Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849. [Spaltenumbruch] Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der * München, 28 März.Wissenschaften in München zur Feier ihres Stiftungs- tages. Die königl. Akademie der Wissenschaften, Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe seit ihrer Stiftung Dieser Verfall wird dann im einzelnen nachgewiesen und als vorzüg- Auch dieß erregt seine Bewunderung daß man in Bayern mit dieser Unsere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beste System einer das Zugleich ist sie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr Die weitere Entwicklung dieser Thätigkeit ist von der Vermehrung Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849. [Spaltenumbruch] Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der * München, 28 März.Wiſſenſchaften in München zur Feier ihres Stiftungs- tages. Die königl. Akademie der Wiſſenſchaften, Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe ſeit ihrer Stiftung Dieſer Verfall wird dann im einzelnen nachgewieſen und als vorzüg- Auch dieß erregt ſeine Bewunderung daß man in Bayern mit dieſer Unſere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beſte Syſtem einer das Zugleich iſt ſie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr Die weitere Entwicklung dieſer Thätigkeit iſt von der Vermehrung <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der<lb/> Wiſſenſchaften in München zur Feier ihres Stiftungs-<lb/> tages.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* München,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <p>Die königl. 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Es werde darum, und weil es<lb/> überhaupt erfreulich und nutzbar ſey wichtige Dinge bei ihrem Urſprung<lb/> zu betrachten, und an ihrer erſten Entfaltung ihre Natur zu erkennen<lb/> nicht außer der Zeit oder der Feier des Tages ferner geachtet werden<lb/> aus den vorliegenden akademiſchen Urkunden und Correſpondenzen jener<lb/> Zeit möglichſt genau und mit Anführung der Worte ſelbſt nachzuweiſen<lb/> unter welchen Umſtänden ſie gegründet wurde, und was ſie gleich anfangs<lb/> geweſen iſt und gewollt hat. Schon am 22 October des Jahres 1758<lb/> hatte ſich Lori, der eigentliche Gründer und Beleber der Akademie, deſſen<lb/> Bildniß darum auch aus der Reihe der übrigen hervorgenommen war,<lb/> und von Kränzen umgeben in der decorirten Tribüne prangte, mit mehre-<lb/> ren Freunden zu jenem Zweck zuſammengethan, um, was auf dem Gebiet<lb/> der Bildung und Wiſſenſchaft für Bayern erſprießlich ſey, anfangs aus<lb/> Furcht vor mächtigen Gegnern im geheim zu berathen. 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Auch dem<lb/> Anfinnen, welches an den Kurfürſten gebracht wurde, daß die Schriften<lb/> der Akademiker der Cenſur des Ordens in Ingolſtadt unterliegen ſollten,<lb/> wurde glücklich vereitelt, und auch Kennedy billigte daß auf dieſe Weiſe<lb/><hi rendition="#aq">contra altare</hi> erreicht wurde. Auch nur einige Jeſuiten, damals in die<lb/> Akademie aufgenommen, würden nach dem Geiſt ihres Ordens geſucht<lb/> haben ſie zu beherrſchen und ihre Zwecke zu vereiteln, die eben dahin<lb/> gingen das Neue und Belebende der Wiſſenſchaften, welches außer Bayern<lb/> ſich geltend gemacht hatte, für das Land zu gewinnen und gegen die ver-<lb/> altete Schulweisheit und Barberei, wie Lori ſagt, in den Kampf zu füh-<lb/> ren. Um aber die Gelegenheiten hartnäckiger Fehde, der man mit ihnen<lb/> und ihren Anhängern entgegenſah, möglichſt zu vermindern, wurde be-<lb/> ſchloſſen alles auf Politik, Theologie und Kirchenthum Bezügliche in die<lb/> Sphäre der akademiſchen Thätigkeit nicht aufzunehmen, und dieſes auf<lb/> Erforſchung und Reinigung der deutſchen Sprache und Veredlung des<lb/> Geſchmacks, auf Geſchichte, beſonders auf hiſtoriſche Kunde von Bayern<lb/> und ſeiner reichen Geſchichtsquellen, auf Topographie, Geographie und<lb/> Alterthümer des Landes und auf Pflege der Naturwiſſenſchaften zu lenken,<lb/> beſonders inſofern ſie für Ackerbau und Gewerbe ſich nützlich erwieſen.<lb/> Als die im Verborgenen eingeleitete Geſellſchaft weit genug gediehen war<lb/> und auch nicht wenige des Adels, die dem Hofe nahe ſtanden, unter ihnen<lb/> den Hrn. v. Kreittmayer, für ihre Zwecke gewonnen hatte, ließ ſie ihre<lb/> Satzungen an den Kurfürſten bringen, und dieſer trug kein Bedenken ſie<lb/> nach reiflicher Erwägung an ſeinem Geburtstag raſch zu unterzeichnen,<lb/><cb/> und ſofort die Errichtung einer Akademie der Wiſſenſchaften zu allgemeiner<lb/> Ueberraſchung verkündigen zu laſſen. Die Freude darüber verbreitete ſich<lb/> über alle deutſchen Länder, und Gottſched wünſcht Bayern auch darum<lb/> Glück zur Erſcheinung der Akademie, die ihn, mehr als irgendein Komet<lb/> hätte thun können, mit der größten Verwunderung erfüllt, ja faſt erſchreckt<lb/> hätte, weil nun die deutſchen Muſen und Wiſſenſchaften, wenn ſie aus<lb/> dem Norden durch Stürme vertrieben würden, im Süden von Deutſch-<lb/> land eine neue Heimath finden könnten, in welche ſie ſich zurückzuziehen<lb/> vermöchten.</p><lb/> <p>Auch dieß erregt ſeine Bewunderung daß man in Bayern mit dieſer<lb/> Sache ſo raſch und ſo entſchieden zu Stande gekommen, während man in<lb/> Sachſen um eine ähnliche Anſtalt ſeit zwanzig Jahren und darüber petitionirt,<lb/> aber nichts erreicht habe. Die Rede ſchließt wie folgt: Der Wunſch und<lb/> die Hoffnung welche Gottſched hegt auch in Sachſen, und zumal in Dres-<lb/> den, eine ähnliche Anſtalt wiſſenſchaftlicher Forſchung gegründet zu ſehen,<lb/> iſt erſt vor einigen Jahren durch die königl. ſächfiſche Geſellſchaft der<lb/> Wiſſenſchaften zu Leipzig in eine theilweiſe Erfüllung gegangen, obgleich<lb/> ein üppiger und prachtliebender Hof dort über große Mittel gebot, und es<lb/> ſeitens der Bevölkerung ſo wenig als in Bayern an Bereitwilligkeit<lb/> und Talenten gefehlt hätte mit der neuen Anſtalt und mit den kurz vorher<lb/> in Berlin und Göttingen gegründeten in Wetteifer zu treten. Auch im<lb/> ſüdlichen Deutſchland fand das Beiſpiel keine Nachahmung, und die ſchon<lb/> von Leibnitz ſo warm empfohlene Gründung einer kaiſerlichen Akademie<lb/> der Wiſſenſchaften zu Wien konnte daſelbſt, trotz des Reichsthums wiſſen-<lb/> ſchaftlicher Mittel und Kräfte, unter der Regierung einer Maria Thereſta<lb/> ſo wenig als unter Joſeph des gewünſchten Erfolges ſich erfreuen; erſt<lb/> unſerer Zeit war es vorbehalten die einer ſolchen Schöpfung dort ent-<lb/> gegenſtehenden Bedenklichkeiten und Hinderniſſe zu beſiegen, und wir be-<lb/> trachten es als ein günſtiges Ereigniß daß unſere Akademie bei ihrer 90-<lb/> jährigen Stiftungsfeier die Errichtung einer Schweſter-Anſtalt in Wien<lb/> begrüßen und ihr ausdrücken kann mit welcher Freude wir auf ihre Ein-<lb/> ladung vom 22 Febr. 1849 mit derſelben in Verbindung und in Gemein-<lb/> ſchaft der Studien treten, nicht ohne den herzlichſten Wunſch daß es ihr<lb/> gelingen möge die Ehre und den Nutzen deutſcher Wiſſenſchaft aus den<lb/> reichen Quellen über welche ſie gebietet, und mit den bewährten Kräften<lb/> die ſie in ſich vereinigt, über alle dem kaiſerlichen Scepter unterworfenen<lb/> bildungsfähigen Völker auszubreiten.</p><lb/> <p>Unſere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der<lb/> Gründung geſtellt wurde, unter keinem Wechſel der Zeiten, der Form und<lb/> der Verhältniſſe aus den Augen verloren. Noch jetzo beſtrebt ſie ſich in<lb/> ihrer erſten Claſſe deutſche Sprache und Litteratur, und in Verbindung<lb/> damit die claſſiſche und orientaliſche Litteratur und was auf Unterricht<lb/> und Schulen ſich bezieht nach Kräften zu fördern. In ihrer hiſtoriſchen<lb/> Claſſe verfolgt ſie mit gleichem Eifer durch Fortſetzung des Nationalwerks<lb/> der <hi rendition="#aq">Monumenta Boica,</hi> denen ſich die <hi rendition="#aq">Regesta rerum Boica um Auto-<lb/> grapha,</hi> von Lang gegründet und von Max Baron v. Freyberg bis zum<lb/> neunten Bande — bis in das Jahr 1407 — fortgeſetzt, anſchließen, und durch<lb/> Vorbereitung eines alle, auch die kleinſten Ortſchaften umfaſſenden hiſto-<lb/> riſch-topographiſchen Lexikons, die hiſtoriſche Kunde des Vaterlandes nach<lb/> allen Seiten hin zu befördern, während die mathematiſch-phyſicaliſche<lb/> Claſſe bemüht iſt neben dem Betrieb und der Bereicherung der ihr ver-<lb/> trauten Wiſſenſchaften, die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des König-<lb/> reichs endlich zum Ziele zu führen. Die Akademie ſucht durch dieſe und<lb/> ähnliche Arbeiten ſich, als die Vertreterin freier und höhergehender Wiſſen-<lb/> ſchaften, des Vertrauens würdig zu erweiſen mit welchem ſie von der Na-<lb/> tion und der Regierung ſich umgeben ſieht, und zufolge von welchem es<lb/> auch im letzten Jahre geſchehen iſt daß ſie ſeitens der Regierung über Er-<lb/> findungen und Unternehmungen welche mit den Wiſſenſchaften verkehren,<lb/> wiederholt zu Gutachten aufgefordert wurde.</p><lb/> <p>Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beſte Syſtem einer das<lb/> ganze Land umfaſſenden Anlage eines elektromagnetiſchen Telegraphen<lb/> Bericht zu erſtatten, der am 15 Dec. abgegangen iſt.</p><lb/> <p>Zugleich iſt ſie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr<lb/> gegründeten wiſſenſchaftlichen Anſtalten des Staats in dem Falle zur Be-<lb/> reicherung, Vermehrung und Führung derſelben beizutragen und durch<lb/> ihre Mitglieder belebend in den reichen Unterricht der Univerſität einzu-<lb/> greifen, welche durch die materiellen und doctrinellen Kräfte der Akademie<lb/> allein ſich zum Range einer der erſten wiſſenſchaftlichen Lehranſtalten von<lb/> Deutſchland erheben konnte.</p><lb/> <p>Die weitere Entwicklung dieſer Thätigkeit iſt von der Vermehrung<lb/> der Mittel, von der Erweiterung der phyſikaliſchen und botaniſchen Anſtalt<lb/> und von der Gründung einer phyſiologiſchen abhängig — Anſtalten über<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Beilage zu Nr. 93 der Allgemeinen Zeitung vom 3 April 1849.
Oeffentliche Sitzung der königlichen Akademie der
Wiſſenſchaften in München zur Feier ihres Stiftungs-
tages.
* München, 28 März.
Die königl. Akademie der Wiſſenſchaften,
am 28 März des Jahres 1759 gegründet, feierte heute ihren neunzig-
jährigen Stiftungstag durch eine öffentliche Sitzung, welcher der neu-
ernannte Miniſter des Innern für Cultus und Unterricht Hr. v. Ringel-
mann nebſt ſeinen Räthen, ſowie ein zahlreiches Publicum beiwohnte.
Die Sitzung wurde mit einem Vortrage des zeitigen Vorſtandes (Friedr.
Thierſch) eröffnet, der bei Verhinderung des Vorſtandes in ſeinem Namen
von Hrn. v. Martius gehalten wurde.
Es wurde zu Anfang bemerkt: die Akademie habe ſeit ihrer Stiftung
unter vielem Wechſel und nicht ohne Kampf und Gefahr, aber im Innern
ſich immer gleich und klar, beſtanden. Es werde darum, und weil es
überhaupt erfreulich und nutzbar ſey wichtige Dinge bei ihrem Urſprung
zu betrachten, und an ihrer erſten Entfaltung ihre Natur zu erkennen
nicht außer der Zeit oder der Feier des Tages ferner geachtet werden
aus den vorliegenden akademiſchen Urkunden und Correſpondenzen jener
Zeit möglichſt genau und mit Anführung der Worte ſelbſt nachzuweiſen
unter welchen Umſtänden ſie gegründet wurde, und was ſie gleich anfangs
geweſen iſt und gewollt hat. Schon am 22 October des Jahres 1758
hatte ſich Lori, der eigentliche Gründer und Beleber der Akademie, deſſen
Bildniß darum auch aus der Reihe der übrigen hervorgenommen war,
und von Kränzen umgeben in der decorirten Tribüne prangte, mit mehre-
ren Freunden zu jenem Zweck zuſammengethan, um, was auf dem Gebiet
der Bildung und Wiſſenſchaft für Bayern erſprießlich ſey, anfangs aus
Furcht vor mächtigen Gegnern im geheim zu berathen. Lori ſelbſt ver-
gleicht darum in einem Brief an Gottſched ſich und ſeine Freunde mit den
Gründern der ſchweizeriſchen Freiheit, welche ſich auf dem Rütli zur Be-
freiung ihres Vaterlandes von fremder Gewaltherrſchaft verbunden hat-
ten. Es wird hierauf nachgewieſen wie, ungeachtet manches erfreulichen
was zu jener Zeit im Staat und in den Wiſſenſchaften geſchah, gleichwohl
alles was auf eigentliche Bildung und wiſſenſchaftliche Entwicklung be-
züglich war, ſich in einem traurigen Verkommniß fand. Lori erklärte:
alle Wege auf denen man die Jugend führe ſeyen Abwege von der Wiſſen-
ſchaft, und glücklich wer am Ende ſeiner Studien das Gefühl geretiet habe
oder neu gewinne daß er wie jener gute Prälat Amort v. Polling, der
Stifter des Parnassus Boicus, von vorn anfangen müſſe um etwas zu
lernen.
Dieſer Verfall wird dann im einzelnen nachgewieſen und als vorzüg-
lichſter Urheber desſelben der mächtige Orden der Jeſuiten bezeichnet, der
ſeit Wilhelm IV den Hof und die Schulen beherrſcht hatte, und fort-
dauernd alles argwöhniſch beobachtete und nachdrücklich befehdete was
ſeinem Reich und ſeinem Einfluß Gefahr drohte. Es war darum auch
nothwendig ſie von der Akademie entfernt zu halten, während man bei
weiterem Ausbreiten des Unternehmens Gelehrte aller Lande und jeglicher
Confeſſion in die Geſellſchaft aufnahm. Sie werden, ſchrieb Lori an
Kennedy, unſere Feinde, aber nicht unſere Mitglieder ſeyn. Auch dem
Anfinnen, welches an den Kurfürſten gebracht wurde, daß die Schriften
der Akademiker der Cenſur des Ordens in Ingolſtadt unterliegen ſollten,
wurde glücklich vereitelt, und auch Kennedy billigte daß auf dieſe Weiſe
contra altare erreicht wurde. Auch nur einige Jeſuiten, damals in die
Akademie aufgenommen, würden nach dem Geiſt ihres Ordens geſucht
haben ſie zu beherrſchen und ihre Zwecke zu vereiteln, die eben dahin
gingen das Neue und Belebende der Wiſſenſchaften, welches außer Bayern
ſich geltend gemacht hatte, für das Land zu gewinnen und gegen die ver-
altete Schulweisheit und Barberei, wie Lori ſagt, in den Kampf zu füh-
ren. Um aber die Gelegenheiten hartnäckiger Fehde, der man mit ihnen
und ihren Anhängern entgegenſah, möglichſt zu vermindern, wurde be-
ſchloſſen alles auf Politik, Theologie und Kirchenthum Bezügliche in die
Sphäre der akademiſchen Thätigkeit nicht aufzunehmen, und dieſes auf
Erforſchung und Reinigung der deutſchen Sprache und Veredlung des
Geſchmacks, auf Geſchichte, beſonders auf hiſtoriſche Kunde von Bayern
und ſeiner reichen Geſchichtsquellen, auf Topographie, Geographie und
Alterthümer des Landes und auf Pflege der Naturwiſſenſchaften zu lenken,
beſonders inſofern ſie für Ackerbau und Gewerbe ſich nützlich erwieſen.
Als die im Verborgenen eingeleitete Geſellſchaft weit genug gediehen war
und auch nicht wenige des Adels, die dem Hofe nahe ſtanden, unter ihnen
den Hrn. v. Kreittmayer, für ihre Zwecke gewonnen hatte, ließ ſie ihre
Satzungen an den Kurfürſten bringen, und dieſer trug kein Bedenken ſie
nach reiflicher Erwägung an ſeinem Geburtstag raſch zu unterzeichnen,
und ſofort die Errichtung einer Akademie der Wiſſenſchaften zu allgemeiner
Ueberraſchung verkündigen zu laſſen. Die Freude darüber verbreitete ſich
über alle deutſchen Länder, und Gottſched wünſcht Bayern auch darum
Glück zur Erſcheinung der Akademie, die ihn, mehr als irgendein Komet
hätte thun können, mit der größten Verwunderung erfüllt, ja faſt erſchreckt
hätte, weil nun die deutſchen Muſen und Wiſſenſchaften, wenn ſie aus
dem Norden durch Stürme vertrieben würden, im Süden von Deutſch-
land eine neue Heimath finden könnten, in welche ſie ſich zurückzuziehen
vermöchten.
Auch dieß erregt ſeine Bewunderung daß man in Bayern mit dieſer
Sache ſo raſch und ſo entſchieden zu Stande gekommen, während man in
Sachſen um eine ähnliche Anſtalt ſeit zwanzig Jahren und darüber petitionirt,
aber nichts erreicht habe. Die Rede ſchließt wie folgt: Der Wunſch und
die Hoffnung welche Gottſched hegt auch in Sachſen, und zumal in Dres-
den, eine ähnliche Anſtalt wiſſenſchaftlicher Forſchung gegründet zu ſehen,
iſt erſt vor einigen Jahren durch die königl. ſächfiſche Geſellſchaft der
Wiſſenſchaften zu Leipzig in eine theilweiſe Erfüllung gegangen, obgleich
ein üppiger und prachtliebender Hof dort über große Mittel gebot, und es
ſeitens der Bevölkerung ſo wenig als in Bayern an Bereitwilligkeit
und Talenten gefehlt hätte mit der neuen Anſtalt und mit den kurz vorher
in Berlin und Göttingen gegründeten in Wetteifer zu treten. Auch im
ſüdlichen Deutſchland fand das Beiſpiel keine Nachahmung, und die ſchon
von Leibnitz ſo warm empfohlene Gründung einer kaiſerlichen Akademie
der Wiſſenſchaften zu Wien konnte daſelbſt, trotz des Reichsthums wiſſen-
ſchaftlicher Mittel und Kräfte, unter der Regierung einer Maria Thereſta
ſo wenig als unter Joſeph des gewünſchten Erfolges ſich erfreuen; erſt
unſerer Zeit war es vorbehalten die einer ſolchen Schöpfung dort ent-
gegenſtehenden Bedenklichkeiten und Hinderniſſe zu beſiegen, und wir be-
trachten es als ein günſtiges Ereigniß daß unſere Akademie bei ihrer 90-
jährigen Stiftungsfeier die Errichtung einer Schweſter-Anſtalt in Wien
begrüßen und ihr ausdrücken kann mit welcher Freude wir auf ihre Ein-
ladung vom 22 Febr. 1849 mit derſelben in Verbindung und in Gemein-
ſchaft der Studien treten, nicht ohne den herzlichſten Wunſch daß es ihr
gelingen möge die Ehre und den Nutzen deutſcher Wiſſenſchaft aus den
reichen Quellen über welche ſie gebietet, und mit den bewährten Kräften
die ſie in ſich vereinigt, über alle dem kaiſerlichen Scepter unterworfenen
bildungsfähigen Völker auszubreiten.
Unſere Akademie hat übrigens das Ziel welches ihr gleich bei der
Gründung geſtellt wurde, unter keinem Wechſel der Zeiten, der Form und
der Verhältniſſe aus den Augen verloren. Noch jetzo beſtrebt ſie ſich in
ihrer erſten Claſſe deutſche Sprache und Litteratur, und in Verbindung
damit die claſſiſche und orientaliſche Litteratur und was auf Unterricht
und Schulen ſich bezieht nach Kräften zu fördern. In ihrer hiſtoriſchen
Claſſe verfolgt ſie mit gleichem Eifer durch Fortſetzung des Nationalwerks
der Monumenta Boica, denen ſich die Regesta rerum Boica um Auto-
grapha, von Lang gegründet und von Max Baron v. Freyberg bis zum
neunten Bande — bis in das Jahr 1407 — fortgeſetzt, anſchließen, und durch
Vorbereitung eines alle, auch die kleinſten Ortſchaften umfaſſenden hiſto-
riſch-topographiſchen Lexikons, die hiſtoriſche Kunde des Vaterlandes nach
allen Seiten hin zu befördern, während die mathematiſch-phyſicaliſche
Claſſe bemüht iſt neben dem Betrieb und der Bereicherung der ihr ver-
trauten Wiſſenſchaften, die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des König-
reichs endlich zum Ziele zu führen. Die Akademie ſucht durch dieſe und
ähnliche Arbeiten ſich, als die Vertreterin freier und höhergehender Wiſſen-
ſchaften, des Vertrauens würdig zu erweiſen mit welchem ſie von der Na-
tion und der Regierung ſich umgeben ſieht, und zufolge von welchem es
auch im letzten Jahre geſchehen iſt daß ſie ſeitens der Regierung über Er-
findungen und Unternehmungen welche mit den Wiſſenſchaften verkehren,
wiederholt zu Gutachten aufgefordert wurde.
Noch zuletzt ward ihr der Auftrag über das beſte Syſtem einer das
ganze Land umfaſſenden Anlage eines elektromagnetiſchen Telegraphen
Bericht zu erſtatten, der am 15 Dec. abgegangen iſt.
Zugleich iſt ſie durch die enge Verbindung der größtentheils von ihr
gegründeten wiſſenſchaftlichen Anſtalten des Staats in dem Falle zur Be-
reicherung, Vermehrung und Führung derſelben beizutragen und durch
ihre Mitglieder belebend in den reichen Unterricht der Univerſität einzu-
greifen, welche durch die materiellen und doctrinellen Kräfte der Akademie
allein ſich zum Range einer der erſten wiſſenſchaftlichen Lehranſtalten von
Deutſchland erheben konnte.
Die weitere Entwicklung dieſer Thätigkeit iſt von der Vermehrung
der Mittel, von der Erweiterung der phyſikaliſchen und botaniſchen Anſtalt
und von der Gründung einer phyſiologiſchen abhängig — Anſtalten über
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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