Allgemeine Zeitung, Nr. 96, 6. April 1849.[Spaltenumbruch]
furter Deputation. Die Adresse der ersten Kammer wurde von einer Die Frankfurter Oberpostamts-Zeitung theilt nachstehende *) Die Rede ist heute früh auch direct aus Berlin an uns gelangt.
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furter Deputation. Die Adreſſe der erſten Kammer wurde von einer Die Frankfurter Oberpoſtamts-Zeitung theilt nachſtehende *) Die Rede iſt heute früh auch direct aus Berlin an uns gelangt.
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0004" n="1468"/><cb/> furter Deputation. Die Adreſſe der erſten Kammer wurde von einer<lb/> Commiſſion ausgearbeitet, beſtehend aus den Abgeordneten Kühne, Graf<lb/> Bülow, Graf Alvensleben, Bergmann, Hanſemann, Graf Kanitz, Walter,<lb/> Leue, Graf Wittgenſtein und Eichmann. Vor der Abſtimmung gab<lb/> Stahl noch Anlaß zu einer kleinen Scent. Der Abgeordnete Sperling<lb/> faßte den fünften Satz der Adreſſe ſo auf als ob die Aufzählung der<lb/> Schwierigkeiten eine Abmahnung bedeuten ſolle; er machte deßhalb einen<lb/> Abänderungsvorſchlag. Der Berichterſtatter Walter klärte ihn auf: die<lb/> Adreſſe enthalte vielmehr den unzweideutigſten Wunſch es möchten dieſe<lb/> Schwierigkeiten keine Hemmung herbeiführen; worauf Sperling ſein<lb/> Amendement zurückzog. Stahl bemerkte nun, die Interpretation des<lb/> Referenten ſey eine reine Privaterklärung und jeder Abgeordnete werde<lb/> das Recht haben die Adreſſe auf ſeine Weiſe auszulegen. Er ſage dieß<lb/> zur Motivirung ſeiner Abſtimmung. Lautes Murren begleitete dieſe<lb/> Worte. Der Präſident erwiederte: der Berichterſtatter müſſe auf die<lb/> Amendements eingehen können und vorauszuſetzen ſey daß er im Sinn<lb/> der Commiſſion interpretirt habe. Stahl wollte noch ſprechen, wurde<lb/> aber durch ſtürmiſche Unterbrechung daran gehindert, und der Präſident<lb/> entzog ihm zu guter Letzt noch das Wort. Unter den drei Abgeordneten<lb/> die gegen die Adreſſe ſtimmten, war der ganz und gar ſchwarzweiße Hr.<lb/> v. Gerlach. In der Commiſſion, welche gemäß dem Vincke’ſchen Antrag<lb/> die Adreſſe der zweiten Kammer an den König entwarf, hatte die Linke<lb/> das Uebergewicht. Mit 12 gegen 10 Stimmen wurde ein Entwurf be-<lb/> ſchloſſen, der ſo lautete: „Königliche Majeſtät! Die deutſche Nationalver-<lb/> ſammlung hat durch ihre letzten Beſchlüſſe das Werk der Einigung und<lb/> Kräftigung Deutſchlands ſeiner Vollendung entgegengeführt. Dieſelbe<lb/> hat im Verfolg dieſer Beſchlüſſe Ew. k. Maj. zu der glorreichen Aufgabe<lb/> erkoren das erſte Oberhaupt des wiedererſtandenen Deutſchlands zu ſeyn.<lb/> Die zweite Kammer legt die dringende Bitte ehrfurchtsvoll an Ew. k. Maj.<lb/> königliches Herz die Erwartung der deutſchen Nationalverſammlung und<lb/> die Hoffnungen des durch dieſelbe vertretenen deutſchen Volkes zu erfüllen.<lb/> Wir erkennen nicht die Schwierigkeiten welche ſich der Erreichung dieſes<lb/> großen Ziels entgegenſtellen; aber Ew. Maj. Weisheit, ſowie die That-<lb/> kraft der deutſchen Volksſtämme und die Liebe derſelben zu ihrem Vater-<lb/> land wird Ew. Maj. zuſtimmenden Entſchluß mit Erfolg krönen.“ Die<lb/> Hauptſtelle in der Gegenadreſſe des Grafen Arnim und der äußerſten<lb/> Rechten war folgende: „Ew. M. königliche Weisheit und Hingebung für<lb/> dieſe große Sache wird den richtigen Weg zu finden wiſſen. Unſere Zu-<lb/> verſicht beruht auf dem Bewußtſeyn daß E. v. k. Maj. dieſen Beruf nur in<lb/> der Weiſe übernehmen werden welche mit den Pflichten auch die Kraft zu<lb/> ihrer Erfüllung gibt, niemals aber um des höheren Glanzes Ihrer Krone<lb/> willen davon ablaſſen werden durch den Schutz und durch die Achtung<lb/> jedes Rechts den Wahlſpruch der Könige Preußens auch hier zu bethätigen.“<lb/> Dagegen ſchließt der Vincke’ſche Entwurf mit den Worten: „Wir verkennen<lb/> nicht den Ernſt der Stunde, nicht das ſchwere Gewicht unabweisbarer Er-<lb/> wägungen. Im Angeſicht aber der unberechenbaren Gefahren, wenn in-<lb/> mitten des in allen ſeinen Fugen erſchütterten Continents Deutſchland<lb/> ohne lenkende Hand den ſtreitenden Bewegungen der Zeit überlaſſen bliebe,<lb/> vertrauen wir Ew. Maj. Weisheit und Hingebung für die Sache des<lb/> Vaterlands daß Sie den rechten Weg erkennen und alle Schwierigkeiten<lb/> überwinden werden. Wir legen ehrfurchtsvoll die dringende Bitte an<lb/> Ew. Maj. königliches Herz Sich dem Ruf der deutſchen Nationalver-<lb/> ſammlung nicht entziehen und die Hoffnungen und Erwartungen des<lb/> deutſchen Volks erfüllen zu wollen.“ Arnim und Vincke ſprachen für ihre<lb/> Amendements, Unruh und Berg für den Commiſſionsentwurf. Graf<lb/> Arnim erklärte ſich gegen dieſen, weil dieſer Entwurf offen ſage daß er<lb/> auf dem Boden der Volksſouveränität ſtehe und daß die deutſche Natio-<lb/> nalverſammlung allein berechtigt ſey die Verfaſſung feſtzuſtellen. Er<lb/> erinnerte an Stein und Scharnhorſt, an 1813 und 1840, an den Geiſt der<lb/> im vorigen Jahr als das ſouveräne Volk Preußen aufs neue in Feſſeln zu<lb/> ſchlagen gedroht, auch dieſe Feſſeln geſprengt habe. (Murren links.) Auf<lb/> dieſen Thatſachen fuße das Vertrauen welches jedes ächte Preußenherz<lb/> empfinde bei dem Ruf der an den König ergangen und den er nicht ab-<lb/> lehnen dürfe, weil ſonſt Deutſchland auseinanderzufallen drohe. Nach der<lb/> Rede Arnims gab der Miniſterpräſident dieſelbe Erklärung ab wie in der<lb/> erſten Kammer; die Rechte rief Bravo, auf der Linken wurde geziſcht.<lb/> Unruh erklärte: „Ich und meine politiſchen Freunde wünſchen daß der<lb/> König die Krone auf Grund der Verfaſſung annehme. Man hat gemeint<lb/> daß dadurch ſtatt der Einigkeit Uneinigkeit, und vielleicht gar der Bürger-<lb/> krieg hervorgerufen werden könne. Wir haben aber das Vertrauen daß<lb/> dieß gerade durch die Annahme der Verfaſſung vermieden wird. Die<lb/> deutſchen Staaten ſind mit Ausnahme der ſreien Reichsſtädte conſtitutio-<lb/> nell; ſelbſt die conſervativen Vertreter geſtehen aber zu daß in conſtitu-<lb/> tionellen Staaten die Krone, wenn ihr auch ein abſolutes Veto zuſteht,<lb/> auf die Dauer nicht dem Willen des Volks zu widerſtehen vermag. Daraus<lb/> folgt aber auch daß die Zuſtimmung der Fürſten nicht zweifelhaft er-<lb/> ſcheinen kann, nachdem die Volksvertreter geſprochen und gehandelt haben.“<lb/><hi rendition="#g">Vincke</hi> entgegnete hierauf: wenn man auf dem Standpunkt der Volks-<lb/><cb/> ſouveränität ſtehe, dann müſſe man gerade die Unumſchränktheit der Frank-<lb/> furter Verſammlung negiren; denn eben vermöge der ihm zuſtehenden<lb/> Volksſouveränität könne jeder deutſche Staat bei Feſtſtellung der deutſchen<lb/> Verfaſſung ſein Votum abgeben. Dann ſchließt er mit den Worten:<lb/> „Wir wollen, meine Herren, die deutſche Einheit bilden, nicht aber einzelne<lb/> Volksſtämme unterjochen, und deßhalb wollen wir nicht ohne die Beiſtimmung<lb/> der einzelnen Volksſtämme ein Haus bauen, das dann nur auf Sand gebaut<lb/> ſeyn würde. Ich habe übrigens während der Zeit wo ich im Mittelpunkte<lb/> der deutſchen Bewegung gelebt, die Ueberzeugung gewonnen daß binnen<lb/> kurzem alle deutſchen Regierungen, außer Oeſterreich, ihre freie Zuſtim-<lb/> mung ertheilen werden. Eine Kritik der deutſchen Verfaſſung ſteht mir<lb/> nicht zu; man mag aber von ihr halten was man will, ſo hat man ſich<lb/> doch in der Adreſſe jedes Lobes und jedes Tadels zu enthalten. Der Ar-<lb/> nimſche Entwurf iſt zu ſehr auf Schrauben geſtellt, und enthält keineswe-<lb/> ges die Sprache welche die Volksvertretung reden muß. Ueberdieß wer-<lb/> den durch dieſe Adreſſe gerade Bedenken hervorgerufen, während doch die<lb/> Bedenken zerſtreut werden ſollen welche bei Sr. Majeſtät obwalten kön-<lb/> nen. Es iſt ferner in dem v. Arnimſchen Entwurfe von der Achtung des<lb/> Rechts jener einzelnen Regierung die Rede; ich bin überzeugt daß das<lb/> preußiſche Herrſcherhaus ſtets dem Grundſatze <hi rendition="#aq">„suum cuique“</hi> treu ge-<lb/> blieben, aber ich würde nicht hierauf hinweiſen, als ob ein Zweifel da-<lb/> gegen obwalten könnte daß die Zuſtimmung jedes einzelnen Staates zur<lb/> Bildung des engeren Bundesſtaates erforderlich wäre. Gegen den Com-<lb/> miſſionsentwurf muß ich mich rückſichtlich des Ausdrucks „Thatkraft“ er-<lb/> klären, da dieſer Ausdruck mindeſtens zweideutig iſt, und man darin eine<lb/> indirecte, eventuelle Appellation an die rohe Gewalt finden kann. Ebenſo<lb/> wie gegen eine Kritik, muß ich mich ferner gegen eine unumwundene<lb/> Billigung des Frankfurter Verfaſſungsentwurfs erklären; die gegenwär-<lb/> tige Adreſſe iſt nicht der Art uns hierüber auszuſprechen. Der Com-<lb/> miſſionsentwurf läßt endlich eine gewiſſe Begeiſterung vermiſſen, die uns<lb/> jetzt wahrlich nahe ſeyn ſollte. Ich komme jetzt auf das von mir mitun-<lb/> terzeichnete Amendement. Von einer <hi rendition="#g">factiſchen</hi> Uebernahme der deut-<lb/> ſchen Kaiſerkrone iſt hier nicht die Rede; es ſpricht keinesweges von einem<lb/> factiſchen Oberhaupte, ſondern von einem Oberhaupte auf Grund der<lb/> Verfaſſung. Der Rath, den wir in unſerm Entwurfe Sr. Majeſtät er-<lb/> theilen wollen, beſteht einfach darin: ohne Zögern und Zaudern den ho-<lb/> hen Beruf anzunehmen unter Vorausſetzung der Zuſtimmung der deut-<lb/> ſchen Regierungen. Für die deutſche, wie für die preußiſche Verfaſſung<lb/> ſoll eine Reviſion ſtattfinden; aber wir dürfen dieſer Reviſion hier nicht<lb/> vorgreifen. Der Augenblick iſt ſo ernſt daß wir jetzt nicht um Worte und<lb/> Paragraphen mäkeln dürfen; denn der Reichsverweſer wird vielleicht ſchon<lb/> binnen ganz kurzer Zeit ſeinen hohen Beruf niederlegen!“ Der Redner<lb/> weist noch auf die Möglichkeit hin daß ein anderer deutſcher Fürſt an<lb/> die Stelle des Königs von Preußen gewählt werde und die Wahl an-<lb/> nehme. Einer ſolchen Eventualität müſſe um jeden Preis vorgebeugt<lb/> werden. „Preußen darf ſeinen hiſtoriſchen Beruf nicht verleugnen, den<lb/> es ſeit Jahrhunderten bewährt hat. Ihm verdankt Deutſchland ſeine Auf-<lb/> erſtehung.“ v. Vincke ſchließt unter lebhaftem Beifall der rechten Seite<lb/> des Hauſes mit dem Zuruſe: Deutſchland erwartet daß hier jeder ſeine<lb/> Schuldigkeit thue. — Die Frankfurter Deputation wurde geſtern auf dem<lb/> Potsdamer Bahnhof auch von Mitgliedern der erſten und zweiten Kammer<lb/> empfangen. Im Namen der erſten ſprach Hr. v. Wittgenſtein, im Na-<lb/> men der zweiten Hr. v. Auserswald ſehr warm und herzlich. Wrangel<lb/> hat den ſtädtiſchen Behörden nicht geſtattet der Deputation ein Abend-<lb/> ſtändchen zu bringen. Heute wird dieſelbe einer Vorſtellung im Theater<lb/> beiwohnen, morgen findet ein Feſteſſen ſtatt, das die Mitglieder der Kam-<lb/> mern veranſtalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Frankfurter Oberpoſtamts-Zeitung</hi> theilt nachſtehende<lb/> telegraphiſche Botſchaft mit: „<hi rendition="#g">Frankfurt</hi> a. M., 3 April, 9 Uhr Abends.<lb/> (Telegraphiſche Depeſche.) <hi rendition="#g">Berlin</hi>, 3 April. 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furter Deputation. Die Adreſſe der erſten Kammer wurde von einer
Commiſſion ausgearbeitet, beſtehend aus den Abgeordneten Kühne, Graf
Bülow, Graf Alvensleben, Bergmann, Hanſemann, Graf Kanitz, Walter,
Leue, Graf Wittgenſtein und Eichmann. Vor der Abſtimmung gab
Stahl noch Anlaß zu einer kleinen Scent. Der Abgeordnete Sperling
faßte den fünften Satz der Adreſſe ſo auf als ob die Aufzählung der
Schwierigkeiten eine Abmahnung bedeuten ſolle; er machte deßhalb einen
Abänderungsvorſchlag. Der Berichterſtatter Walter klärte ihn auf: die
Adreſſe enthalte vielmehr den unzweideutigſten Wunſch es möchten dieſe
Schwierigkeiten keine Hemmung herbeiführen; worauf Sperling ſein
Amendement zurückzog. Stahl bemerkte nun, die Interpretation des
Referenten ſey eine reine Privaterklärung und jeder Abgeordnete werde
das Recht haben die Adreſſe auf ſeine Weiſe auszulegen. Er ſage dieß
zur Motivirung ſeiner Abſtimmung. Lautes Murren begleitete dieſe
Worte. Der Präſident erwiederte: der Berichterſtatter müſſe auf die
Amendements eingehen können und vorauszuſetzen ſey daß er im Sinn
der Commiſſion interpretirt habe. Stahl wollte noch ſprechen, wurde
aber durch ſtürmiſche Unterbrechung daran gehindert, und der Präſident
entzog ihm zu guter Letzt noch das Wort. Unter den drei Abgeordneten
die gegen die Adreſſe ſtimmten, war der ganz und gar ſchwarzweiße Hr.
v. Gerlach. In der Commiſſion, welche gemäß dem Vincke’ſchen Antrag
die Adreſſe der zweiten Kammer an den König entwarf, hatte die Linke
das Uebergewicht. Mit 12 gegen 10 Stimmen wurde ein Entwurf be-
ſchloſſen, der ſo lautete: „Königliche Majeſtät! Die deutſche Nationalver-
ſammlung hat durch ihre letzten Beſchlüſſe das Werk der Einigung und
Kräftigung Deutſchlands ſeiner Vollendung entgegengeführt. Dieſelbe
hat im Verfolg dieſer Beſchlüſſe Ew. k. Maj. zu der glorreichen Aufgabe
erkoren das erſte Oberhaupt des wiedererſtandenen Deutſchlands zu ſeyn.
Die zweite Kammer legt die dringende Bitte ehrfurchtsvoll an Ew. k. Maj.
königliches Herz die Erwartung der deutſchen Nationalverſammlung und
die Hoffnungen des durch dieſelbe vertretenen deutſchen Volkes zu erfüllen.
Wir erkennen nicht die Schwierigkeiten welche ſich der Erreichung dieſes
großen Ziels entgegenſtellen; aber Ew. Maj. Weisheit, ſowie die That-
kraft der deutſchen Volksſtämme und die Liebe derſelben zu ihrem Vater-
land wird Ew. Maj. zuſtimmenden Entſchluß mit Erfolg krönen.“ Die
Hauptſtelle in der Gegenadreſſe des Grafen Arnim und der äußerſten
Rechten war folgende: „Ew. M. königliche Weisheit und Hingebung für
dieſe große Sache wird den richtigen Weg zu finden wiſſen. Unſere Zu-
verſicht beruht auf dem Bewußtſeyn daß E. v. k. Maj. dieſen Beruf nur in
der Weiſe übernehmen werden welche mit den Pflichten auch die Kraft zu
ihrer Erfüllung gibt, niemals aber um des höheren Glanzes Ihrer Krone
willen davon ablaſſen werden durch den Schutz und durch die Achtung
jedes Rechts den Wahlſpruch der Könige Preußens auch hier zu bethätigen.“
Dagegen ſchließt der Vincke’ſche Entwurf mit den Worten: „Wir verkennen
nicht den Ernſt der Stunde, nicht das ſchwere Gewicht unabweisbarer Er-
wägungen. Im Angeſicht aber der unberechenbaren Gefahren, wenn in-
mitten des in allen ſeinen Fugen erſchütterten Continents Deutſchland
ohne lenkende Hand den ſtreitenden Bewegungen der Zeit überlaſſen bliebe,
vertrauen wir Ew. Maj. Weisheit und Hingebung für die Sache des
Vaterlands daß Sie den rechten Weg erkennen und alle Schwierigkeiten
überwinden werden. Wir legen ehrfurchtsvoll die dringende Bitte an
Ew. Maj. königliches Herz Sich dem Ruf der deutſchen Nationalver-
ſammlung nicht entziehen und die Hoffnungen und Erwartungen des
deutſchen Volks erfüllen zu wollen.“ Arnim und Vincke ſprachen für ihre
Amendements, Unruh und Berg für den Commiſſionsentwurf. Graf
Arnim erklärte ſich gegen dieſen, weil dieſer Entwurf offen ſage daß er
auf dem Boden der Volksſouveränität ſtehe und daß die deutſche Natio-
nalverſammlung allein berechtigt ſey die Verfaſſung feſtzuſtellen. Er
erinnerte an Stein und Scharnhorſt, an 1813 und 1840, an den Geiſt der
im vorigen Jahr als das ſouveräne Volk Preußen aufs neue in Feſſeln zu
ſchlagen gedroht, auch dieſe Feſſeln geſprengt habe. (Murren links.) Auf
dieſen Thatſachen fuße das Vertrauen welches jedes ächte Preußenherz
empfinde bei dem Ruf der an den König ergangen und den er nicht ab-
lehnen dürfe, weil ſonſt Deutſchland auseinanderzufallen drohe. Nach der
Rede Arnims gab der Miniſterpräſident dieſelbe Erklärung ab wie in der
erſten Kammer; die Rechte rief Bravo, auf der Linken wurde geziſcht.
Unruh erklärte: „Ich und meine politiſchen Freunde wünſchen daß der
König die Krone auf Grund der Verfaſſung annehme. Man hat gemeint
daß dadurch ſtatt der Einigkeit Uneinigkeit, und vielleicht gar der Bürger-
krieg hervorgerufen werden könne. Wir haben aber das Vertrauen daß
dieß gerade durch die Annahme der Verfaſſung vermieden wird. Die
deutſchen Staaten ſind mit Ausnahme der ſreien Reichsſtädte conſtitutio-
nell; ſelbſt die conſervativen Vertreter geſtehen aber zu daß in conſtitu-
tionellen Staaten die Krone, wenn ihr auch ein abſolutes Veto zuſteht,
auf die Dauer nicht dem Willen des Volks zu widerſtehen vermag. Daraus
folgt aber auch daß die Zuſtimmung der Fürſten nicht zweifelhaft er-
ſcheinen kann, nachdem die Volksvertreter geſprochen und gehandelt haben.“
Vincke entgegnete hierauf: wenn man auf dem Standpunkt der Volks-
ſouveränität ſtehe, dann müſſe man gerade die Unumſchränktheit der Frank-
furter Verſammlung negiren; denn eben vermöge der ihm zuſtehenden
Volksſouveränität könne jeder deutſche Staat bei Feſtſtellung der deutſchen
Verfaſſung ſein Votum abgeben. Dann ſchließt er mit den Worten:
„Wir wollen, meine Herren, die deutſche Einheit bilden, nicht aber einzelne
Volksſtämme unterjochen, und deßhalb wollen wir nicht ohne die Beiſtimmung
der einzelnen Volksſtämme ein Haus bauen, das dann nur auf Sand gebaut
ſeyn würde. Ich habe übrigens während der Zeit wo ich im Mittelpunkte
der deutſchen Bewegung gelebt, die Ueberzeugung gewonnen daß binnen
kurzem alle deutſchen Regierungen, außer Oeſterreich, ihre freie Zuſtim-
mung ertheilen werden. Eine Kritik der deutſchen Verfaſſung ſteht mir
nicht zu; man mag aber von ihr halten was man will, ſo hat man ſich
doch in der Adreſſe jedes Lobes und jedes Tadels zu enthalten. Der Ar-
nimſche Entwurf iſt zu ſehr auf Schrauben geſtellt, und enthält keineswe-
ges die Sprache welche die Volksvertretung reden muß. Ueberdieß wer-
den durch dieſe Adreſſe gerade Bedenken hervorgerufen, während doch die
Bedenken zerſtreut werden ſollen welche bei Sr. Majeſtät obwalten kön-
nen. Es iſt ferner in dem v. Arnimſchen Entwurfe von der Achtung des
Rechts jener einzelnen Regierung die Rede; ich bin überzeugt daß das
preußiſche Herrſcherhaus ſtets dem Grundſatze „suum cuique“ treu ge-
blieben, aber ich würde nicht hierauf hinweiſen, als ob ein Zweifel da-
gegen obwalten könnte daß die Zuſtimmung jedes einzelnen Staates zur
Bildung des engeren Bundesſtaates erforderlich wäre. Gegen den Com-
miſſionsentwurf muß ich mich rückſichtlich des Ausdrucks „Thatkraft“ er-
klären, da dieſer Ausdruck mindeſtens zweideutig iſt, und man darin eine
indirecte, eventuelle Appellation an die rohe Gewalt finden kann. Ebenſo
wie gegen eine Kritik, muß ich mich ferner gegen eine unumwundene
Billigung des Frankfurter Verfaſſungsentwurfs erklären; die gegenwär-
tige Adreſſe iſt nicht der Art uns hierüber auszuſprechen. Der Com-
miſſionsentwurf läßt endlich eine gewiſſe Begeiſterung vermiſſen, die uns
jetzt wahrlich nahe ſeyn ſollte. Ich komme jetzt auf das von mir mitun-
terzeichnete Amendement. Von einer factiſchen Uebernahme der deut-
ſchen Kaiſerkrone iſt hier nicht die Rede; es ſpricht keinesweges von einem
factiſchen Oberhaupte, ſondern von einem Oberhaupte auf Grund der
Verfaſſung. Der Rath, den wir in unſerm Entwurfe Sr. Majeſtät er-
theilen wollen, beſteht einfach darin: ohne Zögern und Zaudern den ho-
hen Beruf anzunehmen unter Vorausſetzung der Zuſtimmung der deut-
ſchen Regierungen. Für die deutſche, wie für die preußiſche Verfaſſung
ſoll eine Reviſion ſtattfinden; aber wir dürfen dieſer Reviſion hier nicht
vorgreifen. Der Augenblick iſt ſo ernſt daß wir jetzt nicht um Worte und
Paragraphen mäkeln dürfen; denn der Reichsverweſer wird vielleicht ſchon
binnen ganz kurzer Zeit ſeinen hohen Beruf niederlegen!“ Der Redner
weist noch auf die Möglichkeit hin daß ein anderer deutſcher Fürſt an
die Stelle des Königs von Preußen gewählt werde und die Wahl an-
nehme. Einer ſolchen Eventualität müſſe um jeden Preis vorgebeugt
werden. „Preußen darf ſeinen hiſtoriſchen Beruf nicht verleugnen, den
es ſeit Jahrhunderten bewährt hat. Ihm verdankt Deutſchland ſeine Auf-
erſtehung.“ v. Vincke ſchließt unter lebhaftem Beifall der rechten Seite
des Hauſes mit dem Zuruſe: Deutſchland erwartet daß hier jeder ſeine
Schuldigkeit thue. — Die Frankfurter Deputation wurde geſtern auf dem
Potsdamer Bahnhof auch von Mitgliedern der erſten und zweiten Kammer
empfangen. Im Namen der erſten ſprach Hr. v. Wittgenſtein, im Na-
men der zweiten Hr. v. Auserswald ſehr warm und herzlich. Wrangel
hat den ſtädtiſchen Behörden nicht geſtattet der Deputation ein Abend-
ſtändchen zu bringen. Heute wird dieſelbe einer Vorſtellung im Theater
beiwohnen, morgen findet ein Feſteſſen ſtatt, das die Mitglieder der Kam-
mern veranſtalten.
Die Frankfurter Oberpoſtamts-Zeitung theilt nachſtehende
telegraphiſche Botſchaft mit: „Frankfurt a. M., 3 April, 9 Uhr Abends.
(Telegraphiſche Depeſche.) Berlin, 3 April. Erwiederung Sr. Maj. des
Königs von Preußen auf die Anrede der Deputation der deutſchen Natio-
nalverſammlung. *) Se. Maj. der König hat heute um 11 Uhr auf dem
Schloſſe die Deputation der deutſchen Nationalverſammlung empfangen,
und auf die Anrede derſelben folgendes erwiedert: „Meine Herren! Die
Botſchaft, als deren Träger Sie zu Mir gekommen find, hat Mich tief er-
griffen. Sie hat Meinen Blick auf den König der Könige gelenkt, und
auf die heiligen, unantaſtbaren Pflichten welche Mir als dem Könige Mei-
nes Volkes und als einem der mächtigſten deutſchen Fürſten obliegen;
ſolch ein Blick, meine Herren, macht das Auge klar und das Herz gewiß.
In dem Beſchluß der deutſchen Nationalverſammlung, welchen Sie, meine
Herren, Mir überbringen, erkenne Ich die Stimmen der Vertreter des deut-
ſchen Volkes. Dieſer Ruf gibt Mir ein Anrecht deſſen Werth Ich zu
ſchätzen weiß. Er erfordert, wenn Ich ihm folge, unermeßliche Opfer von
*) Die Rede iſt heute früh auch direct aus Berlin an uns gelangt.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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