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Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Triumphzug nach der kaiserlichen Burg und den sie umgebenden Plätzen,
wo Se. Maj., umgeben von allen anwesenden Mitgliedern der kaiserl.
Familie, auf dem Balcon vor der kaiserlichen Bibliothek (am Josephs-
platz) sich zeigte, und mit sichtbarer Rührung die Lebehoch- und Dank-
rufe seiner getreuen Bürger empfing. Der Zug bewegte sich dann durch
die Hauptstraßen der glänzend erleuchteten Stadt, das mit Blumen be-
kränzte Bild des Kaisers in seiner Mitte, und von zahlreichen Musikban-
den begleitet. Vor dem Palast des päpstlichen Nuncius wurde Halt ge-
macht, und mit fast einem schwärmerischen Aufschwung das beliebte Evviva
Pio IX der Italiener zu oft wiederholtenmalen dargebracht, bis der
Nuncius am Balcon erschien und der versammelten Menge seinen Segen
ertheilte. Gleichfalls hielt der Zug einige Zeit vor den Fenstern des
juridischen Lesevereins, wo einer von den Italienern, welche zahlreich
das Bild des Kaisers umstanden, in deutscher Sprache eine Rede hielt
die wiederholtes Beifallklatschen, herzliche Evvivas für die italienische
Nation hervorrief, und mit dem Satze schloß daß die Schranken welche
die beiden Nationen von einander trennten, nicht mehr bestehen, daß sie
durch diesen schönen Tag für immer niedergerissen seyen. Und wirklich
gab es keinen in dieser unermeßlichen Menschenmenge der nicht die Be-
deutung unserer drei großen Tage für alle Völker der österreichischen
Monarchie gefühlt hätte, der nicht von der Ueberzeugung ihrer riesen-
baften Folgen durchdrungen gewesen wäre. -- Nachträglich zu meinen
frühern Meldungen muß ich noch bemerken daß der obenerwähnte juri-
dische Leseverein vorgestern Morgens sich zu einer Sicherheitswache con-
stituirt hatte, und am Nachmittag desselben Tags, nachdem seine
Mitglieder aus dem bürgerlichen Zeughans Waffen erhalten, sich auf
dem Michaelerplatz postirte, wo sich ihnen ein großer Theil der bewaffne-
ten Studenten und Bürger anschloß. Hier war es wo die Aufhebung
der Censur zuerst verkündet wurde. Am darauffolgenden Morgen zer-
streuten sich jedoch die Mitglieder des Vereins nach allen Richtungen in
der Stadt in der loyalen Absicht das Volk zu beruhigen, und ihm zu er-
klären wie groß das bereits ertheilte Geschenk des Kaisers (Preßfreiheit)
sey, und wie sehr man Ursache hätte sich damit befriedigt zu fühlen.
Eine wesentlich verschiedene Haltung beobachteten, wie bereits gemeldet,
das ganze Studentencorps und ein namhafter Theil der Bürger. Diese
zogen sich soviel als möglich auf das Universttätsgebäude zurück, prote-
stirten gegen alle entferntern Entsendungen ihrer Mannschaft außerhalb
der innern Stadt, und beobachteten mit großer Standhaftigkeit ihre
eingenommene Stellung durch den ganzen Mittwoch, ohne sich durch
irgendetwas darin beirren zu lassen, so daß nach dem allgemeinen Ur-
theil dieser Beharrlichkeit allein das glückliche Resultat des letzten Tages
zugeschrieben wird. Ohne Zweifel steht in den höchsten Regionen die
Ueberzeugung fest daß dieses Resultat in der Kräftigung der Monarchie
besteht, und in der Vermehrung der Macht unserer geliebten Dynastie,
in der innigen Verbindung endlich der verschiedenen Nationen aus denen
der Staat zusammengesetzt ist, die nun ein gemeinschaftliches Band ver-
knüpfen soll: die allgemeine Constitution, die Liebe und Anhänglichkeit
an das angestammte Kaiserhaus. Se. Maj. der Kaiser erfreute heute
auf seinem abermaligen Zug durch die Stadt die Universität mit seinem
Besuch und wurde daselbst mit einem unermeßlichen Jubel empfangen.
Heute Abend findet ein großartiger Fackelzug nach der Refidenz statt.


Keine Mauth, keine Polizei an den Linien
Wiens und diese von Nationalgardisten bewacht! Am Eingang der
Jägerzeile wurde die ungarische Deputation von zwei unabsehbaren
Colonnen Nationalgardisten und von einer unermeßlichen Volksmenge
empfangen. Hier wurde Bauernfelds trefflich geschriebener Aufruf an
die Bürger Wiens laut verlesen und von den Ungarn mit begeistertem
Eljenruf begleitet. Aus allen Häusern wehten weiße Flaggen und
Tücher, wurden Kränze und Blumen geworfen; tausendstimmiger Jubel-
ruf ertönte: Kossuth -- es lebe Kossuth der Volksvertreter; es leben
unsere wackern Brüder, die heldenmüthigen Ungarn! Kossuth wurde
von den begeisterten Wienern trotz seines Sträubens emporgehoben
und auf den Händen getragen (dem Erzherzog-Palatin, der früher
angekommen, hatte man die Pferde ausgespannt und seinen Wagen
im Triumph gezogen). Ein Italiener umarmte den gefeierten Tribun
mit den Worten: er schätze sich glücklich der erste zu seyn ihm im Namen
seiner Nation den Bruderkuß zu geben. Alle Zuschauer vergossen
Thränen bei dieser erhebenden Scene. Am Stephansplatz wurde eben
Kaiser Ferdinands Proclamation verlesen, worin er seinen getreuen
Völkern eine Constitution, Preßfreiheit, Nationalgarde ertheilt und
[Spaltenumbruch] seine Rührung über die Haltung des Volks ausdrückt. Abends war
die ganze Stadt auf das glänzendste beleuchtet; unzählige Volksmassen
durchzogen mit weißen Fahnen und mit nicht endenwollendem Jubelruf
durch die Straßen vor das Local des politisch-juridischen Lesevereins,
dessen Mitglieder sich um die Ereignisse der letzten Tage und um die
Aufrechthaltung der Ruhe unvergängliche Verdienste erworben. Heute
morgens um 1 Uhr begab sich endlich die ungarische Deputation in
glänzendem Nationalcostüm zu Fuß durch die belebtesten Straßen und
unter den enthustastischen Theilnahmsbezeugungen der Bevölkerung in
die Hofburg, wo ihnen Se. Majestät in den allergnädigsten Ausdrücken
die Gewährung aller Wünsche der Reichsstände zusagte und den Grafen
Ludwig Batthianyi (Chef der Opposition) mit der Bildung eines unga-
rischen Ministeriums beauftragte. (Der Kanzler Graf Apponyi ist schon
vor zwei Tagen abgetreten.) Man glaubt daß Graf Szechenyi, Baron
Eötvös, Kossuth und Deak in die neue Verwaltung berufen werden.
Zu hoffen ist es übrigens daß die Mitglieder der ungarischen Reichs-
deputation auch zu der bereits niedergesetzten Verfassungscommission
für die ganze Monarchie beigezogen werden, damit eine wahre Ver-
einigung aller Völker des großen Kaiserstaats angebahnt werde.


Mein gestriger Bericht über die neu zu
bildende Verwaltung für Ungarn ist noch damit zu ergänzen daß Se.
Maj. den Erzherzog-Palatin als außerordentlichen und bevollmächtigten
Commissär für Ungarn ernannte, mit dem sich der neue Ministerpräsi-
dent Graf Ludwig Batthianyi ins Einvernehmen zu setzen hat. Der
Erzherzog Stephan hat sich überhaupt in diesen ereignißvollen Tagen
seines hohen Berufes würdig bewiesen, und ist vor dem König als wah-
rer Dolmetscher der Wünsche der von ihm vertretenen Nation aufgetre-
ten. Auch der Fürst Nicolaus Esterhazy, der so lange den Interessen
seines Vaterlandes entfremdet geschienen, hat sich in der Stunde der Ge-
fahr zu seinem Volke wiedergefunden und erklärte in Gegenwart des
Monarchen der neuen Verwaltung mit allen seinen Kräften beistehen zu
wollen. Dieser Beistand ist bei dem ungeheuern Besitzthum des Fürsten
für das neue Ministerium von Wichtigkeit. Außer den gestern erwähn-
ten muthmaßlichen Mitgliedern desselben wird heute noch Graf Ladis-
laus Teleki genannt. In Preßburg hatten sich vorgestern irrthümliche
Gerüchte über den Erfolg der reichstäglichen Deputation verbreitet,
worauf sich die dortige Bürgerschaft bewaffnete und in Verein mit der
Landtagsjugend eine Deputation hieher sandte. Auch in Pesth, Raab und
in andern ungarischen Städten herrscht ungeheure Aufregung; in Tyrnau
sind bedauerliche Excesse gegen Juden vorgefallen. Der Bericht der De-
putation, welche heute nach Preßburg zurückgekehrt, wird hoffentlich
die aufgeregte Spannung des ganzen Landes in freudigen Jubel ver-
wandeln.


Fürst Metternich hat sich dem Vernehmen
nach auf seine Herrschaft Königswart in Böhmen begeben. Baron Jo-
sika, Kanzler von Siebenbürgen, begleitete den greisen Minister bis vor
die Stadt, wo ihn eine militärische Escorte erwartete. Gestern reichte
auch Baron Josika als siebenbürgischer Hofkanzler seine Entlassung ein.
Das neugebildete ungarische Ministerium, welches in Ofen seinen Sitz
haben wird, will Siebenbürgen mit Ungarn vereinigen, und man steht
demnach einer alsbaldigen Einberufung der siebenbürgischen Stände,
welche sich wiederholt für die Union mit Ungarn ausgesprochen, entge-
gegen. Die hiesige ungarische und siebenbürgische Hofkanzlei wird in der
Folge auf ein einzelnes untergeordnetes Bureau reducirt werden. Der
Polizeiminister Graf Sedlnitzky, der trotz der kostspieligen Augen und
Ohren seiner zahlreichen Späher die Bewegung der Geister, die sich in
der so ängstlich bewachten Stadt erhob, nicht ahnte, hat auch seine Di-
mission gegeben. Man spricht so eben von einer heute hier angelangten
Kriegserklärung Sardiniens an Oesterreich. Es läßt sich mit Grund
erwarten daß auf die Nachricht der hiesigen großen Ereignisse und der
daraus hervorgegangenen glühenden Begeisterung aller Volksclassen
das Kriegsgeschrei der Italiener bald verstummen wird.


Der zum Chef des Hofkriegsraths er-
nannte Staats- und Conferenzminister, Graf Fiquelmont, ist aus Mai-
land hier eingetroffen. Intermistisch versteht die Leitung der auswär-
tigen Angelegenheiten der Staatsrath der Staatskanzlei Frhr. v. Leb-
zeltern. Als künftigen Minister des Aeußern bezeichnet man den Gra-
fen Colloredo-Wallsee, frühern Botschafter in St. Petersburg, der sich
gegenwärtig in einer Mission zu Frankfurt a. M. befindet.

[Spaltenumbruch] Triumphzug nach der kaiſerlichen Burg und den ſie umgebenden Plätzen,
wo Se. Maj., umgeben von allen anweſenden Mitgliedern der kaiſerl.
Familie, auf dem Balcon vor der kaiſerlichen Bibliothek (am Joſephs-
platz) ſich zeigte, und mit ſichtbarer Rührung die Lebehoch- und Dank-
rufe ſeiner getreuen Bürger empfing. Der Zug bewegte ſich dann durch
die Hauptſtraßen der glänzend erleuchteten Stadt, das mit Blumen be-
kränzte Bild des Kaiſers in ſeiner Mitte, und von zahlreichen Muſikban-
den begleitet. Vor dem Palaſt des päpſtlichen Nuncius wurde Halt ge-
macht, und mit faſt einem ſchwärmeriſchen Aufſchwung das beliebte Evviva
Pio IX der Italiener zu oft wiederholtenmalen dargebracht, bis der
Nuncius am Balcon erſchien und der verſammelten Menge ſeinen Segen
ertheilte. Gleichfalls hielt der Zug einige Zeit vor den Fenſtern des
juridiſchen Leſevereins, wo einer von den Italienern, welche zahlreich
das Bild des Kaiſers umſtanden, in deutſcher Sprache eine Rede hielt
die wiederholtes Beifallklatſchen, herzliche Evvivas für die italieniſche
Nation hervorrief, und mit dem Satze ſchloß daß die Schranken welche
die beiden Nationen von einander trennten, nicht mehr beſtehen, daß ſie
durch dieſen ſchönen Tag für immer niedergeriſſen ſeyen. Und wirklich
gab es keinen in dieſer unermeßlichen Menſchenmenge der nicht die Be-
deutung unſerer drei großen Tage für alle Völker der öſterreichiſchen
Monarchie gefühlt hätte, der nicht von der Ueberzeugung ihrer rieſen-
baften Folgen durchdrungen geweſen wäre. — Nachträglich zu meinen
frühern Meldungen muß ich noch bemerken daß der obenerwähnte juri-
diſche Leſeverein vorgeſtern Morgens ſich zu einer Sicherheitswache con-
ſtituirt hatte, und am Nachmittag desſelben Tags, nachdem ſeine
Mitglieder aus dem bürgerlichen Zeughans Waffen erhalten, ſich auf
dem Michaelerplatz poſtirte, wo ſich ihnen ein großer Theil der bewaffne-
ten Studenten und Bürger anſchloß. Hier war es wo die Aufhebung
der Cenſur zuerſt verkündet wurde. Am darauffolgenden Morgen zer-
ſtreuten ſich jedoch die Mitglieder des Vereins nach allen Richtungen in
der Stadt in der loyalen Abſicht das Volk zu beruhigen, und ihm zu er-
klären wie groß das bereits ertheilte Geſchenk des Kaiſers (Preßfreiheit)
ſey, und wie ſehr man Urſache hätte ſich damit befriedigt zu fühlen.
Eine weſentlich verſchiedene Haltung beobachteten, wie bereits gemeldet,
das ganze Studentencorps und ein namhafter Theil der Bürger. Dieſe
zogen ſich ſoviel als möglich auf das Univerſttätsgebäude zurück, prote-
ſtirten gegen alle entferntern Entſendungen ihrer Mannſchaft außerhalb
der innern Stadt, und beobachteten mit großer Standhaftigkeit ihre
eingenommene Stellung durch den ganzen Mittwoch, ohne ſich durch
irgendetwas darin beirren zu laſſen, ſo daß nach dem allgemeinen Ur-
theil dieſer Beharrlichkeit allein das glückliche Reſultat des letzten Tages
zugeſchrieben wird. Ohne Zweifel ſteht in den höchſten Regionen die
Ueberzeugung feſt daß dieſes Reſultat in der Kräftigung der Monarchie
beſteht, und in der Vermehrung der Macht unſerer geliebten Dynaſtie,
in der innigen Verbindung endlich der verſchiedenen Nationen aus denen
der Staat zuſammengeſetzt iſt, die nun ein gemeinſchaftliches Band ver-
knüpfen ſoll: die allgemeine Conſtitution, die Liebe und Anhänglichkeit
an das angeſtammte Kaiſerhaus. Se. Maj. der Kaiſer erfreute heute
auf ſeinem abermaligen Zug durch die Stadt die Univerſität mit ſeinem
Beſuch und wurde daſelbſt mit einem unermeßlichen Jubel empfangen.
Heute Abend findet ein großartiger Fackelzug nach der Refidenz ſtatt.


Keine Mauth, keine Polizei an den Linien
Wiens und dieſe von Nationalgardiſten bewacht! Am Eingang der
Jägerzeile wurde die ungariſche Deputation von zwei unabſehbaren
Colonnen Nationalgardiſten und von einer unermeßlichen Volksmenge
empfangen. Hier wurde Bauernfelds trefflich geſchriebener Aufruf an
die Bürger Wiens laut verleſen und von den Ungarn mit begeiſtertem
Eljenruf begleitet. Aus allen Häuſern wehten weiße Flaggen und
Tücher, wurden Kränze und Blumen geworfen; tauſendſtimmiger Jubel-
ruf ertönte: Koſſuth — es lebe Koſſuth der Volksvertreter; es leben
unſere wackern Brüder, die heldenmüthigen Ungarn! Koſſuth wurde
von den begeiſterten Wienern trotz ſeines Sträubens emporgehoben
und auf den Händen getragen (dem Erzherzog-Palatin, der früher
angekommen, hatte man die Pferde ausgeſpannt und ſeinen Wagen
im Triumph gezogen). Ein Italiener umarmte den gefeierten Tribun
mit den Worten: er ſchätze ſich glücklich der erſte zu ſeyn ihm im Namen
ſeiner Nation den Bruderkuß zu geben. Alle Zuſchauer vergoſſen
Thränen bei dieſer erhebenden Scene. Am Stephansplatz wurde eben
Kaiſer Ferdinands Proclamation verleſen, worin er ſeinen getreuen
Völkern eine Conſtitution, Preßfreiheit, Nationalgarde ertheilt und
[Spaltenumbruch] ſeine Rührung über die Haltung des Volks ausdrückt. Abends war
die ganze Stadt auf das glänzendſte beleuchtet; unzählige Volksmaſſen
durchzogen mit weißen Fahnen und mit nicht endenwollendem Jubelruf
durch die Straßen vor das Local des politiſch-juridiſchen Leſevereins,
deſſen Mitglieder ſich um die Ereigniſſe der letzten Tage und um die
Aufrechthaltung der Ruhe unvergängliche Verdienſte erworben. Heute
morgens um 1 Uhr begab ſich endlich die ungariſche Deputation in
glänzendem Nationalcoſtüm zu Fuß durch die belebteſten Straßen und
unter den enthuſtaſtiſchen Theilnahmsbezeugungen der Bevölkerung in
die Hofburg, wo ihnen Se. Majeſtät in den allergnädigſten Ausdrücken
die Gewährung aller Wünſche der Reichsſtände zuſagte und den Grafen
Ludwig Batthiányi (Chef der Oppoſition) mit der Bildung eines unga-
riſchen Miniſteriums beauftragte. (Der Kanzler Graf Apponyi iſt ſchon
vor zwei Tagen abgetreten.) Man glaubt daß Graf Széchenyi, Baron
Eötvös, Koſſuth und Deák in die neue Verwaltung berufen werden.
Zu hoffen iſt es übrigens daß die Mitglieder der ungariſchen Reichs-
deputation auch zu der bereits niedergeſetzten Verfaſſungscommiſſion
für die ganze Monarchie beigezogen werden, damit eine wahre Ver-
einigung aller Völker des großen Kaiſerſtaats angebahnt werde.


Mein geſtriger Bericht über die neu zu
bildende Verwaltung für Ungarn iſt noch damit zu ergänzen daß Se.
Maj. den Erzherzog-Palatin als außerordentlichen und bevollmächtigten
Commiſſär für Ungarn ernannte, mit dem ſich der neue Miniſterpräſi-
dent Graf Ludwig Batthianyi ins Einvernehmen zu ſetzen hat. Der
Erzherzog Stephan hat ſich überhaupt in dieſen ereignißvollen Tagen
ſeines hohen Berufes würdig bewieſen, und iſt vor dem König als wah-
rer Dolmetſcher der Wünſche der von ihm vertretenen Nation aufgetre-
ten. Auch der Fürſt Nicolaus Eſterhazy, der ſo lange den Intereſſen
ſeines Vaterlandes entfremdet geſchienen, hat ſich in der Stunde der Ge-
fahr zu ſeinem Volke wiedergefunden und erklärte in Gegenwart des
Monarchen der neuen Verwaltung mit allen ſeinen Kräften beiſtehen zu
wollen. Dieſer Beiſtand iſt bei dem ungeheuern Beſitzthum des Fürſten
für das neue Miniſterium von Wichtigkeit. Außer den geſtern erwähn-
ten muthmaßlichen Mitgliedern desſelben wird heute noch Graf Ladis-
laus Teleki genannt. In Preßburg hatten ſich vorgeſtern irrthümliche
Gerüchte über den Erfolg der reichstäglichen Deputation verbreitet,
worauf ſich die dortige Bürgerſchaft bewaffnete und in Verein mit der
Landtagsjugend eine Deputation hieher ſandte. Auch in Peſth, Raab und
in andern ungariſchen Städten herrſcht ungeheure Aufregung; in Tyrnau
ſind bedauerliche Exceſſe gegen Juden vorgefallen. Der Bericht der De-
putation, welche heute nach Preßburg zurückgekehrt, wird hoffentlich
die aufgeregte Spannung des ganzen Landes in freudigen Jubel ver-
wandeln.


Fürſt Metternich hat ſich dem Vernehmen
nach auf ſeine Herrſchaft Königswart in Böhmen begeben. Baron Jo-
ſika, Kanzler von Siebenbürgen, begleitete den greiſen Miniſter bis vor
die Stadt, wo ihn eine militäriſche Escorte erwartete. Geſtern reichte
auch Baron Joſika als ſiebenbürgiſcher Hofkanzler ſeine Entlaſſung ein.
Das neugebildete ungariſche Miniſterium, welches in Ofen ſeinen Sitz
haben wird, will Siebenbürgen mit Ungarn vereinigen, und man ſteht
demnach einer alsbaldigen Einberufung der ſiebenbürgiſchen Stände,
welche ſich wiederholt für die Union mit Ungarn ausgeſprochen, entge-
gegen. Die hieſige ungariſche und ſiebenbürgiſche Hofkanzlei wird in der
Folge auf ein einzelnes untergeordnetes Bureau reducirt werden. Der
Polizeiminiſter Graf Sedlnitzky, der trotz der koſtſpieligen Augen und
Ohren ſeiner zahlreichen Späher die Bewegung der Geiſter, die ſich in
der ſo ängſtlich bewachten Stadt erhob, nicht ahnte, hat auch ſeine Di-
miſſion gegeben. Man ſpricht ſo eben von einer heute hier angelangten
Kriegserklärung Sardiniens an Oeſterreich. Es läßt ſich mit Grund
erwarten daß auf die Nachricht der hieſigen großen Ereigniſſe und der
daraus hervorgegangenen glühenden Begeiſterung aller Volksclaſſen
das Kriegsgeſchrei der Italiener bald verſtummen wird.


Der zum Chef des Hofkriegsraths er-
nannte Staats- und Conferenzminiſter, Graf Fiquelmont, iſt aus Mai-
land hier eingetroffen. Intermiſtiſch verſteht die Leitung der auswär-
tigen Angelegenheiten der Staatsrath der Staatskanzlei Frhr. v. Leb-
zeltern. Als künftigen Miniſter des Aeußern bezeichnet man den Gra-
fen Colloredo-Wallſee, frühern Botſchafter in St. Petersburg, der ſich
gegenwärtig in einer Miſſion zu Frankfurt a. M. befindet.

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[1270/0006] Triumphzug nach der kaiſerlichen Burg und den ſie umgebenden Plätzen, wo Se. Maj., umgeben von allen anweſenden Mitgliedern der kaiſerl. Familie, auf dem Balcon vor der kaiſerlichen Bibliothek (am Joſephs- platz) ſich zeigte, und mit ſichtbarer Rührung die Lebehoch- und Dank- rufe ſeiner getreuen Bürger empfing. Der Zug bewegte ſich dann durch die Hauptſtraßen der glänzend erleuchteten Stadt, das mit Blumen be- kränzte Bild des Kaiſers in ſeiner Mitte, und von zahlreichen Muſikban- den begleitet. Vor dem Palaſt des päpſtlichen Nuncius wurde Halt ge- macht, und mit faſt einem ſchwärmeriſchen Aufſchwung das beliebte Evviva Pio IX der Italiener zu oft wiederholtenmalen dargebracht, bis der Nuncius am Balcon erſchien und der verſammelten Menge ſeinen Segen ertheilte. Gleichfalls hielt der Zug einige Zeit vor den Fenſtern des juridiſchen Leſevereins, wo einer von den Italienern, welche zahlreich das Bild des Kaiſers umſtanden, in deutſcher Sprache eine Rede hielt die wiederholtes Beifallklatſchen, herzliche Evvivas für die italieniſche Nation hervorrief, und mit dem Satze ſchloß daß die Schranken welche die beiden Nationen von einander trennten, nicht mehr beſtehen, daß ſie durch dieſen ſchönen Tag für immer niedergeriſſen ſeyen. Und wirklich gab es keinen in dieſer unermeßlichen Menſchenmenge der nicht die Be- deutung unſerer drei großen Tage für alle Völker der öſterreichiſchen Monarchie gefühlt hätte, der nicht von der Ueberzeugung ihrer rieſen- baften Folgen durchdrungen geweſen wäre. — Nachträglich zu meinen frühern Meldungen muß ich noch bemerken daß der obenerwähnte juri- diſche Leſeverein vorgeſtern Morgens ſich zu einer Sicherheitswache con- ſtituirt hatte, und am Nachmittag desſelben Tags, nachdem ſeine Mitglieder aus dem bürgerlichen Zeughans Waffen erhalten, ſich auf dem Michaelerplatz poſtirte, wo ſich ihnen ein großer Theil der bewaffne- ten Studenten und Bürger anſchloß. Hier war es wo die Aufhebung der Cenſur zuerſt verkündet wurde. Am darauffolgenden Morgen zer- ſtreuten ſich jedoch die Mitglieder des Vereins nach allen Richtungen in der Stadt in der loyalen Abſicht das Volk zu beruhigen, und ihm zu er- klären wie groß das bereits ertheilte Geſchenk des Kaiſers (Preßfreiheit) ſey, und wie ſehr man Urſache hätte ſich damit befriedigt zu fühlen. Eine weſentlich verſchiedene Haltung beobachteten, wie bereits gemeldet, das ganze Studentencorps und ein namhafter Theil der Bürger. Dieſe zogen ſich ſoviel als möglich auf das Univerſttätsgebäude zurück, prote- ſtirten gegen alle entferntern Entſendungen ihrer Mannſchaft außerhalb der innern Stadt, und beobachteten mit großer Standhaftigkeit ihre eingenommene Stellung durch den ganzen Mittwoch, ohne ſich durch irgendetwas darin beirren zu laſſen, ſo daß nach dem allgemeinen Ur- theil dieſer Beharrlichkeit allein das glückliche Reſultat des letzten Tages zugeſchrieben wird. Ohne Zweifel ſteht in den höchſten Regionen die Ueberzeugung feſt daß dieſes Reſultat in der Kräftigung der Monarchie beſteht, und in der Vermehrung der Macht unſerer geliebten Dynaſtie, in der innigen Verbindung endlich der verſchiedenen Nationen aus denen der Staat zuſammengeſetzt iſt, die nun ein gemeinſchaftliches Band ver- knüpfen ſoll: die allgemeine Conſtitution, die Liebe und Anhänglichkeit an das angeſtammte Kaiſerhaus. Se. Maj. der Kaiſer erfreute heute auf ſeinem abermaligen Zug durch die Stadt die Univerſität mit ſeinem Beſuch und wurde daſelbſt mit einem unermeßlichen Jubel empfangen. Heute Abend findet ein großartiger Fackelzug nach der Refidenz ſtatt. ⚹ Wien, 16 März. Keine Mauth, keine Polizei an den Linien Wiens und dieſe von Nationalgardiſten bewacht! Am Eingang der Jägerzeile wurde die ungariſche Deputation von zwei unabſehbaren Colonnen Nationalgardiſten und von einer unermeßlichen Volksmenge empfangen. Hier wurde Bauernfelds trefflich geſchriebener Aufruf an die Bürger Wiens laut verleſen und von den Ungarn mit begeiſtertem Eljenruf begleitet. Aus allen Häuſern wehten weiße Flaggen und Tücher, wurden Kränze und Blumen geworfen; tauſendſtimmiger Jubel- ruf ertönte: Koſſuth — es lebe Koſſuth der Volksvertreter; es leben unſere wackern Brüder, die heldenmüthigen Ungarn! Koſſuth wurde von den begeiſterten Wienern trotz ſeines Sträubens emporgehoben und auf den Händen getragen (dem Erzherzog-Palatin, der früher angekommen, hatte man die Pferde ausgeſpannt und ſeinen Wagen im Triumph gezogen). Ein Italiener umarmte den gefeierten Tribun mit den Worten: er ſchätze ſich glücklich der erſte zu ſeyn ihm im Namen ſeiner Nation den Bruderkuß zu geben. Alle Zuſchauer vergoſſen Thränen bei dieſer erhebenden Scene. Am Stephansplatz wurde eben Kaiſer Ferdinands Proclamation verleſen, worin er ſeinen getreuen Völkern eine Conſtitution, Preßfreiheit, Nationalgarde ertheilt und ſeine Rührung über die Haltung des Volks ausdrückt. Abends war die ganze Stadt auf das glänzendſte beleuchtet; unzählige Volksmaſſen durchzogen mit weißen Fahnen und mit nicht endenwollendem Jubelruf durch die Straßen vor das Local des politiſch-juridiſchen Leſevereins, deſſen Mitglieder ſich um die Ereigniſſe der letzten Tage und um die Aufrechthaltung der Ruhe unvergängliche Verdienſte erworben. Heute morgens um 1 Uhr begab ſich endlich die ungariſche Deputation in glänzendem Nationalcoſtüm zu Fuß durch die belebteſten Straßen und unter den enthuſtaſtiſchen Theilnahmsbezeugungen der Bevölkerung in die Hofburg, wo ihnen Se. Majeſtät in den allergnädigſten Ausdrücken die Gewährung aller Wünſche der Reichsſtände zuſagte und den Grafen Ludwig Batthiányi (Chef der Oppoſition) mit der Bildung eines unga- riſchen Miniſteriums beauftragte. (Der Kanzler Graf Apponyi iſt ſchon vor zwei Tagen abgetreten.) Man glaubt daß Graf Széchenyi, Baron Eötvös, Koſſuth und Deák in die neue Verwaltung berufen werden. Zu hoffen iſt es übrigens daß die Mitglieder der ungariſchen Reichs- deputation auch zu der bereits niedergeſetzten Verfaſſungscommiſſion für die ganze Monarchie beigezogen werden, damit eine wahre Ver- einigung aller Völker des großen Kaiſerſtaats angebahnt werde. ⚹ Wien, 17 März. Mein geſtriger Bericht über die neu zu bildende Verwaltung für Ungarn iſt noch damit zu ergänzen daß Se. Maj. den Erzherzog-Palatin als außerordentlichen und bevollmächtigten Commiſſär für Ungarn ernannte, mit dem ſich der neue Miniſterpräſi- dent Graf Ludwig Batthianyi ins Einvernehmen zu ſetzen hat. Der Erzherzog Stephan hat ſich überhaupt in dieſen ereignißvollen Tagen ſeines hohen Berufes würdig bewieſen, und iſt vor dem König als wah- rer Dolmetſcher der Wünſche der von ihm vertretenen Nation aufgetre- ten. Auch der Fürſt Nicolaus Eſterhazy, der ſo lange den Intereſſen ſeines Vaterlandes entfremdet geſchienen, hat ſich in der Stunde der Ge- fahr zu ſeinem Volke wiedergefunden und erklärte in Gegenwart des Monarchen der neuen Verwaltung mit allen ſeinen Kräften beiſtehen zu wollen. Dieſer Beiſtand iſt bei dem ungeheuern Beſitzthum des Fürſten für das neue Miniſterium von Wichtigkeit. Außer den geſtern erwähn- ten muthmaßlichen Mitgliedern desſelben wird heute noch Graf Ladis- laus Teleki genannt. In Preßburg hatten ſich vorgeſtern irrthümliche Gerüchte über den Erfolg der reichstäglichen Deputation verbreitet, worauf ſich die dortige Bürgerſchaft bewaffnete und in Verein mit der Landtagsjugend eine Deputation hieher ſandte. Auch in Peſth, Raab und in andern ungariſchen Städten herrſcht ungeheure Aufregung; in Tyrnau ſind bedauerliche Exceſſe gegen Juden vorgefallen. Der Bericht der De- putation, welche heute nach Preßburg zurückgekehrt, wird hoffentlich die aufgeregte Spannung des ganzen Landes in freudigen Jubel ver- wandeln. ☓ Wien, 17 März. Fürſt Metternich hat ſich dem Vernehmen nach auf ſeine Herrſchaft Königswart in Böhmen begeben. Baron Jo- ſika, Kanzler von Siebenbürgen, begleitete den greiſen Miniſter bis vor die Stadt, wo ihn eine militäriſche Escorte erwartete. Geſtern reichte auch Baron Joſika als ſiebenbürgiſcher Hofkanzler ſeine Entlaſſung ein. Das neugebildete ungariſche Miniſterium, welches in Ofen ſeinen Sitz haben wird, will Siebenbürgen mit Ungarn vereinigen, und man ſteht demnach einer alsbaldigen Einberufung der ſiebenbürgiſchen Stände, welche ſich wiederholt für die Union mit Ungarn ausgeſprochen, entge- gegen. Die hieſige ungariſche und ſiebenbürgiſche Hofkanzlei wird in der Folge auf ein einzelnes untergeordnetes Bureau reducirt werden. Der Polizeiminiſter Graf Sedlnitzky, der trotz der koſtſpieligen Augen und Ohren ſeiner zahlreichen Späher die Bewegung der Geiſter, die ſich in der ſo ängſtlich bewachten Stadt erhob, nicht ahnte, hat auch ſeine Di- miſſion gegeben. Man ſpricht ſo eben von einer heute hier angelangten Kriegserklärung Sardiniens an Oeſterreich. Es läßt ſich mit Grund erwarten daß auf die Nachricht der hieſigen großen Ereigniſſe und der daraus hervorgegangenen glühenden Begeiſterung aller Volksclaſſen das Kriegsgeſchrei der Italiener bald verſtummen wird. ** Wien, 17 März. Der zum Chef des Hofkriegsraths er- nannte Staats- und Conferenzminiſter, Graf Fiquelmont, iſt aus Mai- land hier eingetroffen. Intermiſtiſch verſteht die Leitung der auswär- tigen Angelegenheiten der Staatsrath der Staatskanzlei Frhr. v. Leb- zeltern. Als künftigen Miniſter des Aeußern bezeichnet man den Gra- fen Colloredo-Wallſee, frühern Botſchafter in St. Petersburg, der ſich gegenwärtig in einer Miſſion zu Frankfurt a. M. befindet.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848, S. 1270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine80_1848/6>, abgerufen am 21.11.2024.