblick, der die Scenen der Emigration welche von Goethe's
Hermann und Dorothea in aller Gedächtniß find, wiederholte, nur mit
dem Unterschied daß die eigenthümliche Lebhaftigkeit der Flüchtigen,
ihre Freude ein Asyl gefunden zu haben, und dabei die Aengftlichkeit
keiner fremden Hand das Mitgebrachte anzuvertrauen, nicht bloß dem
Mitleiden Raum gaben. Auch der Regierungspräsident v. Stenglein, ein
höchst geachteter und beliebter Beamte, traf gestern Abends hier ein,
worauf mit dem hiesigen Stadtcommandanten Berathungen gepflogen
wurden, in Folge deren das in Nürnberg garnisonirende Jnfanterie-
Regiment noch um Mitternacht durch einen Expressen aufgeboten wurde.
Dasselbe muß, da man einen Einfall von Meiningen her be-
sorgt,
von Bamberg aus, das in Bayreuth liegende Regiment, gegen-
wärtig nicht 200 Mann stark (!), von dort aus gegen die Gränze rücken;
und die Communication soll durch einige Schwadronen Bamberger Che-
vaulegers erhalten werden. Neben diesen Scenen gehen aber noch andere
nicht minder bedenkliche vor. Die adeligen Unterthanen erheben sich da und
dort gegen ihre Gutsherrschaft; und wie aus Unterfranken darüber sehr
ernste Berichte einliefen, so daß eine Schwadron Chevaulegers von Neu-
stadt an der Aisch bereits in das Würzburgische aufgebrochen ist, so kam auch
die Nachricht hier an daß auf den nur wenige Stunden von hier ent-
fernten Gütern des Frhrn. v. Redwitz Unruhen ausbrachen, die Kanzlei er-
stürmt, die Hypothekenbücher verbrannt, die anderen amtlichen Urkunden
verdorben wurden. Ob persönliche Beschädigungen stattfanden weiß ich
nicht genau, es wird jedoch behauptet. Schon war gestern der Aufbruch
einer Schwadron Chevaulegers von hier aus nach den bedrohten Orten
bestimmt, wurde aber dann, nicht zu verachtender Gründe wegen,
contremandirt. Man erfährt weiter daß gegen Kronach zu sächsische
Arbeiter eingedrungen seyen und Lebensmittel verlangten, gibt selbst die
Anzahl derselben auf 300 an. Dazu kommen noch die in das Landvolk
dringenden unverdauten Jdeen von Freiheit und Gleichheit und der-
gleichen, so daß in Folge dessen Fälle der Steuerverweigerung nicht mehr
zu den bloß möglichen gehören. Jch schreibe Jhnen dieses mit Absicht
mehr im allgemeinen, da man bei der Fluth von widersprechenden Er-
zählungen für das Specielle nicht einstehen kann. Daß wir uns wie
auf einem Vulcan befinden, gesteht sich jeder welcher die Verhältnisse so
ansieht wie sie wirklich sind.


Obwohl gestern Abend auf das be-
stimmteste behauptet wurde daß das Landgericht Forchheim von Bauern
bestürmt worden sey, so hat sich dieß doch-zum Glück nicht bestätigt.
Eine traurige Nachricht aus dem Oberlande drängt hier die andere,
alles lebt in einer ängstlichen Spannung, überall erzählen glaubwürdige
Personen von der Aufregung unter den Bauern nah und fern die durch
Mißverstehen der königl. Proclamation zum Theil mit veranlaßt seyn
mag. In der vorigen Nacht wurde das Schloß eines Barons Küns-
berg in Schmalzdorf, einem Dorf bei Culmbach, nach der Aussage
einiger aus dem Oberlande kommenden Deputirten, von einem Haufen
verwegener Bursche überfallen und geplündert. In Folge dieses
[Spaltenumbruch] neuen Excesses ist heute wieder eine bedeutende Truppenzahl nach jener
Gegend abgegangen, aus Neumarkt kam gegen Mittag eine Escadron
Chevaulegers hier an. Hier wollte sich wie in den andern großen
Städten Bayerns eine Sicherheitswache bilden, wobei sich alle Stände
ohne Unterschied betheiligen sollten, zum größten Leidwesen aber haben
die voxläusig entworfenen Statuten dieses Vereins von dem zusällig
hier anwesenden Regierungsprästdenten die Genehmigung nicht erhalten,
und man stellte sogar von Seite des Kreiscommando in einem "Ulti-
matum" die Forderung ein drittes Bataillon zur hiesigen Landwehr zu
bilden, wobei aber von der bis jetzt festgehaltenen Aufnahmsfähigkeit
und der vorgeschriebenen completen Uniformirung nur theilweise Um-
gang genommen wird, wie aus der bekannt gemachten Auffor-
derung des hiesigen Landwehrcommando ersichtlich ist. Die Wendung
einer hier mit lebhaftem Eifer erfaßten rein bürgerlichen Angelegen-
heit hat in einer Mittags stattgefundenen Versammlung im Museum,
wo man sich zur Berathung versammelt hatte, eine gewisse Bitterkeit
erregt und man wird wegen dieses Ultimatums des Kreiscommandanten
sich direct an Se. Maj. wonden und um Abstellung dieses Beschlusses
bitten.

Gr. Hessen.

Eben hat der das Steuer-
ruder in kräftiger Hand führende Minister v. Gagern folgendes an die
aufständischen Bewohner des Odenwaldes erlassen:

Odenwälder!
Erst vor wenigen Tagen bin ich -- Ihr wißt es -- durch das ehrenvolle
Vertrauen unsers geliebten Erbgroßherzogs zur Leitung der Staatsge-
schäfte berufen worden. Eure drückende Lage, Eure besonderen Verhält-
nisse als Einwohner standesherrlicher Bezirte nahmen vor allem andern
meine Aufmerksamkeit in Anspruch; ich erklärte am 7 d. M., am ersten
Tage nach Uebernahme meines Amtes, in den beiden Kammern der
Stände: "Es wird das Bestreben der Regierung seyn in Einverständ-
niß mit den Ständen alle Feudallasten zu beseitigen, die Privilegien ein-
zelner Classen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Gesetz
unbedingt gleichzustellen." Das Ziel welches ich mir vorgesteckt, und wel-
ches zu erreichen ich die Zuversicht habe, da ich der Unterstützung aller
Staatsangehörigen, namentlich auch deter mich zu erfreuen habe von
welchen Opfer zu bringen sind -- dieses Ziel besteht in der Gleichstellung
der Einwohner der standesherrlichen Bezirke mit den übrigen Staats-
angehörigen. Ungeduldig dieses Ziel zu erreichen, habt Jhr seitdem
Eure Standesherren bedrängt und Zugeständnisse von denselben erhal-
ten, die weit über dasjenige hinausgehen was nach Recht und Billigkeit
von ihnen gefordert werden konnte. Ihr habt, ich muß es Euch mit
Schmerz aber auch mit Ernst sagen, den Weg des Gesetzes verlassen!
Erwartet nicht von mir daß ich Euch in unrechten Dingen unterstützen
werde; ich will Euch helfen erreichen was recht und billig ist, aber ich
mißbillige ernstlich alle Ungesetzlichkeiten, ich fordere von Euch Achtung
und Heilighaltung der Eigenthumsrechte, ich fordere von Euch mit allem
Nachdruck dessen ich fähig bin Aufrechthaltung der Sicherheit der Per-
sonen. Jhr kennt mich als Euern Freund; Euch kenne ich als brave
Männer, die wohl augenblicklich sich zu Ungesetzlichkeiten hinreißen las-
sen konnten, die aber auf den rechten Pfad zurückkehren werden, sobald
sie erkennen wohin sie sich verirrt hatten. Vertrauet auf mich, schon habe
ich mich mit Euren Anliegen beschäftigt; ich werde Commissäre zu
Euch schicken, um die Verhältnisse zwischen den Standesherren und Euch
auf dem Wege gütlicher Verständigung zur Befriedigung aller gerechten
und billigen Wünsche in Ordnung zu bringen; die Standesherren bieten
zu diesem Friedenswerke bereitwillig die Hand. Fortan werden Eure
Standesherren allen Gesetzen, die auf verfassungsmäßigem Wege erlas-
sen werden, ebenso unbedingt unterworfen seyn, wie die übrigen Ange-
hörigen des Großherzogthums; sie werden also namentlich allen Gesetzen
unterworfen seyn welche eine Ablösung, Verwandlung oder Aufhebung
von Monopolien, Wirthschaftsbannrechten, Grundlasten, Weiderechten,
Jagden, Fischereien, Erblehen etc. für das ganze Land überhaupt zum Ge-
genstand haben. Sie werden sich hinsichtlich aller noch nicht zum Ab-
schluß gebrachten Grundrentenablösungen den Bestimmungen des Ablö-
fungsgesetzes von 1836 nach den billigsten Rücksichten unterwerfen. Sie
werden die ihnen verfassungsmäßig zustehenden Gerechtsame in Bezug
auf Justiz und Polizeiverwaltung, namentlich auch die Forstpolizei über
Communal- und Privatwaldungen an den Staat abtreten; sie werden
auf die Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten verzichten.
Sie werden Maßregeln nicht entgegen seyn welche auf Beseitigung der
Klagen über Wildbeschädigungen abzielen, und eine allgemeine Ausdeh-
nung des Wildschadensgesetzes auf Waldungen bezwecken. Sie haben
den ihnen von mir gemachten Vorschlag alle ihre jetzt anhängigen Pro-
cesse mit Angehörigen ihrer Standesherrschaften durch eine aus der Mitte
der hiesigen öffentlichen Anwälte zu bildende Commission prüfen zu las-
sen und eine gütliche Beilegung jener Processe auf diesem Wege anzu-

Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 17 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Deutſchland.

Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach
der Pariſerrevolution gemeldet, wie vom Elſaß herüber eine allgemeine
Flucht der Juden anhebe. Wenige Tage ſpäter wurde dasſelbe von
badiſchen Ortſchaften erwähnt welche man bisher als den Sitz der poli-
tiſchen Aufklärung zu betrachten gewohnt war. Man braucht jetzt nicht
ſo weit zu gehen um ähnliches berichten zu können. Nach den geſtern
hier eingetroffenen Nachrichten iſt der nördliche Theil von Franken, von
Bayreuth und Bamberg gegen die ſächſiſche Gränze, in einem ſehr be-
denklichen Zuſtande. Die Abneigung des Landvolks gegen die im Frän-
kiſchen ſo zahlreiche jüdiſche Bevölkerung hat ſich, in ſeltſamem Contraſt
zu den Behauptungen der Freunde der Judenemancipation in Lichten-
fels, Burgkundſtadt und etwa fünf anderen Orten in ſtarken Exceſſen
gegen die Juden Luft gemacht welche, das muß man freilich geſtehen, in
ihrem Wucher und Schacher nur zu ſehr Anlaß zu Klagen geben. Der Bahn-
zug welcher geſtern Abends von Lichtenfels um halb 6 Uhr eintreffen ſollte,
kam erſt nach 6½ Uhr und brachte — in 32 Wägen 500 Judenfamilien
mit welche, der Plünderung und perſönlichen Verfolgung entronnen, fich,
ihre Kinder und was fie von ihrer Habe mitnehmen konnten, von dem
flachen Lande und den kleinen Städten nach der Stadt retteten. Ein
trauriger Anblick, der die Scenen der Emigration welche von Goethe’s
Hermann und Dorothea in aller Gedächtniß find, wiederholte, nur mit
dem Unterſchied daß die eigenthümliche Lebhaftigkeit der Flüchtigen,
ihre Freude ein Aſyl gefunden zu haben, und dabei die Aengftlichkeit
keiner fremden Hand das Mitgebrachte anzuvertrauen, nicht bloß dem
Mitleiden Raum gaben. Auch der Regierungspräſident v. Stenglein, ein
höchſt geachteter und beliebter Beamte, traf geſtern Abends hier ein,
worauf mit dem hieſigen Stadtcommandanten Berathungen gepflogen
wurden, in Folge deren das in Nürnberg garniſonirende Jnfanterie-
Regiment noch um Mitternacht durch einen Expreſſen aufgeboten wurde.
Dasſelbe muß, da man einen Einfall von Meiningen her be-
ſorgt,
von Bamberg aus, das in Bayreuth liegende Regiment, gegen-
wärtig nicht 200 Mann ſtark (!), von dort aus gegen die Gränze rücken;
und die Communication ſoll durch einige Schwadronen Bamberger Che-
vaulegers erhalten werden. Neben dieſen Scenen gehen aber noch andere
nicht minder bedenkliche vor. Die adeligen Unterthanen erheben ſich da und
dort gegen ihre Gutsherrſchaft; und wie aus Unterfranken darüber ſehr
ernſte Berichte einliefen, ſo daß eine Schwadron Chevaulegers von Neu-
ſtadt an der Aiſch bereits in das Würzburgiſche aufgebrochen iſt, ſo kam auch
die Nachricht hier an daß auf den nur wenige Stunden von hier ent-
fernten Gütern des Frhrn. v. Redwitz Unruhen ausbrachen, die Kanzlei er-
ſtürmt, die Hypothekenbücher verbrannt, die anderen amtlichen Urkunden
verdorben wurden. Ob perſönliche Beſchädigungen ſtattfanden weiß ich
nicht genau, es wird jedoch behauptet. Schon war geſtern der Aufbruch
einer Schwadron Chevaulegers von hier aus nach den bedrohten Orten
beſtimmt, wurde aber dann, nicht zu verachtender Gründe wegen,
contremandirt. Man erfährt weiter daß gegen Kronach zu ſächſiſche
Arbeiter eingedrungen ſeyen und Lebensmittel verlangten, gibt ſelbſt die
Anzahl derſelben auf 300 an. Dazu kommen noch die in das Landvolk
dringenden unverdauten Jdeen von Freiheit und Gleichheit und der-
gleichen, ſo daß in Folge deſſen Fälle der Steuerverweigerung nicht mehr
zu den bloß möglichen gehören. Jch ſchreibe Jhnen dieſes mit Abſicht
mehr im allgemeinen, da man bei der Fluth von widerſprechenden Er-
zählungen für das Specielle nicht einſtehen kann. Daß wir uns wie
auf einem Vulcan befinden, geſteht ſich jeder welcher die Verhältniſſe ſo
anſieht wie ſie wirklich ſind.


Obwohl geſtern Abend auf das be-
ſtimmteſte behauptet wurde daß das Landgericht Forchheim von Bauern
beſtürmt worden ſey, ſo hat ſich dieß doch-zum Glück nicht beſtätigt.
Eine traurige Nachricht aus dem Oberlande drängt hier die andere,
alles lebt in einer ängſtlichen Spannung, überall erzählen glaubwürdige
Perſonen von der Aufregung unter den Bauern nah und fern die durch
Mißverſtehen der königl. Proclamation zum Theil mit veranlaßt ſeyn
mag. In der vorigen Nacht wurde das Schloß eines Barons Küns-
berg in Schmalzdorf, einem Dorf bei Culmbach, nach der Ausſage
einiger aus dem Oberlande kommenden Deputirten, von einem Haufen
verwegener Burſche überfallen und geplündert. In Folge dieſes
[Spaltenumbruch] neuen Exceſſes iſt heute wieder eine bedeutende Truppenzahl nach jener
Gegend abgegangen, aus Neumarkt kam gegen Mittag eine Escadron
Chevaulegers hier an. Hier wollte ſich wie in den andern großen
Städten Bayerns eine Sicherheitswache bilden, wobei ſich alle Stände
ohne Unterſchied betheiligen ſollten, zum größten Leidweſen aber haben
die voxläuſig entworfenen Statuten dieſes Vereins von dem zuſällig
hier anweſenden Regierungspräſtdenten die Genehmigung nicht erhalten,
und man ſtellte ſogar von Seite des Kreiscommando in einem „Ulti-
matum“ die Forderung ein drittes Bataillon zur hieſigen Landwehr zu
bilden, wobei aber von der bis jetzt feſtgehaltenen Aufnahmsfähigkeit
und der vorgeſchriebenen completen Uniformirung nur theilweiſe Um-
gang genommen wird, wie aus der bekannt gemachten Auffor-
derung des hieſigen Landwehrcommando erſichtlich iſt. Die Wendung
einer hier mit lebhaftem Eifer erfaßten rein bürgerlichen Angelegen-
heit hat in einer Mittags ſtattgefundenen Verſammlung im Muſeum,
wo man ſich zur Berathung verſammelt hatte, eine gewiſſe Bitterkeit
erregt und man wird wegen dieſes Ultimatums des Kreiscommandanten
ſich direct an Se. Maj. wonden und um Abſtellung dieſes Beſchluſſes
bitten.

Gr. Heſſen.

Eben hat der das Steuer-
ruder in kräftiger Hand führende Miniſter v. Gagern folgendes an die
aufſtändiſchen Bewohner des Odenwaldes erlaſſen:

Odenwälder!
Erſt vor wenigen Tagen bin ich — Ihr wißt es — durch das ehrenvolle
Vertrauen unſers geliebten Erbgroßherzogs zur Leitung der Staatsge-
ſchäfte berufen worden. Eure drückende Lage, Eure beſonderen Verhält-
niſſe als Einwohner ſtandesherrlicher Bezirte nahmen vor allem andern
meine Aufmerkſamkeit in Anſpruch; ich erklärte am 7 d. M., am erſten
Tage nach Uebernahme meines Amtes, in den beiden Kammern der
Stände: „Es wird das Beſtreben der Regierung ſeyn in Einverſtänd-
niß mit den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien ein-
zelner Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz
unbedingt gleichzuſtellen.“ Das Ziel welches ich mir vorgeſteckt, und wel-
ches zu erreichen ich die Zuverſicht habe, da ich der Unterſtützung aller
Staatsangehörigen, namentlich auch deter mich zu erfreuen habe von
welchen Opfer zu bringen ſind — dieſes Ziel beſteht in der Gleichſtellung
der Einwohner der ſtandesherrlichen Bezirke mit den übrigen Staats-
angehörigen. Ungeduldig dieſes Ziel zu erreichen, habt Jhr ſeitdem
Eure Standesherren bedrängt und Zugeſtändniſſe von denſelben erhal-
ten, die weit über dasjenige hinausgehen was nach Recht und Billigkeit
von ihnen gefordert werden konnte. Ihr habt, ich muß es Euch mit
Schmerz aber auch mit Ernſt ſagen, den Weg des Geſetzes verlaſſen!
Erwartet nicht von mir daß ich Euch in unrechten Dingen unterſtützen
werde; ich will Euch helfen erreichen was recht und billig iſt, aber ich
mißbillige ernſtlich alle Ungeſetzlichkeiten, ich fordere von Euch Achtung
und Heilighaltung der Eigenthumsrechte, ich fordere von Euch mit allem
Nachdruck deſſen ich fähig bin Aufrechthaltung der Sicherheit der Per-
ſonen. Jhr kennt mich als Euern Freund; Euch kenne ich als brave
Männer, die wohl augenblicklich ſich zu Ungeſetzlichkeiten hinreißen laſ-
ſen konnten, die aber auf den rechten Pfad zurückkehren werden, ſobald
ſie erkennen wohin ſie ſich verirrt hatten. Vertrauet auf mich, ſchon habe
ich mich mit Euren Anliegen beſchäftigt; ich werde Commiſſäre zu
Euch ſchicken, um die Verhältniſſe zwiſchen den Standesherren und Euch
auf dem Wege gütlicher Verſtändigung zur Befriedigung aller gerechten
und billigen Wünſche in Ordnung zu bringen; die Standesherren bieten
zu dieſem Friedenswerke bereitwillig die Hand. Fortan werden Eure
Standesherren allen Geſetzen, die auf verfaſſungsmäßigem Wege erlaſ-
ſen werden, ebenſo unbedingt unterworfen ſeyn, wie die übrigen Ange-
hörigen des Großherzogthums; ſie werden alſo namentlich allen Geſetzen
unterworfen ſeyn welche eine Ablöſung, Verwandlung oder Aufhebung
von Monopolien, Wirthſchaftsbannrechten, Grundlaſten, Weiderechten,
Jagden, Fiſchereien, Erblehen ꝛc. für das ganze Land überhaupt zum Ge-
genſtand haben. Sie werden ſich hinſichtlich aller noch nicht zum Ab-
ſchluß gebrachten Grundrentenablöſungen den Beſtimmungen des Ablö-
fungsgeſetzes von 1836 nach den billigſten Rückſichten unterwerfen. Sie
werden die ihnen verfaſſungsmäßig zuſtehenden Gerechtſame in Bezug
auf Juſtiz und Polizeiverwaltung, namentlich auch die Forſtpolizei über
Communal- und Privatwaldungen an den Staat abtreten; ſie werden
auf die Ernennung der Bürgermeiſter und Beigeordneten verzichten.
Sie werden Maßregeln nicht entgegen ſeyn welche auf Beſeitigung der
Klagen über Wildbeſchädigungen abzielen, und eine allgemeine Ausdeh-
nung des Wildſchadensgeſetzes auf Waldungen bezwecken. Sie haben
den ihnen von mir gemachten Vorſchlag alle ihre jetzt anhängigen Pro-
ceſſe mit Angehörigen ihrer Standesherrſchaften durch eine aus der Mitte
der hieſigen öffentlichen Anwälte zu bildende Commiſſion prüfen zu laſ-
ſen und eine gütliche Beilegung jener Proceſſe auf dieſem Wege anzu-

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[0017] Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 17 März 1848. Deutſchland. * Bamberg, 14 März. Die Allgemeine Zeitung hat kurz nach der Pariſerrevolution gemeldet, wie vom Elſaß herüber eine allgemeine Flucht der Juden anhebe. Wenige Tage ſpäter wurde dasſelbe von badiſchen Ortſchaften erwähnt welche man bisher als den Sitz der poli- tiſchen Aufklärung zu betrachten gewohnt war. Man braucht jetzt nicht ſo weit zu gehen um ähnliches berichten zu können. Nach den geſtern hier eingetroffenen Nachrichten iſt der nördliche Theil von Franken, von Bayreuth und Bamberg gegen die ſächſiſche Gränze, in einem ſehr be- denklichen Zuſtande. Die Abneigung des Landvolks gegen die im Frän- kiſchen ſo zahlreiche jüdiſche Bevölkerung hat ſich, in ſeltſamem Contraſt zu den Behauptungen der Freunde der Judenemancipation in Lichten- fels, Burgkundſtadt und etwa fünf anderen Orten in ſtarken Exceſſen gegen die Juden Luft gemacht welche, das muß man freilich geſtehen, in ihrem Wucher und Schacher nur zu ſehr Anlaß zu Klagen geben. Der Bahn- zug welcher geſtern Abends von Lichtenfels um halb 6 Uhr eintreffen ſollte, kam erſt nach 6½ Uhr und brachte — in 32 Wägen 500 Judenfamilien mit welche, der Plünderung und perſönlichen Verfolgung entronnen, fich, ihre Kinder und was fie von ihrer Habe mitnehmen konnten, von dem flachen Lande und den kleinen Städten nach der Stadt retteten. Ein trauriger Anblick, der die Scenen der Emigration welche von Goethe’s Hermann und Dorothea in aller Gedächtniß find, wiederholte, nur mit dem Unterſchied daß die eigenthümliche Lebhaftigkeit der Flüchtigen, ihre Freude ein Aſyl gefunden zu haben, und dabei die Aengftlichkeit keiner fremden Hand das Mitgebrachte anzuvertrauen, nicht bloß dem Mitleiden Raum gaben. Auch der Regierungspräſident v. Stenglein, ein höchſt geachteter und beliebter Beamte, traf geſtern Abends hier ein, worauf mit dem hieſigen Stadtcommandanten Berathungen gepflogen wurden, in Folge deren das in Nürnberg garniſonirende Jnfanterie- Regiment noch um Mitternacht durch einen Expreſſen aufgeboten wurde. Dasſelbe muß, da man einen Einfall von Meiningen her be- ſorgt, von Bamberg aus, das in Bayreuth liegende Regiment, gegen- wärtig nicht 200 Mann ſtark (!), von dort aus gegen die Gränze rücken; und die Communication ſoll durch einige Schwadronen Bamberger Che- vaulegers erhalten werden. Neben dieſen Scenen gehen aber noch andere nicht minder bedenkliche vor. Die adeligen Unterthanen erheben ſich da und dort gegen ihre Gutsherrſchaft; und wie aus Unterfranken darüber ſehr ernſte Berichte einliefen, ſo daß eine Schwadron Chevaulegers von Neu- ſtadt an der Aiſch bereits in das Würzburgiſche aufgebrochen iſt, ſo kam auch die Nachricht hier an daß auf den nur wenige Stunden von hier ent- fernten Gütern des Frhrn. v. Redwitz Unruhen ausbrachen, die Kanzlei er- ſtürmt, die Hypothekenbücher verbrannt, die anderen amtlichen Urkunden verdorben wurden. Ob perſönliche Beſchädigungen ſtattfanden weiß ich nicht genau, es wird jedoch behauptet. Schon war geſtern der Aufbruch einer Schwadron Chevaulegers von hier aus nach den bedrohten Orten beſtimmt, wurde aber dann, nicht zu verachtender Gründe wegen, contremandirt. Man erfährt weiter daß gegen Kronach zu ſächſiſche Arbeiter eingedrungen ſeyen und Lebensmittel verlangten, gibt ſelbſt die Anzahl derſelben auf 300 an. Dazu kommen noch die in das Landvolk dringenden unverdauten Jdeen von Freiheit und Gleichheit und der- gleichen, ſo daß in Folge deſſen Fälle der Steuerverweigerung nicht mehr zu den bloß möglichen gehören. Jch ſchreibe Jhnen dieſes mit Abſicht mehr im allgemeinen, da man bei der Fluth von widerſprechenden Er- zählungen für das Specielle nicht einſtehen kann. Daß wir uns wie auf einem Vulcan befinden, geſteht ſich jeder welcher die Verhältniſſe ſo anſieht wie ſie wirklich ſind. * Nürnberg, 15 März. Obwohl geſtern Abend auf das be- ſtimmteſte behauptet wurde daß das Landgericht Forchheim von Bauern beſtürmt worden ſey, ſo hat ſich dieß doch-zum Glück nicht beſtätigt. Eine traurige Nachricht aus dem Oberlande drängt hier die andere, alles lebt in einer ängſtlichen Spannung, überall erzählen glaubwürdige Perſonen von der Aufregung unter den Bauern nah und fern die durch Mißverſtehen der königl. Proclamation zum Theil mit veranlaßt ſeyn mag. In der vorigen Nacht wurde das Schloß eines Barons Küns- berg in Schmalzdorf, einem Dorf bei Culmbach, nach der Ausſage einiger aus dem Oberlande kommenden Deputirten, von einem Haufen verwegener Burſche überfallen und geplündert. In Folge dieſes neuen Exceſſes iſt heute wieder eine bedeutende Truppenzahl nach jener Gegend abgegangen, aus Neumarkt kam gegen Mittag eine Escadron Chevaulegers hier an. Hier wollte ſich wie in den andern großen Städten Bayerns eine Sicherheitswache bilden, wobei ſich alle Stände ohne Unterſchied betheiligen ſollten, zum größten Leidweſen aber haben die voxläuſig entworfenen Statuten dieſes Vereins von dem zuſällig hier anweſenden Regierungspräſtdenten die Genehmigung nicht erhalten, und man ſtellte ſogar von Seite des Kreiscommando in einem „Ulti- matum“ die Forderung ein drittes Bataillon zur hieſigen Landwehr zu bilden, wobei aber von der bis jetzt feſtgehaltenen Aufnahmsfähigkeit und der vorgeſchriebenen completen Uniformirung nur theilweiſe Um- gang genommen wird, wie aus der bekannt gemachten Auffor- derung des hieſigen Landwehrcommando erſichtlich iſt. Die Wendung einer hier mit lebhaftem Eifer erfaßten rein bürgerlichen Angelegen- heit hat in einer Mittags ſtattgefundenen Verſammlung im Muſeum, wo man ſich zur Berathung verſammelt hatte, eine gewiſſe Bitterkeit erregt und man wird wegen dieſes Ultimatums des Kreiscommandanten ſich direct an Se. Maj. wonden und um Abſtellung dieſes Beſchluſſes bitten. Gr. Heſſen. *** Darmſtadt, 13 März. Eben hat der das Steuer- ruder in kräftiger Hand führende Miniſter v. Gagern folgendes an die aufſtändiſchen Bewohner des Odenwaldes erlaſſen: Odenwälder! Erſt vor wenigen Tagen bin ich — Ihr wißt es — durch das ehrenvolle Vertrauen unſers geliebten Erbgroßherzogs zur Leitung der Staatsge- ſchäfte berufen worden. Eure drückende Lage, Eure beſonderen Verhält- niſſe als Einwohner ſtandesherrlicher Bezirte nahmen vor allem andern meine Aufmerkſamkeit in Anſpruch; ich erklärte am 7 d. M., am erſten Tage nach Uebernahme meines Amtes, in den beiden Kammern der Stände: „Es wird das Beſtreben der Regierung ſeyn in Einverſtänd- niß mit den Ständen alle Feudallaſten zu beſeitigen, die Privilegien ein- zelner Claſſen aufzuheben und alle Staatsangehörigen vor dem Geſetz unbedingt gleichzuſtellen.“ Das Ziel welches ich mir vorgeſteckt, und wel- ches zu erreichen ich die Zuverſicht habe, da ich der Unterſtützung aller Staatsangehörigen, namentlich auch deter mich zu erfreuen habe von welchen Opfer zu bringen ſind — dieſes Ziel beſteht in der Gleichſtellung der Einwohner der ſtandesherrlichen Bezirke mit den übrigen Staats- angehörigen. Ungeduldig dieſes Ziel zu erreichen, habt Jhr ſeitdem Eure Standesherren bedrängt und Zugeſtändniſſe von denſelben erhal- ten, die weit über dasjenige hinausgehen was nach Recht und Billigkeit von ihnen gefordert werden konnte. Ihr habt, ich muß es Euch mit Schmerz aber auch mit Ernſt ſagen, den Weg des Geſetzes verlaſſen! Erwartet nicht von mir daß ich Euch in unrechten Dingen unterſtützen werde; ich will Euch helfen erreichen was recht und billig iſt, aber ich mißbillige ernſtlich alle Ungeſetzlichkeiten, ich fordere von Euch Achtung und Heilighaltung der Eigenthumsrechte, ich fordere von Euch mit allem Nachdruck deſſen ich fähig bin Aufrechthaltung der Sicherheit der Per- ſonen. Jhr kennt mich als Euern Freund; Euch kenne ich als brave Männer, die wohl augenblicklich ſich zu Ungeſetzlichkeiten hinreißen laſ- ſen konnten, die aber auf den rechten Pfad zurückkehren werden, ſobald ſie erkennen wohin ſie ſich verirrt hatten. Vertrauet auf mich, ſchon habe ich mich mit Euren Anliegen beſchäftigt; ich werde Commiſſäre zu Euch ſchicken, um die Verhältniſſe zwiſchen den Standesherren und Euch auf dem Wege gütlicher Verſtändigung zur Befriedigung aller gerechten und billigen Wünſche in Ordnung zu bringen; die Standesherren bieten zu dieſem Friedenswerke bereitwillig die Hand. Fortan werden Eure Standesherren allen Geſetzen, die auf verfaſſungsmäßigem Wege erlaſ- ſen werden, ebenſo unbedingt unterworfen ſeyn, wie die übrigen Ange- hörigen des Großherzogthums; ſie werden alſo namentlich allen Geſetzen unterworfen ſeyn welche eine Ablöſung, Verwandlung oder Aufhebung von Monopolien, Wirthſchaftsbannrechten, Grundlaſten, Weiderechten, Jagden, Fiſchereien, Erblehen ꝛc. für das ganze Land überhaupt zum Ge- genſtand haben. Sie werden ſich hinſichtlich aller noch nicht zum Ab- ſchluß gebrachten Grundrentenablöſungen den Beſtimmungen des Ablö- fungsgeſetzes von 1836 nach den billigſten Rückſichten unterwerfen. Sie werden die ihnen verfaſſungsmäßig zuſtehenden Gerechtſame in Bezug auf Juſtiz und Polizeiverwaltung, namentlich auch die Forſtpolizei über Communal- und Privatwaldungen an den Staat abtreten; ſie werden auf die Ernennung der Bürgermeiſter und Beigeordneten verzichten. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1848/17>, abgerufen am 23.11.2024.