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Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900.

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Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900.
[Spaltenumbruch]
Deutsches Reich.

Ausweg einer Subkommission zur Entwerfung eines
Planes, wies Herr Gröber schroff zurück. Statt dessen
drehte er den Spieß um und verlangte von der Regierung
einen solchen Plan, indem er zugleich für den Fall der
Nichterfüllung des Verlangens mit Ablehnung der ganzen
Vorlage drohte. Werden sich die verbündeten Regierungen
nunmehr einschüchtern lassen? Wenn nicht, so sehen wir
auch hier keine Grundlage für eine positive Lösung.

Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik.

* Die "Deutsche Tagesztg." schreibt in einer
umfangreichen Auslassung über Deutschlands auswärtige
Politik, daß sie die in der letzten Zeit erfolgten Aufklä-
rungen, betreffs der Absichten und des Programms der Lei-
tung unserer auswärtigen Angelegenheiten, "mit Dank
entgegennehme."
Zu jenen Aufklärungen rechnet die
"Deutsche Tagesztg." einmal den scharfen halbamtlichen
Widerspruch gegen allerhand Ausstreuungen eines Berliner
Journals, das Deutschland im Schlepptaue Englands er-
scheinen ließ, zum zweiten die Erklärungen, die Graf Bü-
low
jüngst in der Budgetkommission in Bezug auf das
Anwachsen der imperialistischen Strömung in
Großbritannien,
in Bezug auf das Zurücktreten
der Kabinetspolitik gegenüber den Volksleidenschaften, ge-
than hat. Wenn die "Deutsche Tagesztg." die letztere Aus-
lassung dahin auslegt, daß der wirthschaftliche Neid der
Engländer gegen uns im Wachsen sei, daß die englische
Ländergier immer weiter ausgreife, daß die britische Regie-
rung der Volksleidenschaft schließlich nachgeben-müsse,
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegerische)
Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Großbritan-
nien sein werde, so geht die "Deutsche Tagesztg." einen
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegerische)
Bülow eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen
Deutschland und Großbritannien geschildert, sondern er
hat nur, und sicherlich mit vollem Recht, die Möglich-
keit
angedeutet, daß sie eintreten könne. Derartige Ent-
wicklungen als unvermeidlich anzukündigen, hat auch Fürst
Bismarck abgelehnt, indem er betonte, daß unvorher-
gesehene Wendungen eintreten können, welche die anschei-
nend sicherste Voraussage zunichte machen.

Deutscher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums.

* Der Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen
Eigenthums
hielt am 29. März diesee Jahres im Saale des
Kaiserlichen Patentamts zu Berlin eine gut befuchte Ver-
sammlung ab. Ergänzend ist darüber folgendes zu berichten.
Hr. Patentanwalt Loubier, der über das Waarenverzeichniß unter
dem Gesetz zum Schutz der Waarenzeichen sprach, kam zu dem
von der Mehrheit der Anwesenden als durchaus richtig an-
erkannten Schluß, daß die Vorschrift des Waarenzeichen-
gesetzes,
wonach die Eintragung nur für bestimmte Waaren
zulässig sei, eine schwere Belästigung solcher Industrien und
Handelsfirmen bedeute, welche einen derartig umfassenden Waaren-
vertrieb haben, daß eine Aufzählung der einzelnen Waaren un-
möglich scheint. Dies gilt besonders auch von Exportfirmen. Es
wurde der Wunsch ausgesprochen, daß das Patentamt von seiner
diskretionären Befugniß Gebrauch mache, statt der Aufzählung
der einzelnen Waaren auch die Angabe von Gattungen und
größeren allgemeinen Gruppen von Waaren zuzulassen. Hierauf
sprach Hr. Privatdozent Dr. Paul Alexander-Katz über die
Nichtigkeit eines Patents wegen Kollision mit einem früher an-
gemeldeten Patent. Er legte seinen interessanten Ausführungen
eine neue Entscheidung des Reichsgerichts zugrunde, nach welcher
auch ein schon erloschenes Patent die Eintragung eines später
angemeldeten, mit dem ersten identischen Patents nichtig mache.
Dieser in der deutschen Rechtsprechung neu eingeführte Grundsatz
wurde als ein erfreulicher Fortschritt begrüßt und als Zeichen
der Annäherung an die Grundsätze der englischen Rechtsprechung,
wonach es der Hauptzweck des Patentrechts sein müsse, die Er-
findungen dem Publikum zuzuführen und zu verhindern, daß
solche Patente, welche schon im Einzelbesitz gewesen und dann er-
loschen sind, nachträglich zum Gegenstand einer neuen Anmeldung
gemacht werden können. Der Vorsitzende der Versammlung theilte
noch mit, daß ein Theil der Berichte für den im Mai statt-
findenden Frankfurter Kongreß für gewerblichen Rechtsschutz schon
fertig vorliege. Die Theilnahme der füddeutschen und west-
deutschen Industrien an diesem Kongreß scheint sehr rege werden
zu wollen.

Propaganda der That.

* Unter der vorstehenden Ueberschrift spricht sich in dem
Anarchistenblatt "Neues Leben" ein gewisser "Nero" über
die Propaganda der That aus. Angeblich liegt es
"Nero" fern, die Propaganda der That zu empfehlen, aber
-- "ebensowenig kann ich dieselbe auch nicht (sie!) ver-
dammen". Weßhalb "Nero" die Propaganda der That nicht
verdammt, darüber sagt er das Nachstehende:

"Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt
hat, womit man der Masse Sand in die Augen streut, dann weiß
man auch, daß einer jeden That, gleichviel, ob gut oder bös, eine
Ursache zugrunde lag. Keine Ursache ohne Wirkung, das sollte
doch heute schon jeder Proletar wissen. In den sogenannten
besseren Kreisen scheint das nicht der Fall zu sein, denn gerade
jene Kreise sind es, die zur Propaganda der That aufreizen,
oder sollte das keine Aufreizung sein, wenn ich gesund
und kräftig voll Lebenslust gern arbeiten will und Jener kommt
und sagt, wenn du arbeiten willst, was in diesem Fall gleich-
bedeutend mit Leben ist, so mußt du mir so oder soviel von
diesem Arbeitsertrag abgeben,
damit ich und meines-
gleichen ein sorgenloses und genußreiches Leben führen können,
und daß wir dich beherrschen, damit du nicht an deiner Sklaven-
kette rütteln kannst."

Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent-
schuldigen, die Konstruktion der "Aufreizung" sich so leicht
macht, dessen Entschuldigung der Propaganda der That läuft
auf ihre Empfehlung hinaus.

Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutsch-Samoa.

* Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl-
informirter Seite geschrieben:

Es ist natürlich, daß sich Weiße und Eingeborene zur
Zeit eifrig mit den der neuen Verwaltung zunächst obliegenden
wichtigen Fragen beschäftigen. Da ist zunächst die Besteue-
rung der Eingeborenen.
Nach Art. VI des Berliner
Vertrags war den Eingeborenen die äußerst geringe Kopf-
steuer von 1 Dollar pro Jahr auferlegt, welche sich aber nur
auf den männlichen Theil der Bevölkerung bezog, und zwar
erst von dem Zeitpunkt ab, wo ein junger Mann kräftig
genug ist, eine Kokosnußpalme zu erklettern. Die hohe Kom-
mission für Samoa hat vorgeschlagen, die Besteuerung dahin
abzuändern, daß ein jeder Samoaner im Alter von 16 bis
45 Jahren eine Kopfsteuer von 2 Dollars jährlich zahlen soll.
Es steht zu hoffen, daß seitens der neuen Verwaltung dieser
Vorschlag der Kommission keine Berücksichtigung finden wird,
[Spaltenumbruch] denn ein unpraktischeres System läßt sich schwer ausdenken.
Es ist eine allbekannte Thatsache, daß nicht ein Samoaner
aus Hunderten, ja Tausenden, sein Alter auch nur einiger-
maßen zuverlässig angeben kann. Wie soll ein Steuerkollektor
imstande sein, zu entscheiden, ob ein junger Samoaner 15
oder 16 Jahre alt ist? Wird nicht ein jeder Samoaner von
höchstens 40 Jahren feierlichst schwören, 45 Jahre alt zu
sein? Dieses System würde daher eine Schraube von Schwierig-
keiten ohne Ende sein und gerechte Einziehung der Steuer zur
Unmöglichkeit machen.

In Samoa ist die Frage der Besteuerung der Ein-
geborenen eng mit der Arbeiterfrage verknüpft. Man
sollte daher den moralischen Einfluß, welchen die Besteuerung
auf die Eingeborenen, wenn richtig angewendet, haben kann,
nicht aus dem Auge verlieren. Wird ein jeder Samoaner
für den ihm auferlegten Steuerbetrag persönlich verantwort-
lich gehalten, so werden die Eingeborenen den Werth ihrer
Arbeit und den Werth des ihnen für ihre Arbeit gezahlten
Lohnes kennen und schätzen lernen und mit der Zeit die
Nothwendigkeit und den Vortheil der regelmäßigen Arbeit
einsehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen ist, wenn man die
ganzen Distrikte besteuert. Vielleicht wäre es auch räthlich,
die Kopfsteuer in eine Besitzsteuer umzuwandeln, und da
das einzige greifbare, Sicherheit gewährleistende Eigenthum
des Samoaners sein Haus ist, so müßte es eine Haus- und
Hüttensteuer sein. Da jedoch die Häuser der Samoaner sehr
verschieden in Bauart, Werth und Größe sind, so könnte die
Steuer keine für alle gleichmäßige sein, sondern die großen
imposanten Häuptlingshäuser müßten höher besteuert werden
als die Hütten und Außenhäuser der gewöhnlichen Leute.
Mit diesem System der Besteuerung ließe sich auch eine
Kontrole der Behausungen in hygienischer und
sanitärer Beziehung
verbinden und erleichtern. Die
geradezu erstaunlichen Erfolge in Deutsch-Ostafrika mit der
Hüttensteuer sollten einen Versuch in gleicher Richtung auch
für Samoa rathsam erscheinen lassen.

Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände-
rungen der Landgesetze
sein. Nach dem Berliner Vertrag
ist den Eingeborenen verboten, außerhalb der Municipalität
Land zu verkaufen, und dürfen sie solches nur mit Zustim-
mung des Obergerichtes auf eine Reihe von Jahren ver-
pachten. Es wird nun die Frage sein, ob die neue Verwal-
tung diese Bestimmung aufrechterhält, oder vielleicht alles
von den Eingeborenen nicht bewohnte oder bebaute Land als
Regierungsbesitz erklärt. Soll aus den Inseln etwas ordent-
liches werden, so muß der Pflanzungsbetrieb er-
weitert
und müssen weiße Ausiedler herangezogen wer-
den. Zweifellos bieten große Strecken Landes auf den Höhen-
zügen im Innern der Inseln, welche zur Zeit wilder Busch,
sozusagen Urwald und weder von den Eingeborenen bewohnt
noch bebaut sind, brauchbaren Boden für allerhand tropische
Kulturanlagen, sobald sie durch Wegebau zugänglich ge-
macht sind. Dies erfordert aber zunächst die Lösung der
Arbeiterfrage,
solange die Samoaner nicht zu an-
dauernder Arbeit zu bewegen sind, beziehungsweise erzogen
werden. Der Nachtrag zu dem deutsch-englischen Abkommen,
in welchem den Deutschen das Recht zugestanden wird, auf
allen jetzt in britischem Besitz befindlichen Salomonsinseln
Arbeiter zu rekrutiren unter denselben Bedingungen wie
nicht auf den Inseln seßhafte Briten, ist für Samoa
von besonderer Wichtigkeit, Es ist zweifellos, daß durch
den deutsch-englischen Vertrag von 1884, durch welchen
die deutsch-englische Demarkationslinie in der Südsee festgesetzt
wurde und die südlichen Salomonsinseln in britischen Besitz
kamen, der deutsche Pflanzungsbetrieb auf Samoa auf das
empfindlichste geschädigt und eine Erweiterung desselben un-
möglich gemacht wurde; denn besonders die Arbeiter von den
Inseln Malayta und Gnadalcanar hatten sich für Pflanzungs-
arbeit in Samoa auf das beste bewährt, was man von den
im nördlicher gelegenen deutschen Schutzgebiete rekrutirten
Leuten leider nicht sagen kann. Vielleicht wäre es des Ver-
suches werth, chinesische Arbeiter aus Deutsch-China, sei
es für öffentliche Arbeiten oder Pflanzungsbetrieb, nach Samoa
einzuführen, aber selbstverständlich unter der conditio sine
qua non
, daß sichere Vorkehrungen getroffen werden, daß die
Leute nach ihrer kontraktlichen Arbeitszeit wieder zurück nach
ihrer Heimath befördert werden und auf diese Weise eine
dauernde Ansiedelung derselben in Samoa unter allen Um-
ständen ausgeschlossen werde.

Sollte nach Samoa deutsches Geld eingeführt
werden, was wohl sicher in Aussicht steht, wäre es für
den Anfang wenigstens wünschenswerth, von den kleineren
Nickel- und Kupfermünzen gänzlich abzusehen; die kleinste
gangbare Münze im hiesigen Verkehr ist zur Zeit der
englische Sixpence, gleich 50 Pf. Als natürliche Folge der
Einführung deutschen Geldes würde sich sehr rasch die Noth-
wendigkeit der Errichtung eines Bankinstituts heraus-
stellen. Da die hiesigen größeren Firmen hauptsächlich mit
Hamburg in Geschäftsverbindung stehen, so liegt es nahe,
daß sie der Filiale einer in Hamburg domizilirten Bank den
Vorzug vor anderen geben würden.

Hof- und Personalnachrichten.

Tel. Der Kaiser und die
Kaiserin besuchten heute Vormittag den Reichskanzler
Fürsten zu Hohenlohe, um ihn zu seinem Geburtstag zu
beglückwünschen. Um 121/2 Uhr empfing der Kaiser den
Bischof Anzer im Beisein des Staatssekretärs des Aeußern,
Grafen Bülow, und des Staatssekretärs des Reichs-Marine-
Amts, Tirpitz. -- Prinz Georg von Sachsen trifft heute
Abend hier ein. -- Wie aus Kiel hierher gemeldet wird, ist
der Großherzog von Hessen zu kurzem Besuch bei dem
Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Preußen einge-
troffen. -- Die "Danz. Ztg." meldet in Bestätigung einer
früheren Nachricht: Das Abschiedsgesuch des Generals
v. Lentze wurde vom Kaiser abgelehnt. Der General bleibt
an der Spitze des XVII. Armeekorps.

Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen.

* Anläßlich eines aus dem Hause gestellten Antrags er-
klärte Finanzminister Buchenberger in der Budget-
kommission der Zweiten Kammer, daß die Regierung im
laufenden Jahre mit der Aufhebung und Rückzahlung der
Beamtenkautionen beginnen wird. Die Gründe, die im
Reich, Preußen und anderen Staaten wesentlich bestimmend
waren, die Kautionen aufzuheben, nämlich die großen, durch
die Verwaltung der Kantionen veranlaßten Kosten, liegen in
Baden nicht vor, weil hier das System der Baarkautionen
üblich ist, deren Verwaltung nur geringe Kosten verursacht.
In erster Linie kommt hier vielmehr in Betracht -- was
[Spaltenumbruch] übrigens auch anderwärts für die Aufhebung gesprochen hat
-- daß die thatsächlichen Verluste infolge Untreue und Fahr-
lässigkeit im Durchschnitt längerer Jahre unerheblich sind.
Die Zahl der Kautionäre beläuft sich gegenwärtig auf 7238
und der Betrag der eingezahlten Kautionen auf 3,988,000 M.;
dagegen beträgt die Zahl der in den letzten zehn Jahren vor-
gekommenen Unterschlagungen 66, also im Jahr nur 6.6 Fälle.
Nur in 33 Fällen mußte zur Deckung der Defelte auf die
Kaution gegriffen werden. Der Gesammtbetrag der Defekte
war in diesen zehn Jahren 30,510 M., also jährlich 3051 M.,
wobei von den Defekten ihre Deckung fanden: 62.2 Proz. im
Vermögen des schuldigen Beamten oder seiner Verwandten,
20.9 Proz. der Defekte in der Kaution selbst, während 16 Proz.
(jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft
also keine große Gefahr, wenn er, um sich gegen den Schaden
aus pflichtwidriger Dienstführung der Beamten zu decken, zu
dem System der Selbstversicherung übergeht.

Berichtigung.
* In der Mittheilung einer Resolution des Deutsch-russischen
Vereins bezüglich des Fleischeinfuhrverbots, welche wir dieser
Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: "Der
in ca. 200 bedeutenden Industrie- und Handelshäusern, 21 Handels-
kammern und 7 großen Verbänden einen sehr großen Theil u. s. w."
Oesterreich-Ungarn.
Zum ungarischen Minister am königlichen Hostager

wurde an Stelle des kürzlich aus Gesundheitsrücksichten zurück-
getretenen Grafen Emanuel Szechenyi dessen Oheim, Graf
Julius Szechenyi, ernannt. Der neue Minister ist ein be-
reits bejahrter Herr, 1829 geboren, er war ursprünglich
Husarenoffizier, lebte dann lange Zeit auf seinen Gütern im
Soogyer Komitat, nahm aber zu Deaks Zeiten, zu dessen
eifrigsten Anhängern er gehörte, an den politischen Vor-
gängen Antheil, war Obergespan des Oedenburger Komitats
und unter Benst kurze Zeit Hof- und Ministerialrath im ge-
meinsamen Ministerium des Aeußern. Nach den kirchen-
politischen Kämpfen, während derer er einer der entschiedensten
Vertreter der neuen Gesetze unter den Magnaten war, ist er
im öffentlichen Leben kaum mehr hervorgetreten. Sein jetziger
Entschluß, in das ungarische Kabinet einzutreten, wird haupt-
sächlich auf seine engen Beziehungen zum Ministerpräsidenten
v. Szell zurückgeführt, dem er eine werthvolle, kräftige Stütze
zu werden verspricht. Ueberhaupt dürfte das liberale Re-
gime in Ungarn durch die Ernennung Szechenyi's eine weitere
Stärkung erfahren, was auch auf Oesterreich nicht ohne Rück-
wirkung bleiben kann, wo der Minister a latere die ungari-
schen Interessen zu vertreten speziell berufen ist.

Zur Lage. -- Von den Landtagen.

* Die seit Vertagung des Reichsraths und der Verstän-
digungskonferenz in Oesterreich eingetretene politische Stille
dauert fort und dürfte auch bis in den Mai hinein anhalten,
wofern nicht unvorhersehbare Zwischenfälle eintreten. "Narodni
Listy" sagen zwar, die Regierung sei sehr im Irrthum, wenn
sie glaube, die Entscheidung über die Sprachenfrage bis in
den Mai -- wo angeblich die Verhandlungen der deutsch-
tschechischen Verständigungskonferenz in Wien wieder
aufgenommen werden sollen -- verschleppen zu können, d. h.
die Tschechen wollen solange auf die Erfüllung ihrer Forde-
rung betreffs Wiedereinführung der inneren tschechischen
Amtssprache
nicht warten; aber es ist den Jungtschechen
wohl nur darum zu thun, den tschechischen Oppositionsstand-
punkt überhaupt in Erinnerung zu bringen, der sonst während
der parlamentarischen Friedenszeit in Vergessenheit zu gerathen
droht, womit den Radikalen wiederum Anlaß zu Ausfällen
gegen die jungtschechische Politik gegeben werden würde. Bis
jetzt hat es nicht den Anschein, als ob die tschechischen Abge-
ordneten sich mit der Absicht trügen, den nationalen Streit
auf dem Boden des Landtags von neuem zu entfachen und
den programmmäßigen Verlauf der Dinge zu stören. In der
Prager Landstube geht es sogar auffallend ruhig her, weßhalb
denn auch die Verhandlungen wenig bieten, was von allge-
meinem Interesse wäre. Mehr bemerkbar als die Tschechen
machen sich angenblicklich die Slovenen, jedoch nur durch
negative Bethätigung, indem sie ihren Landtagen demonstrativ
fernbleiben. Im steierischen Landtag versuchten die Katho-
lisch-Konservativen ihr Glück mit einem Wahlreform-
autrag,
um sich eine klerikale Wählermehrheit in den Land-
gemeinden zu schaffen. Die deutschnationale Landtagsmehrheit
wird aber natürlich keinen Selbstmord begehen und das An-
sinnen der Minderheit a limine abweisen. Ebenso selbstver-
ständlich werden die oberösterreichischen Deutschnatio-
nalen, die ihrerseits im Landtag einen Antrag auf Einführung
direkter Wahlen in den Landgemeinden stellten, bei den ober-
österreichischen Klerikalen abblitzen.

Rußland.
Persien als Absatzmarkt für russische Waaren.

* Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des russischen
Generalkonsuls in Mesched über das Vordringen der russischen
Textilindustrie auf dem persischen Markt wuchs die russische
Ausfuhr nach Persien
von 3,697,594 Rubel im Jahre
1897 auf 4,742,653 Rubel im Jahre 1898. Ausgeführt
wurden vorzugsweise Baumwollengewebe. Dieses relativ
rasche Anwachsen der Ausfuhr ist darauf zurückzuführen, daß
die russischen Fabrikanten in den letzten Jahren sich sorgfältig
dem Geschmack der Abnehmer angepaßt haben, zu welchem
Zweck sie sich Muster der in Persien gangbaren englischen
Erzeugnisse verschafften. Da die russischen Mannfakturwaaren
an Qualität die englischen übertrafen, war es ihnen ein
leichtes, den persischen Markt zu gewinnen, umsomehr, als die
Engländer, um an Fracht zu sparen, leichtere Waare zu
liefern begannen. Chorossaner Firmen, die früher aus-
schließlich englische Mannfakturwaaren via Täbris bezogen
und sie nach Mesched weiter begaben, haben seit drei Jahren
ihre Beziehungen zu England abgebrochen und be-
ziehen über die transkaspischen Zollämter russische Waare,
die auf diese Weise bis in das Innere Persiens dringt. Der
Konkurrenzkampf zwischen England und Rußland, der sich
bisher auf Mesched beschränkte, verbreitet sich demnach jetzt
auf ein bedeutendes Territorium. Abgesehen von Manufaktur-
waaren, macht sich in Chorossan eine starke Nachfrage nach
europäischen Produkten verschiedener Art bemerktbar. Es steht
somit zu erwarten, so schließt dieser Konsularbericht, daß die
russische Ausfuhr nach Persien die steigende Tendenz beibe-
halten wird. Demnach dürsten auch die neuerdings ange-
regten Versuche, den österreichischen Export nach Persien
zu beleben, auf Schwierigkeiten stoßen.

[irrelevantes Material]
Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900.
[Spaltenumbruch]
Deutſches Reich.

Ausweg einer Subkommiſſion zur Entwerfung eines
Planes, wies Herr Gröber ſchroff zurück. Statt deſſen
drehte er den Spieß um und verlangte von der Regierung
einen ſolchen Plan, indem er zugleich für den Fall der
Nichterfüllung des Verlangens mit Ablehnung der ganzen
Vorlage drohte. Werden ſich die verbündeten Regierungen
nunmehr einſchüchtern laſſen? Wenn nicht, ſo ſehen wir
auch hier keine Grundlage für eine poſitive Löſung.

Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik.

* Die „Deutſche Tagesztg.“ ſchreibt in einer
umfangreichen Auslaſſung über Deutſchlands auswärtige
Politik, daß ſie die in der letzten Zeit erfolgten Aufklä-
rungen, betreffs der Abſichten und des Programms der Lei-
tung unſerer auswärtigen Angelegenheiten, „mit Dank
entgegennehme.“
Zu jenen Aufklärungen rechnet die
„Deutſche Tagesztg.“ einmal den ſcharfen halbamtlichen
Widerſpruch gegen allerhand Ausſtreuungen eines Berliner
Journals, das Deutſchland im Schlepptaue Englands er-
ſcheinen ließ, zum zweiten die Erklärungen, die Graf Bü-
low
jüngſt in der Budgetkommiſſion in Bezug auf das
Anwachſen der imperialiſtiſchen Strömung in
Großbritannien,
in Bezug auf das Zurücktreten
der Kabinetspolitik gegenüber den Volksleidenſchaften, ge-
than hat. Wenn die „Deutſche Tagesztg.“ die letztere Aus-
laſſung dahin auslegt, daß der wirthſchaftliche Neid der
Engländer gegen uns im Wachſen ſei, daß die engliſche
Ländergier immer weiter ausgreife, daß die britiſche Regie-
rung der Volksleidenſchaft ſchließlich nachgeben-müſſe,
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche)
Auseinanderſetzung zwiſchen Deutſchland und Großbritan-
nien ſein werde, ſo geht die „Deutſche Tagesztg.“ einen
und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche)
Bülow eine kriegeriſche Auseinanderſetzung zwiſchen
Deutſchland und Großbritannien geſchildert, ſondern er
hat nur, und ſicherlich mit vollem Recht, die Möglich-
keit
angedeutet, daß ſie eintreten könne. Derartige Ent-
wicklungen als unvermeidlich anzukündigen, hat auch Fürſt
Bismarck abgelehnt, indem er betonte, daß unvorher-
geſehene Wendungen eintreten können, welche die anſchei-
nend ſicherſte Vorausſage zunichte machen.

Deutſcher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums.

* Der Deutſche Verein für den Schutz des gewerblichen
Eigenthums
hielt am 29. März dieſee Jahres im Saale des
Kaiſerlichen Patentamts zu Berlin eine gut befuchte Ver-
ſammlung ab. Ergänzend iſt darüber folgendes zu berichten.
Hr. Patentanwalt Loubier, der über das Waarenverzeichniß unter
dem Geſetz zum Schutz der Waarenzeichen ſprach, kam zu dem
von der Mehrheit der Anweſenden als durchaus richtig an-
erkannten Schluß, daß die Vorſchrift des Waarenzeichen-
geſetzes,
wonach die Eintragung nur für beſtimmte Waaren
zuläſſig ſei, eine ſchwere Beläſtigung ſolcher Induſtrien und
Handelsfirmen bedeute, welche einen derartig umfaſſenden Waaren-
vertrieb haben, daß eine Aufzählung der einzelnen Waaren un-
möglich ſcheint. Dies gilt beſonders auch von Exportfirmen. Es
wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß das Patentamt von ſeiner
diskretionären Befugniß Gebrauch mache, ſtatt der Aufzählung
der einzelnen Waaren auch die Angabe von Gattungen und
größeren allgemeinen Gruppen von Waaren zuzulaſſen. Hierauf
ſprach Hr. Privatdozent Dr. Paul Alexander-Katz über die
Nichtigkeit eines Patents wegen Kolliſion mit einem früher an-
gemeldeten Patent. Er legte ſeinen intereſſanten Ausführungen
eine neue Entſcheidung des Reichsgerichts zugrunde, nach welcher
auch ein ſchon erloſchenes Patent die Eintragung eines ſpäter
angemeldeten, mit dem erſten identiſchen Patents nichtig mache.
Dieſer in der deutſchen Rechtſprechung neu eingeführte Grundſatz
wurde als ein erfreulicher Fortſchritt begrüßt und als Zeichen
der Annäherung an die Grundſätze der engliſchen Rechtſprechung,
wonach es der Hauptzweck des Patentrechts ſein müſſe, die Er-
findungen dem Publikum zuzuführen und zu verhindern, daß
ſolche Patente, welche ſchon im Einzelbeſitz geweſen und dann er-
loſchen ſind, nachträglich zum Gegenſtand einer neuen Anmeldung
gemacht werden können. Der Vorſitzende der Verſammlung theilte
noch mit, daß ein Theil der Berichte für den im Mai ſtatt-
findenden Frankfurter Kongreß für gewerblichen Rechtsſchutz ſchon
fertig vorliege. Die Theilnahme der füddeutſchen und weſt-
deutſchen Induſtrien an dieſem Kongreß ſcheint ſehr rege werden
zu wollen.

Propaganda der That.

* Unter der vorſtehenden Ueberſchrift ſpricht ſich in dem
Anarchiſtenblatt „Neues Leben“ ein gewiſſer „Nero“ über
die Propaganda der That aus. Angeblich liegt es
„Nero“ fern, die Propaganda der That zu empfehlen, aber
— „ebenſowenig kann ich dieſelbe auch nicht (sie!) ver-
dammen“. Weßhalb „Nero“ die Propaganda der That nicht
verdammt, darüber ſagt er das Nachſtehende:

„Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt
hat, womit man der Maſſe Sand in die Augen ſtreut, dann weiß
man auch, daß einer jeden That, gleichviel, ob gut oder bös, eine
Urſache zugrunde lag. Keine Urſache ohne Wirkung, das ſollte
doch heute ſchon jeder Proletar wiſſen. In den ſogenannten
beſſeren Kreiſen ſcheint das nicht der Fall zu ſein, denn gerade
jene Kreiſe ſind es, die zur Propaganda der That aufreizen,
oder ſollte das keine Aufreizung ſein, wenn ich geſund
und kräftig voll Lebensluſt gern arbeiten will und Jener kommt
und ſagt, wenn du arbeiten willſt, was in dieſem Fall gleich-
bedeutend mit Leben iſt, ſo mußt du mir ſo oder ſoviel von
dieſem Arbeitsertrag abgeben,
damit ich und meines-
gleichen ein ſorgenloſes und genußreiches Leben führen können,
und daß wir dich beherrſchen, damit du nicht an deiner Sklaven-
kette rütteln kannſt.“

Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent-
ſchuldigen, die Konſtruktion der „Aufreizung“ ſich ſo leicht
macht, deſſen Entſchuldigung der Propaganda der That läuft
auf ihre Empfehlung hinaus.

Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutſch-Samoa.

* Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl-
informirter Seite geſchrieben:

Es iſt natürlich, daß ſich Weiße und Eingeborene zur
Zeit eifrig mit den der neuen Verwaltung zunächſt obliegenden
wichtigen Fragen beſchäftigen. Da iſt zunächſt die Beſteue-
rung der Eingeborenen.
Nach Art. VI des Berliner
Vertrags war den Eingeborenen die äußerſt geringe Kopf-
ſteuer von 1 Dollar pro Jahr auferlegt, welche ſich aber nur
auf den männlichen Theil der Bevölkerung bezog, und zwar
erſt von dem Zeitpunkt ab, wo ein junger Mann kräftig
genug iſt, eine Kokosnußpalme zu erklettern. Die hohe Kom-
miſſion für Samoa hat vorgeſchlagen, die Beſteuerung dahin
abzuändern, daß ein jeder Samoaner im Alter von 16 bis
45 Jahren eine Kopfſteuer von 2 Dollars jährlich zahlen ſoll.
Es ſteht zu hoffen, daß ſeitens der neuen Verwaltung dieſer
Vorſchlag der Kommiſſion keine Berückſichtigung finden wird,
[Spaltenumbruch] denn ein unpraktiſcheres Syſtem läßt ſich ſchwer ausdenken.
Es iſt eine allbekannte Thatſache, daß nicht ein Samoaner
aus Hunderten, ja Tauſenden, ſein Alter auch nur einiger-
maßen zuverläſſig angeben kann. Wie ſoll ein Steuerkollektor
imſtande ſein, zu entſcheiden, ob ein junger Samoaner 15
oder 16 Jahre alt iſt? Wird nicht ein jeder Samoaner von
höchſtens 40 Jahren feierlichſt ſchwören, 45 Jahre alt zu
ſein? Dieſes Syſtem würde daher eine Schraube von Schwierig-
keiten ohne Ende ſein und gerechte Einziehung der Steuer zur
Unmöglichkeit machen.

In Samoa iſt die Frage der Beſteuerung der Ein-
geborenen eng mit der Arbeiterfrage verknüpft. Man
ſollte daher den moraliſchen Einfluß, welchen die Beſteuerung
auf die Eingeborenen, wenn richtig angewendet, haben kann,
nicht aus dem Auge verlieren. Wird ein jeder Samoaner
für den ihm auferlegten Steuerbetrag perſönlich verantwort-
lich gehalten, ſo werden die Eingeborenen den Werth ihrer
Arbeit und den Werth des ihnen für ihre Arbeit gezahlten
Lohnes kennen und ſchätzen lernen und mit der Zeit die
Nothwendigkeit und den Vortheil der regelmäßigen Arbeit
einſehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen iſt, wenn man die
ganzen Diſtrikte beſteuert. Vielleicht wäre es auch räthlich,
die Kopfſteuer in eine Beſitzſteuer umzuwandeln, und da
das einzige greifbare, Sicherheit gewährleiſtende Eigenthum
des Samoaners ſein Haus iſt, ſo müßte es eine Haus- und
Hüttenſteuer ſein. Da jedoch die Häuſer der Samoaner ſehr
verſchieden in Bauart, Werth und Größe ſind, ſo könnte die
Steuer keine für alle gleichmäßige ſein, ſondern die großen
impoſanten Häuptlingshäuſer müßten höher beſteuert werden
als die Hütten und Außenhäuſer der gewöhnlichen Leute.
Mit dieſem Syſtem der Beſteuerung ließe ſich auch eine
Kontrole der Behauſungen in hygieniſcher und
ſanitärer Beziehung
verbinden und erleichtern. Die
geradezu erſtaunlichen Erfolge in Deutſch-Oſtafrika mit der
Hüttenſteuer ſollten einen Verſuch in gleicher Richtung auch
für Samoa rathſam erſcheinen laſſen.

Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände-
rungen der Landgeſetze
ſein. Nach dem Berliner Vertrag
iſt den Eingeborenen verboten, außerhalb der Municipalität
Land zu verkaufen, und dürfen ſie ſolches nur mit Zuſtim-
mung des Obergerichtes auf eine Reihe von Jahren ver-
pachten. Es wird nun die Frage ſein, ob die neue Verwal-
tung dieſe Beſtimmung aufrechterhält, oder vielleicht alles
von den Eingeborenen nicht bewohnte oder bebaute Land als
Regierungsbeſitz erklärt. Soll aus den Inſeln etwas ordent-
liches werden, ſo muß der Pflanzungsbetrieb er-
weitert
und müſſen weiße Auſiedler herangezogen wer-
den. Zweifellos bieten große Strecken Landes auf den Höhen-
zügen im Innern der Inſeln, welche zur Zeit wilder Buſch,
ſozuſagen Urwald und weder von den Eingeborenen bewohnt
noch bebaut ſind, brauchbaren Boden für allerhand tropiſche
Kulturanlagen, ſobald ſie durch Wegebau zugänglich ge-
macht ſind. Dies erfordert aber zunächſt die Löſung der
Arbeiterfrage,
ſolange die Samoaner nicht zu an-
dauernder Arbeit zu bewegen ſind, beziehungsweiſe erzogen
werden. Der Nachtrag zu dem deutſch-engliſchen Abkommen,
in welchem den Deutſchen das Recht zugeſtanden wird, auf
allen jetzt in britiſchem Beſitz befindlichen Salomonsinſeln
Arbeiter zu rekrutiren unter denſelben Bedingungen wie
nicht auf den Inſeln ſeßhafte Briten, iſt für Samoa
von beſonderer Wichtigkeit, Es iſt zweifellos, daß durch
den deutſch-engliſchen Vertrag von 1884, durch welchen
die deutſch-engliſche Demarkationslinie in der Südſee feſtgeſetzt
wurde und die ſüdlichen Salomonsinſeln in britiſchen Beſitz
kamen, der deutſche Pflanzungsbetrieb auf Samoa auf das
empfindlichſte geſchädigt und eine Erweiterung desſelben un-
möglich gemacht wurde; denn beſonders die Arbeiter von den
Inſeln Malayta und Gnadalcanar hatten ſich für Pflanzungs-
arbeit in Samoa auf das beſte bewährt, was man von den
im nördlicher gelegenen deutſchen Schutzgebiete rekrutirten
Leuten leider nicht ſagen kann. Vielleicht wäre es des Ver-
ſuches werth, chineſiſche Arbeiter aus Deutſch-China, ſei
es für öffentliche Arbeiten oder Pflanzungsbetrieb, nach Samoa
einzuführen, aber ſelbſtverſtändlich unter der conditio sine
qua non
, daß ſichere Vorkehrungen getroffen werden, daß die
Leute nach ihrer kontraktlichen Arbeitszeit wieder zurück nach
ihrer Heimath befördert werden und auf dieſe Weiſe eine
dauernde Anſiedelung derſelben in Samoa unter allen Um-
ſtänden ausgeſchloſſen werde.

Sollte nach Samoa deutſches Geld eingeführt
werden, was wohl ſicher in Ausſicht ſteht, wäre es für
den Anfang wenigſtens wünſchenswerth, von den kleineren
Nickel- und Kupfermünzen gänzlich abzuſehen; die kleinſte
gangbare Münze im hieſigen Verkehr iſt zur Zeit der
engliſche Sixpence, gleich 50 Pf. Als natürliche Folge der
Einführung deutſchen Geldes würde ſich ſehr raſch die Noth-
wendigkeit der Errichtung eines Bankinſtituts heraus-
ſtellen. Da die hieſigen größeren Firmen hauptſächlich mit
Hamburg in Geſchäftsverbindung ſtehen, ſo liegt es nahe,
daß ſie der Filiale einer in Hamburg domizilirten Bank den
Vorzug vor anderen geben würden.

Hof- und Perſonalnachrichten.

Tel. Der Kaiſer und die
Kaiſerin beſuchten heute Vormittag den Reichskanzler
Fürſten zu Hohenlohe, um ihn zu ſeinem Geburtstag zu
beglückwünſchen. Um 12½ Uhr empfing der Kaiſer den
Biſchof Anzer im Beiſein des Staatsſekretärs des Aeußern,
Grafen Bülow, und des Staatsſekretärs des Reichs-Marine-
Amts, Tirpitz. — Prinz Georg von Sachſen trifft heute
Abend hier ein. — Wie aus Kiel hierher gemeldet wird, iſt
der Großherzog von Heſſen zu kurzem Beſuch bei dem
Prinzen und der Prinzeſſin Heinrich von Preußen einge-
troffen. — Die „Danz. Ztg.“ meldet in Beſtätigung einer
früheren Nachricht: Das Abſchiedsgeſuch des Generals
v. Lentze wurde vom Kaiſer abgelehnt. Der General bleibt
an der Spitze des XVII. Armeekorps.

Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen.

* Anläßlich eines aus dem Hauſe geſtellten Antrags er-
klärte Finanzminiſter Buchenberger in der Budget-
kommiſſion der Zweiten Kammer, daß die Regierung im
laufenden Jahre mit der Aufhebung und Rückzahlung der
Beamtenkautionen beginnen wird. Die Gründe, die im
Reich, Preußen und anderen Staaten weſentlich beſtimmend
waren, die Kautionen aufzuheben, nämlich die großen, durch
die Verwaltung der Kantionen veranlaßten Koſten, liegen in
Baden nicht vor, weil hier das Syſtem der Baarkautionen
üblich iſt, deren Verwaltung nur geringe Koſten verurſacht.
In erſter Linie kommt hier vielmehr in Betracht — was
[Spaltenumbruch] übrigens auch anderwärts für die Aufhebung geſprochen hat
— daß die thatſächlichen Verluſte infolge Untreue und Fahr-
läſſigkeit im Durchſchnitt längerer Jahre unerheblich ſind.
Die Zahl der Kautionäre beläuft ſich gegenwärtig auf 7238
und der Betrag der eingezahlten Kautionen auf 3,988,000 M.;
dagegen beträgt die Zahl der in den letzten zehn Jahren vor-
gekommenen Unterſchlagungen 66, alſo im Jahr nur 6.6 Fälle.
Nur in 33 Fällen mußte zur Deckung der Defelte auf die
Kaution gegriffen werden. Der Geſammtbetrag der Defekte
war in dieſen zehn Jahren 30,510 M., alſo jährlich 3051 M.,
wobei von den Defekten ihre Deckung fanden: 62.2 Proz. im
Vermögen des ſchuldigen Beamten oder ſeiner Verwandten,
20.9 Proz. der Defekte in der Kaution ſelbſt, während 16 Proz.
(jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft
alſo keine große Gefahr, wenn er, um ſich gegen den Schaden
aus pflichtwidriger Dienſtführung der Beamten zu decken, zu
dem Syſtem der Selbſtverſicherung übergeht.

Berichtigung.
* In der Mittheilung einer Reſolution des Deutſch-ruſſiſchen
Vereins bezüglich des Fleiſcheinfuhrverbots, welche wir dieſer
Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: „Der
in ca. 200 bedeutenden Induſtrie- und Handelshäuſern, 21 Handels-
kammern und 7 großen Verbänden einen ſehr großen Theil u. ſ. w.“
Oeſterreich-Ungarn.
Zum ungariſchen Miniſter am königlichen Hoſtager

wurde an Stelle des kürzlich aus Geſundheitsrückſichten zurück-
getretenen Grafen Emanuel Szechenyi deſſen Oheim, Graf
Julius Szechenyi, ernannt. Der neue Miniſter iſt ein be-
reits bejahrter Herr, 1829 geboren, er war urſprünglich
Huſarenoffizier, lebte dann lange Zeit auf ſeinen Gütern im
Soogyer Komitat, nahm aber zu Deaks Zeiten, zu deſſen
eifrigſten Anhängern er gehörte, an den politiſchen Vor-
gängen Antheil, war Obergeſpan des Oedenburger Komitats
und unter Benſt kurze Zeit Hof- und Miniſterialrath im ge-
meinſamen Miniſterium des Aeußern. Nach den kirchen-
politiſchen Kämpfen, während derer er einer der entſchiedenſten
Vertreter der neuen Geſetze unter den Magnaten war, iſt er
im öffentlichen Leben kaum mehr hervorgetreten. Sein jetziger
Entſchluß, in das ungariſche Kabinet einzutreten, wird haupt-
ſächlich auf ſeine engen Beziehungen zum Miniſterpräſidenten
v. Szell zurückgeführt, dem er eine werthvolle, kräftige Stütze
zu werden verſpricht. Ueberhaupt dürfte das liberale Re-
gime in Ungarn durch die Ernennung Szechenyi’s eine weitere
Stärkung erfahren, was auch auf Oeſterreich nicht ohne Rück-
wirkung bleiben kann, wo der Miniſter a latere die ungari-
ſchen Intereſſen zu vertreten ſpeziell berufen iſt.

Zur Lage. — Von den Landtagen.

* Die ſeit Vertagung des Reichsraths und der Verſtän-
digungskonferenz in Oeſterreich eingetretene politiſche Stille
dauert fort und dürfte auch bis in den Mai hinein anhalten,
wofern nicht unvorherſehbare Zwiſchenfälle eintreten. „Narodni
Liſty“ ſagen zwar, die Regierung ſei ſehr im Irrthum, wenn
ſie glaube, die Entſcheidung über die Sprachenfrage bis in
den Mai — wo angeblich die Verhandlungen der deutſch-
tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz in Wien wieder
aufgenommen werden ſollen — verſchleppen zu können, d. h.
die Tſchechen wollen ſolange auf die Erfüllung ihrer Forde-
rung betreffs Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen
Amtsſprache
nicht warten; aber es iſt den Jungtſchechen
wohl nur darum zu thun, den tſchechiſchen Oppoſitionsſtand-
punkt überhaupt in Erinnerung zu bringen, der ſonſt während
der parlamentariſchen Friedenszeit in Vergeſſenheit zu gerathen
droht, womit den Radikalen wiederum Anlaß zu Ausfällen
gegen die jungtſchechiſche Politik gegeben werden würde. Bis
jetzt hat es nicht den Anſchein, als ob die tſchechiſchen Abge-
ordneten ſich mit der Abſicht trügen, den nationalen Streit
auf dem Boden des Landtags von neuem zu entfachen und
den programmmäßigen Verlauf der Dinge zu ſtören. In der
Prager Landſtube geht es ſogar auffallend ruhig her, weßhalb
denn auch die Verhandlungen wenig bieten, was von allge-
meinem Intereſſe wäre. Mehr bemerkbar als die Tſchechen
machen ſich angenblicklich die Slovenen, jedoch nur durch
negative Bethätigung, indem ſie ihren Landtagen demonſtrativ
fernbleiben. Im ſteieriſchen Landtag verſuchten die Katho-
liſch-Konſervativen ihr Glück mit einem Wahlreform-
autrag,
um ſich eine klerikale Wählermehrheit in den Land-
gemeinden zu ſchaffen. Die deutſchnationale Landtagsmehrheit
wird aber natürlich keinen Selbſtmord begehen und das An-
ſinnen der Minderheit a limine abweiſen. Ebenſo ſelbſtver-
ſtändlich werden die oberöſterreichiſchen Deutſchnatio-
nalen, die ihrerſeits im Landtag einen Antrag auf Einführung
direkter Wahlen in den Landgemeinden ſtellten, bei den ober-
öſterreichiſchen Klerikalen abblitzen.

Rußland.
Perſien als Abſatzmarkt für ruſſiſche Waaren.

* Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des ruſſiſchen
Generalkonſuls in Meſched über das Vordringen der ruſſiſchen
Textilinduſtrie auf dem perſiſchen Markt wuchs die ruſſiſche
Ausfuhr nach Perſien
von 3,697,594 Rubel im Jahre
1897 auf 4,742,653 Rubel im Jahre 1898. Ausgeführt
wurden vorzugsweiſe Baumwollengewebe. Dieſes relativ
raſche Anwachſen der Ausfuhr iſt darauf zurückzuführen, daß
die ruſſiſchen Fabrikanten in den letzten Jahren ſich ſorgfältig
dem Geſchmack der Abnehmer angepaßt haben, zu welchem
Zweck ſie ſich Muſter der in Perſien gangbaren engliſchen
Erzeugniſſe verſchafften. Da die ruſſiſchen Mannfakturwaaren
an Qualität die engliſchen übertrafen, war es ihnen ein
leichtes, den perſiſchen Markt zu gewinnen, umſomehr, als die
Engländer, um an Fracht zu ſparen, leichtere Waare zu
liefern begannen. Choroſſaner Firmen, die früher aus-
ſchließlich engliſche Mannfakturwaaren via Täbris bezogen
und ſie nach Meſched weiter begaben, haben ſeit drei Jahren
ihre Beziehungen zu England abgebrochen und be-
ziehen über die transkaſpiſchen Zollämter ruſſiſche Waare,
die auf dieſe Weiſe bis in das Innere Perſiens dringt. Der
Konkurrenzkampf zwiſchen England und Rußland, der ſich
bisher auf Meſched beſchränkte, verbreitet ſich demnach jetzt
auf ein bedeutendes Territorium. Abgeſehen von Manufaktur-
waaren, macht ſich in Choroſſan eine ſtarke Nachfrage nach
europäiſchen Produkten verſchiedener Art bemerktbar. Es ſteht
ſomit zu erwarten, ſo ſchließt dieſer Konſularbericht, daß die
ruſſiſche Ausfuhr nach Perſien die ſteigende Tendenz beibe-
halten wird. Demnach dürſten auch die neuerdings ange-
regten Verſuche, den öſterreichiſchen Export nach Perſien
zu beleben, auf Schwierigkeiten ſtoßen.

[irrelevantes Material]
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ein&#x017F;ehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen i&#x017F;t, wenn man die<lb/>
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Hütten&#x017F;teuer &#x017F;ein. Da jedoch die Häu&#x017F;er der Samoaner &#x017F;ehr<lb/>
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&#x017F;anitärer Beziehung</hi> verbinden und erleichtern. Die<lb/>
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Hütten&#x017F;teuer &#x017F;ollten einen Ver&#x017F;uch in gleicher Richtung auch<lb/>
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Arbeiter zu rekrutiren unter den&#x017F;elben Bedingungen wie<lb/>
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&#x017F;tellen. Da die hie&#x017F;igen größeren Firmen haupt&#x017F;ächlich mit<lb/>
Hamburg in Ge&#x017F;chäftsverbindung &#x017F;tehen, &#x017F;o liegt es nahe,<lb/>
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Für&#x017F;ten zu <hi rendition="#g">Hohenlohe,</hi> um ihn zu &#x017F;einem Geburtstag zu<lb/>
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Baden nicht vor, weil hier das Sy&#x017F;tem der Baarkautionen<lb/>
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Die Zahl der Kautionäre beläuft &#x017F;ich gegenwärtig auf 7238<lb/>
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(jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft<lb/>
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* In der Mittheilung einer Re&#x017F;olution des Deut&#x017F;ch-ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Vereins bezüglich des Flei&#x017F;cheinfuhrverbots, welche wir die&#x017F;er<lb/>
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&#x017F;ächlich auf &#x017F;eine engen Beziehungen zum Mini&#x017F;terprä&#x017F;identen<lb/>
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[Seite 3.[3]/0003] Nr. 89. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 1. April 1900. Deutſches Reich. Ausweg einer Subkommiſſion zur Entwerfung eines Planes, wies Herr Gröber ſchroff zurück. Statt deſſen drehte er den Spieß um und verlangte von der Regierung einen ſolchen Plan, indem er zugleich für den Fall der Nichterfüllung des Verlangens mit Ablehnung der ganzen Vorlage drohte. Werden ſich die verbündeten Regierungen nunmehr einſchüchtern laſſen? Wenn nicht, ſo ſehen wir auch hier keine Grundlage für eine poſitive Löſung. Der Bund der Landwirthe und die auswärtige Politik. * Die „Deutſche Tagesztg.“ ſchreibt in einer umfangreichen Auslaſſung über Deutſchlands auswärtige Politik, daß ſie die in der letzten Zeit erfolgten Aufklä- rungen, betreffs der Abſichten und des Programms der Lei- tung unſerer auswärtigen Angelegenheiten, „mit Dank entgegennehme.“ Zu jenen Aufklärungen rechnet die „Deutſche Tagesztg.“ einmal den ſcharfen halbamtlichen Widerſpruch gegen allerhand Ausſtreuungen eines Berliner Journals, das Deutſchland im Schlepptaue Englands er- ſcheinen ließ, zum zweiten die Erklärungen, die Graf Bü- low jüngſt in der Budgetkommiſſion in Bezug auf das Anwachſen der imperialiſtiſchen Strömung in Großbritannien, in Bezug auf das Zurücktreten der Kabinetspolitik gegenüber den Volksleidenſchaften, ge- than hat. Wenn die „Deutſche Tagesztg.“ die letztere Aus- laſſung dahin auslegt, daß der wirthſchaftliche Neid der Engländer gegen uns im Wachſen ſei, daß die engliſche Ländergier immer weiter ausgreife, daß die britiſche Regie- rung der Volksleidenſchaft ſchließlich nachgeben-müſſe, und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche) Auseinanderſetzung zwiſchen Deutſchland und Großbritan- nien ſein werde, ſo geht die „Deutſche Tagesztg.“ einen und daß das Ende die unvermeidliche (kriegeriſche) Bülow eine kriegeriſche Auseinanderſetzung zwiſchen Deutſchland und Großbritannien geſchildert, ſondern er hat nur, und ſicherlich mit vollem Recht, die Möglich- keit angedeutet, daß ſie eintreten könne. Derartige Ent- wicklungen als unvermeidlich anzukündigen, hat auch Fürſt Bismarck abgelehnt, indem er betonte, daß unvorher- geſehene Wendungen eintreten können, welche die anſchei- nend ſicherſte Vorausſage zunichte machen. Deutſcher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums. * Der Deutſche Verein für den Schutz des gewerblichen Eigenthums hielt am 29. März dieſee Jahres im Saale des Kaiſerlichen Patentamts zu Berlin eine gut befuchte Ver- ſammlung ab. Ergänzend iſt darüber folgendes zu berichten. Hr. Patentanwalt Loubier, der über das Waarenverzeichniß unter dem Geſetz zum Schutz der Waarenzeichen ſprach, kam zu dem von der Mehrheit der Anweſenden als durchaus richtig an- erkannten Schluß, daß die Vorſchrift des Waarenzeichen- geſetzes, wonach die Eintragung nur für beſtimmte Waaren zuläſſig ſei, eine ſchwere Beläſtigung ſolcher Induſtrien und Handelsfirmen bedeute, welche einen derartig umfaſſenden Waaren- vertrieb haben, daß eine Aufzählung der einzelnen Waaren un- möglich ſcheint. Dies gilt beſonders auch von Exportfirmen. Es wurde der Wunſch ausgeſprochen, daß das Patentamt von ſeiner diskretionären Befugniß Gebrauch mache, ſtatt der Aufzählung der einzelnen Waaren auch die Angabe von Gattungen und größeren allgemeinen Gruppen von Waaren zuzulaſſen. Hierauf ſprach Hr. Privatdozent Dr. Paul Alexander-Katz über die Nichtigkeit eines Patents wegen Kolliſion mit einem früher an- gemeldeten Patent. Er legte ſeinen intereſſanten Ausführungen eine neue Entſcheidung des Reichsgerichts zugrunde, nach welcher auch ein ſchon erloſchenes Patent die Eintragung eines ſpäter angemeldeten, mit dem erſten identiſchen Patents nichtig mache. Dieſer in der deutſchen Rechtſprechung neu eingeführte Grundſatz wurde als ein erfreulicher Fortſchritt begrüßt und als Zeichen der Annäherung an die Grundſätze der engliſchen Rechtſprechung, wonach es der Hauptzweck des Patentrechts ſein müſſe, die Er- findungen dem Publikum zuzuführen und zu verhindern, daß ſolche Patente, welche ſchon im Einzelbeſitz geweſen und dann er- loſchen ſind, nachträglich zum Gegenſtand einer neuen Anmeldung gemacht werden können. Der Vorſitzende der Verſammlung theilte noch mit, daß ein Theil der Berichte für den im Mai ſtatt- findenden Frankfurter Kongreß für gewerblichen Rechtsſchutz ſchon fertig vorliege. Die Theilnahme der füddeutſchen und weſt- deutſchen Induſtrien an dieſem Kongreß ſcheint ſehr rege werden zu wollen. Propaganda der That. * Unter der vorſtehenden Ueberſchrift ſpricht ſich in dem Anarchiſtenblatt „Neues Leben“ ein gewiſſer „Nero“ über die Propaganda der That aus. Angeblich liegt es „Nero“ fern, die Propaganda der That zu empfehlen, aber — „ebenſowenig kann ich dieſelbe auch nicht (sie!) ver- dammen“. Weßhalb „Nero“ die Propaganda der That nicht verdammt, darüber ſagt er das Nachſtehende: „Wenn man das ganze Getriebe gründlich kennen gelernt hat, womit man der Maſſe Sand in die Augen ſtreut, dann weiß man auch, daß einer jeden That, gleichviel, ob gut oder bös, eine Urſache zugrunde lag. Keine Urſache ohne Wirkung, das ſollte doch heute ſchon jeder Proletar wiſſen. In den ſogenannten beſſeren Kreiſen ſcheint das nicht der Fall zu ſein, denn gerade jene Kreiſe ſind es, die zur Propaganda der That aufreizen, oder ſollte das keine Aufreizung ſein, wenn ich geſund und kräftig voll Lebensluſt gern arbeiten will und Jener kommt und ſagt, wenn du arbeiten willſt, was in dieſem Fall gleich- bedeutend mit Leben iſt, ſo mußt du mir ſo oder ſoviel von dieſem Arbeitsertrag abgeben, damit ich und meines- gleichen ein ſorgenloſes und genußreiches Leben führen können, und daß wir dich beherrſchen, damit du nicht an deiner Sklaven- kette rütteln kannſt.“ Wer zu dem Zweck, die Propaganda der That zu ent- ſchuldigen, die Konſtruktion der „Aufreizung“ ſich ſo leicht macht, deſſen Entſchuldigung der Propaganda der That läuft auf ihre Empfehlung hinaus. Aufgaben der neuen Verwaltung in Deutſch-Samoa. * Aus Apia wird unter dem 23. Februar von wohl- informirter Seite geſchrieben: Es iſt natürlich, daß ſich Weiße und Eingeborene zur Zeit eifrig mit den der neuen Verwaltung zunächſt obliegenden wichtigen Fragen beſchäftigen. Da iſt zunächſt die Beſteue- rung der Eingeborenen. Nach Art. VI des Berliner Vertrags war den Eingeborenen die äußerſt geringe Kopf- ſteuer von 1 Dollar pro Jahr auferlegt, welche ſich aber nur auf den männlichen Theil der Bevölkerung bezog, und zwar erſt von dem Zeitpunkt ab, wo ein junger Mann kräftig genug iſt, eine Kokosnußpalme zu erklettern. Die hohe Kom- miſſion für Samoa hat vorgeſchlagen, die Beſteuerung dahin abzuändern, daß ein jeder Samoaner im Alter von 16 bis 45 Jahren eine Kopfſteuer von 2 Dollars jährlich zahlen ſoll. Es ſteht zu hoffen, daß ſeitens der neuen Verwaltung dieſer Vorſchlag der Kommiſſion keine Berückſichtigung finden wird, denn ein unpraktiſcheres Syſtem läßt ſich ſchwer ausdenken. Es iſt eine allbekannte Thatſache, daß nicht ein Samoaner aus Hunderten, ja Tauſenden, ſein Alter auch nur einiger- maßen zuverläſſig angeben kann. Wie ſoll ein Steuerkollektor imſtande ſein, zu entſcheiden, ob ein junger Samoaner 15 oder 16 Jahre alt iſt? Wird nicht ein jeder Samoaner von höchſtens 40 Jahren feierlichſt ſchwören, 45 Jahre alt zu ſein? Dieſes Syſtem würde daher eine Schraube von Schwierig- keiten ohne Ende ſein und gerechte Einziehung der Steuer zur Unmöglichkeit machen. In Samoa iſt die Frage der Beſteuerung der Ein- geborenen eng mit der Arbeiterfrage verknüpft. Man ſollte daher den moraliſchen Einfluß, welchen die Beſteuerung auf die Eingeborenen, wenn richtig angewendet, haben kann, nicht aus dem Auge verlieren. Wird ein jeder Samoaner für den ihm auferlegten Steuerbetrag perſönlich verantwort- lich gehalten, ſo werden die Eingeborenen den Werth ihrer Arbeit und den Werth des ihnen für ihre Arbeit gezahlten Lohnes kennen und ſchätzen lernen und mit der Zeit die Nothwendigkeit und den Vortheil der regelmäßigen Arbeit einſehen, ein Erfolg, der nicht zu erzielen iſt, wenn man die ganzen Diſtrikte beſteuert. Vielleicht wäre es auch räthlich, die Kopfſteuer in eine Beſitzſteuer umzuwandeln, und da das einzige greifbare, Sicherheit gewährleiſtende Eigenthum des Samoaners ſein Haus iſt, ſo müßte es eine Haus- und Hüttenſteuer ſein. Da jedoch die Häuſer der Samoaner ſehr verſchieden in Bauart, Werth und Größe ſind, ſo könnte die Steuer keine für alle gleichmäßige ſein, ſondern die großen impoſanten Häuptlingshäuſer müßten höher beſteuert werden als die Hütten und Außenhäuſer der gewöhnlichen Leute. Mit dieſem Syſtem der Beſteuerung ließe ſich auch eine Kontrole der Behauſungen in hygieniſcher und ſanitärer Beziehung verbinden und erleichtern. Die geradezu erſtaunlichen Erfolge in Deutſch-Oſtafrika mit der Hüttenſteuer ſollten einen Verſuch in gleicher Richtung auch für Samoa rathſam erſcheinen laſſen. Von gleicher Wichtigkeit werden eventuelle Abände- rungen der Landgeſetze ſein. Nach dem Berliner Vertrag iſt den Eingeborenen verboten, außerhalb der Municipalität Land zu verkaufen, und dürfen ſie ſolches nur mit Zuſtim- mung des Obergerichtes auf eine Reihe von Jahren ver- pachten. Es wird nun die Frage ſein, ob die neue Verwal- tung dieſe Beſtimmung aufrechterhält, oder vielleicht alles von den Eingeborenen nicht bewohnte oder bebaute Land als Regierungsbeſitz erklärt. Soll aus den Inſeln etwas ordent- liches werden, ſo muß der Pflanzungsbetrieb er- weitert und müſſen weiße Auſiedler herangezogen wer- den. Zweifellos bieten große Strecken Landes auf den Höhen- zügen im Innern der Inſeln, welche zur Zeit wilder Buſch, ſozuſagen Urwald und weder von den Eingeborenen bewohnt noch bebaut ſind, brauchbaren Boden für allerhand tropiſche Kulturanlagen, ſobald ſie durch Wegebau zugänglich ge- macht ſind. Dies erfordert aber zunächſt die Löſung der Arbeiterfrage, ſolange die Samoaner nicht zu an- dauernder Arbeit zu bewegen ſind, beziehungsweiſe erzogen werden. Der Nachtrag zu dem deutſch-engliſchen Abkommen, in welchem den Deutſchen das Recht zugeſtanden wird, auf allen jetzt in britiſchem Beſitz befindlichen Salomonsinſeln Arbeiter zu rekrutiren unter denſelben Bedingungen wie nicht auf den Inſeln ſeßhafte Briten, iſt für Samoa von beſonderer Wichtigkeit, Es iſt zweifellos, daß durch den deutſch-engliſchen Vertrag von 1884, durch welchen die deutſch-engliſche Demarkationslinie in der Südſee feſtgeſetzt wurde und die ſüdlichen Salomonsinſeln in britiſchen Beſitz kamen, der deutſche Pflanzungsbetrieb auf Samoa auf das empfindlichſte geſchädigt und eine Erweiterung desſelben un- möglich gemacht wurde; denn beſonders die Arbeiter von den Inſeln Malayta und Gnadalcanar hatten ſich für Pflanzungs- arbeit in Samoa auf das beſte bewährt, was man von den im nördlicher gelegenen deutſchen Schutzgebiete rekrutirten Leuten leider nicht ſagen kann. Vielleicht wäre es des Ver- ſuches werth, chineſiſche Arbeiter aus Deutſch-China, ſei es für öffentliche Arbeiten oder Pflanzungsbetrieb, nach Samoa einzuführen, aber ſelbſtverſtändlich unter der conditio sine qua non, daß ſichere Vorkehrungen getroffen werden, daß die Leute nach ihrer kontraktlichen Arbeitszeit wieder zurück nach ihrer Heimath befördert werden und auf dieſe Weiſe eine dauernde Anſiedelung derſelben in Samoa unter allen Um- ſtänden ausgeſchloſſen werde. Sollte nach Samoa deutſches Geld eingeführt werden, was wohl ſicher in Ausſicht ſteht, wäre es für den Anfang wenigſtens wünſchenswerth, von den kleineren Nickel- und Kupfermünzen gänzlich abzuſehen; die kleinſte gangbare Münze im hieſigen Verkehr iſt zur Zeit der engliſche Sixpence, gleich 50 Pf. Als natürliche Folge der Einführung deutſchen Geldes würde ſich ſehr raſch die Noth- wendigkeit der Errichtung eines Bankinſtituts heraus- ſtellen. Da die hieſigen größeren Firmen hauptſächlich mit Hamburg in Geſchäftsverbindung ſtehen, ſo liegt es nahe, daß ſie der Filiale einer in Hamburg domizilirten Bank den Vorzug vor anderen geben würden. Hof- und Perſonalnachrichten. * Berlin, 31. März.Tel. Der Kaiſer und die Kaiſerin beſuchten heute Vormittag den Reichskanzler Fürſten zu Hohenlohe, um ihn zu ſeinem Geburtstag zu beglückwünſchen. Um 12½ Uhr empfing der Kaiſer den Biſchof Anzer im Beiſein des Staatsſekretärs des Aeußern, Grafen Bülow, und des Staatsſekretärs des Reichs-Marine- Amts, Tirpitz. — Prinz Georg von Sachſen trifft heute Abend hier ein. — Wie aus Kiel hierher gemeldet wird, iſt der Großherzog von Heſſen zu kurzem Beſuch bei dem Prinzen und der Prinzeſſin Heinrich von Preußen einge- troffen. — Die „Danz. Ztg.“ meldet in Beſtätigung einer früheren Nachricht: Das Abſchiedsgeſuch des Generals v. Lentze wurde vom Kaiſer abgelehnt. Der General bleibt an der Spitze des XVII. Armeekorps. Baden: Aufhebung der Beamtenkantionen. * Anläßlich eines aus dem Hauſe geſtellten Antrags er- klärte Finanzminiſter Buchenberger in der Budget- kommiſſion der Zweiten Kammer, daß die Regierung im laufenden Jahre mit der Aufhebung und Rückzahlung der Beamtenkautionen beginnen wird. Die Gründe, die im Reich, Preußen und anderen Staaten weſentlich beſtimmend waren, die Kautionen aufzuheben, nämlich die großen, durch die Verwaltung der Kantionen veranlaßten Koſten, liegen in Baden nicht vor, weil hier das Syſtem der Baarkautionen üblich iſt, deren Verwaltung nur geringe Koſten verurſacht. In erſter Linie kommt hier vielmehr in Betracht — was übrigens auch anderwärts für die Aufhebung geſprochen hat — daß die thatſächlichen Verluſte infolge Untreue und Fahr- läſſigkeit im Durchſchnitt längerer Jahre unerheblich ſind. Die Zahl der Kautionäre beläuft ſich gegenwärtig auf 7238 und der Betrag der eingezahlten Kautionen auf 3,988,000 M.; dagegen beträgt die Zahl der in den letzten zehn Jahren vor- gekommenen Unterſchlagungen 66, alſo im Jahr nur 6.6 Fälle. Nur in 33 Fällen mußte zur Deckung der Defelte auf die Kaution gegriffen werden. Der Geſammtbetrag der Defekte war in dieſen zehn Jahren 30,510 M., alſo jährlich 3051 M., wobei von den Defekten ihre Deckung fanden: 62.2 Proz. im Vermögen des ſchuldigen Beamten oder ſeiner Verwandten, 20.9 Proz. der Defekte in der Kaution ſelbſt, während 16 Proz. (jährlich nur 516 M.) ungedeckt blieben. Der Staat läuft alſo keine große Gefahr, wenn er, um ſich gegen den Schaden aus pflichtwidriger Dienſtführung der Beamten zu decken, zu dem Syſtem der Selbſtverſicherung übergeht. Berichtigung. * In der Mittheilung einer Reſolution des Deutſch-ruſſiſchen Vereins bezüglich des Fleiſcheinfuhrverbots, welche wir dieſer Tage veröffentlichten, muß es Zeile 2 und folgende heißen: „Der in ca. 200 bedeutenden Induſtrie- und Handelshäuſern, 21 Handels- kammern und 7 großen Verbänden einen ſehr großen Theil u. ſ. w.“ Oeſterreich-Ungarn. Zum ungariſchen Miniſter am königlichen Hoſtager wurde an Stelle des kürzlich aus Geſundheitsrückſichten zurück- getretenen Grafen Emanuel Szechenyi deſſen Oheim, Graf Julius Szechenyi, ernannt. Der neue Miniſter iſt ein be- reits bejahrter Herr, 1829 geboren, er war urſprünglich Huſarenoffizier, lebte dann lange Zeit auf ſeinen Gütern im Soogyer Komitat, nahm aber zu Deaks Zeiten, zu deſſen eifrigſten Anhängern er gehörte, an den politiſchen Vor- gängen Antheil, war Obergeſpan des Oedenburger Komitats und unter Benſt kurze Zeit Hof- und Miniſterialrath im ge- meinſamen Miniſterium des Aeußern. Nach den kirchen- politiſchen Kämpfen, während derer er einer der entſchiedenſten Vertreter der neuen Geſetze unter den Magnaten war, iſt er im öffentlichen Leben kaum mehr hervorgetreten. Sein jetziger Entſchluß, in das ungariſche Kabinet einzutreten, wird haupt- ſächlich auf ſeine engen Beziehungen zum Miniſterpräſidenten v. Szell zurückgeführt, dem er eine werthvolle, kräftige Stütze zu werden verſpricht. Ueberhaupt dürfte das liberale Re- gime in Ungarn durch die Ernennung Szechenyi’s eine weitere Stärkung erfahren, was auch auf Oeſterreich nicht ohne Rück- wirkung bleiben kann, wo der Miniſter a latere die ungari- ſchen Intereſſen zu vertreten ſpeziell berufen iſt. Zur Lage. — Von den Landtagen. * Die ſeit Vertagung des Reichsraths und der Verſtän- digungskonferenz in Oeſterreich eingetretene politiſche Stille dauert fort und dürfte auch bis in den Mai hinein anhalten, wofern nicht unvorherſehbare Zwiſchenfälle eintreten. „Narodni Liſty“ ſagen zwar, die Regierung ſei ſehr im Irrthum, wenn ſie glaube, die Entſcheidung über die Sprachenfrage bis in den Mai — wo angeblich die Verhandlungen der deutſch- tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz in Wien wieder aufgenommen werden ſollen — verſchleppen zu können, d. h. die Tſchechen wollen ſolange auf die Erfüllung ihrer Forde- rung betreffs Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen Amtsſprache nicht warten; aber es iſt den Jungtſchechen wohl nur darum zu thun, den tſchechiſchen Oppoſitionsſtand- punkt überhaupt in Erinnerung zu bringen, der ſonſt während der parlamentariſchen Friedenszeit in Vergeſſenheit zu gerathen droht, womit den Radikalen wiederum Anlaß zu Ausfällen gegen die jungtſchechiſche Politik gegeben werden würde. Bis jetzt hat es nicht den Anſchein, als ob die tſchechiſchen Abge- ordneten ſich mit der Abſicht trügen, den nationalen Streit auf dem Boden des Landtags von neuem zu entfachen und den programmmäßigen Verlauf der Dinge zu ſtören. In der Prager Landſtube geht es ſogar auffallend ruhig her, weßhalb denn auch die Verhandlungen wenig bieten, was von allge- meinem Intereſſe wäre. Mehr bemerkbar als die Tſchechen machen ſich angenblicklich die Slovenen, jedoch nur durch negative Bethätigung, indem ſie ihren Landtagen demonſtrativ fernbleiben. Im ſteieriſchen Landtag verſuchten die Katho- liſch-Konſervativen ihr Glück mit einem Wahlreform- autrag, um ſich eine klerikale Wählermehrheit in den Land- gemeinden zu ſchaffen. Die deutſchnationale Landtagsmehrheit wird aber natürlich keinen Selbſtmord begehen und das An- ſinnen der Minderheit a limine abweiſen. Ebenſo ſelbſtver- ſtändlich werden die oberöſterreichiſchen Deutſchnatio- nalen, die ihrerſeits im Landtag einen Antrag auf Einführung direkter Wahlen in den Landgemeinden ſtellten, bei den ober- öſterreichiſchen Klerikalen abblitzen. Rußland. Perſien als Abſatzmarkt für ruſſiſche Waaren. * Nach einem kürzlich eingelaufenen Bericht des ruſſiſchen Generalkonſuls in Meſched über das Vordringen der ruſſiſchen Textilinduſtrie auf dem perſiſchen Markt wuchs die ruſſiſche Ausfuhr nach Perſien von 3,697,594 Rubel im Jahre 1897 auf 4,742,653 Rubel im Jahre 1898. Ausgeführt wurden vorzugsweiſe Baumwollengewebe. Dieſes relativ raſche Anwachſen der Ausfuhr iſt darauf zurückzuführen, daß die ruſſiſchen Fabrikanten in den letzten Jahren ſich ſorgfältig dem Geſchmack der Abnehmer angepaßt haben, zu welchem Zweck ſie ſich Muſter der in Perſien gangbaren engliſchen Erzeugniſſe verſchafften. Da die ruſſiſchen Mannfakturwaaren an Qualität die engliſchen übertrafen, war es ihnen ein leichtes, den perſiſchen Markt zu gewinnen, umſomehr, als die Engländer, um an Fracht zu ſparen, leichtere Waare zu liefern begannen. Choroſſaner Firmen, die früher aus- ſchließlich engliſche Mannfakturwaaren via Täbris bezogen und ſie nach Meſched weiter begaben, haben ſeit drei Jahren ihre Beziehungen zu England abgebrochen und be- ziehen über die transkaſpiſchen Zollämter ruſſiſche Waare, die auf dieſe Weiſe bis in das Innere Perſiens dringt. Der Konkurrenzkampf zwiſchen England und Rußland, der ſich bisher auf Meſched beſchränkte, verbreitet ſich demnach jetzt auf ein bedeutendes Territorium. Abgeſehen von Manufaktur- waaren, macht ſich in Choroſſan eine ſtarke Nachfrage nach europäiſchen Produkten verſchiedener Art bemerktbar. Es ſteht ſomit zu erwarten, ſo ſchließt dieſer Konſularbericht, daß die ruſſiſche Ausfuhr nach Perſien die ſteigende Tendenz beibe- halten wird. Demnach dürſten auch die neuerdings ange- regten Verſuche, den öſterreichiſchen Export nach Perſien zu beleben, auf Schwierigkeiten ſtoßen. _

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 89, 1. April 1900, S. Seite 3.[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine89_1900/3>, abgerufen am 03.12.2024.