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Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900.

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Nr. 89.103. Jahrgang.
München , Sonntag, 1. April 1900.


Allgemeine Zeitung.
[Spaltenumbruch]
Wöchentlich
12 Ausgaben.
Bezugspreise:
Durch die Postämter:
jährlich M. 36. --,
ohne Beil. M. 18. --
(viertelj. M. 9. --,
ohne Beil. M. 4.50);
in München b. d Ex-
pedition od. d. Depots
monatlich M. 2. --,
ohne Beil. M. 1.20.
Zustellg. mtl. 50 Pf.
Direkter Bezug für
Deutschl. u. Oesterreich
monatlich M. 4. --,
ohne Beil. M. 3. --,
Ausland M. 5.60,
ohne Beil. M. 4.40.
[Spaltenumbruch]
Insertionspreis
für die kleinspaltige
Kolonelzeile od. deren
Raum 25 Pfennig;
finanzielle Anzeigen
35 Pf.; lokale Ver-
kaufsanzeig. 20 Pf.;
Stellengesuche 15 Pf.


Redaktion und Expe-
dition befinden sich
Schwanthalerstr. 36
in München.


Berichte sind an die
Redaktion, Inserat-
aufträge an die Ex-
pedition franko ein-
zusenden.


[Spaltenumbruch]
Abonnements für Berlin nimmt unsere dortige Filiale in der Leipzigerstraße 11 entgegen.
Abonnements für das Ausland
nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Str., London; für Frankreich,
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klincksieck in Paris; für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien,
Niederlande, Rumänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Postämter; für den Orient
das k. k. Postamt in Wien oder Triest; für Nordamerika F. W. Christern, E. Steiger u. Co., Gust.
E. Stechert, Westermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] [Spaltenumbruch]
Inseratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerstraße 36, in Berlin in unserer Filiale,
Leipzigerstraße 11,
ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg,
Wien, Pest, London, Zürich, Basel etc. bei den Annoncenbureaux R. Mosse, Haasenste in u. Vogler. G. L.
Daube u. Co.
In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz etc.
Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenstraße 26) und S. Kornik (Kochstraße 23); für Frankreich bei John
F. Jones u. Co., 31bis Faubourg Montmartre in Paris.
Verantwortlich für den politischen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Mensi, für den Handelstheil Ernst Barth, sämmtlich in München.
Druck und Verlag der Gesellschaft mit beschränkter Haftung "Verlag der Allgemeinen Zeitung" in München.


Bestellungen auf die Allgemeine Zeitung für den Monat April allein
nehmen sämmtliche bayerischen Postämter an.
Bezugspreis: M. 3. -- mit der wissenschaftlichen Beilage, M. 1.50 ohne die Beilage, M. 1.50 letztere allein.


[Spaltenumbruch]
Politische Kämpfe.

Wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß der
Reichstag dem erweiterten Flottenbauprogramm der ver-
bündeten Regierungen schließlich doch seine Zustimmung
ertheilen, daß also das Centrum, von dem in diesem Falle
die Entscheidung ausschließlich abhängt, wenn auch nicht in
seiner Gesammtheit, so doch wenigstens zur guten Hälfte,
bei Beurtheilung der Flottenfrage und der mit ihr zu-
sammenhängenden nationalen Bedürfnisse und Interessen
auf einen höheren Standpunkt als den der Zinne der
Partei sich stellen wird. Daß diese Hoffnung und dieser
Wunsch auch in Kreisen getheilt wird, deren Anschauungen
den Centrums-Reichsboten nicht gleichgültig sein können,
zeigt die dringende Mahnung, die ein treuer Sohn der
katholischen Kirche, ein von der Würde seines Amts tief
durchdrungener Priester, der Professor der Theologie in
Bonn, Dr. Englert, allen seinen Landsleuten, in erster
Linie aber doch wohl seinen Parteifreunden zuruft. "Ich
möchte", so bemerkt er u. a., "jeden reichen Deutschen be-
schwören: Sapere aude! Incipe! Sei bereit, stimme zu,
wolle, daß die Aufrichtung der Flotte ein Wendepunkt
und Markstein werde eines geistigeren, sittlicheren, freieren,
lebendigeren Deutschlands!"1) Allein über das bloße
Hoffen vermögen wir uns einstweilen nicht zu erheben,
denn sichere Anzeichen für die Geneigtheit einer größeren
Zahl von Centrumsmitgliedern, dem Bundesrathsent-
wurf ohne Statuirung unannehmbarer Klauseln und Vor-
behalte ihre Zustimmung zu geben, liegen bis jetzt nicht vor.
(Vgl. den weiter unten folgenden Berliner -Brief.) Wir
werden also mit der Möglichkeit einer Reichstagsauflösung
und eines Appells an die Wählerschaft noch immer zu
rechnen haben, denn nach der Art, wie die Flottenvorlage
begründet und ihre Annahme in zahlreichen Kundgebungen
von hohen und höchsten Stellen der Nation und ihren Ver-
tretern an das Herz gelegt worden ist, will es uns, trotz
mancher beirrenden Wahrnehmungen aus neuerer Zeit, un-
denkbar erscheinen, daß die verbündeten Regierungen bei
einem ablehnenden, ja selbst bei einem ihr Flottenpro-
[Spaltenumbruch] gramm wesentlich modifizirenden Reichstagsvotum sich be-
ruhigen und es resignirt dem allheilenden Einfluß der Zeit
überlassen sollten, die ihrer Autorität und dem nationalen
Interesse zugefügte Schädigung allgemach zu begleichen.

Wenn in irgend einem Fall, so würde in dem
der Nichtgenehmigung der Novelle zum Flottengesetz
die Anwendung der Artikel 24 und 25 der Reichs-
verfassung, das heißt die vorzeitige Auflösung des
Reichstags durch Bundesrathsbeschluß unter der Zu-
stimmung des Kaisers und die Ausschreibung allge-
meiner Neuwahlen innerhalb eines Zeitraums von zwei
Monaten nicht nur rathsam, sondern geradezu geboten er-
scheinen. Den Kampf zu scheuen, hätten die Freunde des
Entwurfs auch keinen Anlaß, denn eine bessere Wahlparole
als das Verlangen nach zeitgemäßer, den dringendsten Be-
dürfnissen des Reichs entsprechender Ausgestaltung unsrer
Flotte könnte nicht gefunden werden. Mag bei der bisheri-
gen Agitation für die Vorlage auch manche Ungeschicklichkeit
begangen worden sein, mögen hier und da minder berufene
oder selbst unberufene Persönlichkeiten das Wort ergriffen
haben -- im großen und ganzen ist die Bewegung jedoch
durchaus gesund und -- dank ihrer Intensität, dank dem
Eifer, mit dem allgemein anerkannte Autoritäten auf allen
bei der Flottenfrage in Betracht kommenden Gebieten, das
deutsche Volk über die zwingende Nothwendigkeit, uns volle
Seegeltung zu verschaffen, aufgeklärt haben -- auch wirk-
sam gewesen. Bis weit in die Reihen der ultramontanen
und der deutschfreisinnigen Gefolgschaft hinein findet jetzt
das Verlangen, unsre maritime Rüstung so weit zu ver-
stärken, daß wir unsre Küsten vor einer feindlichen Blockade
zu schützen und in den überseeischen Fragen, die sich auf
wirthschaftlichem wie auf politischem Gebiet von Jahr zu
Jahr mehren, ein entscheidendes Wort mitzusprechen ver-
mögen, überzeugte Anhänger, d. h. Anhänger, die einem
flottenfeindlichen Reichstagskandidaten, sollte er auch im
übrigen ihrer Parteirichtung entsprechen, ihre Stimme un-
bedingt versagen würden. Darüber sind auch die ein-
sichtigeren Parteiführer auf ultramontaner und demokrati-
scher Seite, ja selbst einzelne sozialdemokratische Oberge-
nossen sich vollkommen klar; sie wissen, daß sie in einem
um die Flotte entbrennenden Wahlkampf weit eher Ver-
luste als Eroberungen zu verzeichnen haben dürften und
deßhalb möchten wir annehmen, daß gar mancher unter
ihnen, der nationalen Erwägungen unzugänglich ist, doch
[Spaltenumbruch] Klugheit halber ein Ueberspannen des Bogens unterläßt
und aktiv oder passiv zur Verabschiedung des Flotten-
gesetzes, also zur Vermeidung eines Auflösungsbeschlusses
im Bundesrath mit beiträgt.

Kommt es aber zum Appell an die Nation, so wird der
Kampf in Wort und Schrift mit seltener Heftigkeit geführt
werden. Gelangten dabei nur ehrliche Waffen zur An-
wendung und würden beide Theile zur Beobachtung der
Regeln des zwar ungeschriebenen, aber doch leidlich fest-
stehenden Kodex für den loyalen Austrag politischer Händel
sich verpflichten, so wollten wir, von der Ueberzeugung
durchdrungen, für eine gute und gerechte Sache zu sechten,
frohgemuth auch der schärfsten Fehde entgegensehen und uns
die Anstrengungen einer vorzeitigen Wahlkampagne nicht
verdrießen lassen. Ja, ein frischer, fröhlicher Wahlkampf,
der so ritterlich geführt würde, daß nach seiner Beendigung
Sieger und Besiegte ohne Verbitterung den Degen in die
Scheide stecken und -- mag der Unterlegene auch dem
Schicksal grollen -- sich ruhig die Hände reichen können,
würde zur Reinigung unsrer politischen Atmosphäre viel-
leicht wesentlich beitragen. Allein wir fürchten sehr, daß
die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen werden und
daß das Bewußtsein der Schwäche ihrer eigenen Position
wenigstens "einen Theil der Gegner" zu einer Kampfes-
weise veranlassen wird, die als "einwandfrei und loyal"
nun und nimmer gelten kann. Werden doch schon jetzt von
einzelnen klerikalen Organen und von manchen Blättern
der äußersten Linken Waffen benutzt, die vom moralischen
Standpunkt betrachtet, um nichts besser sind, als Dum-
Dum-Geschosse oder vergiftete Pfeile. Wo die sachlichen
Gründe versagen, greift man in rücksichtslosester Weise zu
Mitteln allerverwerflichster Art, zur persönlichen Verdächti-
gung und zur gehässigen Verleumdung. Gerade uns ist
neuerdings die -- wir möchten in Anbetracht derjenigen,
mit denen wir es hier zu thun haben, fast sagen Auszeich-
nung zutheil geworden, wegen unsres Verhaltens in der
Flottenfrag e auf das Gröblichste verunglimpft und ge-
schmäht zu werden. Wir denken dabei nicht an diejenigen
Kollegen, die uns mit geradezu staunenswerther Beharr-
lichkeit allen unsern Protesten zutrotz als freiwillig offiziös
bezeichnen und uns intime Beziehungen zu so ziemlich allen
leitenden Kreisen innerhalb des Deutschen Reichs an-
dichten, Beziehungen, die wir weder gesucht, noch auch zu-fällig gefunden haben. Diesen publizistischen Schächern aber

[Spaltenumbruch]
Neu eintretenden Abonnenten wird der laufende Roman
"Das Postfräulein"
von Arthur Achleituer,

soweit er erschienen, auf Verlangen unentgeltlich nachgeliefert.
Außer diesem ebenso spannenden wie humoristischen Hoch-
landsroman wird unser Feuilleton in den nächsten Monaten
veröffentlichen an deutschen Novellen und Romanen:
"Die Freiherren von Fillungen",
Roman von B. Corony,
"Für seines Hauses Ehre",
Novelle von A. Heleck,
"Nomeo's Zigaretten",

Humoristische Novelle von Hermann Schöne, k. k. Hofburg-
schauspieler a. D.
An autorisirten Uebersetzungen fremdsprachiger novellisti-
scher Arbeiten haben wir zum ersten Abdruck erworben:
"Better und Base",
von Mrs. Lovett Cameron, und
"Eine verirrte Seele",
Roman von E. L. Cameron.

Die Redaktion des Feuilletons der Allgemeinen Zeitung.
Das Postfräulein.

(4)



(Nachdruck verboten.)

Drittes Kapitel.

Einen Versuch, persönlich seine Aufwartung zu machen,
hatte Doktor Kastulus Oberhummer im "Schlößchen"
unternommen. So hieß in der Seegegend jene große,
massiv gebaute, herrschaftliche Villa eines adeligen Sonder-
lings, die durch Thürmchen einen schloßartigen Charakter
erhielt. Als Kastl noch in der Knöpferlhose sich da herum-
trieb und mit seinen Fäustchen das Töchterchen des Guts-
besitzers, seine Gespielin, vertheidigte und beschützte, nannte
man den Baron einfach den Schlößlherrn, und die Tochter
hieß die Schlößlmizi. An dieses Mizele hatte Kastl damals
sein junges Herz verloren. Jetzt, in diesen Tagen unfrei-
williger Einsamkeit, erinnerte er sich der lieblichen Mäd-
chengestalt und mehr noch der Butterbrote und Leckerli,
[Spaltenumbruch] die Mizi immer bereitwilligst dem Spielkameraden zuge-
steckt. Das Mädel muß stramm herangewachsen sein.
Ob Mizi hübsch geworden ist? Das will Doktor Ober-
hummer, der patientenlose Arzt in Vakanz, sofort ermitteln.
Flink wird der Besuchskittel angelegt, eine Visitenkarte mit
dem würdevollen "Dr. med." eingesteckt; dann stürmt
Kastl hinauf zum "Schlößl".

"Der Herr Baron lassen bedauern, und die Baronesse
ist nicht anwesend."

So lautete der Bescheid an der Pforte, wo Kastl dann
die auf "p. f. v." umgebogene Karte zurückließ. Recht ge-
drückt schlich er den Weg zurück. Wie hat er sich gefreut,
sich den Herrschaften als promovirter Arzt und fertiger
Doktor vorstellen zu können, und nun will ihn der alte
Sonderling nicht annehmen. Wo zum Kuckuck könnte aber
die Schlößlmizi stecken? Sollte diese noch so toll wie einst
in Feld und Wald klettern mit den Eichkätzeln um die
Wette? Das wäre arg, denn die Baronesse muß jetzt doch
schon eine "gesetzte" Person, so an neunzehn bis zwanzig
Jahre alt sein.

Kastl hätte Durst, weiß aber, daß sein Reichthum in
seinem "Lied" besteht, die Kreuzer langen nicht auf ein
"Viertele" Röthel. Ohne Geld an Weiber zu denken, ist selbst
im Gebirg eine der größten Dummheiten, und Kastl schlägt
sich die Baronesse aus dem Kopf. Kaum ist die Mizi aber
draußen, marschirt die Lina herein, denn plötzlich erinnert
sich Kastl des neuen Postfräuleins, und flugs ist er auf dem
Wege zur Postkanzlei.

Freundlich grüßend tritt Kastl ein; erröthend grüßt
Lina den Doktor: "Ei, der Herr Doktor läßt sich auch sehen!
Womit kann ich dem Herrn Doktor dienen?"

Verplappern darf sich Kastl nicht, darum holt er seine
wenigen Kreuzer hervor und sagt: "Man muß das An-
genehme mit dem Nützlichen verbinden, daher hole ich mir
meine Briefmarken selber und genieße die Annehmlichkeit
das Fräulein zu begrüßen!"

In ruhigem Ernst behandelt das Postfräulein den
Sausewind als Partei im Amt, indem Lina fragt: "Sie
wünschen?"

Kastl empfindet seinen Geldmangel nun doch recht
fatal, etwas verlegen sagt er: "Ich brauche nur einige
Zweikreuzermarken!"

"Bitte, hier; wieviel benöthigen Herr Doktor?"

"Es genügen drei Stück; hier sind sechs Kreuzer!"

"Dankel Hier die gewünschten Marken!"

[Spaltenumbruch]

Das Gespräch stockt. Da poltert ein Bauernbub in die
stille Kanzlei, glotzt den Herrn an und gibt ihm eine Zehn-
kreuzermünze: "Du, gib mir für 'n Vatern zwei Fünf-
markstückel!"

Kastl lacht hellauf: "Das wenn ich könnte! Sell thät'
ich für mich selber!"

Das Postfräulein wendet sich an den Jungen: "Du
willst wohl zwei Fünfkreuzermarken, was?"

"Das geht dich nix an! Ich will zwei Fünfmarkstückel;
der Vater hat gesagt, sie wären roth und gehören auf einen
dicken Brief."

Kastl reicht die Münze lachend dem [Fräulein], und
Lina fertigt den Buben ab, der mißtra[uisch die] Marken
wie das Paar betrachtet und sich mit den W[ort]en: "Wenn's
nicht recht ischt, komm' ich wieder!" entfernt.

"An drolligen Scenen scheint in der Postkanzlei kein
Mangel zu sein!" meint der Doktor und fügt hinzu:
"Haben Sie sich schon einigermaßen eingewöhnt, Fräu-
lein?"

"Noch nicht recht! Einstweilen mangelt es an Arbeit,
die über die erste böse Zeit hinweghilft. Hoffentlich kommt
mein Koffer bald, dann ist ja Gelegenheit genug gegeben,
sich häuslich einzurichten."

"Na, ich wünsche gute Verrichtung!"

"Danke sehr! Was macht Ihre Praxis?"

Kastl zuckt zusammen; auf diesen Stich war er nicht
gefaßt und hastig verabschiedet er sich.

Lina macht sich an das Sortiren der wenigen einge-
laufenen Briefe, die der Postsepp alsbald austragen soll.
Das Fräulein lächelt beim Anblick verschiedener Adressen,
die der Post manches Vestellungsrätsel aufgeben. So lautet
eine Adresse:1) "An die kleine Unterdirn beim Wirth, der
wo im Dach ein Loch hat. Name ischt mir unbekannt.
Dringent übergeben. Post Seedorf."

Lina murmelt: "Nach Seedorf ist das Brieflein richtig
gekommen; wo aber ischt der Wirth, dessen Dach ein Loch
hat? Ich weiß das nicht!" Einen anderen Brief auf-
nehmend, liest Lina dessen Adresse: "An die hochachtsame
Frau Kathi Litzenberger, verwidmete Hochstraßl, angehende
Bratzinger in Seedorf."

Diese Briefe erhält der Sepp zur Zustellung. Lina


1) Das Flottenproblem im Lichte der Sozial-
politik.
Vortrag gehalten in Düren im Februar 1900 von
Dr. W. Ph. Englert, Professor der Theologie in Bonn, Pader-
born. Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 1900.
1) Die hier und später angegebenen Adressen sind durchweg
Original und wortgetreu kopirt. Der Verfasser.
Nr. 89.103. Jahrgang.
München , Sonntag, 1. April 1900.


Allgemeine Zeitung.
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ohne Beil. M. 1.20.
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monatlich M. 4. —,
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Redaktion und Expe-
dition befinden ſich
Schwanthalerſtr. 36
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Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien,
Niederlande, Rumänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Poſtämter; für den Orient
das k. k. Poſtamt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern, E. Steiger u. Co., Guſt.
E. Stechert, Weſtermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] [Spaltenumbruch]
Inſeratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerſtraße 36, in Berlin in unſerer Filiale,
Leipzigerſtraße 11,
ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg,
Wien, Peſt, London, Zürich, Baſel ꝛc. bei den Annoncenbureaux R. Moſſe, Haaſenſte in u. Vogler. G. L.
Daube u. Co.
In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc.
Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtraße 26) und S. Kornik (Kochſtraße 23); für Frankreich bei John
F. Jones u. Co., 31bis Faubourg Montmartre in Paris.
Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München.
Druck und Verlag der Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung „Verlag der Allgemeinen Zeitung“ in München.


Beſtellungen auf die Allgemeine Zeitung für den Monat April allein
nehmen ſämmtliche bayeriſchen Poſtämter an.
Bezugspreis: M. 3. — mit der wiſſenſchaftlichen Beilage, M. 1.50 ohne die Beilage, M. 1.50 letztere allein.


[Spaltenumbruch]
Politiſche Kämpfe.

Wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß der
Reichstag dem erweiterten Flottenbauprogramm der ver-
bündeten Regierungen ſchließlich doch ſeine Zuſtimmung
ertheilen, daß alſo das Centrum, von dem in dieſem Falle
die Entſcheidung ausſchließlich abhängt, wenn auch nicht in
ſeiner Geſammtheit, ſo doch wenigſtens zur guten Hälfte,
bei Beurtheilung der Flottenfrage und der mit ihr zu-
ſammenhängenden nationalen Bedürfniſſe und Intereſſen
auf einen höheren Standpunkt als den der Zinne der
Partei ſich ſtellen wird. Daß dieſe Hoffnung und dieſer
Wunſch auch in Kreiſen getheilt wird, deren Anſchauungen
den Centrums-Reichsboten nicht gleichgültig ſein können,
zeigt die dringende Mahnung, die ein treuer Sohn der
katholiſchen Kirche, ein von der Würde ſeines Amts tief
durchdrungener Prieſter, der Profeſſor der Theologie in
Bonn, Dr. Englert, allen ſeinen Landsleuten, in erſter
Linie aber doch wohl ſeinen Parteifreunden zuruft. „Ich
möchte“, ſo bemerkt er u. a., „jeden reichen Deutſchen be-
ſchwören: Sapere aude! Incipe! Sei bereit, ſtimme zu,
wolle, daß die Aufrichtung der Flotte ein Wendepunkt
und Markſtein werde eines geiſtigeren, ſittlicheren, freieren,
lebendigeren Deutſchlands!“1) Allein über das bloße
Hoffen vermögen wir uns einſtweilen nicht zu erheben,
denn ſichere Anzeichen für die Geneigtheit einer größeren
Zahl von Centrumsmitgliedern, dem Bundesrathsent-
wurf ohne Statuirung unannehmbarer Klauſeln und Vor-
behalte ihre Zuſtimmung zu geben, liegen bis jetzt nicht vor.
(Vgl. den weiter unten folgenden Berliner ☩-Brief.) Wir
werden alſo mit der Möglichkeit einer Reichstagsauflöſung
und eines Appells an die Wählerſchaft noch immer zu
rechnen haben, denn nach der Art, wie die Flottenvorlage
begründet und ihre Annahme in zahlreichen Kundgebungen
von hohen und höchſten Stellen der Nation und ihren Ver-
tretern an das Herz gelegt worden iſt, will es uns, trotz
mancher beirrenden Wahrnehmungen aus neuerer Zeit, un-
denkbar erſcheinen, daß die verbündeten Regierungen bei
einem ablehnenden, ja ſelbſt bei einem ihr Flottenpro-
[Spaltenumbruch] gramm weſentlich modifizirenden Reichstagsvotum ſich be-
ruhigen und es reſignirt dem allheilenden Einfluß der Zeit
überlaſſen ſollten, die ihrer Autorität und dem nationalen
Intereſſe zugefügte Schädigung allgemach zu begleichen.

Wenn in irgend einem Fall, ſo würde in dem
der Nichtgenehmigung der Novelle zum Flottengeſetz
die Anwendung der Artikel 24 und 25 der Reichs-
verfaſſung, das heißt die vorzeitige Auflöſung des
Reichstags durch Bundesrathsbeſchluß unter der Zu-
ſtimmung des Kaiſers und die Ausſchreibung allge-
meiner Neuwahlen innerhalb eines Zeitraums von zwei
Monaten nicht nur rathſam, ſondern geradezu geboten er-
ſcheinen. Den Kampf zu ſcheuen, hätten die Freunde des
Entwurfs auch keinen Anlaß, denn eine beſſere Wahlparole
als das Verlangen nach zeitgemäßer, den dringendſten Be-
dürfniſſen des Reichs entſprechender Ausgeſtaltung unſrer
Flotte könnte nicht gefunden werden. Mag bei der bisheri-
gen Agitation für die Vorlage auch manche Ungeſchicklichkeit
begangen worden ſein, mögen hier und da minder berufene
oder ſelbſt unberufene Perſönlichkeiten das Wort ergriffen
haben — im großen und ganzen iſt die Bewegung jedoch
durchaus geſund und — dank ihrer Intenſität, dank dem
Eifer, mit dem allgemein anerkannte Autoritäten auf allen
bei der Flottenfrage in Betracht kommenden Gebieten, das
deutſche Volk über die zwingende Nothwendigkeit, uns volle
Seegeltung zu verſchaffen, aufgeklärt haben — auch wirk-
ſam geweſen. Bis weit in die Reihen der ultramontanen
und der deutſchfreiſinnigen Gefolgſchaft hinein findet jetzt
das Verlangen, unſre maritime Rüſtung ſo weit zu ver-
ſtärken, daß wir unſre Küſten vor einer feindlichen Blockade
zu ſchützen und in den überſeeiſchen Fragen, die ſich auf
wirthſchaftlichem wie auf politiſchem Gebiet von Jahr zu
Jahr mehren, ein entſcheidendes Wort mitzuſprechen ver-
mögen, überzeugte Anhänger, d. h. Anhänger, die einem
flottenfeindlichen Reichstagskandidaten, ſollte er auch im
übrigen ihrer Parteirichtung entſprechen, ihre Stimme un-
bedingt verſagen würden. Darüber ſind auch die ein-
ſichtigeren Parteiführer auf ultramontaner und demokrati-
ſcher Seite, ja ſelbſt einzelne ſozialdemokratiſche Oberge-
noſſen ſich vollkommen klar; ſie wiſſen, daß ſie in einem
um die Flotte entbrennenden Wahlkampf weit eher Ver-
luſte als Eroberungen zu verzeichnen haben dürften und
deßhalb möchten wir annehmen, daß gar mancher unter
ihnen, der nationalen Erwägungen unzugänglich iſt, doch
[Spaltenumbruch] Klugheit halber ein Ueberſpannen des Bogens unterläßt
und aktiv oder paſſiv zur Verabſchiedung des Flotten-
geſetzes, alſo zur Vermeidung eines Auflöſungsbeſchluſſes
im Bundesrath mit beiträgt.

Kommt es aber zum Appell an die Nation, ſo wird der
Kampf in Wort und Schrift mit ſeltener Heftigkeit geführt
werden. Gelangten dabei nur ehrliche Waffen zur An-
wendung und würden beide Theile zur Beobachtung der
Regeln des zwar ungeſchriebenen, aber doch leidlich feſt-
ſtehenden Kodex für den loyalen Austrag politiſcher Händel
ſich verpflichten, ſo wollten wir, von der Ueberzeugung
durchdrungen, für eine gute und gerechte Sache zu ſechten,
frohgemuth auch der ſchärfſten Fehde entgegenſehen und uns
die Anſtrengungen einer vorzeitigen Wahlkampagne nicht
verdrießen laſſen. Ja, ein friſcher, fröhlicher Wahlkampf,
der ſo ritterlich geführt würde, daß nach ſeiner Beendigung
Sieger und Beſiegte ohne Verbitterung den Degen in die
Scheide ſtecken und — mag der Unterlegene auch dem
Schickſal grollen — ſich ruhig die Hände reichen können,
würde zur Reinigung unſrer politiſchen Atmoſphäre viel-
leicht weſentlich beitragen. Allein wir fürchten ſehr, daß
die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen werden und
daß das Bewußtſein der Schwäche ihrer eigenen Poſition
wenigſtens „einen Theil der Gegner“ zu einer Kampfes-
weiſe veranlaſſen wird, die als „einwandfrei und loyal“
nun und nimmer gelten kann. Werden doch ſchon jetzt von
einzelnen klerikalen Organen und von manchen Blättern
der äußerſten Linken Waffen benutzt, die vom moraliſchen
Standpunkt betrachtet, um nichts beſſer ſind, als Dum-
Dum-Geſchoſſe oder vergiftete Pfeile. Wo die ſachlichen
Gründe verſagen, greift man in rückſichtsloſeſter Weiſe zu
Mitteln allerverwerflichſter Art, zur perſönlichen Verdächti-
gung und zur gehäſſigen Verleumdung. Gerade uns iſt
neuerdings die — wir möchten in Anbetracht derjenigen,
mit denen wir es hier zu thun haben, faſt ſagen Auszeich-
nung zutheil geworden, wegen unſres Verhaltens in der
Flottenfrag e auf das Gröblichſte verunglimpft und ge-
ſchmäht zu werden. Wir denken dabei nicht an diejenigen
Kollegen, die uns mit geradezu ſtaunenswerther Beharr-
lichkeit allen unſern Proteſten zutrotz als freiwillig offiziös
bezeichnen und uns intime Beziehungen zu ſo ziemlich allen
leitenden Kreiſen innerhalb des Deutſchen Reichs an-
dichten, Beziehungen, die wir weder geſucht, noch auch zu-fällig gefunden haben. Dieſen publiziſtiſchen Schächern aber

[Spaltenumbruch]
Neu eintretenden Abonnenten wird der laufende Roman
„Das Poſtfräulein“
von Arthur Achleituer,

ſoweit er erſchienen, auf Verlangen unentgeltlich nachgeliefert.
Außer dieſem ebenſo ſpannenden wie humoriſtiſchen Hoch-
landsroman wird unſer Feuilleton in den nächſten Monaten
veröffentlichen an deutſchen Novellen und Romanen:
„Die Freiherren von Fillungen“,
Roman von B. Corony,
„Für ſeines Hauſes Ehre“,
Novelle von A. Heleck,
„Nomeo’s Zigaretten“,

Humoriſtiſche Novelle von Hermann Schöne, k. k. Hofburg-
ſchauſpieler a. D.
An autoriſirten Ueberſetzungen fremdſprachiger novelliſti-
ſcher Arbeiten haben wir zum erſten Abdruck erworben:
„Better und Baſe“,
von Mrs. Lovett Cameron, und
„Eine verirrte Seele“,
Roman von E. L. Cameron.

Die Redaktion des Feuilletons der Allgemeinen Zeitung.
Das Poſtfräulein.

(4)



(Nachdruck verboten.)

Drittes Kapitel.

Einen Verſuch, perſönlich ſeine Aufwartung zu machen,
hatte Doktor Kaſtulus Oberhummer im „Schlößchen“
unternommen. So hieß in der Seegegend jene große,
maſſiv gebaute, herrſchaftliche Villa eines adeligen Sonder-
lings, die durch Thürmchen einen ſchloßartigen Charakter
erhielt. Als Kaſtl noch in der Knöpferlhoſe ſich da herum-
trieb und mit ſeinen Fäuſtchen das Töchterchen des Guts-
beſitzers, ſeine Geſpielin, vertheidigte und beſchützte, nannte
man den Baron einfach den Schlößlherrn, und die Tochter
hieß die Schlößlmizi. An dieſes Mizele hatte Kaſtl damals
ſein junges Herz verloren. Jetzt, in dieſen Tagen unfrei-
williger Einſamkeit, erinnerte er ſich der lieblichen Mäd-
chengeſtalt und mehr noch der Butterbrote und Leckerli,
[Spaltenumbruch] die Mizi immer bereitwilligſt dem Spielkameraden zuge-
ſteckt. Das Mädel muß ſtramm herangewachſen ſein.
Ob Mizi hübſch geworden iſt? Das will Doktor Ober-
hummer, der patientenloſe Arzt in Vakanz, ſofort ermitteln.
Flink wird der Beſuchskittel angelegt, eine Viſitenkarte mit
dem würdevollen „Dr. med.“ eingeſteckt; dann ſtürmt
Kaſtl hinauf zum „Schlößl“.

„Der Herr Baron laſſen bedauern, und die Baroneſſe
iſt nicht anweſend.“

So lautete der Beſcheid an der Pforte, wo Kaſtl dann
die auf „p. f. v.“ umgebogene Karte zurückließ. Recht ge-
drückt ſchlich er den Weg zurück. Wie hat er ſich gefreut,
ſich den Herrſchaften als promovirter Arzt und fertiger
Doktor vorſtellen zu können, und nun will ihn der alte
Sonderling nicht annehmen. Wo zum Kuckuck könnte aber
die Schlößlmizi ſtecken? Sollte dieſe noch ſo toll wie einſt
in Feld und Wald klettern mit den Eichkätzeln um die
Wette? Das wäre arg, denn die Baroneſſe muß jetzt doch
ſchon eine „geſetzte“ Perſon, ſo an neunzehn bis zwanzig
Jahre alt ſein.

Kaſtl hätte Durſt, weiß aber, daß ſein Reichthum in
ſeinem „Lied“ beſteht, die Kreuzer langen nicht auf ein
„Viertele“ Röthel. Ohne Geld an Weiber zu denken, iſt ſelbſt
im Gebirg eine der größten Dummheiten, und Kaſtl ſchlägt
ſich die Baroneſſe aus dem Kopf. Kaum iſt die Mizi aber
draußen, marſchirt die Lina herein, denn plötzlich erinnert
ſich Kaſtl des neuen Poſtfräuleins, und flugs iſt er auf dem
Wege zur Poſtkanzlei.

Freundlich grüßend tritt Kaſtl ein; erröthend grüßt
Lina den Doktor: „Ei, der Herr Doktor läßt ſich auch ſehen!
Womit kann ich dem Herrn Doktor dienen?“

Verplappern darf ſich Kaſtl nicht, darum holt er ſeine
wenigen Kreuzer hervor und ſagt: „Man muß das An-
genehme mit dem Nützlichen verbinden, daher hole ich mir
meine Briefmarken ſelber und genieße die Annehmlichkeit
das Fräulein zu begrüßen!“

In ruhigem Ernſt behandelt das Poſtfräulein den
Sauſewind als Partei im Amt, indem Lina fragt: „Sie
wünſchen?“

Kaſtl empfindet ſeinen Geldmangel nun doch recht
fatal, etwas verlegen ſagt er: „Ich brauche nur einige
Zweikreuzermarken!“

„Bitte, hier; wieviel benöthigen Herr Doktor?“

„Es genügen drei Stück; hier ſind ſechs Kreuzer!“

„Dankel Hier die gewünſchten Marken!“

[Spaltenumbruch]

Das Geſpräch ſtockt. Da poltert ein Bauernbub in die
ſtille Kanzlei, glotzt den Herrn an und gibt ihm eine Zehn-
kreuzermünze: „Du, gib mir für ’n Vatern zwei Fünf-
markſtückel!“

Kaſtl lacht hellauf: „Das wenn ich könnte! Sell thät’
ich für mich ſelber!“

Das Poſtfräulein wendet ſich an den Jungen: „Du
willſt wohl zwei Fünfkreuzermarken, was?“

„Das geht dich nix an! Ich will zwei Fünfmarkſtückel;
der Vater hat geſagt, ſie wären roth und gehören auf einen
dicken Brief.“

Kaſtl reicht die Münze lachend dem [Fräulein], und
Lina fertigt den Buben ab, der mißtra[uiſch die] Marken
wie das Paar betrachtet und ſich mit den W[ort]en: „Wenn’s
nicht recht iſcht, komm’ ich wieder!“ entfernt.

„An drolligen Scenen ſcheint in der Poſtkanzlei kein
Mangel zu ſein!“ meint der Doktor und fügt hinzu:
„Haben Sie ſich ſchon einigermaßen eingewöhnt, Fräu-
lein?“

„Noch nicht recht! Einſtweilen mangelt es an Arbeit,
die über die erſte böſe Zeit hinweghilft. Hoffentlich kommt
mein Koffer bald, dann iſt ja Gelegenheit genug gegeben,
ſich häuslich einzurichten.“

„Na, ich wünſche gute Verrichtung!“

„Danke ſehr! Was macht Ihre Praxis?“

Kaſtl zuckt zuſammen; auf dieſen Stich war er nicht
gefaßt und haſtig verabſchiedet er ſich.

Lina macht ſich an das Sortiren der wenigen einge-
laufenen Briefe, die der Poſtſepp alsbald austragen ſoll.
Das Fräulein lächelt beim Anblick verſchiedener Adreſſen,
die der Poſt manches Veſtellungsrätſel aufgeben. So lautet
eine Adreſſe:1) „An die kleine Unterdirn beim Wirth, der
wo im Dach ein Loch hat. Name iſcht mir unbekannt.
Dringent übergeben. Poſt Seedorf.“

Lina murmelt: „Nach Seedorf iſt das Brieflein richtig
gekommen; wo aber iſcht der Wirth, deſſen Dach ein Loch
hat? Ich weiß das nicht!“ Einen anderen Brief auf-
nehmend, liest Lina deſſen Adreſſe: „An die hochachtſame
Frau Kathi Litzenberger, verwidmete Hochſtraßl, angehende
Bratzinger in Seedorf.“

Dieſe Briefe erhält der Sepp zur Zuſtellung. Lina


1) Das Flottenproblem im Lichte der Sozial-
politik.
Vortrag gehalten in Düren im Februar 1900 von
Dr. W. Ph. Englert, Profeſſor der Theologie in Bonn, Pader-
born. Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 1900.
1) Die hier und ſpäter angegebenen Adreſſen ſind durchweg
Original und wortgetreu kopirt. Der Verfaſſer.
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[0001] Nr. 89.103. Jahrgang. München , Sonntag, 1. April 1900. Allgemeine Zeitung. Wöchentlich 12 Ausgaben. Bezugspreiſe: Durch die Poſtämter: jährlich M. 36. —, ohne Beil. M. 18. — (viertelj. M. 9. —, ohne Beil. M. 4.50); in München b. d Ex- pedition od. d. Depots monatlich M. 2. —, ohne Beil. M. 1.20. Zuſtellg. mtl. 50 Pf. Direkter Bezug für Deutſchl. u. Oeſterreich monatlich M. 4. —, ohne Beil. M. 3. —, Ausland M. 5.60, ohne Beil. M. 4.40. Inſertionspreis für die kleinſpaltige Kolonelzeile od. deren Raum 25 Pfennig; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; lokale Ver- kaufsanzeig. 20 Pf.; Stellengeſuche 15 Pf. Redaktion und Expe- dition befinden ſich Schwanthalerſtr. 36 in München. Berichte ſind an die Redaktion, Inſerat- aufträge an die Ex- pedition franko ein- zuſenden. Abonnements für Berlin nimmt unſere dortige Filiale in der Leipzigerſtraße 11 entgegen. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Str., London; für Frankreich, Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien, Niederlande, Rumänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Poſtämter; für den Orient das k. k. Poſtamt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern, E. Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York. [Abbildung] Inſeratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerſtraße 36, in Berlin in unſerer Filiale, Leipzigerſtraße 11, ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Peſt, London, Zürich, Baſel ꝛc. bei den Annoncenbureaux R. Moſſe, Haaſenſte in u. Vogler. G. L. Daube u. Co. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtraße 26) und S. Kornik (Kochſtraße 23); für Frankreich bei John F. Jones u. Co., 31bis Faubourg Montmartre in Paris. Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München. Druck und Verlag der Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung „Verlag der Allgemeinen Zeitung“ in München. Beſtellungen auf die Allgemeine Zeitung für den Monat April allein nehmen ſämmtliche bayeriſchen Poſtämter an. Bezugspreis: M. 3. — mit der wiſſenſchaftlichen Beilage, M. 1.50 ohne die Beilage, M. 1.50 letztere allein. Politiſche Kämpfe. Wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß der Reichstag dem erweiterten Flottenbauprogramm der ver- bündeten Regierungen ſchließlich doch ſeine Zuſtimmung ertheilen, daß alſo das Centrum, von dem in dieſem Falle die Entſcheidung ausſchließlich abhängt, wenn auch nicht in ſeiner Geſammtheit, ſo doch wenigſtens zur guten Hälfte, bei Beurtheilung der Flottenfrage und der mit ihr zu- ſammenhängenden nationalen Bedürfniſſe und Intereſſen auf einen höheren Standpunkt als den der Zinne der Partei ſich ſtellen wird. Daß dieſe Hoffnung und dieſer Wunſch auch in Kreiſen getheilt wird, deren Anſchauungen den Centrums-Reichsboten nicht gleichgültig ſein können, zeigt die dringende Mahnung, die ein treuer Sohn der katholiſchen Kirche, ein von der Würde ſeines Amts tief durchdrungener Prieſter, der Profeſſor der Theologie in Bonn, Dr. Englert, allen ſeinen Landsleuten, in erſter Linie aber doch wohl ſeinen Parteifreunden zuruft. „Ich möchte“, ſo bemerkt er u. a., „jeden reichen Deutſchen be- ſchwören: Sapere aude! Incipe! Sei bereit, ſtimme zu, wolle, daß die Aufrichtung der Flotte ein Wendepunkt und Markſtein werde eines geiſtigeren, ſittlicheren, freieren, lebendigeren Deutſchlands!“ 1) Allein über das bloße Hoffen vermögen wir uns einſtweilen nicht zu erheben, denn ſichere Anzeichen für die Geneigtheit einer größeren Zahl von Centrumsmitgliedern, dem Bundesrathsent- wurf ohne Statuirung unannehmbarer Klauſeln und Vor- behalte ihre Zuſtimmung zu geben, liegen bis jetzt nicht vor. (Vgl. den weiter unten folgenden Berliner ☩-Brief.) Wir werden alſo mit der Möglichkeit einer Reichstagsauflöſung und eines Appells an die Wählerſchaft noch immer zu rechnen haben, denn nach der Art, wie die Flottenvorlage begründet und ihre Annahme in zahlreichen Kundgebungen von hohen und höchſten Stellen der Nation und ihren Ver- tretern an das Herz gelegt worden iſt, will es uns, trotz mancher beirrenden Wahrnehmungen aus neuerer Zeit, un- denkbar erſcheinen, daß die verbündeten Regierungen bei einem ablehnenden, ja ſelbſt bei einem ihr Flottenpro- gramm weſentlich modifizirenden Reichstagsvotum ſich be- ruhigen und es reſignirt dem allheilenden Einfluß der Zeit überlaſſen ſollten, die ihrer Autorität und dem nationalen Intereſſe zugefügte Schädigung allgemach zu begleichen. Wenn in irgend einem Fall, ſo würde in dem der Nichtgenehmigung der Novelle zum Flottengeſetz die Anwendung der Artikel 24 und 25 der Reichs- verfaſſung, das heißt die vorzeitige Auflöſung des Reichstags durch Bundesrathsbeſchluß unter der Zu- ſtimmung des Kaiſers und die Ausſchreibung allge- meiner Neuwahlen innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nicht nur rathſam, ſondern geradezu geboten er- ſcheinen. Den Kampf zu ſcheuen, hätten die Freunde des Entwurfs auch keinen Anlaß, denn eine beſſere Wahlparole als das Verlangen nach zeitgemäßer, den dringendſten Be- dürfniſſen des Reichs entſprechender Ausgeſtaltung unſrer Flotte könnte nicht gefunden werden. Mag bei der bisheri- gen Agitation für die Vorlage auch manche Ungeſchicklichkeit begangen worden ſein, mögen hier und da minder berufene oder ſelbſt unberufene Perſönlichkeiten das Wort ergriffen haben — im großen und ganzen iſt die Bewegung jedoch durchaus geſund und — dank ihrer Intenſität, dank dem Eifer, mit dem allgemein anerkannte Autoritäten auf allen bei der Flottenfrage in Betracht kommenden Gebieten, das deutſche Volk über die zwingende Nothwendigkeit, uns volle Seegeltung zu verſchaffen, aufgeklärt haben — auch wirk- ſam geweſen. Bis weit in die Reihen der ultramontanen und der deutſchfreiſinnigen Gefolgſchaft hinein findet jetzt das Verlangen, unſre maritime Rüſtung ſo weit zu ver- ſtärken, daß wir unſre Küſten vor einer feindlichen Blockade zu ſchützen und in den überſeeiſchen Fragen, die ſich auf wirthſchaftlichem wie auf politiſchem Gebiet von Jahr zu Jahr mehren, ein entſcheidendes Wort mitzuſprechen ver- mögen, überzeugte Anhänger, d. h. Anhänger, die einem flottenfeindlichen Reichstagskandidaten, ſollte er auch im übrigen ihrer Parteirichtung entſprechen, ihre Stimme un- bedingt verſagen würden. Darüber ſind auch die ein- ſichtigeren Parteiführer auf ultramontaner und demokrati- ſcher Seite, ja ſelbſt einzelne ſozialdemokratiſche Oberge- noſſen ſich vollkommen klar; ſie wiſſen, daß ſie in einem um die Flotte entbrennenden Wahlkampf weit eher Ver- luſte als Eroberungen zu verzeichnen haben dürften und deßhalb möchten wir annehmen, daß gar mancher unter ihnen, der nationalen Erwägungen unzugänglich iſt, doch Klugheit halber ein Ueberſpannen des Bogens unterläßt und aktiv oder paſſiv zur Verabſchiedung des Flotten- geſetzes, alſo zur Vermeidung eines Auflöſungsbeſchluſſes im Bundesrath mit beiträgt. Kommt es aber zum Appell an die Nation, ſo wird der Kampf in Wort und Schrift mit ſeltener Heftigkeit geführt werden. Gelangten dabei nur ehrliche Waffen zur An- wendung und würden beide Theile zur Beobachtung der Regeln des zwar ungeſchriebenen, aber doch leidlich feſt- ſtehenden Kodex für den loyalen Austrag politiſcher Händel ſich verpflichten, ſo wollten wir, von der Ueberzeugung durchdrungen, für eine gute und gerechte Sache zu ſechten, frohgemuth auch der ſchärfſten Fehde entgegenſehen und uns die Anſtrengungen einer vorzeitigen Wahlkampagne nicht verdrießen laſſen. Ja, ein friſcher, fröhlicher Wahlkampf, der ſo ritterlich geführt würde, daß nach ſeiner Beendigung Sieger und Beſiegte ohne Verbitterung den Degen in die Scheide ſtecken und — mag der Unterlegene auch dem Schickſal grollen — ſich ruhig die Hände reichen können, würde zur Reinigung unſrer politiſchen Atmoſphäre viel- leicht weſentlich beitragen. Allein wir fürchten ſehr, daß die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen werden und daß das Bewußtſein der Schwäche ihrer eigenen Poſition wenigſtens „einen Theil der Gegner“ zu einer Kampfes- weiſe veranlaſſen wird, die als „einwandfrei und loyal“ nun und nimmer gelten kann. Werden doch ſchon jetzt von einzelnen klerikalen Organen und von manchen Blättern der äußerſten Linken Waffen benutzt, die vom moraliſchen Standpunkt betrachtet, um nichts beſſer ſind, als Dum- Dum-Geſchoſſe oder vergiftete Pfeile. Wo die ſachlichen Gründe verſagen, greift man in rückſichtsloſeſter Weiſe zu Mitteln allerverwerflichſter Art, zur perſönlichen Verdächti- gung und zur gehäſſigen Verleumdung. Gerade uns iſt neuerdings die — wir möchten in Anbetracht derjenigen, mit denen wir es hier zu thun haben, faſt ſagen Auszeich- nung zutheil geworden, wegen unſres Verhaltens in der Flottenfrag e auf das Gröblichſte verunglimpft und ge- ſchmäht zu werden. Wir denken dabei nicht an diejenigen Kollegen, die uns mit geradezu ſtaunenswerther Beharr- lichkeit allen unſern Proteſten zutrotz als freiwillig offiziös bezeichnen und uns intime Beziehungen zu ſo ziemlich allen leitenden Kreiſen innerhalb des Deutſchen Reichs an- dichten, Beziehungen, die wir weder geſucht, noch auch zu-fällig gefunden haben. Dieſen publiziſtiſchen Schächern aber Neu eintretenden Abonnenten wird der laufende Roman „Das Poſtfräulein“ von Arthur Achleituer, ſoweit er erſchienen, auf Verlangen unentgeltlich nachgeliefert. Außer dieſem ebenſo ſpannenden wie humoriſtiſchen Hoch- landsroman wird unſer Feuilleton in den nächſten Monaten veröffentlichen an deutſchen Novellen und Romanen: „Die Freiherren von Fillungen“, Roman von B. Corony, „Für ſeines Hauſes Ehre“, Novelle von A. Heleck, „Nomeo’s Zigaretten“, Humoriſtiſche Novelle von Hermann Schöne, k. k. Hofburg- ſchauſpieler a. D. An autoriſirten Ueberſetzungen fremdſprachiger novelliſti- ſcher Arbeiten haben wir zum erſten Abdruck erworben: „Better und Baſe“, von Mrs. Lovett Cameron, und „Eine verirrte Seele“, Roman von E. L. Cameron. Die Redaktion des Feuilletons der Allgemeinen Zeitung. Das Poſtfräulein. Hochlandsroman von Arthur Achleitner. (4) (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Einen Verſuch, perſönlich ſeine Aufwartung zu machen, hatte Doktor Kaſtulus Oberhummer im „Schlößchen“ unternommen. So hieß in der Seegegend jene große, maſſiv gebaute, herrſchaftliche Villa eines adeligen Sonder- lings, die durch Thürmchen einen ſchloßartigen Charakter erhielt. Als Kaſtl noch in der Knöpferlhoſe ſich da herum- trieb und mit ſeinen Fäuſtchen das Töchterchen des Guts- beſitzers, ſeine Geſpielin, vertheidigte und beſchützte, nannte man den Baron einfach den Schlößlherrn, und die Tochter hieß die Schlößlmizi. An dieſes Mizele hatte Kaſtl damals ſein junges Herz verloren. Jetzt, in dieſen Tagen unfrei- williger Einſamkeit, erinnerte er ſich der lieblichen Mäd- chengeſtalt und mehr noch der Butterbrote und Leckerli, die Mizi immer bereitwilligſt dem Spielkameraden zuge- ſteckt. Das Mädel muß ſtramm herangewachſen ſein. Ob Mizi hübſch geworden iſt? Das will Doktor Ober- hummer, der patientenloſe Arzt in Vakanz, ſofort ermitteln. Flink wird der Beſuchskittel angelegt, eine Viſitenkarte mit dem würdevollen „Dr. med.“ eingeſteckt; dann ſtürmt Kaſtl hinauf zum „Schlößl“. „Der Herr Baron laſſen bedauern, und die Baroneſſe iſt nicht anweſend.“ So lautete der Beſcheid an der Pforte, wo Kaſtl dann die auf „p. f. v.“ umgebogene Karte zurückließ. Recht ge- drückt ſchlich er den Weg zurück. Wie hat er ſich gefreut, ſich den Herrſchaften als promovirter Arzt und fertiger Doktor vorſtellen zu können, und nun will ihn der alte Sonderling nicht annehmen. Wo zum Kuckuck könnte aber die Schlößlmizi ſtecken? Sollte dieſe noch ſo toll wie einſt in Feld und Wald klettern mit den Eichkätzeln um die Wette? Das wäre arg, denn die Baroneſſe muß jetzt doch ſchon eine „geſetzte“ Perſon, ſo an neunzehn bis zwanzig Jahre alt ſein. Kaſtl hätte Durſt, weiß aber, daß ſein Reichthum in ſeinem „Lied“ beſteht, die Kreuzer langen nicht auf ein „Viertele“ Röthel. Ohne Geld an Weiber zu denken, iſt ſelbſt im Gebirg eine der größten Dummheiten, und Kaſtl ſchlägt ſich die Baroneſſe aus dem Kopf. Kaum iſt die Mizi aber draußen, marſchirt die Lina herein, denn plötzlich erinnert ſich Kaſtl des neuen Poſtfräuleins, und flugs iſt er auf dem Wege zur Poſtkanzlei. Freundlich grüßend tritt Kaſtl ein; erröthend grüßt Lina den Doktor: „Ei, der Herr Doktor läßt ſich auch ſehen! Womit kann ich dem Herrn Doktor dienen?“ Verplappern darf ſich Kaſtl nicht, darum holt er ſeine wenigen Kreuzer hervor und ſagt: „Man muß das An- genehme mit dem Nützlichen verbinden, daher hole ich mir meine Briefmarken ſelber und genieße die Annehmlichkeit das Fräulein zu begrüßen!“ In ruhigem Ernſt behandelt das Poſtfräulein den Sauſewind als Partei im Amt, indem Lina fragt: „Sie wünſchen?“ Kaſtl empfindet ſeinen Geldmangel nun doch recht fatal, etwas verlegen ſagt er: „Ich brauche nur einige Zweikreuzermarken!“ „Bitte, hier; wieviel benöthigen Herr Doktor?“ „Es genügen drei Stück; hier ſind ſechs Kreuzer!“ „Dankel Hier die gewünſchten Marken!“ Das Geſpräch ſtockt. Da poltert ein Bauernbub in die ſtille Kanzlei, glotzt den Herrn an und gibt ihm eine Zehn- kreuzermünze: „Du, gib mir für ’n Vatern zwei Fünf- markſtückel!“ Kaſtl lacht hellauf: „Das wenn ich könnte! Sell thät’ ich für mich ſelber!“ Das Poſtfräulein wendet ſich an den Jungen: „Du willſt wohl zwei Fünfkreuzermarken, was?“ „Das geht dich nix an! Ich will zwei Fünfmarkſtückel; der Vater hat geſagt, ſie wären roth und gehören auf einen dicken Brief.“ Kaſtl reicht die Münze lachend dem Fräulein, und Lina fertigt den Buben ab, der mißtrauiſch die Marken wie das Paar betrachtet und ſich mit den Worten: „Wenn’s nicht recht iſcht, komm’ ich wieder!“ entfernt. „An drolligen Scenen ſcheint in der Poſtkanzlei kein Mangel zu ſein!“ meint der Doktor und fügt hinzu: „Haben Sie ſich ſchon einigermaßen eingewöhnt, Fräu- lein?“ „Noch nicht recht! Einſtweilen mangelt es an Arbeit, die über die erſte böſe Zeit hinweghilft. Hoffentlich kommt mein Koffer bald, dann iſt ja Gelegenheit genug gegeben, ſich häuslich einzurichten.“ „Na, ich wünſche gute Verrichtung!“ „Danke ſehr! Was macht Ihre Praxis?“ Kaſtl zuckt zuſammen; auf dieſen Stich war er nicht gefaßt und haſtig verabſchiedet er ſich. Lina macht ſich an das Sortiren der wenigen einge- laufenen Briefe, die der Poſtſepp alsbald austragen ſoll. Das Fräulein lächelt beim Anblick verſchiedener Adreſſen, die der Poſt manches Veſtellungsrätſel aufgeben. So lautet eine Adreſſe: 1) „An die kleine Unterdirn beim Wirth, der wo im Dach ein Loch hat. Name iſcht mir unbekannt. Dringent übergeben. Poſt Seedorf.“ Lina murmelt: „Nach Seedorf iſt das Brieflein richtig gekommen; wo aber iſcht der Wirth, deſſen Dach ein Loch hat? Ich weiß das nicht!“ Einen anderen Brief auf- nehmend, liest Lina deſſen Adreſſe: „An die hochachtſame Frau Kathi Litzenberger, verwidmete Hochſtraßl, angehende Bratzinger in Seedorf.“ Dieſe Briefe erhält der Sepp zur Zuſtellung. Lina 1) Das Flottenproblem im Lichte der Sozial- politik. Vortrag gehalten in Düren im Februar 1900 von Dr. W. Ph. Englert, Profeſſor der Theologie in Bonn, Pader- born. Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 1900. 1) Die hier und ſpäter angegebenen Adreſſen ſind durchweg Original und wortgetreu kopirt. Der Verfaſſer.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2020-10-02T09:49:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine89_1900/1>, abgerufen am 21.11.2024.