Allgemeine Zeitung, Nr. 88, 31. März 1900.Nr. 88. Morgenblatt.103. Jahrgang. München , Samstag, 31. März 1900.Allgemeine Zeitung. Wöchentlich [Spaltenumbruch]
12 Ausgaben. Bezugspreise: Durch die Postämter: jährlich M. 36. --, ohne Beil. M. 18. -- (viertelj. M. 9. --, ohne Beil. M. 4.50); in München b. d Ex- pedition od. d. Depots monatlich M. 2. --, ohne Beil. M. 1.20. Zustellg. mil. 50 Pf. Direkter Bezug für Deutschl. u. Oesterreich monatlich M. 4. --, ohne Beil. M. 3. --, Ausland M. 5.60, ohne Beil. M. 4.40. [Spaltenumbruch] Insertionspreis für die kleinspaltige Kolonelzeile od. deren Raum 25 Pfennig; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; lokale Ver- kaufsanzeig. 20 Pf.; Stellengesuche 15 Pf. Redaktion und Expe- dition befinden sich Schwanthalerstr. 36 in München. Berichte sind an die Redaktion, Inserat- aufträge an die Ex- pedition franko ein- zusenden. [Spaltenumbruch] Abonnements für Berlin nimmt unsere dortige Filiale in der Leipzigerstraße 11 entgegen. [Spaltenumbruch]
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Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Str., London; für Frankreich, Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klincksieck in Paris; für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien, Niederlande, Rumänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Postämter; für den Orient das k. k. Postamt in Wien oder Triest; für Nordamerika F. W. Christern, E. Steiger u. Co., Gust. E. Stechert, Westermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York. Inseratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerstraße 36, in Berlin in unserer Filiale, Leipzigerstraße 11, ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Pest, London, Zürich, Basel etc. bei den Annoncenbureaux R. Mosse, Haasenste in u. Vogler. G. L. Daube u. Co. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz etc. Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenstraße 26) und S. Kornik (Kochstraße 23); für Frankreich bei John F. Jones u. Co., 31bis Faubourg Montmartre in Paris. Verantwortlich für den politischen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Mensi, für den Handelstheil Ernst Barth, sämmtlich in München. Druck und Verlag der Gesellschaft mit beschränkter Haftung "Verlag der Allgemeinen Zeitung" in München. Bestellungen auf die Allgemeine Zeitung für das nächste Quartal bitten wir für München bei der Expedition, Schwanthalerstraße Nr. 36, oder deren Filiale im Domhof (Liebfrauenstraße), bezw. bei den im Stadtbezirk errichteten Abholstellen, für auswärts bei dem nächsten Postamt (Bayerischer Zeitungskatalog Nr. 22/3, Zeitungskatalog der Reichspost Nr. 167/8), für das Ausland entweder gleichfalls bei den Postämtern oder bei den am Kopf der Zeitung genannten Agenturen möglichst bald aufzugeben. [Spaltenumbruch]
Die überseeischen Kapitalinteressen Deutschlands und die deutsche Auslandsflotte. In einer vom Reichsmarineamt zusammengestellten Türkisches Reich und Aegypten: 400 Mill. M. Afrika (ohne Aegypten und die deutschen Schutzgebiete): über 1000 Mill. M. Asien (ausschließlich der asiatischen Türkei): 650--700 Mill. M. Australien und die Südsee-Inseln (ohne die deutschen Schutzgebiete): 570--600 Mill. M. Länder um das amerikanische Mittelmeer und westindische Inseln: 1000--1250 Mill. M. Südamerika (ausschließlich der Nordküste): 1500--1700 Mill. M. Nordamerika: 2000 Mill. M. Bei diesen Ziffern ist aber die Anlage deutschen Es liegt auf der Hand, daß durch die zunehmende Unter diesen Umständen wird man den in der Budget- Die Herren vom Centrum haben sicherlich keinen An- Deutsches Reich. "Irrthümer." Berlin, 29. März.Wenn Altmeister Goethe [Spaltenumbruch] Berliner Musikbrief. E. v. J. Vor kurzem gab Franceschina Prevosti, die so Wir stehen im Zeichen der Romantik, und so schreibt Im Weingartner-Konzert, wie der Berliner die Sym- Die Aufführung der "Verdammniß Fausts" war eine Nr. 88. Morgenblatt.103. Jahrgang. München , Samſtag, 31. März 1900.Allgemeine Zeitung. Wöchentlich [Spaltenumbruch]
12 Ausgaben. Bezugspreiſe: Durch die Poſtämter: jährlich M. 36. —, ohne Beil. M. 18. — (viertelj. M. 9. —, ohne Beil. M. 4.50); in München b. d Ex- pedition od. d. Depots monatlich M. 2. —, ohne Beil. M. 1.20. Zuſtellg. mil. 50 Pf. Direkter Bezug für Deutſchl. u. Oeſterreich monatlich M. 4. —, ohne Beil. M. 3. —, Ausland M. 5.60, ohne Beil. M. 4.40. [Spaltenumbruch] Inſertionspreis für die kleinſpaltige Kolonelzeile od. deren Raum 25 Pfennig; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; lokale Ver- kaufsanzeig. 20 Pf.; Stellengeſuche 15 Pf. Redaktion und Expe- dition befinden ſich Schwanthalerſtr. 36 in München. Berichte ſind an die Redaktion, Inſerat- aufträge an die Ex- pedition franko ein- zuſenden. [Spaltenumbruch] Abonnements für Berlin nimmt unſere dortige Filiale in der Leipzigerſtraße 11 entgegen. [Spaltenumbruch]
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Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Str., London; für Frankreich, Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien, Niederlande, Rumänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Poſtämter; für den Orient das k. k. Poſtamt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern, E. Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York. Inſeratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerſtraße 36, in Berlin in unſerer Filiale, Leipzigerſtraße 11, ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Peſt, London, Zürich, Baſel ꝛc. bei den Annoncenbureaux R. Moſſe, Haaſenſte in u. Vogler. G. L. Daube u. Co. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtraße 26) und S. Kornik (Kochſtraße 23); für Frankreich bei John F. Jones u. Co., 31bis Faubourg Montmartre in Paris. Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München. Druck und Verlag der Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung „Verlag der Allgemeinen Zeitung“ in München. Beſtellungen auf die Allgemeine Zeitung für das nächſte Quartal bitten wir für München bei der Expedition, Schwanthalerſtraße Nr. 36, oder deren Filiale im Domhof (Liebfrauenſtraße), bezw. bei den im Stadtbezirk errichteten Abholſtellen, für auswärts bei dem nächſten Poſtamt (Bayeriſcher Zeitungskatalog Nr. 22/3, Zeitungskatalog der Reichspoſt Nr. 167/8), für das Ausland entweder gleichfalls bei den Poſtämtern oder bei den am Kopf der Zeitung genannten Agenturen möglichſt bald aufzugeben. [Spaltenumbruch]
Die überſeeiſchen Kapitalintereſſen Deutſchlands und die deutſche Auslandsflotte. In einer vom Reichsmarineamt zuſammengeſtellten Türkiſches Reich und Aegypten: 400 Mill. M. Afrika (ohne Aegypten und die deutſchen Schutzgebiete): über 1000 Mill. M. Aſien (ausſchließlich der aſiatiſchen Türkei): 650—700 Mill. M. Auſtralien und die Südſee-Inſeln (ohne die deutſchen Schutzgebiete): 570—600 Mill. M. Länder um das amerikaniſche Mittelmeer und weſtindiſche Inſeln: 1000—1250 Mill. M. Südamerika (ausſchließlich der Nordküſte): 1500—1700 Mill. M. Nordamerika: 2000 Mill. M. Bei dieſen Ziffern iſt aber die Anlage deutſchen Es liegt auf der Hand, daß durch die zunehmende Unter dieſen Umſtänden wird man den in der Budget- Die Herren vom Centrum haben ſicherlich keinen An- Deutſches Reich. „Irrthümer.“ ⸪ Berlin, 29. März.Wenn Altmeiſter Goethe [Spaltenumbruch] Berliner Muſikbrief. E. v. J. Vor kurzem gab Franceschina Prevoſti, die ſo Wir ſtehen im Zeichen der Romantik, und ſo ſchreibt Im Weingartner-Konzert, wie der Berliner die Sym- Die Aufführung der „Verdammniß Fauſts“ war eine <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="volume"> <hi rendition="#b">Nr. 88. Morgenblatt.<hi rendition="#c">103. Jahrgang.</hi></hi> </titlePart> </docTitle> <docImprint> <pubPlace> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#right">München </hi> </hi> </pubPlace> <docDate> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#right">, Samſtag, 31. 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Wie groß die <hi rendition="#g">Zinserträge</hi> ſind, bezw.<lb/> ein wie großer Antheil davon direkt nach Deutſchland<lb/> zurückfließt, läßt ſich auch ſchätzungsweiſe nicht feſtſtellen,<lb/> doch wird von Sachverſtändigen verſichert, daß als an-<lb/> gemeſſener Ertrag aus überſeeiſchen Unternehmungen ein<lb/> Verzinſungsſatz von 6 bis 10 Prozent und ſelbſt darüber<lb/> anzuſehen ſei. Nimmt man aber, angeſichts der That-<lb/> ſache, daß ein Theil der Zinſen im Auslande verbleibt,<lb/> auch nur einen Durchſchnittsſatz von 6 Proz. an, ſo folgt<lb/> daraus, daß das deutſche Nationaleinkommen durch die<lb/> überſeeiſchen Kapitalanlagen einen jährlichen Zuwachs<lb/> von 420 bis 450 Millionen Mark erfährt. Die hier in<lb/> Betracht kommenden Kapitalanlagen vertheilen ſich auf<lb/> die verſchiedenen überſeeiſchen Gebiete etwa wie folgt:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#g">Türkiſches Reich</hi> und <hi rendition="#g">Aegypten:</hi> 400 Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Afrika</hi> (ohne Aegypten und die deutſchen Schutzgebiete):<lb/> über 1000 Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Aſien</hi> (ausſchließlich der aſiatiſchen Türkei): 650—700<lb/> Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Auſtralien</hi> und die <hi rendition="#g">Südſee-Inſeln</hi> (ohne die<lb/> deutſchen Schutzgebiete): 570—600 Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Länder um das amerikaniſche Mittelmeer</hi> und<lb/><hi rendition="#g">weſtindiſche Inſeln:</hi> 1000—1250 Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Südamerika</hi> (ausſchließlich der Nordküſte): 1500—1700<lb/> Mill. M.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Nordamerika:</hi> 2000 Mill. M.</item> </list><lb/> <p>Bei dieſen Ziffern iſt aber die Anlage deutſchen<lb/> Kapitals in auswärtigen Anleihen und Spekulations-<lb/> unternehmungen, die ſich ihrem Umfange nach überhaupt<lb/> nicht feſtſtellen läßt, bei der es jedoch zweifellos um ganz<lb/> gewaltige Summen ſich handelt, noch nicht mit in An-<lb/> ſchlag gebracht.</p><lb/> <p>Es liegt auf der Hand, daß durch die zunehmende<lb/> Ausdehnung der vielgeſtaltigen deutſchen Kapitalintereſſen<lb/> über den ganzen Erdball und durch das ſtetige Wachſen<lb/> des deutſchen Autheils an der Weltwirthſchaft dem Reich<lb/> und ſeinen Organen, ſpeziell der Leitung der auswärtigen<lb/> Angelegenheiten und dem Marine-Amt, eine nicht eben<lb/> leicht zu tragende und von Jahr zu Jahr ſich ſteigernde<lb/> Verantwortung auferlegt wird. Denn das Reich muß<lb/> nicht nur darauf Bedacht nehmen, in dieſem oder jenem<lb/><cb/> kleinen Ueberſee-Staat die Arbeit ſeiner Angehörigen und<lb/> ihre Erträgniſſe gegen Vergewaltigungsgelüſte gewiſſen-<lb/> loſer Machthaber zu ſchützen oder vor Schädigungen durch<lb/> die nicht ſeltenen revolutionären Bewegungen zu bewahren,<lb/> ſondern es muß auch jederzeit bereit und imſtande ſein,<lb/> zu verhindern, daß andere Großmächte im Vertrauen auf<lb/> ihre maritime Ueberlegenheit die Rechte oder das Inter-<lb/> eſſengebiet deutſcher Unterthanen jenſeit des Meeres, ſei<lb/> es direkt, ſei es indirekt, angreifen.</p><lb/> <p>Unter dieſen Umſtänden wird man den in der Budget-<lb/> kommiſſion des Reichstags bei der Generaldebatte über die<lb/> Novelle zum Flottengeſetz von 1898 von einem der Vertreter<lb/> des Centrums, dem Abg. Müller-Fulda, angeregten Ge-<lb/> danken, nur zwar die Verſtärkung der <hi rendition="#g">Schlachtflotte</hi><lb/> zu <hi rendition="#g">acceptiren,</hi> auf die geplante Vermehrung der <hi rendition="#g">Aus-<lb/> landsflotte</hi> jedoch einſtweilen zu <hi rendition="#g">verzichten</hi> und<lb/> ſpeziell beim Bau der kleineren Kreuzer <hi rendition="#g">Beſchrän-<lb/> kungen</hi> eintreten zu laſſen, als mit den nationaln Be-<lb/> dürfniſſen und Intereſſen vereinbar gewiß nicht bezeichnen<lb/> dürfen. Das dem Reichstag jetzt vorliegende Schiffsbau-<lb/> programm beſchränkt ſich bei den Vorſchlägen zur Ver-<lb/> mehrung der Kreuzerflotte, die an die Schlachtflotte nur<lb/> die zu Aufklärungszwecken erforderlichen Schiffe abzu-<lb/> geben, im übrigen aber den Auslandsdienſt zu verſehen hat,<lb/> ohnehin auf das unbedingt Nothwendige; ſelbſt wenn es<lb/> im vollen Umfange zur Ausführung gelangt, werden die<lb/> Vereinigten Staaten, Frankreich und Rußland — von Eng-<lb/> land gar nicht zu reden — immer noch an Kreuzern, kleine-<lb/> ren wie größeren, uns überlegen ſein. Und wenn man bei<lb/> uns an den maßgebenden Stellen auch zu dem, unſres<lb/> Erachtens durchaus richtigen, weil den gegebenen Verhält-<lb/> niſſen zumeiſt entſprechenden Entſchluß gelangt iſt, für den<lb/> Fall eines Konflikts mit einer größeren Seemacht den<lb/> Hauptnachdruck auf die Aktion der Schlachtflotte zu legen,<lb/> deren Aufgabe es ſein würde, unſre heimiſchen Küſten frei<lb/> zu halten, wenn man ſomit auch nicht an einen Kreuzerkrieg<lb/> denkt, wie namentlich franzöſiſche Seetaktiker ihn England<lb/> gegenüber empfehlen zu ſollen glauben, ſo müſſen doch<lb/> unſre Kreuzergeſchwader, die in den fernen Meeren die<lb/> wirthſchaftlich ſo belangreichen deutſchen Intereſſen zu<lb/> wahren haben, wenigſtens auf eine ſolche Stärke gebracht<lb/> werden, daß ſie ſich beim Ausbruch der Feindſeligkeiten<lb/> nicht in ungleichem Kampf nutzlos zu opfern oder aber ſofort<lb/> eine Zufluchtsſtätte aufzuſuchen brauchen. Sie würden da-<lb/> mit gerade im kritiſchen Augenblick einfach außer Funktion<lb/> treten. Vermögen ſie im Kriege auch nicht alle für uns<lb/> wichtigen, einer Bedrohung ausgeſetzten Punkte zu decken,<lb/> ſo müſſen ſie doch befähigt werden, bei möglichſter Konzen-<lb/> trirung ihrer Kräfte auch gegenüber einem im allgemeinen<lb/> überlegenen Feind die See zu halten.</p><lb/> <cb/> <p>Die Herren vom Centrum haben ſicherlich keinen An-<lb/> laß, zu beſorgen, daß das Deutſche Reich, wenn es in den<lb/> Beſitz der von der Flottengeſetznovelle vorgeſehenen Kreuzer<lb/> gelangt, einer <hi rendition="#g">friedensgefährlichen Expan-<lb/> ſionspolitik</hi> ſich hingibt. Wir haben auch für den Aus-<lb/> landsdienſt, zum Schutz der Milliarden deutſchen Kapitals,<lb/> die jetzt ſchon in den überſeeiſchen Gebieten angelegt ſind,<lb/> eine im Vergleich zur heutigen weſentlich vergrößerte<lb/> Flotte „bitter noth“. Trügen unſre leitenden Kreiſe ſich<lb/> mit der Abſicht, eine Aera weitgreifender überſeeiſcher<lb/> Annexionen zu inauguriren, die, da „herrenloſes“ Land<lb/> nirgends mehr zu finden iſt, nur auf dem Wege der Erobe-<lb/> rung <hi rendition="#aq">° l’américaine</hi> oder <hi rendition="#aq">° l’anglaise</hi> erſolgen könnten,<lb/> ſo würden ſie mit ganz anderen Forderungen für maritime<lb/> Zwecke, und ſpeziell für die Kreuzerflotte, an den Reichstag<lb/> herangetreten ſein. Was ſie jetzt verlangen, entſpricht, wie<lb/> geſagt, eben nur dem, was zum Schutze der in natur-<lb/> gemäßer Entwicklung befindlichen wirthſchaftlichen Inter-<lb/> eſſen Deutſchlands in fremden Welttheilen <hi rendition="#g">unbedingt<lb/> verlangt werden muß.</hi> Der Vorſchlag eines Cen-<lb/> trumsabgeordneten, den Mehrbedarf an Schiffen für den<lb/> Auslandsdienſt aus der ebenfalls nur ganz knapp be-<lb/> meſſenen Materialreſerve der Schlachtflotte und ihrer Auf-<lb/> klärungskreuzer zu decken, darf u. E. auf ernſtliche Erwä-<lb/> gung überhaupt nicht Anſpruch machen. An den Forde-<lb/> rungen der Novelle zum Flottengeſetz von 1898 läßt ſich<lb/> ohne Schädigung des nationalen Intereſſes nicht das Min-<lb/> deſte abbrechen. Wer den Zweck billigt — die Sicherung des<lb/> uns gebührenden Antheils am Weltverkehr, die Gewähr-<lb/> leiſtung jenes Platzes an der Sonne, auf den ein Volk von<lb/> nahezu 60 Millionen Seelen wohl Anſpruch erheben kann<lb/> —, der muß auch die Mittel gewähren. Hier hilft kein<lb/> Mundſpitzen, hier muß gepfiffen ſein.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head> </div><lb/> <div xml:id="a01a" next="#a01b" type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">„Irrthümer.“</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>⸪ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 29. März.</dateline> <p>Wenn Altmeiſter Goethe<lb/> die Wortführer der heutigen Sozialdemokratie gekannt<lb/> hätte, würde er ſeinen Ausſpruch „Die Irrthümer des<lb/> Menſchen machen ihn eigentlich liebenswürdig“ ſicherlich<lb/> mit einer einſchränkenden Randbemerkung verſehen haben.<lb/> Jene Herren verſuchen im Gegentheil die Schäden und<lb/> Lücken ihrer Argumentation durch die größtmögliche Un-<lb/> liebenswürdigkeit zu verdecken, und das Vertrauen darauf,<lb/> daß in den Augen der weniger Urtheilsreifen Grobheit<lb/> und Ehrlichkeit dasſelbe iſt, läßt ſie durchaus nicht im<lb/> Stich. Beſonders augenfällig tritt die ſolchermaßen ge-<lb/> kennzeichnete Taktik der Auguren des demokratiſchenSozialismus darin in die Erſcheinung, wie die ſozialiſtiſche</p> </div> </div><lb/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a02a" next="#a02b" type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Berliner Muſikbrief.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">E. v. J.</hi> Vor kurzem gab Franceschina Prevoſti, die ſo<lb/> gefeierte Opernſängerin, in der Singakademie ein Konzert,<lb/> bei dem ſie auch die Barbier-Arie zum Vortrag brachte,<lb/> ohne auch nur annähernd den Erfolg zu ernten, der<lb/> ihr auf der Bühne ſicher iſt. Warum nicht —? weil die<lb/> Muſik eines Roſſini, Donizetti oder Verdi der Bühne<lb/> noch viel weniger entbehren kann, als etwa die unſrer<lb/> Wagnerepigonen und des Bayreuther Meiſters ſelbſt.<lb/> Dieſe unleugbare Thatſache gibt doch zu denken. Es ge-<lb/> hört heute zum guten Ton, über den Komponiſten des<lb/> „Wilhelm Tell“ die Achſeln zu zucken, und ich ſelbſt bin<lb/> weit entfernt, in dem welſchen Meiſter, den die genuß-<lb/> ſüchtigen Wiener einſt Beethoven vorzogen, eine ſchöpferiſche<lb/> Kraft erſten Ranges zu erblicken. Aber ſo ganz un-<lb/> dramatiſch kann eine Kunſt doch nicht ſein, die ſo innig<lb/> mit der Bühne verwachſen iſt und dort eine ſo zähe<lb/> Lebenskraft bethätigt. Und doch wurde jene Reform-<lb/> bewegung, die zur Entſtehung des Muſikdramas führte,<lb/> durch die Oppoſition gegen die italieniſche Oper hervor-<lb/> gerufen. Dieſe Reformbewegung iſt zum großen Theil,<lb/> vielleicht ſogar ſchon völlig zum Abſchluß gelangt. Wie<lb/> dem auch ſei — und das Beiſpiel eines Siegfried Wagner<lb/> ſpricht eher für letzteres —, man kann darüber heute un-<lb/> befangener urtheilen als vor 20 Jahren, und gelangt zu<lb/> dem ziemlich banalen Ergebniß, daß die beiden Schulen<lb/> eben unter „Wahrheit“ etwas verſchiedenes verſtanden,<lb/> daß dies bei allen Kunſtrichtungen der Fall war und ſein<lb/> wird, und endlich, daß es überhaupt keine abſolute künſt-<lb/> leriſche Wahrheit gibt, was nicht ausſchließt, daß der<lb/> Eine dem Ideal näher kommt als der Andere. So gibt<lb/> es heute noch ſo Manchen, welcher in einer Verſchmelzung<lb/> der Künſte einen Rückſchritt ſieht, weil ſie ihre Selbſtän-<lb/> digkeit, das Ergebniß ihrer natürlichen Entwicklung, wieder<lb/> aufgeben müſſen und weil darum keine von ihnen ſo<lb/> wirkte, wie ſie wirken ſollte.</p><lb/> <p>Wir ſtehen im Zeichen der Romantik, und ſo ſchreibt<lb/> man ihr ſelbſtverſtändlich alle Verdienſte um die Ent-<lb/> wicklung der Kunſt zu, ſoll ſie der nach Abſchluß der<lb/><cb/> Bach’ſchen und Händel’ſchen Epoche verweltlichten Muſik<lb/> doch viel mehr Inhalt und viel bedeutſamere For-<lb/> men gegeben haben, als etwa ein Klaſſiker wie<lb/> Beethoven, deſſen Neunte durch die Vortragsweiſe<lb/> unſrer „Moderne“ erſt wieder ſalonfähig gemacht werden<lb/> mußte. Soll die Romantik doch auch durch und durch<lb/> national ſein. Wer wollte in der That leugnen, daß<lb/> beiſpielsweiſe Webers „Freiſchütz“ mit ſeinem Märchen-<lb/> und Waldesduft echt deutſch anheimelt. Aber ſteckt in<lb/> Beethovens Klavierſonaten nicht etwa auch echt deutſcher<lb/> Geiſt, in ihren Adagios nicht echt deutſche Gemüthstiefe?<lb/> Hat ſich Mozart aus den italieniſchen Urſprüngen ſeiner<lb/> Muſik nicht emporgerungen zur höchſten künſtleriſchen<lb/> Bethätigung ſeiner eigenen gut deutſchen Empfindungs-<lb/> weiſe? Sind manche ſeiner Bühnenfiguren trotz ihrer<lb/> italieniſchen oder ſpaniſchen Namen nicht viel deutſcher<lb/> als alle Bärenhäuter’ſchen Uebermenſchen der letzten Ent-<lb/> wicklungsphaſe unſrer armen Muſik, bei denen nicht ein-<lb/> mal der Text gut deutſch iſt, da er fortwährend gegen<lb/> den Geiſt der Mutterſprache verſtößt. Ich habe unſre<lb/> Moderne überhaupt ein wenig in Verdacht, daß ſie das<lb/> Zauberwörtlein „national“ oft nur aus Taktik braucht,<lb/> denn ſeine Berechtigung iſt meiſt nicht einmal mit dem<lb/> Mikroſkop zu entdecken. Würde man ſonſt beiſpielsweiſe<lb/> Berlioz derart kultiviren, wie es jetzt in Berlin der Fall<lb/> iſt? Das geſchieht doch nur, weil ſeine Kunſtrichtung der<lb/> herrſchenden wahlverwandt iſt. Als wenn Beethoven nie-<lb/> mals den „Fidelio“ geſchrieben hätte, wird Weber, der<lb/> Lehrer Wagners, als der Schöpfer der deutſchen Oper<lb/> bezeichnet, weil er die Inſtrumente mehr als ſeine Vor-<lb/> gänger zu individualiſiren und durch die Klangfarbe zu<lb/> charakteriſiren ſuchte. Gerade darin aber liegt doch nichts<lb/> ſpezifiſch Deutſches, denn Berlioz, beeinflußt durch Weber,<lb/> wie Liſzt durch Berlioz, that ähnliches, er bildete die<lb/> Inſtrumentationskunſt virtuoſenhaft aus, was ihm, bei-<lb/> länfig bemerkt, ja gerade die Sympathien unſrer Modernen<lb/> verſchafft.</p><lb/> <p>Im Weingartner-Konzert, wie der Berliner die Sym-<lb/> phonieabende der Königlichen Kapelle zu nennen pflegt, ge-<lb/> langte, beiläufig bemerkt, in geradezu muſterhafter Weiſe,<lb/><cb/> die „Phantaſtiſche Symphonie“, in der Philharmonie durch<lb/> den Philharmoniſchen Chor unter der trefflichen Leitung<lb/> des Profeſſors Siegfried Ochs die große Todtenmeſſe und<lb/> im Neuen königlichen Opernhauſe „Fauſts Verdammniß“,<lb/> alle drei Werke von Hector Berlioz, zur Aufführung, und<lb/> zwar im Abſtand von wenigen Tagen. Außerdem wurde<lb/> im „Nikiſch-Konzert“ auch noch der „Römiſche Karneval“<lb/> zum Vortrag gebracht. Wenn Berlioz noch lebte, würde<lb/> er ſich alſo nicht zu beklagen haben, verdankt er doch<lb/> überhaupt den Deutſchen mehr als ſeinen eigenen Lands-<lb/> leuten. Und auch wir wollen uns nicht beklagen, denn<lb/> der Franzoſe iſt trotz ſeiner großen Mängel einer der<lb/> bedeutendſten Komponiſten der modernen Zeit. Nur ſchade,<lb/> daß er von ſo Manchem gerade um jener Mängel willen,<lb/> die ihm mit Vorliebe abgeguckt werden, am meiſten ver-<lb/> ehrt wird.</p><lb/> <p>Die Aufführung der „Verdammniß Fauſts“ war eine<lb/> ſo mäßige, daß man darüber beſſer ſchweigt. Das Requiem<lb/> wurde ſeit vielen Jahren hier nicht gehört und wirkte<lb/> wie eine Novität. Schade, daß es nicht, wie in Paris,<lb/> in einer Kirche zur Darſtellung gelangte, ein ſolches<lb/> ſtimmungsvolleres „Milieu“ würde die Wirkung des etwas<lb/> opernhaften, aber von höchſtem künſtleriſchen Ernſt zeugen-<lb/> den Werkes zweifellos verſtärkt haben. Der Komponiſt<lb/> iſt darin beſtändig bemüht, den Mangel an Erſindung,<lb/> die ſich doch hauptſächlich in der geſchloſſenen Form, in<lb/> der begrenzten Melodie bethätigt, durch eine koloſſale<lb/> Uebertreibung der Ausdrucksmittel zu verdecken, die in-<lb/> deſſen nur auf die Nerven, nicht auf das Gemüth der<lb/> Zuhörer zu wirken vermögen. Bezeichnend dafür iſt das<lb/> famoſe <hi rendition="#aq">dies irae,</hi> das 16 Panken und 4 Bläſerchöre er-<lb/> fordert. Es fehlt überall an innerlicher Ausgeſtaltung,<lb/> an ſeeliſcher Vertiefung. Aber Berlioz iſt ein großer<lb/> Meiſter der polyphonen Kunſt, und der ſechsſtimmige<lb/> Chor <hi rendition="#aq">„quaerens me“</hi> und das wundervolle Sanctus ſtehen<lb/> den Schöpfungen eines Mozart und Cherubini auf dem<lb/> Gebiet der Kirchenmuſik kaum nach. Die beredte Ton-<lb/> ſprache des franzöſiſchen Meiſters wurde von Profeſſor<lb/> Ochs, der das Orcheſter und ſeinen prächtig geſchultenChor mit unſehlbarer Sicherheit leitete, glänzend inter-</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0001]
Nr. 88. Morgenblatt.103. Jahrgang.München , Samſtag, 31. März 1900.
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Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München.
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gleichfalls bei den Poſtämtern oder bei den am Kopf der Zeitung genannten Agenturen möglichſt bald aufzugeben.
Die überſeeiſchen Kapitalintereſſen Deutſchlands
und die deutſche Auslandsflotte.
In einer vom Reichsmarineamt zuſammengeſtellten
Ueberſicht werden die in überſeeiſchen Ländern in
Handel und Bankgeſchäft, in der Induſtrie, in Grund-
beſitz und Plantagen und dergleichen Unternehmungen
angelegten deutſchen Kapitalien auf Grund einer
möglichſt zuverläſſigen Schätzung auf 7 bis 7 ½ Milliarden
Mark beziffert. Wie groß die Zinserträge ſind, bezw.
ein wie großer Antheil davon direkt nach Deutſchland
zurückfließt, läßt ſich auch ſchätzungsweiſe nicht feſtſtellen,
doch wird von Sachverſtändigen verſichert, daß als an-
gemeſſener Ertrag aus überſeeiſchen Unternehmungen ein
Verzinſungsſatz von 6 bis 10 Prozent und ſelbſt darüber
anzuſehen ſei. Nimmt man aber, angeſichts der That-
ſache, daß ein Theil der Zinſen im Auslande verbleibt,
auch nur einen Durchſchnittsſatz von 6 Proz. an, ſo folgt
daraus, daß das deutſche Nationaleinkommen durch die
überſeeiſchen Kapitalanlagen einen jährlichen Zuwachs
von 420 bis 450 Millionen Mark erfährt. Die hier in
Betracht kommenden Kapitalanlagen vertheilen ſich auf
die verſchiedenen überſeeiſchen Gebiete etwa wie folgt:
Türkiſches Reich und Aegypten: 400 Mill. M.
Afrika (ohne Aegypten und die deutſchen Schutzgebiete):
über 1000 Mill. M.
Aſien (ausſchließlich der aſiatiſchen Türkei): 650—700
Mill. M.
Auſtralien und die Südſee-Inſeln (ohne die
deutſchen Schutzgebiete): 570—600 Mill. M.
Länder um das amerikaniſche Mittelmeer und
weſtindiſche Inſeln: 1000—1250 Mill. M.
Südamerika (ausſchließlich der Nordküſte): 1500—1700
Mill. M.
Nordamerika: 2000 Mill. M.
Bei dieſen Ziffern iſt aber die Anlage deutſchen
Kapitals in auswärtigen Anleihen und Spekulations-
unternehmungen, die ſich ihrem Umfange nach überhaupt
nicht feſtſtellen läßt, bei der es jedoch zweifellos um ganz
gewaltige Summen ſich handelt, noch nicht mit in An-
ſchlag gebracht.
Es liegt auf der Hand, daß durch die zunehmende
Ausdehnung der vielgeſtaltigen deutſchen Kapitalintereſſen
über den ganzen Erdball und durch das ſtetige Wachſen
des deutſchen Autheils an der Weltwirthſchaft dem Reich
und ſeinen Organen, ſpeziell der Leitung der auswärtigen
Angelegenheiten und dem Marine-Amt, eine nicht eben
leicht zu tragende und von Jahr zu Jahr ſich ſteigernde
Verantwortung auferlegt wird. Denn das Reich muß
nicht nur darauf Bedacht nehmen, in dieſem oder jenem
kleinen Ueberſee-Staat die Arbeit ſeiner Angehörigen und
ihre Erträgniſſe gegen Vergewaltigungsgelüſte gewiſſen-
loſer Machthaber zu ſchützen oder vor Schädigungen durch
die nicht ſeltenen revolutionären Bewegungen zu bewahren,
ſondern es muß auch jederzeit bereit und imſtande ſein,
zu verhindern, daß andere Großmächte im Vertrauen auf
ihre maritime Ueberlegenheit die Rechte oder das Inter-
eſſengebiet deutſcher Unterthanen jenſeit des Meeres, ſei
es direkt, ſei es indirekt, angreifen.
Unter dieſen Umſtänden wird man den in der Budget-
kommiſſion des Reichstags bei der Generaldebatte über die
Novelle zum Flottengeſetz von 1898 von einem der Vertreter
des Centrums, dem Abg. Müller-Fulda, angeregten Ge-
danken, nur zwar die Verſtärkung der Schlachtflotte
zu acceptiren, auf die geplante Vermehrung der Aus-
landsflotte jedoch einſtweilen zu verzichten und
ſpeziell beim Bau der kleineren Kreuzer Beſchrän-
kungen eintreten zu laſſen, als mit den nationaln Be-
dürfniſſen und Intereſſen vereinbar gewiß nicht bezeichnen
dürfen. Das dem Reichstag jetzt vorliegende Schiffsbau-
programm beſchränkt ſich bei den Vorſchlägen zur Ver-
mehrung der Kreuzerflotte, die an die Schlachtflotte nur
die zu Aufklärungszwecken erforderlichen Schiffe abzu-
geben, im übrigen aber den Auslandsdienſt zu verſehen hat,
ohnehin auf das unbedingt Nothwendige; ſelbſt wenn es
im vollen Umfange zur Ausführung gelangt, werden die
Vereinigten Staaten, Frankreich und Rußland — von Eng-
land gar nicht zu reden — immer noch an Kreuzern, kleine-
ren wie größeren, uns überlegen ſein. Und wenn man bei
uns an den maßgebenden Stellen auch zu dem, unſres
Erachtens durchaus richtigen, weil den gegebenen Verhält-
niſſen zumeiſt entſprechenden Entſchluß gelangt iſt, für den
Fall eines Konflikts mit einer größeren Seemacht den
Hauptnachdruck auf die Aktion der Schlachtflotte zu legen,
deren Aufgabe es ſein würde, unſre heimiſchen Küſten frei
zu halten, wenn man ſomit auch nicht an einen Kreuzerkrieg
denkt, wie namentlich franzöſiſche Seetaktiker ihn England
gegenüber empfehlen zu ſollen glauben, ſo müſſen doch
unſre Kreuzergeſchwader, die in den fernen Meeren die
wirthſchaftlich ſo belangreichen deutſchen Intereſſen zu
wahren haben, wenigſtens auf eine ſolche Stärke gebracht
werden, daß ſie ſich beim Ausbruch der Feindſeligkeiten
nicht in ungleichem Kampf nutzlos zu opfern oder aber ſofort
eine Zufluchtsſtätte aufzuſuchen brauchen. Sie würden da-
mit gerade im kritiſchen Augenblick einfach außer Funktion
treten. Vermögen ſie im Kriege auch nicht alle für uns
wichtigen, einer Bedrohung ausgeſetzten Punkte zu decken,
ſo müſſen ſie doch befähigt werden, bei möglichſter Konzen-
trirung ihrer Kräfte auch gegenüber einem im allgemeinen
überlegenen Feind die See zu halten.
Die Herren vom Centrum haben ſicherlich keinen An-
laß, zu beſorgen, daß das Deutſche Reich, wenn es in den
Beſitz der von der Flottengeſetznovelle vorgeſehenen Kreuzer
gelangt, einer friedensgefährlichen Expan-
ſionspolitik ſich hingibt. Wir haben auch für den Aus-
landsdienſt, zum Schutz der Milliarden deutſchen Kapitals,
die jetzt ſchon in den überſeeiſchen Gebieten angelegt ſind,
eine im Vergleich zur heutigen weſentlich vergrößerte
Flotte „bitter noth“. Trügen unſre leitenden Kreiſe ſich
mit der Abſicht, eine Aera weitgreifender überſeeiſcher
Annexionen zu inauguriren, die, da „herrenloſes“ Land
nirgends mehr zu finden iſt, nur auf dem Wege der Erobe-
rung ° l’américaine oder ° l’anglaise erſolgen könnten,
ſo würden ſie mit ganz anderen Forderungen für maritime
Zwecke, und ſpeziell für die Kreuzerflotte, an den Reichstag
herangetreten ſein. Was ſie jetzt verlangen, entſpricht, wie
geſagt, eben nur dem, was zum Schutze der in natur-
gemäßer Entwicklung befindlichen wirthſchaftlichen Inter-
eſſen Deutſchlands in fremden Welttheilen unbedingt
verlangt werden muß. Der Vorſchlag eines Cen-
trumsabgeordneten, den Mehrbedarf an Schiffen für den
Auslandsdienſt aus der ebenfalls nur ganz knapp be-
meſſenen Materialreſerve der Schlachtflotte und ihrer Auf-
klärungskreuzer zu decken, darf u. E. auf ernſtliche Erwä-
gung überhaupt nicht Anſpruch machen. An den Forde-
rungen der Novelle zum Flottengeſetz von 1898 läßt ſich
ohne Schädigung des nationalen Intereſſes nicht das Min-
deſte abbrechen. Wer den Zweck billigt — die Sicherung des
uns gebührenden Antheils am Weltverkehr, die Gewähr-
leiſtung jenes Platzes an der Sonne, auf den ein Volk von
nahezu 60 Millionen Seelen wohl Anſpruch erheben kann
—, der muß auch die Mittel gewähren. Hier hilft kein
Mundſpitzen, hier muß gepfiffen ſein.
Deutſches Reich.
„Irrthümer.“
⸪ Berlin, 29. März.Wenn Altmeiſter Goethe
die Wortführer der heutigen Sozialdemokratie gekannt
hätte, würde er ſeinen Ausſpruch „Die Irrthümer des
Menſchen machen ihn eigentlich liebenswürdig“ ſicherlich
mit einer einſchränkenden Randbemerkung verſehen haben.
Jene Herren verſuchen im Gegentheil die Schäden und
Lücken ihrer Argumentation durch die größtmögliche Un-
liebenswürdigkeit zu verdecken, und das Vertrauen darauf,
daß in den Augen der weniger Urtheilsreifen Grobheit
und Ehrlichkeit dasſelbe iſt, läßt ſie durchaus nicht im
Stich. Beſonders augenfällig tritt die ſolchermaßen ge-
kennzeichnete Taktik der Auguren des demokratiſchenSozialismus darin in die Erſcheinung, wie die ſozialiſtiſche
Berliner Muſikbrief.
E. v. J. Vor kurzem gab Franceschina Prevoſti, die ſo
gefeierte Opernſängerin, in der Singakademie ein Konzert,
bei dem ſie auch die Barbier-Arie zum Vortrag brachte,
ohne auch nur annähernd den Erfolg zu ernten, der
ihr auf der Bühne ſicher iſt. Warum nicht —? weil die
Muſik eines Roſſini, Donizetti oder Verdi der Bühne
noch viel weniger entbehren kann, als etwa die unſrer
Wagnerepigonen und des Bayreuther Meiſters ſelbſt.
Dieſe unleugbare Thatſache gibt doch zu denken. Es ge-
hört heute zum guten Ton, über den Komponiſten des
„Wilhelm Tell“ die Achſeln zu zucken, und ich ſelbſt bin
weit entfernt, in dem welſchen Meiſter, den die genuß-
ſüchtigen Wiener einſt Beethoven vorzogen, eine ſchöpferiſche
Kraft erſten Ranges zu erblicken. Aber ſo ganz un-
dramatiſch kann eine Kunſt doch nicht ſein, die ſo innig
mit der Bühne verwachſen iſt und dort eine ſo zähe
Lebenskraft bethätigt. Und doch wurde jene Reform-
bewegung, die zur Entſtehung des Muſikdramas führte,
durch die Oppoſition gegen die italieniſche Oper hervor-
gerufen. Dieſe Reformbewegung iſt zum großen Theil,
vielleicht ſogar ſchon völlig zum Abſchluß gelangt. Wie
dem auch ſei — und das Beiſpiel eines Siegfried Wagner
ſpricht eher für letzteres —, man kann darüber heute un-
befangener urtheilen als vor 20 Jahren, und gelangt zu
dem ziemlich banalen Ergebniß, daß die beiden Schulen
eben unter „Wahrheit“ etwas verſchiedenes verſtanden,
daß dies bei allen Kunſtrichtungen der Fall war und ſein
wird, und endlich, daß es überhaupt keine abſolute künſt-
leriſche Wahrheit gibt, was nicht ausſchließt, daß der
Eine dem Ideal näher kommt als der Andere. So gibt
es heute noch ſo Manchen, welcher in einer Verſchmelzung
der Künſte einen Rückſchritt ſieht, weil ſie ihre Selbſtän-
digkeit, das Ergebniß ihrer natürlichen Entwicklung, wieder
aufgeben müſſen und weil darum keine von ihnen ſo
wirkte, wie ſie wirken ſollte.
Wir ſtehen im Zeichen der Romantik, und ſo ſchreibt
man ihr ſelbſtverſtändlich alle Verdienſte um die Ent-
wicklung der Kunſt zu, ſoll ſie der nach Abſchluß der
Bach’ſchen und Händel’ſchen Epoche verweltlichten Muſik
doch viel mehr Inhalt und viel bedeutſamere For-
men gegeben haben, als etwa ein Klaſſiker wie
Beethoven, deſſen Neunte durch die Vortragsweiſe
unſrer „Moderne“ erſt wieder ſalonfähig gemacht werden
mußte. Soll die Romantik doch auch durch und durch
national ſein. Wer wollte in der That leugnen, daß
beiſpielsweiſe Webers „Freiſchütz“ mit ſeinem Märchen-
und Waldesduft echt deutſch anheimelt. Aber ſteckt in
Beethovens Klavierſonaten nicht etwa auch echt deutſcher
Geiſt, in ihren Adagios nicht echt deutſche Gemüthstiefe?
Hat ſich Mozart aus den italieniſchen Urſprüngen ſeiner
Muſik nicht emporgerungen zur höchſten künſtleriſchen
Bethätigung ſeiner eigenen gut deutſchen Empfindungs-
weiſe? Sind manche ſeiner Bühnenfiguren trotz ihrer
italieniſchen oder ſpaniſchen Namen nicht viel deutſcher
als alle Bärenhäuter’ſchen Uebermenſchen der letzten Ent-
wicklungsphaſe unſrer armen Muſik, bei denen nicht ein-
mal der Text gut deutſch iſt, da er fortwährend gegen
den Geiſt der Mutterſprache verſtößt. Ich habe unſre
Moderne überhaupt ein wenig in Verdacht, daß ſie das
Zauberwörtlein „national“ oft nur aus Taktik braucht,
denn ſeine Berechtigung iſt meiſt nicht einmal mit dem
Mikroſkop zu entdecken. Würde man ſonſt beiſpielsweiſe
Berlioz derart kultiviren, wie es jetzt in Berlin der Fall
iſt? Das geſchieht doch nur, weil ſeine Kunſtrichtung der
herrſchenden wahlverwandt iſt. Als wenn Beethoven nie-
mals den „Fidelio“ geſchrieben hätte, wird Weber, der
Lehrer Wagners, als der Schöpfer der deutſchen Oper
bezeichnet, weil er die Inſtrumente mehr als ſeine Vor-
gänger zu individualiſiren und durch die Klangfarbe zu
charakteriſiren ſuchte. Gerade darin aber liegt doch nichts
ſpezifiſch Deutſches, denn Berlioz, beeinflußt durch Weber,
wie Liſzt durch Berlioz, that ähnliches, er bildete die
Inſtrumentationskunſt virtuoſenhaft aus, was ihm, bei-
länfig bemerkt, ja gerade die Sympathien unſrer Modernen
verſchafft.
Im Weingartner-Konzert, wie der Berliner die Sym-
phonieabende der Königlichen Kapelle zu nennen pflegt, ge-
langte, beiläufig bemerkt, in geradezu muſterhafter Weiſe,
die „Phantaſtiſche Symphonie“, in der Philharmonie durch
den Philharmoniſchen Chor unter der trefflichen Leitung
des Profeſſors Siegfried Ochs die große Todtenmeſſe und
im Neuen königlichen Opernhauſe „Fauſts Verdammniß“,
alle drei Werke von Hector Berlioz, zur Aufführung, und
zwar im Abſtand von wenigen Tagen. Außerdem wurde
im „Nikiſch-Konzert“ auch noch der „Römiſche Karneval“
zum Vortrag gebracht. Wenn Berlioz noch lebte, würde
er ſich alſo nicht zu beklagen haben, verdankt er doch
überhaupt den Deutſchen mehr als ſeinen eigenen Lands-
leuten. Und auch wir wollen uns nicht beklagen, denn
der Franzoſe iſt trotz ſeiner großen Mängel einer der
bedeutendſten Komponiſten der modernen Zeit. Nur ſchade,
daß er von ſo Manchem gerade um jener Mängel willen,
die ihm mit Vorliebe abgeguckt werden, am meiſten ver-
ehrt wird.
Die Aufführung der „Verdammniß Fauſts“ war eine
ſo mäßige, daß man darüber beſſer ſchweigt. Das Requiem
wurde ſeit vielen Jahren hier nicht gehört und wirkte
wie eine Novität. Schade, daß es nicht, wie in Paris,
in einer Kirche zur Darſtellung gelangte, ein ſolches
ſtimmungsvolleres „Milieu“ würde die Wirkung des etwas
opernhaften, aber von höchſtem künſtleriſchen Ernſt zeugen-
den Werkes zweifellos verſtärkt haben. Der Komponiſt
iſt darin beſtändig bemüht, den Mangel an Erſindung,
die ſich doch hauptſächlich in der geſchloſſenen Form, in
der begrenzten Melodie bethätigt, durch eine koloſſale
Uebertreibung der Ausdrucksmittel zu verdecken, die in-
deſſen nur auf die Nerven, nicht auf das Gemüth der
Zuhörer zu wirken vermögen. Bezeichnend dafür iſt das
famoſe dies irae, das 16 Panken und 4 Bläſerchöre er-
fordert. Es fehlt überall an innerlicher Ausgeſtaltung,
an ſeeliſcher Vertiefung. Aber Berlioz iſt ein großer
Meiſter der polyphonen Kunſt, und der ſechsſtimmige
Chor „quaerens me“ und das wundervolle Sanctus ſtehen
den Schöpfungen eines Mozart und Cherubini auf dem
Gebiet der Kirchenmuſik kaum nach. Die beredte Ton-
ſprache des franzöſiſchen Meiſters wurde von Profeſſor
Ochs, der das Orcheſter und ſeinen prächtig geſchultenChor mit unſehlbarer Sicherheit leitete, glänzend inter-
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(2020-10-02T09:49:36Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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