Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.[Spaltenumbruch]
dürfte wohl darin zu suchen seyn daß diese Regimenter, insbesondere das Schleswig-Holstein. Kiel, 14 März. Die Bremer Ztg. Oesterreich. ** Wien, 19 März. Se. Exc. der Staats- und Con- Großbritannien. London, 17 März. Die Parlamentssitzungen am 16 und 17 März, soweit letztere vor- Das gestern erwähnte Gerücht daß der Herzog v. Montpensier, in Viscount Hardinge traf am 15 März nach vierjähriger Ab- "Die Geschichte", sagt die Times, "bietet keinen auffallenderen Frankreich. Paris, 18 März. Unter den Deputationen von Ausländern welche der provisorischen *) Zwei andere Briefe bezeichnen den General Zanini als Kriegs-, den
Grafen Taaffe als Justizminister. [Spaltenumbruch]
dürfte wohl darin zu ſuchen ſeyn daß dieſe Regimenter, insbeſondere das Schleswig-Holſtein. Kiel, 14 März. Die Bremer Ztg. Oeſterreich. ** Wien, 19 März. Se. Exc. der Staats- und Con- Großbritannien. London, 17 März. Die Parlamentsſitzungen am 16 und 17 März, ſoweit letztere vor- Das geſtern erwähnte Gerücht daß der Herzog v. Montpenſier, in Viscount Hardinge traf am 15 März nach vierjähriger Ab- „Die Geſchichte“, ſagt die Times, „bietet keinen auffallenderen Frankreich. Paris, 18 März. Unter den Deputationen von Ausländern welche der proviſoriſchen *) Zwei andere Briefe bezeichnen den General Zanini als Kriegs-, den
Grafen Taaffe als Juſtizminiſter. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0007" n="1303"/><cb/> dürfte wohl darin zu ſuchen ſeyn daß dieſe Regimenter, insbeſondere das<lb/> neunzehnte, zum großen Theil aus geborenen Polen beſtehen, die man<lb/> unter den jetzigen Umſtänden nicht in unſerer Provinz laſſen will. Uebri-<lb/> gens hat die polniſche Bevölkerung des Großherzogthums bis jetzt noch<lb/> keine Miene zu einer erneuten Schilderhebung gemacht, wie groß auch<lb/> die Gährung unter derſelben ſeyn mag. Nur in der Stadt Trzemeszno,<lb/> wo ſeit wenigen Jahren ein polniſches Gymnaſium beſteht, ſind vor eini-<lb/> gen Tagen nationale Demonſtrationen vorgekommen. Unaufhörlich<lb/> durchziehen ſtarke Patrouillen unſere Straßen, allnächtlich ſind auf allen<lb/> Gaſſen und Plätzen zahlreiche Poſten ausgeſtellt; Pikets von 30 bis 60<lb/> Mann ſtehen an den Thoren, an der Brücke und auf den großen Plätzen<lb/> und ſtarke Cavallerie-Abtheilungen bereiten die Umgegend bis weit über<lb/> die nächſten Dörfer hinaus. Ein erneuertes Attentat der Polen auf un-<lb/> ſere Stadt und Feſtung iſt kaum wahrſcheinlich; mehr dürfte dagegen<lb/> ein Arbeiteraufſtand zu fürchten ſeyn, der hier leicht einen gefährlichen<lb/> Charakter annehmen könnte, da die niedrigſte Schichte unſerer Bevölke-<lb/> rung unglaublich roh iſt und im berauſchten Zuſtande ihre menſchliche<lb/> Natur gänzlich verläugnet. Gegen dieſe Claſſe, die bereits eine drohende<lb/> Miene annimmt, müſſen wir daher gegenwärtig auf unſerer Hut ſeyn.<lb/> Ein Polenaufſtand dürfte ſchon aus dem Grunde jetzt kaum von Bedeu-<lb/> tung werden können, weil der Bauernſtand ſeine Antipathie gegen den<lb/> Adel auch bei uns ſo deutlich an den Tag legt, daß eher eine zweite<lb/> Auflage der galiziſchen Metzelei hier zu beſorgen ſeyn möchte. Dieſe<lb/> Stimmung der ſogenannten Koworniks auf dem platten Lande ſoll auch<lb/> vorzugsweiſe der Anlaß ſeyn daß ſich dermalen faſt der ganze Adel un-<lb/> ſerer Provinz hier in Poſen aufhält. Andere meinen freilich daß nur<lb/> die politiſchen Verhältniſſe des Weſtens und die dadurch angeregten na-<lb/> tionalen Hoffnungen ihn hiehergelockt hätten, wo gegenwärtig der Bazar<lb/> den Mittelpunkt aller Regungen und Strebungen abgibt.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Schleswig-Holſtein.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Kiel,</hi> 14 März.</dateline> <p>Die <hi rendition="#g">Bremer Ztg.</hi><lb/> bringt das Gerücht: Rußland habe an Dänemark die Forderung ge-<lb/> richtet ihm ſeine Flotte zur Dispoſition zu ſtellen, und ihm dagegen ſeine<lb/> Garantie für die Incorporation der Herzogthümer und für den Fall<lb/> eines allgemeinen Krieges Gebietsvergrößerung in Deutſchland verſpro-<lb/> chen. Ein anderes Blatt will wiſſen, eine engliſche Flotte werde im<lb/> Sund erwartet. 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Sommaruga, und des Kriegs Fürſt Win-<lb/> diſchgrätz, gegen welchen übrigens ſtarke Abneigung im Publicum<lb/> herrſcht. <note place="foot" n="*)">Zwei andere Briefe bezeichnen den General Zanini als Kriegs-, den<lb/> Grafen Taaffe als Juſtizminiſter.</note> Heute wurde auf dem äußern Hofburgplatz, wo bisher noch<lb/> Truppen campirten, eine feierliche Feldmeſſe zum Danke für die vom<lb/> Monarchen geſchenkte Verfaſſung gehalten, wobei es rührend war die bei-<lb/> den kaiſerlichen Majeſtäten auf dem geöffneten Balcon der Hofburg ihre<lb/> frommen Wünſche mit gefalteten Händen zum Himmel emporſenden zu<lb/> ſehen. Auch bei St. Stephan fand ein feierliches Hochamt unter Pa-<lb/> radirung der Nationalgarden ſtatt.</p> </div> </div> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London</hi>, 17 März.</dateline><lb/> <p>Die Parlamentsſitzungen am 16 und 17 März, ſoweit letztere vor-<lb/> liegen, waren unerheblich. Auf die Frage eines Mitglieds mußte das<lb/> Miniſterium leider die Erklärung geben daß es um das Schickſal des<lb/> Nordpolfahrers Sir John Franklin und ſeiner Genoſſen nachgerade<lb/> ernſte Beſorgniſſe hege.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Das geſtern erwähnte Gerücht daß der Herzog v. Montpenſier, in<lb/> Folge geheimer Briefſchaften die man in den Tuilerien gefunden, von<lb/> der brittiſchen Regierung aus England ausgewieſen worden ſey, wird<lb/> vom <hi rendition="#g">Globe</hi> als durchaus irrthümlich bezeichnet. Seine Abreiſe war eine<lb/> ganz freiwillige, und fand vor, nicht erſt nach der Ankunft des Her-<lb/> zogs v. Ahumada in London ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Viscount <hi rendition="#g">Hardinge</hi> traf am 15 März nach vierjähriger Ab-<lb/> weſenheit in London bei ſeiner Gemahlin und ſeinen Töchtern ein,<lb/> welche ihrem Gatten und Vater nicht nach Indien gefolgt waren,<lb/> weil erſtere keine längere Seereiſe vertragen kann. Se. Lordſchaft<lb/> iſt nicht, wie es anfangs hieß, über Frankreich gereist, ſondern<lb/> kam von Trieſt über Deutſchland und Oſtende. „Lord Hardinge“,<lb/> ſagt das <hi rendition="#g">Chronicle,</hi> „ſieht ausnehmend geſund aus, in der That<lb/><cb/> friſcher als bei ſeiner Abreiſe nach dem Orient im J. 1843. Seine<lb/> zwei Söhne, die ſich in den Feldzügen gegen die Sikh ſo edel hervor-<lb/> gethan, ſind ebenfalls bei guter Geſundheit. Die Heimreiſe war eine<lb/> ſehr intereſſante. Se. Lordſchaft landete in Aegypten nicht, wie es<lb/> ſonſt gewöhnlich iſt, zu Suez, ſondern zu Koſſeir, und beſuchte von da<lb/> aus Theben und andere merkwürdige Alterthümer in Ober-Aegypten.<lb/> In der Quarantäne von Corfu hatte er eine Unterredung mit dem dor-<lb/> tigen Gouverneur. Von Trieſt verfügte er ſich nach einigen kleineren<lb/> Abſtechern nach Wien, wo er ſich mit Lord Ponſonby, unſerem dortigen<lb/> Geſandten, beſprach. Von da reiste er über Prag, Hannover und das<lb/> Rheinland nach Oſtende. Alle Volksclaſſen wünſchen dem tapfern<lb/> Officier, nach einer ſo verdienſtvollen Laufbahn im Feld und im Rath,<lb/> einen ruhigen und glücklichen Lebensabend. Er iſt jetzt 64 Jahre alt.“<lb/> In London hat Lord Hardinge bereits den Prinzen Albert, den Herzog<lb/> v. Wellington, den Präſidenten des indiſchen Controlamtes Sir J. C.<lb/> Hobhouſe und andere Cabinetsmitglieder, den preußiſchen Geſandten<lb/> u. ſ. w. beſucht, und empfing ſeinerſeits viele Beſuche von Mitgliedern<lb/> des hohen Adels.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <p>„Die Geſchichte“, ſagt die <hi rendition="#g">Times,</hi> „bietet keinen auffallenderen<lb/> Gegenſatz dar als den der gleichzeitigen politiſchen Aenderungen in<lb/> Frankreich und Deutſchland. Auf der einen Seite gewahren wir eine<lb/> furchtbare ſociale Erſchütterung, begleitet von der Austreibung und<lb/> Aechtung der letzten Zweige einer Königsfamilie, die gänzliche Vernich-<lb/> tung des ohnehin ſchwachen ariſtokratiſchen Elements und ſelbſt eine<lb/> Erklärung offener Feindſeligkeit gegen die Burgeoiſte, vom großen Ca-<lb/> pitaliſten herab bis zum Kleinkrämer — die Verläugnung aller ge-<lb/> ſchichtlichen Ueberlieferungen und eine Republik unter dem improviſir-<lb/> ten Anſehen einer centralen Dictatur. Andererſeits ſehen wir Deutſch-<lb/> land mit weit mehr wirklicher Energie und Einmüthigkeit an der Wieder-<lb/> herſtellung ſeiner alten Reichswürde beſchäftigt. Weit entfernt ſeine<lb/> Fürſten zu ächten, hat es ſie eingeladen ſich bei dieſem Unternehmen an<lb/> die Spitze zu ſtellen. Die Aenderungen in Frankreich deuten offenbar<lb/> auf eine Auflöſung aller Staatselemente, die in Deutſchland auf den<lb/> Wiederaufbau eines der mächtigſten Reiche Europa’s. Wir begrüßen<lb/> daher mit der herzlichen Sympathie eines freien und blutsverwandten<lb/> Volkes die Wiederentfaltung jenes glorreichen Symbols, des ſchwarz-<lb/> roth-goldenen Reichsbanners; wir glauben, es war ein großer und<lb/> glücklicher Tag für Europa, an welchem ſich, im Herzen dieſes Welt-<lb/> theils, eine Nation ernſter, tapferer und beſcheidener Menſchen aus ei-<lb/> gener Thatkraft erhoben hat um ihre politiſche Macht wieder herzuſtel-<lb/> len und verjüngt aus langer innerer Zerſpaltung in die Einheit zurück-<lb/> zutreten. Führe Deutſchland ſein unternommenes Werk nur klug und<lb/> weiſe zum Ziel, und ſein Kaiſerthum wird glänzend wieder aufgehen.<lb/> Der alte Barbaroſſa ſteigt mit des Reiches Herrlichkeit aus dem Grabe.“</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris</hi>, 18 März.</dateline><lb/> <p>Unter den Deputationen von Ausländern welche der proviſoriſchen<lb/> Regierung aufgewartet haben, ſind auch eine ungariſche und eine nor-<lb/> wegiſche. Beim Empfang beider führte Hr. v. Lamartine das Wort.<lb/> Zu den Ungarn ſagte er: „Wenn die Ungarn zu dieſem Centrum der<lb/> proviſoriſchen Regierung welche Frankreich geſchaffen hat, nicht um der<lb/> Schrecken ſondern um zu verſuchen die Liebe der andern Völker Europa’s<lb/> zu ſeyn, ein wenig ſpät kommen, ſo ſind ſie auch diejenigen die am wei-<lb/> teſten herkommen. Wenn Frankreich nöthig hätte über die Tugenden, den<lb/> Muth, den Geiſt der Freiheit und Brüderlichkeit der eure Nation beſeelt,<lb/> aufgeklärt zu werden, ſo würde ich mich glücklich ſchätzen davon Zeug-<lb/> niß abzulegen. Ich habe euer Vaterland durchwandert, ich bin Zeuge<lb/> geweſen der paſtoralen wie der heroiſchen Tugenden dieſes großen Volks,<lb/> das, in eine große föderative Einheit eingetreten, den auszeichnen-<lb/> den Charakter ſeiner urſprünglichen Nationalität nie verloren hat.<lb/> Wenn ihr Wünſche daher bringt für die junge Freiheit in unſerem Land,<lb/> ſo geben wir ſie euch mit unſern Achtungsverſicherungen für die alte und<lb/> ſtets weiſe und ruhmvoll behauptete Freiheit in dem eurigen zurück.<lb/> Dieſe Brüderlichkeit beider Freiheiten und beider Völker vermehrt ſich<lb/> noch durch die Sympathien die ihr uns zu erkennen gegeben habt. Wenn<lb/> ihr in euer ſchönes Vaterland zurückkehrt, ſo ſagt daß es in Frankreich<lb/> ebenſoviel Freunde als franzöſiſche Bürger zählt.“ Die Deputation nahm<lb/> dieſe Worte mit dem Ruf: <hi rendition="#aq">»Vive la République!«</hi> auf, und ließ zum<lb/> Abſchied eine verſchlungene franzöſiſche und ungariſche Fahne zurück.<lb/> Die Antwort die Hr. v. Lamartine den Norwegern gab, war nicht we-<lb/> niger verbindlich, aber allgemeiner gehalten. Auch die Norweger ließen<lb/> beim Abgehen die franzöſiſche Republik leben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1303/0007]
dürfte wohl darin zu ſuchen ſeyn daß dieſe Regimenter, insbeſondere das
neunzehnte, zum großen Theil aus geborenen Polen beſtehen, die man
unter den jetzigen Umſtänden nicht in unſerer Provinz laſſen will. Uebri-
gens hat die polniſche Bevölkerung des Großherzogthums bis jetzt noch
keine Miene zu einer erneuten Schilderhebung gemacht, wie groß auch
die Gährung unter derſelben ſeyn mag. Nur in der Stadt Trzemeszno,
wo ſeit wenigen Jahren ein polniſches Gymnaſium beſteht, ſind vor eini-
gen Tagen nationale Demonſtrationen vorgekommen. Unaufhörlich
durchziehen ſtarke Patrouillen unſere Straßen, allnächtlich ſind auf allen
Gaſſen und Plätzen zahlreiche Poſten ausgeſtellt; Pikets von 30 bis 60
Mann ſtehen an den Thoren, an der Brücke und auf den großen Plätzen
und ſtarke Cavallerie-Abtheilungen bereiten die Umgegend bis weit über
die nächſten Dörfer hinaus. Ein erneuertes Attentat der Polen auf un-
ſere Stadt und Feſtung iſt kaum wahrſcheinlich; mehr dürfte dagegen
ein Arbeiteraufſtand zu fürchten ſeyn, der hier leicht einen gefährlichen
Charakter annehmen könnte, da die niedrigſte Schichte unſerer Bevölke-
rung unglaublich roh iſt und im berauſchten Zuſtande ihre menſchliche
Natur gänzlich verläugnet. Gegen dieſe Claſſe, die bereits eine drohende
Miene annimmt, müſſen wir daher gegenwärtig auf unſerer Hut ſeyn.
Ein Polenaufſtand dürfte ſchon aus dem Grunde jetzt kaum von Bedeu-
tung werden können, weil der Bauernſtand ſeine Antipathie gegen den
Adel auch bei uns ſo deutlich an den Tag legt, daß eher eine zweite
Auflage der galiziſchen Metzelei hier zu beſorgen ſeyn möchte. Dieſe
Stimmung der ſogenannten Koworniks auf dem platten Lande ſoll auch
vorzugsweiſe der Anlaß ſeyn daß ſich dermalen faſt der ganze Adel un-
ſerer Provinz hier in Poſen aufhält. Andere meinen freilich daß nur
die politiſchen Verhältniſſe des Weſtens und die dadurch angeregten na-
tionalen Hoffnungen ihn hiehergelockt hätten, wo gegenwärtig der Bazar
den Mittelpunkt aller Regungen und Strebungen abgibt.
Schleswig-Holſtein.
Kiel, 14 März.Die Bremer Ztg.
bringt das Gerücht: Rußland habe an Dänemark die Forderung ge-
richtet ihm ſeine Flotte zur Dispoſition zu ſtellen, und ihm dagegen ſeine
Garantie für die Incorporation der Herzogthümer und für den Fall
eines allgemeinen Krieges Gebietsvergrößerung in Deutſchland verſpro-
chen. Ein anderes Blatt will wiſſen, eine engliſche Flotte werde im
Sund erwartet. Beide Sagen bedürfen der Beſtätigung.
Oeſterreich.
** Wien, 19 März.Se. Exc. der Staats- und Con-
ferenzminiſter Graf Kollowrat hat auf ſeine Stelle reſignirt. Unſer neues
conſtitutionelles Miniſterium ſoll in nachſtehender Weiſe gebildet ſeyn:
Präſident desſelben ohne Portefeuille der Graf Colloredo-Wallſee, frü-
herer Botſchafter in Rußland; Miniſter des Aeußern der Staats- und
Conferenzminiſter Graf Ficquelmont; des Innern der Hofkanzler Frhr.
v. Pillersdorf; der Finanzen Frhr. v. Kübeck; der Juſtiz der hieſige Ap-
pellationspräſident Frhr. v. Sommaruga, und des Kriegs Fürſt Win-
diſchgrätz, gegen welchen übrigens ſtarke Abneigung im Publicum
herrſcht. *) Heute wurde auf dem äußern Hofburgplatz, wo bisher noch
Truppen campirten, eine feierliche Feldmeſſe zum Danke für die vom
Monarchen geſchenkte Verfaſſung gehalten, wobei es rührend war die bei-
den kaiſerlichen Majeſtäten auf dem geöffneten Balcon der Hofburg ihre
frommen Wünſche mit gefalteten Händen zum Himmel emporſenden zu
ſehen. Auch bei St. Stephan fand ein feierliches Hochamt unter Pa-
radirung der Nationalgarden ſtatt.
Großbritannien.
London, 17 März.
Die Parlamentsſitzungen am 16 und 17 März, ſoweit letztere vor-
liegen, waren unerheblich. Auf die Frage eines Mitglieds mußte das
Miniſterium leider die Erklärung geben daß es um das Schickſal des
Nordpolfahrers Sir John Franklin und ſeiner Genoſſen nachgerade
ernſte Beſorgniſſe hege.
Das geſtern erwähnte Gerücht daß der Herzog v. Montpenſier, in
Folge geheimer Briefſchaften die man in den Tuilerien gefunden, von
der brittiſchen Regierung aus England ausgewieſen worden ſey, wird
vom Globe als durchaus irrthümlich bezeichnet. Seine Abreiſe war eine
ganz freiwillige, und fand vor, nicht erſt nach der Ankunft des Her-
zogs v. Ahumada in London ſtatt.
Viscount Hardinge traf am 15 März nach vierjähriger Ab-
weſenheit in London bei ſeiner Gemahlin und ſeinen Töchtern ein,
welche ihrem Gatten und Vater nicht nach Indien gefolgt waren,
weil erſtere keine längere Seereiſe vertragen kann. Se. Lordſchaft
iſt nicht, wie es anfangs hieß, über Frankreich gereist, ſondern
kam von Trieſt über Deutſchland und Oſtende. „Lord Hardinge“,
ſagt das Chronicle, „ſieht ausnehmend geſund aus, in der That
friſcher als bei ſeiner Abreiſe nach dem Orient im J. 1843. Seine
zwei Söhne, die ſich in den Feldzügen gegen die Sikh ſo edel hervor-
gethan, ſind ebenfalls bei guter Geſundheit. Die Heimreiſe war eine
ſehr intereſſante. Se. Lordſchaft landete in Aegypten nicht, wie es
ſonſt gewöhnlich iſt, zu Suez, ſondern zu Koſſeir, und beſuchte von da
aus Theben und andere merkwürdige Alterthümer in Ober-Aegypten.
In der Quarantäne von Corfu hatte er eine Unterredung mit dem dor-
tigen Gouverneur. Von Trieſt verfügte er ſich nach einigen kleineren
Abſtechern nach Wien, wo er ſich mit Lord Ponſonby, unſerem dortigen
Geſandten, beſprach. Von da reiste er über Prag, Hannover und das
Rheinland nach Oſtende. Alle Volksclaſſen wünſchen dem tapfern
Officier, nach einer ſo verdienſtvollen Laufbahn im Feld und im Rath,
einen ruhigen und glücklichen Lebensabend. Er iſt jetzt 64 Jahre alt.“
In London hat Lord Hardinge bereits den Prinzen Albert, den Herzog
v. Wellington, den Präſidenten des indiſchen Controlamtes Sir J. C.
Hobhouſe und andere Cabinetsmitglieder, den preußiſchen Geſandten
u. ſ. w. beſucht, und empfing ſeinerſeits viele Beſuche von Mitgliedern
des hohen Adels.
„Die Geſchichte“, ſagt die Times, „bietet keinen auffallenderen
Gegenſatz dar als den der gleichzeitigen politiſchen Aenderungen in
Frankreich und Deutſchland. Auf der einen Seite gewahren wir eine
furchtbare ſociale Erſchütterung, begleitet von der Austreibung und
Aechtung der letzten Zweige einer Königsfamilie, die gänzliche Vernich-
tung des ohnehin ſchwachen ariſtokratiſchen Elements und ſelbſt eine
Erklärung offener Feindſeligkeit gegen die Burgeoiſte, vom großen Ca-
pitaliſten herab bis zum Kleinkrämer — die Verläugnung aller ge-
ſchichtlichen Ueberlieferungen und eine Republik unter dem improviſir-
ten Anſehen einer centralen Dictatur. Andererſeits ſehen wir Deutſch-
land mit weit mehr wirklicher Energie und Einmüthigkeit an der Wieder-
herſtellung ſeiner alten Reichswürde beſchäftigt. Weit entfernt ſeine
Fürſten zu ächten, hat es ſie eingeladen ſich bei dieſem Unternehmen an
die Spitze zu ſtellen. Die Aenderungen in Frankreich deuten offenbar
auf eine Auflöſung aller Staatselemente, die in Deutſchland auf den
Wiederaufbau eines der mächtigſten Reiche Europa’s. Wir begrüßen
daher mit der herzlichen Sympathie eines freien und blutsverwandten
Volkes die Wiederentfaltung jenes glorreichen Symbols, des ſchwarz-
roth-goldenen Reichsbanners; wir glauben, es war ein großer und
glücklicher Tag für Europa, an welchem ſich, im Herzen dieſes Welt-
theils, eine Nation ernſter, tapferer und beſcheidener Menſchen aus ei-
gener Thatkraft erhoben hat um ihre politiſche Macht wieder herzuſtel-
len und verjüngt aus langer innerer Zerſpaltung in die Einheit zurück-
zutreten. Führe Deutſchland ſein unternommenes Werk nur klug und
weiſe zum Ziel, und ſein Kaiſerthum wird glänzend wieder aufgehen.
Der alte Barbaroſſa ſteigt mit des Reiches Herrlichkeit aus dem Grabe.“
Frankreich.
Paris, 18 März.
Unter den Deputationen von Ausländern welche der proviſoriſchen
Regierung aufgewartet haben, ſind auch eine ungariſche und eine nor-
wegiſche. Beim Empfang beider führte Hr. v. Lamartine das Wort.
Zu den Ungarn ſagte er: „Wenn die Ungarn zu dieſem Centrum der
proviſoriſchen Regierung welche Frankreich geſchaffen hat, nicht um der
Schrecken ſondern um zu verſuchen die Liebe der andern Völker Europa’s
zu ſeyn, ein wenig ſpät kommen, ſo ſind ſie auch diejenigen die am wei-
teſten herkommen. Wenn Frankreich nöthig hätte über die Tugenden, den
Muth, den Geiſt der Freiheit und Brüderlichkeit der eure Nation beſeelt,
aufgeklärt zu werden, ſo würde ich mich glücklich ſchätzen davon Zeug-
niß abzulegen. Ich habe euer Vaterland durchwandert, ich bin Zeuge
geweſen der paſtoralen wie der heroiſchen Tugenden dieſes großen Volks,
das, in eine große föderative Einheit eingetreten, den auszeichnen-
den Charakter ſeiner urſprünglichen Nationalität nie verloren hat.
Wenn ihr Wünſche daher bringt für die junge Freiheit in unſerem Land,
ſo geben wir ſie euch mit unſern Achtungsverſicherungen für die alte und
ſtets weiſe und ruhmvoll behauptete Freiheit in dem eurigen zurück.
Dieſe Brüderlichkeit beider Freiheiten und beider Völker vermehrt ſich
noch durch die Sympathien die ihr uns zu erkennen gegeben habt. Wenn
ihr in euer ſchönes Vaterland zurückkehrt, ſo ſagt daß es in Frankreich
ebenſoviel Freunde als franzöſiſche Bürger zählt.“ Die Deputation nahm
dieſe Worte mit dem Ruf: »Vive la République!« auf, und ließ zum
Abſchied eine verſchlungene franzöſiſche und ungariſche Fahne zurück.
Die Antwort die Hr. v. Lamartine den Norwegern gab, war nicht we-
niger verbindlich, aber allgemeiner gehalten. Auch die Norweger ließen
beim Abgehen die franzöſiſche Republik leben.
*) Zwei andere Briefe bezeichnen den General Zanini als Kriegs-, den
Grafen Taaffe als Juſtizminiſter.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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