Allgemeine Zeitung, Nr. 95, 5. April 1849.[Spaltenumbruch]
nen wegen Zusammenziehung preußischer Truppen an der Gränze folgende Der Staatsproceß in Bourges. § Bourges, 29 März.Es geht nicht immer gravitätisch hier zu; Ein Schweizer Urtheil über den piemontesischen Krieg. Die Basler Zeitung urtheilt über den kurzen Feldzug in Pie- Turin. -- Turin, 27 März. In der gestrigen Sitzung des Senates *) Brief des Angeklagten Borme an den Polizeipräfecten Caussidiere.
Vons [Spaltenumbruch]
nen wegen Zuſammenziehung preußiſcher Truppen an der Gränze folgende Der Staatsproceß in Bourges. § Bourges, 29 März.Es geht nicht immer gravitätiſch hier zu; Ein Schweizer Urtheil über den piemonteſiſchen Krieg. Die Basler Zeitung urtheilt über den kurzen Feldzug in Pie- Turin. — Turin, 27 März. In der geſtrigen Sitzung des Senates *) Brief des Angeklagten Borme an den Polizeipräfecten Cauſſidière.
Vons <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0014" n="1462"/><cb/> nen wegen Zuſammenziehung preußiſcher Truppen an der Gränze folgende<lb/> Erklärung ab: <cit><quote>„Nach Strelitz, Stargard und Mirow ſind preußiſche Trup-<lb/> pen lediglich aus Rückſicht auf leichtere Verpflegung und Unterbringung<lb/> der Mannſchaft verlegt worden. Dieſelben ſind bereits den 23 und 24 d.<lb/> aus den genannten Orten zurückgezogen, und die Abtheilungen welchein Stre-<lb/> litz und Mirow ſtationirt geweſen, haben ſofort ihren Rückmarſch nach<lb/> der preußiſchen Gränze angetreten; es iſt jedoch gleichzeitig noch keine ge-<lb/> naue Beſtimmung darüber getroffen worden, wann die aus Stargard zu-<lb/> rückgezogene Abtheilung wieder über die Gränze gehen werde.“</quote></cit></p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Staatsproceß in Bourges.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">§ Bourges,</hi> 29 März.</dateline><lb/> <p>Es geht nicht immer gravitätiſch hier zu;<lb/> ein politiſcher Proceß in Frankreich iſt ein Spiegel des Lebens wie es eben<lb/> iſt, wo Ernſt und Scherz, Wahrheit und Thorheit, Enthuſiasmus und<lb/> Phantaſterei in buntem Wechſel ſich kreuzen. So konnte man bisher<lb/> glauben daß die Legion der Veſuviennes ein ſocialiſtiſcher Mythos, ein<lb/> Spiel der Phantaſie oder eine heitere Ausgeburt des Charivari war, in-deß die Sache hat ihren hiſtoriſchen Boden wie Sie aus beiliegendem Briefe<note place="foot" n="*)">Brief des Angeklagten Borme an den Polizeipräfecten Cauſſidière. <floatingText><body><div type="letter"><p><hi rendition="#aq">Vons<lb/> ignorez sans doule, Monsieur, que je sais aussi bien et peut-ètre<lb/> mieux que vous ce qui se passe dans lous les quartiers de la capitale.<lb/> Hébien! sachez une fois pour toutes que les Vesuviennes me tiennent<lb/> au courant de tout, que ces femmes se glissent partout, méme au<lb/> sein du pouvoir comme au sein des Ministères et de la prefecture<lb/> de police mème! Quand vous m’en vouliez tant. Monsieur, vous<lb/> ignoriez sans doute que le tambour-major des Vesuviennes voyait<lb/> trois fois par jour M***, que mon Etat major composé d’exprincesses<lb/> russes et allemandes de nom, campaient auprès de M. M*** et que<lb/> les dames de la première Compagnie d’Elite, Compagnie des grena-<lb/> diers, assistaient aux réunions secrètes et dans les salons où la<lb/> politique était le sujet de la conversation, que les dames appeleés<lb/> Vésuvtenues à juste titre, allumaient le feu partout où elles se<lb/> présentaient, et qu’il eùt fallu étre trois fois saint pour refouler dans<lb/> son cœur un petit complot tramé contre tel et tel, et au moyen<lb/> duquel la conspiration devait obtenir un portefeuille, la mairie de<lb/> l’aris, une prelecture etc. Signé Borme.</hi></p></div></body></floatingText></note><lb/> ſehen werden, der heute als Actenſtück des Proceſſes vom Vertheidiger des<lb/> Angeklagten Borme vorgebracht wurde und, wie Sie wohl denken können,<lb/> eine große Heiterkeit verbreitete. Wie es ſcheint haben Deutſchland und<lb/> Rußland ihr Contingent auch geſtellt. Zum Verſtändniß muß ich be-<lb/> merken daß Borme Obriſt dieſer Pariſer Amazonen, und der erwähnte<lb/> Tambourmajor <hi rendition="#aq">la plus belle semme de la compagnie</hi> war. Als die<lb/> Nationalgarde am Abend des 15 Mai ins Stadthaus drang und dasſelbe<lb/> von den ungeladenen Gäſten ſäuberte die ſich dort zur Verkündigung einer<lb/> neuen Regierung nach der Invaſion und beabſichtigten Auflöſung der<lb/> Nationalverſammlung verſammelt hatten, wurde auch ein Individuum er-<lb/> griffen das ſich als Generalſecretär der neuen proviſoriſchen Regierung<lb/> eingeſetzt hatte; derſelbe findet ſich jetzt auf der dritten Bank der Ange-<lb/> klagten und iſt eine der widerlichſten Erſcheinungen den Vidocq neulich<lb/> ſehr richtig einen <hi rendition="#aq">idiot méchant</hi> nannte. Es iſt ein kleiner Burſch in<lb/> Marineuniform und einer weißen Weſte <hi rendition="#aq">à la</hi> Robespierre, er will eine<lb/> Art griechiſches Feuer erſunden haben mit dem Lamartine und die ganze<lb/> Nationalverſammlung in die Luft geſprengt werden ſollte. Auch war er<lb/> General einer ſogenannten italieniſchen Legion, viertauſend Mann ſtark.<lb/> Sein Vertheidiger, ein einfacher ſchlichter Advocat aus dem ſüdlichen Frank-<lb/> reich, erklärte daß er ſich in großer Verlegenheit befinde, indem er vor<lb/> einer ſo hohen Verſammlung und vor ſo feinen Ohren in ſeinem uner-<lb/> freulichen ſüdlichen Dialekte, dabei ohne Talent und ohne Beredſamkeit<lb/> ſprechen ſolle, nur das Gefühl eine Pflicht zu erfüllen gebe ihm Muth.<lb/> Hierauf ſetzte er zur Genüge auseinander daß ſein Client eigentlich ins<lb/> Tollhaus gehöre und daß die Geſchwornen ihn unmöglich ſchuldig finden<lb/> könnten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein Schweizer Urtheil über den piemonteſiſchen Krieg.</hi> </head><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Basler Zeitung</hi> urtheilt über den kurzen Feldzug in Pie-<lb/> mont: <cit><quote>„Die ſardiniſche Armee bildete vor Beginn der Feindſeligkeiten eine<lb/> lange ſtaffelförmige Linie von Novara bis zur Trebia hin. Der rechte<lb/> Flügel dieſer Armee bedrohte Parma und war ebenſo bereit ſüdlich vom<lb/> Po zu agiren, als der Linke in die Lombardei einzufallen und Mailand zu<lb/> nehmen. Am 20 März begannen die Operationen. Die 4te piemonteſiſche<lb/> Diviſton ging bei Buffalora über den Teſſin und rückte bis Magenta, nach<lb/> Einigen ſogar bis Roſate vor. Zu ihrem Verwundern fanden die Pie-<lb/> monteſen auf dieſer Hauptſtraße von Turin nach Mailand keinen Feind.<lb/> Sie hätten ohne Zweifel bis Mailand vorrücken und ſich dieſer Stadt be-<lb/> mächtigen können. Radetzky hatte auf den Beſitz Mailands keinen Werth<lb/> gelegt, weil dieſer Punkt für ſeinen Operationsplan nur aeringe oder keine<lb/><cb/> ſtrategiſche Wichtigkeit hatte. Man hatte darauf gerechnet daß Radetzky<lb/> das piemonteſiſche Heer auf lombardiſchem Boden hinter der Adda-Linie<lb/> oder noch weiter zurück erwarten würde; allein der öſterreichiſche Feldmar-<lb/> ſchall war nicht mehr in jener Lage wie voriges Jahr, wo er ſich hinter<lb/> eine Flußlinie auf feſte Stellungen zurückziehen mußte. Er hatte den<lb/> Plan gefaßt ſelbſt die Offenſive zu ergreiſen und den Krieg in das feind-<lb/> liche Land hinüber zu ſpielen. Mit unbegreiflicher Schnelligkeit vereinigte<lb/> er die vier Corps in die ſeine Armee abgetheilt war; aus allen Städten,<lb/> ſelbſt aus Parma und Modena, zog er die Garniſonen an ſich. Es war<lb/> ihm völlig gleichgültig ob eine Ortſchaft nach dem Abzug der Beſatzung<lb/> die dreifarbige Fahne aufpflanze oder nicht; war einmal ein Hauptſchlag<lb/> geführt, ſo ergab ſich alles übrige von ſelbſt. So vereinigte er bei Pavia<lb/> eine Macht von 60 bis 70,000 Mann mit 120 Feuerſchlünden und über-<lb/> ſchritt am 20 den Teſſin. Hier war es wo die lombardiſche Diviſton unter<lb/> Ramorino, die bei Aleſſandria, Bosco und Voghera ſtand, über den Po<lb/> gehen und ihm den Uebergang über den Teſſin hätte ſtreitig machen ſollen,<lb/> was eben nicht geſchehen iſt. Niemand hatte ſich aber auch eines ſolchen<lb/> Manövers verſehen. Mit einer Raſchheit und Energie welche das<lb/> Sprüchwort von der öſterreichiſchen Langſamkeit vollſtändig zu Schanden<lb/> machte, drang Radetzky auf dem rechten Ufer des Teſſin unaufhaltſam<lb/> vorwärts, warf die Feinde und beſetzte Mortara, den Kreuzpunkt dreier<lb/> Straßen. Am 21 hatte er zwei ſiegreiche Gefechte beſtanden und das Cen-<lb/> trum der feindlichen Armee durchbrochen. Der piemonteſiſche Obergeneral<lb/> wurde dadurch genöthigt ſeine ſämmtliche Macht auf ſeinem linken Flügel<lb/> bei Novara zu concentriren. Die vierte Diviſton kehrte eilig über den<lb/> Teſſin zurück, die übrigen Diviſionen rückten nach. Nach eintägiger Ruhe<lb/> beginnt am 23 der Kampf von neuem. Radetzky, ohne Raſt vordringend,<lb/> fand den Feind in den Ebenen von Novara, auf jenen claſſiſchen Feldern<lb/> wo ſchon einmal (1513) die Schweizer über ein franzöſiſches Heer einen<lb/> ſo glänzenden Sieg davon getragen haben. Die Schlacht wird entſchei-<lb/> dend; die piemonteſiſche Armee, die durch die Bemühungen eines polni-<lb/> ſchen Generals wieder auf einen ordentlichen Stand gebracht worden war,<lb/> wird vollſtändig geſchlagen und zerſprengt; Karl Albert legt die Krone<lb/> nieder: das ſind die Reſultate dieſes dreitägigen Feldzugs, der in der Ge-<lb/> ſchichte ohne Beiſpiel iſt. Radetzko kann, wie Cäſar, nach Olmütz ſchrei-<lb/> ben: <hi rendition="#aq">„Veni, vidi vici.“</hi></quote></cit></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Turin.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>— <hi rendition="#b">Turin,</hi> 27 März.</dateline><lb/> <p>In der geſtrigen Sitzung des Senates<lb/> gab der Miniſter Ricci die officiclle Anzeige von der Abdankung Karl<lb/> Alberts, der Thronbeſteigung ſeines Sohnes, und dem Abſchluſſe eines<lb/> Waffenſtillſtandes mit dem Marſchall Radetzky, ohne jedoch die Bedin-<lb/> gungen desſelben mitzutheilen. Nachmittags 5 Uhr erſchienen zwei Pro-<lb/> clamationen des Prinzen-Statthalters Eugen von Savoyen-Carig-<lb/> nan, die eine an die Nationalgarde, die andere an die geſammte Bevöl-<lb/> kerung gerichtet, die Thronbeſteigung Victor Emanuels betreffend. Ein<lb/> Ertraölatt, welches geſtern Abend ausgegeben wurde, enthält die letzten<lb/> Nachrichten von der Armee, die Details der Schlacht bei Novara am<lb/> 23 März. Beſonders interſſant iſt der Anhang, das Verhalten Karl<lb/> Alberts während der Schlacht betreffend. Doch habe ich darüber noch<lb/> einige andere Notizen erhalten. Verzweifelnd an dem Erfolge des Kam-<lb/> pfes ſuchte der unglückliche König in dem Kugelregen den Tod, und er<lb/> würde ihn wohl auch ſicher gefunden haben, trotz der Bemühungen ſeiner<lb/> Begleiter ihn zum Zurückweichen zu bewegen, wenn nicht augenſchein-<lb/> lich die Oeſterreicher ſein Leben zu ſchonen, wo möglich aber ihn einzu-<lb/> ſchließen und gefangen zu nehmen beabſichtigt hätten. Daß Radetzky ſolche<lb/> Befehle gegeben haben mochte, darauf läßt die Stelle ſeiner letzten Pro-<lb/> clamation an ſein Heer ſchließen, wo er ſagt, daß es ihn reue dem<lb/> König als er ihn in Mailand eingeſchloſſen hatte, die Schande der Ge-<lb/> fangennehmung haben erſparen zu wollen. Chrzanowski, welcher einſah daß<lb/> wenn Karl Albert gefangen würde, alles verloren ſey, bewog ihn endlich<lb/> durch diere Vorſtellung ſich zurückzuziehen, und darauf erfolgte alsdann<lb/> die Erklärung des Königs daß er der Krone entſage. Der Eindruck den<lb/> die officielle Bekanntmachung der Ereigniſſe hervorrief, war natürlich<lb/> ein ſchmerzlicher. Mitleid mit dem Schickſale des Königs, mit der be-<lb/> ſiegten tapfern Armee, Verwünſchung derer die dem Lande dieß Loos<lb/> bereiteten, dieß war die Stimmung der Beſſergeſinnten, und die welche an-<lb/> ders dachten, ſchwiegen. Eine Beruhigung iſt es für alle daß der Haupt-<lb/> ſtadt wenigſtens die Schmach erſpart wurde in ihren Mauern den Sie-<lb/> ger aufnehmen zu müſſen. Um 5 Uhr leiſteten die hier befindlichen Trup-<lb/> pen dem neuen Monarchen den Huldigungseid. Die Patrouillen der Na-<lb/> tionalgarde dauerten die Nacht hindurch fort, doch mehr als ſie reinigte<lb/> ein heftiger erfiger Regenguß die Straßen. Die Theater waren geſchloſ-<lb/> ſen. Der neue König ſoll dieſe Nacht hier angelangt ſeyn. Eben (Nach-<lb/> mittags 2 Uhr) ruft die Trommel die Bürgerwehr nach der Piazza di<lb/> Caſtello, um zu ſchwören.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1462/0014]
nen wegen Zuſammenziehung preußiſcher Truppen an der Gränze folgende
Erklärung ab: „Nach Strelitz, Stargard und Mirow ſind preußiſche Trup-
pen lediglich aus Rückſicht auf leichtere Verpflegung und Unterbringung
der Mannſchaft verlegt worden. Dieſelben ſind bereits den 23 und 24 d.
aus den genannten Orten zurückgezogen, und die Abtheilungen welchein Stre-
litz und Mirow ſtationirt geweſen, haben ſofort ihren Rückmarſch nach
der preußiſchen Gränze angetreten; es iſt jedoch gleichzeitig noch keine ge-
naue Beſtimmung darüber getroffen worden, wann die aus Stargard zu-
rückgezogene Abtheilung wieder über die Gränze gehen werde.“
Der Staatsproceß in Bourges.
§ Bourges, 29 März.
Es geht nicht immer gravitätiſch hier zu;
ein politiſcher Proceß in Frankreich iſt ein Spiegel des Lebens wie es eben
iſt, wo Ernſt und Scherz, Wahrheit und Thorheit, Enthuſiasmus und
Phantaſterei in buntem Wechſel ſich kreuzen. So konnte man bisher
glauben daß die Legion der Veſuviennes ein ſocialiſtiſcher Mythos, ein
Spiel der Phantaſie oder eine heitere Ausgeburt des Charivari war, in-deß die Sache hat ihren hiſtoriſchen Boden wie Sie aus beiliegendem Briefe *)
ſehen werden, der heute als Actenſtück des Proceſſes vom Vertheidiger des
Angeklagten Borme vorgebracht wurde und, wie Sie wohl denken können,
eine große Heiterkeit verbreitete. Wie es ſcheint haben Deutſchland und
Rußland ihr Contingent auch geſtellt. Zum Verſtändniß muß ich be-
merken daß Borme Obriſt dieſer Pariſer Amazonen, und der erwähnte
Tambourmajor la plus belle semme de la compagnie war. Als die
Nationalgarde am Abend des 15 Mai ins Stadthaus drang und dasſelbe
von den ungeladenen Gäſten ſäuberte die ſich dort zur Verkündigung einer
neuen Regierung nach der Invaſion und beabſichtigten Auflöſung der
Nationalverſammlung verſammelt hatten, wurde auch ein Individuum er-
griffen das ſich als Generalſecretär der neuen proviſoriſchen Regierung
eingeſetzt hatte; derſelbe findet ſich jetzt auf der dritten Bank der Ange-
klagten und iſt eine der widerlichſten Erſcheinungen den Vidocq neulich
ſehr richtig einen idiot méchant nannte. Es iſt ein kleiner Burſch in
Marineuniform und einer weißen Weſte à la Robespierre, er will eine
Art griechiſches Feuer erſunden haben mit dem Lamartine und die ganze
Nationalverſammlung in die Luft geſprengt werden ſollte. Auch war er
General einer ſogenannten italieniſchen Legion, viertauſend Mann ſtark.
Sein Vertheidiger, ein einfacher ſchlichter Advocat aus dem ſüdlichen Frank-
reich, erklärte daß er ſich in großer Verlegenheit befinde, indem er vor
einer ſo hohen Verſammlung und vor ſo feinen Ohren in ſeinem uner-
freulichen ſüdlichen Dialekte, dabei ohne Talent und ohne Beredſamkeit
ſprechen ſolle, nur das Gefühl eine Pflicht zu erfüllen gebe ihm Muth.
Hierauf ſetzte er zur Genüge auseinander daß ſein Client eigentlich ins
Tollhaus gehöre und daß die Geſchwornen ihn unmöglich ſchuldig finden
könnten.
Ein Schweizer Urtheil über den piemonteſiſchen Krieg.
Die Basler Zeitung urtheilt über den kurzen Feldzug in Pie-
mont: „Die ſardiniſche Armee bildete vor Beginn der Feindſeligkeiten eine
lange ſtaffelförmige Linie von Novara bis zur Trebia hin. Der rechte
Flügel dieſer Armee bedrohte Parma und war ebenſo bereit ſüdlich vom
Po zu agiren, als der Linke in die Lombardei einzufallen und Mailand zu
nehmen. Am 20 März begannen die Operationen. Die 4te piemonteſiſche
Diviſton ging bei Buffalora über den Teſſin und rückte bis Magenta, nach
Einigen ſogar bis Roſate vor. Zu ihrem Verwundern fanden die Pie-
monteſen auf dieſer Hauptſtraße von Turin nach Mailand keinen Feind.
Sie hätten ohne Zweifel bis Mailand vorrücken und ſich dieſer Stadt be-
mächtigen können. Radetzky hatte auf den Beſitz Mailands keinen Werth
gelegt, weil dieſer Punkt für ſeinen Operationsplan nur aeringe oder keine
ſtrategiſche Wichtigkeit hatte. Man hatte darauf gerechnet daß Radetzky
das piemonteſiſche Heer auf lombardiſchem Boden hinter der Adda-Linie
oder noch weiter zurück erwarten würde; allein der öſterreichiſche Feldmar-
ſchall war nicht mehr in jener Lage wie voriges Jahr, wo er ſich hinter
eine Flußlinie auf feſte Stellungen zurückziehen mußte. Er hatte den
Plan gefaßt ſelbſt die Offenſive zu ergreiſen und den Krieg in das feind-
liche Land hinüber zu ſpielen. Mit unbegreiflicher Schnelligkeit vereinigte
er die vier Corps in die ſeine Armee abgetheilt war; aus allen Städten,
ſelbſt aus Parma und Modena, zog er die Garniſonen an ſich. Es war
ihm völlig gleichgültig ob eine Ortſchaft nach dem Abzug der Beſatzung
die dreifarbige Fahne aufpflanze oder nicht; war einmal ein Hauptſchlag
geführt, ſo ergab ſich alles übrige von ſelbſt. So vereinigte er bei Pavia
eine Macht von 60 bis 70,000 Mann mit 120 Feuerſchlünden und über-
ſchritt am 20 den Teſſin. Hier war es wo die lombardiſche Diviſton unter
Ramorino, die bei Aleſſandria, Bosco und Voghera ſtand, über den Po
gehen und ihm den Uebergang über den Teſſin hätte ſtreitig machen ſollen,
was eben nicht geſchehen iſt. Niemand hatte ſich aber auch eines ſolchen
Manövers verſehen. Mit einer Raſchheit und Energie welche das
Sprüchwort von der öſterreichiſchen Langſamkeit vollſtändig zu Schanden
machte, drang Radetzky auf dem rechten Ufer des Teſſin unaufhaltſam
vorwärts, warf die Feinde und beſetzte Mortara, den Kreuzpunkt dreier
Straßen. Am 21 hatte er zwei ſiegreiche Gefechte beſtanden und das Cen-
trum der feindlichen Armee durchbrochen. Der piemonteſiſche Obergeneral
wurde dadurch genöthigt ſeine ſämmtliche Macht auf ſeinem linken Flügel
bei Novara zu concentriren. Die vierte Diviſton kehrte eilig über den
Teſſin zurück, die übrigen Diviſionen rückten nach. Nach eintägiger Ruhe
beginnt am 23 der Kampf von neuem. Radetzky, ohne Raſt vordringend,
fand den Feind in den Ebenen von Novara, auf jenen claſſiſchen Feldern
wo ſchon einmal (1513) die Schweizer über ein franzöſiſches Heer einen
ſo glänzenden Sieg davon getragen haben. Die Schlacht wird entſchei-
dend; die piemonteſiſche Armee, die durch die Bemühungen eines polni-
ſchen Generals wieder auf einen ordentlichen Stand gebracht worden war,
wird vollſtändig geſchlagen und zerſprengt; Karl Albert legt die Krone
nieder: das ſind die Reſultate dieſes dreitägigen Feldzugs, der in der Ge-
ſchichte ohne Beiſpiel iſt. Radetzko kann, wie Cäſar, nach Olmütz ſchrei-
ben: „Veni, vidi vici.“
Turin.
— Turin, 27 März.
In der geſtrigen Sitzung des Senates
gab der Miniſter Ricci die officiclle Anzeige von der Abdankung Karl
Alberts, der Thronbeſteigung ſeines Sohnes, und dem Abſchluſſe eines
Waffenſtillſtandes mit dem Marſchall Radetzky, ohne jedoch die Bedin-
gungen desſelben mitzutheilen. Nachmittags 5 Uhr erſchienen zwei Pro-
clamationen des Prinzen-Statthalters Eugen von Savoyen-Carig-
nan, die eine an die Nationalgarde, die andere an die geſammte Bevöl-
kerung gerichtet, die Thronbeſteigung Victor Emanuels betreffend. Ein
Ertraölatt, welches geſtern Abend ausgegeben wurde, enthält die letzten
Nachrichten von der Armee, die Details der Schlacht bei Novara am
23 März. Beſonders interſſant iſt der Anhang, das Verhalten Karl
Alberts während der Schlacht betreffend. Doch habe ich darüber noch
einige andere Notizen erhalten. Verzweifelnd an dem Erfolge des Kam-
pfes ſuchte der unglückliche König in dem Kugelregen den Tod, und er
würde ihn wohl auch ſicher gefunden haben, trotz der Bemühungen ſeiner
Begleiter ihn zum Zurückweichen zu bewegen, wenn nicht augenſchein-
lich die Oeſterreicher ſein Leben zu ſchonen, wo möglich aber ihn einzu-
ſchließen und gefangen zu nehmen beabſichtigt hätten. Daß Radetzky ſolche
Befehle gegeben haben mochte, darauf läßt die Stelle ſeiner letzten Pro-
clamation an ſein Heer ſchließen, wo er ſagt, daß es ihn reue dem
König als er ihn in Mailand eingeſchloſſen hatte, die Schande der Ge-
fangennehmung haben erſparen zu wollen. Chrzanowski, welcher einſah daß
wenn Karl Albert gefangen würde, alles verloren ſey, bewog ihn endlich
durch diere Vorſtellung ſich zurückzuziehen, und darauf erfolgte alsdann
die Erklärung des Königs daß er der Krone entſage. Der Eindruck den
die officielle Bekanntmachung der Ereigniſſe hervorrief, war natürlich
ein ſchmerzlicher. Mitleid mit dem Schickſale des Königs, mit der be-
ſiegten tapfern Armee, Verwünſchung derer die dem Lande dieß Loos
bereiteten, dieß war die Stimmung der Beſſergeſinnten, und die welche an-
ders dachten, ſchwiegen. Eine Beruhigung iſt es für alle daß der Haupt-
ſtadt wenigſtens die Schmach erſpart wurde in ihren Mauern den Sie-
ger aufnehmen zu müſſen. Um 5 Uhr leiſteten die hier befindlichen Trup-
pen dem neuen Monarchen den Huldigungseid. Die Patrouillen der Na-
tionalgarde dauerten die Nacht hindurch fort, doch mehr als ſie reinigte
ein heftiger erfiger Regenguß die Straßen. Die Theater waren geſchloſ-
ſen. Der neue König ſoll dieſe Nacht hier angelangt ſeyn. Eben (Nach-
mittags 2 Uhr) ruft die Trommel die Bürgerwehr nach der Piazza di
Caſtello, um zu ſchwören.
*) Brief des Angeklagten Borme an den Polizeipräfecten Cauſſidière. Vons
ignorez sans doule, Monsieur, que je sais aussi bien et peut-ètre
mieux que vous ce qui se passe dans lous les quartiers de la capitale.
Hébien! sachez une fois pour toutes que les Vesuviennes me tiennent
au courant de tout, que ces femmes se glissent partout, méme au
sein du pouvoir comme au sein des Ministères et de la prefecture
de police mème! Quand vous m’en vouliez tant. Monsieur, vous
ignoriez sans doute que le tambour-major des Vesuviennes voyait
trois fois par jour M***, que mon Etat major composé d’exprincesses
russes et allemandes de nom, campaient auprès de M. M*** et que
les dames de la première Compagnie d’Elite, Compagnie des grena-
diers, assistaient aux réunions secrètes et dans les salons où la
politique était le sujet de la conversation, que les dames appeleés
Vésuvtenues à juste titre, allumaient le feu partout où elles se
présentaient, et qu’il eùt fallu étre trois fois saint pour refouler dans
son cœur un petit complot tramé contre tel et tel, et au moyen
duquel la conspiration devait obtenir un portefeuille, la mairie de
l’aris, une prelecture etc. Signé Borme.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |