Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.[Spaltenumbruch]
Triumphzug nach der kaiserlichen Burg und den sie umgebenden Plätzen, Wien, 16 März. Keine Mauth, keine Polizei an den Linien Wien, 17 März. Mein gestriger Bericht über die neu zu Wien, 17 März. Fürst Metternich hat sich dem Vernehmen ** Wien, 17 März. Der zum Chef des Hofkriegsraths er- [Spaltenumbruch]
Triumphzug nach der kaiſerlichen Burg und den ſie umgebenden Plätzen, ⚹ Wien, 16 März. Keine Mauth, keine Polizei an den Linien ⚹ Wien, 17 März. Mein geſtriger Bericht über die neu zu ☓ Wien, 17 März. Fürſt Metternich hat ſich dem Vernehmen ** Wien, 17 März. Der zum Chef des Hofkriegsraths er- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="1270"/><cb/> Triumphzug nach der kaiſerlichen Burg und den ſie umgebenden Plätzen,<lb/> wo Se. Maj., umgeben von allen anweſenden Mitgliedern der kaiſerl.<lb/> Familie, auf dem Balcon vor der kaiſerlichen Bibliothek (am Joſephs-<lb/> platz) ſich zeigte, und mit ſichtbarer Rührung die Lebehoch- und Dank-<lb/> rufe ſeiner getreuen Bürger empfing. Der Zug bewegte ſich dann durch<lb/> die Hauptſtraßen der glänzend erleuchteten Stadt, das mit Blumen be-<lb/> kränzte Bild des Kaiſers in ſeiner Mitte, und von zahlreichen Muſikban-<lb/> den begleitet. Vor dem Palaſt des päpſtlichen Nuncius wurde Halt ge-<lb/> macht, und mit faſt einem ſchwärmeriſchen Aufſchwung das beliebte Evviva<lb/> Pio <hi rendition="#aq">IX</hi> der Italiener zu oft wiederholtenmalen dargebracht, bis der<lb/> Nuncius am Balcon erſchien und der verſammelten Menge ſeinen Segen<lb/> ertheilte. Gleichfalls hielt der Zug einige Zeit vor den Fenſtern des<lb/> juridiſchen Leſevereins, wo einer von den Italienern, welche zahlreich<lb/> das Bild des Kaiſers umſtanden, in deutſcher Sprache eine Rede hielt<lb/> die wiederholtes Beifallklatſchen, herzliche Evvivas für die italieniſche<lb/> Nation hervorrief, und mit dem Satze ſchloß daß die Schranken welche<lb/> die beiden Nationen von einander trennten, nicht mehr beſtehen, daß ſie<lb/> durch dieſen ſchönen Tag für immer niedergeriſſen ſeyen. Und wirklich<lb/> gab es keinen in dieſer unermeßlichen Menſchenmenge der nicht die Be-<lb/> deutung unſerer drei großen Tage für alle Völker der öſterreichiſchen<lb/> Monarchie gefühlt hätte, der nicht von der Ueberzeugung ihrer rieſen-<lb/> baften Folgen durchdrungen geweſen wäre. — Nachträglich zu meinen<lb/> frühern Meldungen muß ich noch bemerken daß der obenerwähnte juri-<lb/> diſche Leſeverein vorgeſtern Morgens ſich zu einer Sicherheitswache con-<lb/> ſtituirt hatte, und am Nachmittag desſelben Tags, nachdem ſeine<lb/> Mitglieder aus dem bürgerlichen Zeughans Waffen erhalten, ſich auf<lb/> dem Michaelerplatz poſtirte, wo ſich ihnen ein großer Theil der bewaffne-<lb/> ten Studenten und Bürger anſchloß. Hier war es wo die Aufhebung<lb/> der Cenſur zuerſt verkündet wurde. Am darauffolgenden Morgen zer-<lb/> ſtreuten ſich jedoch die Mitglieder des Vereins nach allen Richtungen in<lb/> der Stadt in der loyalen Abſicht das Volk zu beruhigen, und ihm zu er-<lb/> klären wie groß das bereits ertheilte Geſchenk des Kaiſers (Preßfreiheit)<lb/> ſey, und wie ſehr man Urſache hätte ſich damit befriedigt zu fühlen.<lb/> Eine weſentlich verſchiedene Haltung beobachteten, wie bereits gemeldet,<lb/> das ganze Studentencorps und ein namhafter Theil der Bürger. Dieſe<lb/> zogen ſich ſoviel als möglich auf das Univerſttätsgebäude zurück, prote-<lb/> ſtirten gegen alle entferntern Entſendungen ihrer Mannſchaft außerhalb<lb/> der innern Stadt, und beobachteten mit großer Standhaftigkeit ihre<lb/> eingenommene Stellung durch den ganzen Mittwoch, ohne ſich durch<lb/> irgendetwas darin beirren zu laſſen, ſo daß nach dem allgemeinen Ur-<lb/> theil dieſer Beharrlichkeit allein das glückliche Reſultat des letzten Tages<lb/> zugeſchrieben wird. Ohne Zweifel ſteht in den höchſten Regionen die<lb/> Ueberzeugung feſt daß dieſes Reſultat in der Kräftigung der Monarchie<lb/> beſteht, und in der Vermehrung der Macht unſerer geliebten Dynaſtie,<lb/> in der innigen Verbindung endlich der verſchiedenen Nationen aus denen<lb/> der Staat zuſammengeſetzt iſt, die nun ein gemeinſchaftliches Band ver-<lb/> knüpfen ſoll: die allgemeine Conſtitution, die Liebe und Anhänglichkeit<lb/> an das angeſtammte Kaiſerhaus. Se. Maj. der Kaiſer erfreute heute<lb/> auf ſeinem abermaligen Zug durch die Stadt die Univerſität mit ſeinem<lb/> Beſuch und wurde daſelbſt mit einem unermeßlichen Jubel empfangen.<lb/> Heute Abend findet ein großartiger Fackelzug nach der Refidenz ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⚹ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 16 März.</dateline><lb/> <p>Keine Mauth, keine Polizei an den Linien<lb/> Wiens und dieſe von Nationalgardiſten bewacht! Am Eingang der<lb/> Jägerzeile wurde die ungariſche Deputation von zwei unabſehbaren<lb/> Colonnen Nationalgardiſten und von einer unermeßlichen Volksmenge<lb/> empfangen. Hier wurde Bauernfelds trefflich geſchriebener Aufruf an<lb/> die Bürger Wiens laut verleſen und von den Ungarn mit begeiſtertem<lb/> Eljenruf begleitet. Aus allen Häuſern wehten weiße Flaggen und<lb/> Tücher, wurden Kränze und Blumen geworfen; tauſendſtimmiger Jubel-<lb/> ruf ertönte: Koſſuth — es lebe Koſſuth der Volksvertreter; es leben<lb/> unſere wackern Brüder, die heldenmüthigen Ungarn! Koſſuth wurde<lb/> von den begeiſterten Wienern trotz ſeines Sträubens emporgehoben<lb/> und auf den Händen getragen (dem Erzherzog-Palatin, der früher<lb/> angekommen, hatte man die Pferde ausgeſpannt und ſeinen Wagen<lb/> im Triumph gezogen). Ein Italiener umarmte den gefeierten Tribun<lb/> mit den Worten: er ſchätze ſich glücklich der erſte zu ſeyn ihm im Namen<lb/> ſeiner Nation den Bruderkuß zu geben. Alle Zuſchauer vergoſſen<lb/> Thränen bei dieſer erhebenden Scene. Am Stephansplatz wurde eben<lb/> Kaiſer Ferdinands Proclamation verleſen, worin er ſeinen getreuen<lb/> Völkern eine Conſtitution, Preßfreiheit, Nationalgarde ertheilt und<lb/><cb/> ſeine Rührung über die Haltung des Volks ausdrückt. Abends war<lb/> die ganze Stadt auf das glänzendſte beleuchtet; unzählige Volksmaſſen<lb/> durchzogen mit weißen Fahnen und mit nicht endenwollendem Jubelruf<lb/> durch die Straßen vor das Local des politiſch-juridiſchen Leſevereins,<lb/> deſſen Mitglieder ſich um die Ereigniſſe der letzten Tage und um die<lb/> Aufrechthaltung der Ruhe unvergängliche Verdienſte erworben. Heute<lb/> morgens um 1 Uhr begab ſich endlich die ungariſche Deputation in<lb/> glänzendem Nationalcoſtüm zu Fuß durch die belebteſten Straßen und<lb/> unter den enthuſtaſtiſchen Theilnahmsbezeugungen der Bevölkerung in<lb/> die Hofburg, wo ihnen Se. Majeſtät in den allergnädigſten Ausdrücken<lb/> die Gewährung aller Wünſche der Reichsſtände zuſagte und den Grafen<lb/> Ludwig Batthiányi (Chef der Oppoſition) mit der Bildung eines unga-<lb/> riſchen Miniſteriums beauftragte. (Der Kanzler Graf Apponyi iſt ſchon<lb/> vor zwei Tagen abgetreten.) Man glaubt daß Graf Széchenyi, Baron<lb/> Eötvös, Koſſuth und Deák in die neue Verwaltung berufen werden.<lb/> Zu hoffen iſt es übrigens daß die Mitglieder der ungariſchen Reichs-<lb/> deputation auch zu der bereits niedergeſetzten Verfaſſungscommiſſion<lb/> für die ganze Monarchie beigezogen werden, damit eine wahre Ver-<lb/> einigung aller Völker des großen Kaiſerſtaats angebahnt werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⚹ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 17 März.</dateline><lb/> <p>Mein geſtriger Bericht über die neu zu<lb/> bildende Verwaltung für Ungarn iſt noch damit zu ergänzen daß Se.<lb/> Maj. den Erzherzog-Palatin als außerordentlichen und bevollmächtigten<lb/> Commiſſär für Ungarn ernannte, mit dem ſich der neue Miniſterpräſi-<lb/> dent Graf Ludwig Batthianyi ins Einvernehmen zu ſetzen hat. Der<lb/> Erzherzog Stephan hat ſich überhaupt in dieſen ereignißvollen Tagen<lb/> ſeines hohen Berufes würdig bewieſen, und iſt vor dem König als wah-<lb/> rer Dolmetſcher der Wünſche der von ihm vertretenen Nation aufgetre-<lb/> ten. Auch der Fürſt Nicolaus Eſterhazy, der ſo lange den Intereſſen<lb/> ſeines Vaterlandes entfremdet geſchienen, hat ſich in der Stunde der Ge-<lb/> fahr zu ſeinem Volke wiedergefunden und erklärte in Gegenwart des<lb/> Monarchen der neuen Verwaltung mit allen ſeinen Kräften beiſtehen zu<lb/> wollen. Dieſer Beiſtand iſt bei dem ungeheuern Beſitzthum des Fürſten<lb/> für das neue Miniſterium von Wichtigkeit. Außer den geſtern erwähn-<lb/> ten muthmaßlichen Mitgliedern desſelben wird heute noch Graf Ladis-<lb/> laus Teleki genannt. In Preßburg hatten ſich vorgeſtern irrthümliche<lb/> Gerüchte über den Erfolg der reichstäglichen Deputation verbreitet,<lb/> worauf ſich die dortige Bürgerſchaft bewaffnete und in Verein mit der<lb/> Landtagsjugend eine Deputation hieher ſandte. Auch in Peſth, Raab und<lb/> in andern ungariſchen Städten herrſcht ungeheure Aufregung; in Tyrnau<lb/> ſind bedauerliche Exceſſe gegen Juden vorgefallen. Der Bericht der De-<lb/> putation, welche heute nach Preßburg zurückgekehrt, wird hoffentlich<lb/> die aufgeregte Spannung des ganzen Landes in freudigen Jubel ver-<lb/> wandeln.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>☓ <hi rendition="#b">Wien</hi>, 17 März.</dateline><lb/> <p>Fürſt Metternich hat ſich dem Vernehmen<lb/> nach auf ſeine Herrſchaft Königswart in Böhmen begeben. Baron Jo-<lb/> ſika, Kanzler von Siebenbürgen, begleitete den greiſen Miniſter bis vor<lb/> die Stadt, wo ihn eine militäriſche Escorte erwartete. Geſtern reichte<lb/> auch Baron Joſika als ſiebenbürgiſcher Hofkanzler ſeine Entlaſſung ein.<lb/> Das neugebildete ungariſche Miniſterium, welches in Ofen ſeinen Sitz<lb/> haben wird, will Siebenbürgen mit Ungarn vereinigen, und man ſteht<lb/> demnach einer alsbaldigen Einberufung der ſiebenbürgiſchen Stände,<lb/> welche ſich wiederholt für die Union mit Ungarn ausgeſprochen, entge-<lb/> gegen. Die hieſige ungariſche und ſiebenbürgiſche Hofkanzlei wird in der<lb/> Folge auf ein einzelnes untergeordnetes Bureau reducirt werden. Der<lb/> Polizeiminiſter Graf Sedlnitzky, der trotz der koſtſpieligen Augen und<lb/> Ohren ſeiner zahlreichen Späher die Bewegung der Geiſter, die ſich in<lb/> der ſo ängſtlich bewachten Stadt erhob, nicht ahnte, hat auch ſeine Di-<lb/> miſſion gegeben. Man ſpricht ſo eben von einer heute hier angelangten<lb/> Kriegserklärung Sardiniens an Oeſterreich. Es läßt ſich mit Grund<lb/> erwarten daß auf die Nachricht der hieſigen großen Ereigniſſe und der<lb/> daraus hervorgegangenen glühenden Begeiſterung aller Volksclaſſen<lb/> das Kriegsgeſchrei der Italiener bald verſtummen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>** <hi rendition="#b">Wien</hi>, 17 März.</dateline><lb/> <p>Der zum Chef des Hofkriegsraths er-<lb/> nannte Staats- und Conferenzminiſter, Graf Fiquelmont, iſt aus Mai-<lb/> land hier eingetroffen. Intermiſtiſch verſteht die Leitung der auswär-<lb/> tigen Angelegenheiten der Staatsrath der Staatskanzlei Frhr. v. Leb-<lb/> zeltern. Als künftigen Miniſter des Aeußern bezeichnet man den Gra-<lb/> fen Colloredo-Wallſee, frühern Botſchafter in St. Petersburg, der ſich<lb/> gegenwärtig in einer Miſſion zu Frankfurt a. M. befindet.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1270/0006]
Triumphzug nach der kaiſerlichen Burg und den ſie umgebenden Plätzen,
wo Se. Maj., umgeben von allen anweſenden Mitgliedern der kaiſerl.
Familie, auf dem Balcon vor der kaiſerlichen Bibliothek (am Joſephs-
platz) ſich zeigte, und mit ſichtbarer Rührung die Lebehoch- und Dank-
rufe ſeiner getreuen Bürger empfing. Der Zug bewegte ſich dann durch
die Hauptſtraßen der glänzend erleuchteten Stadt, das mit Blumen be-
kränzte Bild des Kaiſers in ſeiner Mitte, und von zahlreichen Muſikban-
den begleitet. Vor dem Palaſt des päpſtlichen Nuncius wurde Halt ge-
macht, und mit faſt einem ſchwärmeriſchen Aufſchwung das beliebte Evviva
Pio IX der Italiener zu oft wiederholtenmalen dargebracht, bis der
Nuncius am Balcon erſchien und der verſammelten Menge ſeinen Segen
ertheilte. Gleichfalls hielt der Zug einige Zeit vor den Fenſtern des
juridiſchen Leſevereins, wo einer von den Italienern, welche zahlreich
das Bild des Kaiſers umſtanden, in deutſcher Sprache eine Rede hielt
die wiederholtes Beifallklatſchen, herzliche Evvivas für die italieniſche
Nation hervorrief, und mit dem Satze ſchloß daß die Schranken welche
die beiden Nationen von einander trennten, nicht mehr beſtehen, daß ſie
durch dieſen ſchönen Tag für immer niedergeriſſen ſeyen. Und wirklich
gab es keinen in dieſer unermeßlichen Menſchenmenge der nicht die Be-
deutung unſerer drei großen Tage für alle Völker der öſterreichiſchen
Monarchie gefühlt hätte, der nicht von der Ueberzeugung ihrer rieſen-
baften Folgen durchdrungen geweſen wäre. — Nachträglich zu meinen
frühern Meldungen muß ich noch bemerken daß der obenerwähnte juri-
diſche Leſeverein vorgeſtern Morgens ſich zu einer Sicherheitswache con-
ſtituirt hatte, und am Nachmittag desſelben Tags, nachdem ſeine
Mitglieder aus dem bürgerlichen Zeughans Waffen erhalten, ſich auf
dem Michaelerplatz poſtirte, wo ſich ihnen ein großer Theil der bewaffne-
ten Studenten und Bürger anſchloß. Hier war es wo die Aufhebung
der Cenſur zuerſt verkündet wurde. Am darauffolgenden Morgen zer-
ſtreuten ſich jedoch die Mitglieder des Vereins nach allen Richtungen in
der Stadt in der loyalen Abſicht das Volk zu beruhigen, und ihm zu er-
klären wie groß das bereits ertheilte Geſchenk des Kaiſers (Preßfreiheit)
ſey, und wie ſehr man Urſache hätte ſich damit befriedigt zu fühlen.
Eine weſentlich verſchiedene Haltung beobachteten, wie bereits gemeldet,
das ganze Studentencorps und ein namhafter Theil der Bürger. Dieſe
zogen ſich ſoviel als möglich auf das Univerſttätsgebäude zurück, prote-
ſtirten gegen alle entferntern Entſendungen ihrer Mannſchaft außerhalb
der innern Stadt, und beobachteten mit großer Standhaftigkeit ihre
eingenommene Stellung durch den ganzen Mittwoch, ohne ſich durch
irgendetwas darin beirren zu laſſen, ſo daß nach dem allgemeinen Ur-
theil dieſer Beharrlichkeit allein das glückliche Reſultat des letzten Tages
zugeſchrieben wird. Ohne Zweifel ſteht in den höchſten Regionen die
Ueberzeugung feſt daß dieſes Reſultat in der Kräftigung der Monarchie
beſteht, und in der Vermehrung der Macht unſerer geliebten Dynaſtie,
in der innigen Verbindung endlich der verſchiedenen Nationen aus denen
der Staat zuſammengeſetzt iſt, die nun ein gemeinſchaftliches Band ver-
knüpfen ſoll: die allgemeine Conſtitution, die Liebe und Anhänglichkeit
an das angeſtammte Kaiſerhaus. Se. Maj. der Kaiſer erfreute heute
auf ſeinem abermaligen Zug durch die Stadt die Univerſität mit ſeinem
Beſuch und wurde daſelbſt mit einem unermeßlichen Jubel empfangen.
Heute Abend findet ein großartiger Fackelzug nach der Refidenz ſtatt.
⚹ Wien, 16 März.
Keine Mauth, keine Polizei an den Linien
Wiens und dieſe von Nationalgardiſten bewacht! Am Eingang der
Jägerzeile wurde die ungariſche Deputation von zwei unabſehbaren
Colonnen Nationalgardiſten und von einer unermeßlichen Volksmenge
empfangen. Hier wurde Bauernfelds trefflich geſchriebener Aufruf an
die Bürger Wiens laut verleſen und von den Ungarn mit begeiſtertem
Eljenruf begleitet. Aus allen Häuſern wehten weiße Flaggen und
Tücher, wurden Kränze und Blumen geworfen; tauſendſtimmiger Jubel-
ruf ertönte: Koſſuth — es lebe Koſſuth der Volksvertreter; es leben
unſere wackern Brüder, die heldenmüthigen Ungarn! Koſſuth wurde
von den begeiſterten Wienern trotz ſeines Sträubens emporgehoben
und auf den Händen getragen (dem Erzherzog-Palatin, der früher
angekommen, hatte man die Pferde ausgeſpannt und ſeinen Wagen
im Triumph gezogen). Ein Italiener umarmte den gefeierten Tribun
mit den Worten: er ſchätze ſich glücklich der erſte zu ſeyn ihm im Namen
ſeiner Nation den Bruderkuß zu geben. Alle Zuſchauer vergoſſen
Thränen bei dieſer erhebenden Scene. Am Stephansplatz wurde eben
Kaiſer Ferdinands Proclamation verleſen, worin er ſeinen getreuen
Völkern eine Conſtitution, Preßfreiheit, Nationalgarde ertheilt und
ſeine Rührung über die Haltung des Volks ausdrückt. Abends war
die ganze Stadt auf das glänzendſte beleuchtet; unzählige Volksmaſſen
durchzogen mit weißen Fahnen und mit nicht endenwollendem Jubelruf
durch die Straßen vor das Local des politiſch-juridiſchen Leſevereins,
deſſen Mitglieder ſich um die Ereigniſſe der letzten Tage und um die
Aufrechthaltung der Ruhe unvergängliche Verdienſte erworben. Heute
morgens um 1 Uhr begab ſich endlich die ungariſche Deputation in
glänzendem Nationalcoſtüm zu Fuß durch die belebteſten Straßen und
unter den enthuſtaſtiſchen Theilnahmsbezeugungen der Bevölkerung in
die Hofburg, wo ihnen Se. Majeſtät in den allergnädigſten Ausdrücken
die Gewährung aller Wünſche der Reichsſtände zuſagte und den Grafen
Ludwig Batthiányi (Chef der Oppoſition) mit der Bildung eines unga-
riſchen Miniſteriums beauftragte. (Der Kanzler Graf Apponyi iſt ſchon
vor zwei Tagen abgetreten.) Man glaubt daß Graf Széchenyi, Baron
Eötvös, Koſſuth und Deák in die neue Verwaltung berufen werden.
Zu hoffen iſt es übrigens daß die Mitglieder der ungariſchen Reichs-
deputation auch zu der bereits niedergeſetzten Verfaſſungscommiſſion
für die ganze Monarchie beigezogen werden, damit eine wahre Ver-
einigung aller Völker des großen Kaiſerſtaats angebahnt werde.
⚹ Wien, 17 März.
Mein geſtriger Bericht über die neu zu
bildende Verwaltung für Ungarn iſt noch damit zu ergänzen daß Se.
Maj. den Erzherzog-Palatin als außerordentlichen und bevollmächtigten
Commiſſär für Ungarn ernannte, mit dem ſich der neue Miniſterpräſi-
dent Graf Ludwig Batthianyi ins Einvernehmen zu ſetzen hat. Der
Erzherzog Stephan hat ſich überhaupt in dieſen ereignißvollen Tagen
ſeines hohen Berufes würdig bewieſen, und iſt vor dem König als wah-
rer Dolmetſcher der Wünſche der von ihm vertretenen Nation aufgetre-
ten. Auch der Fürſt Nicolaus Eſterhazy, der ſo lange den Intereſſen
ſeines Vaterlandes entfremdet geſchienen, hat ſich in der Stunde der Ge-
fahr zu ſeinem Volke wiedergefunden und erklärte in Gegenwart des
Monarchen der neuen Verwaltung mit allen ſeinen Kräften beiſtehen zu
wollen. Dieſer Beiſtand iſt bei dem ungeheuern Beſitzthum des Fürſten
für das neue Miniſterium von Wichtigkeit. Außer den geſtern erwähn-
ten muthmaßlichen Mitgliedern desſelben wird heute noch Graf Ladis-
laus Teleki genannt. In Preßburg hatten ſich vorgeſtern irrthümliche
Gerüchte über den Erfolg der reichstäglichen Deputation verbreitet,
worauf ſich die dortige Bürgerſchaft bewaffnete und in Verein mit der
Landtagsjugend eine Deputation hieher ſandte. Auch in Peſth, Raab und
in andern ungariſchen Städten herrſcht ungeheure Aufregung; in Tyrnau
ſind bedauerliche Exceſſe gegen Juden vorgefallen. Der Bericht der De-
putation, welche heute nach Preßburg zurückgekehrt, wird hoffentlich
die aufgeregte Spannung des ganzen Landes in freudigen Jubel ver-
wandeln.
☓ Wien, 17 März.
Fürſt Metternich hat ſich dem Vernehmen
nach auf ſeine Herrſchaft Königswart in Böhmen begeben. Baron Jo-
ſika, Kanzler von Siebenbürgen, begleitete den greiſen Miniſter bis vor
die Stadt, wo ihn eine militäriſche Escorte erwartete. Geſtern reichte
auch Baron Joſika als ſiebenbürgiſcher Hofkanzler ſeine Entlaſſung ein.
Das neugebildete ungariſche Miniſterium, welches in Ofen ſeinen Sitz
haben wird, will Siebenbürgen mit Ungarn vereinigen, und man ſteht
demnach einer alsbaldigen Einberufung der ſiebenbürgiſchen Stände,
welche ſich wiederholt für die Union mit Ungarn ausgeſprochen, entge-
gegen. Die hieſige ungariſche und ſiebenbürgiſche Hofkanzlei wird in der
Folge auf ein einzelnes untergeordnetes Bureau reducirt werden. Der
Polizeiminiſter Graf Sedlnitzky, der trotz der koſtſpieligen Augen und
Ohren ſeiner zahlreichen Späher die Bewegung der Geiſter, die ſich in
der ſo ängſtlich bewachten Stadt erhob, nicht ahnte, hat auch ſeine Di-
miſſion gegeben. Man ſpricht ſo eben von einer heute hier angelangten
Kriegserklärung Sardiniens an Oeſterreich. Es läßt ſich mit Grund
erwarten daß auf die Nachricht der hieſigen großen Ereigniſſe und der
daraus hervorgegangenen glühenden Begeiſterung aller Volksclaſſen
das Kriegsgeſchrei der Italiener bald verſtummen wird.
** Wien, 17 März.
Der zum Chef des Hofkriegsraths er-
nannte Staats- und Conferenzminiſter, Graf Fiquelmont, iſt aus Mai-
land hier eingetroffen. Intermiſtiſch verſteht die Leitung der auswär-
tigen Angelegenheiten der Staatsrath der Staatskanzlei Frhr. v. Leb-
zeltern. Als künftigen Miniſter des Aeußern bezeichnet man den Gra-
fen Colloredo-Wallſee, frühern Botſchafter in St. Petersburg, der ſich
gegenwärtig in einer Miſſion zu Frankfurt a. M. befindet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |