Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849.[Spaltenumbruch]
sich mit Gesinnungsgenossen in Baden zum Zweck einer neuen Schild- Da kam der Beschluß der Nationalversammlung über den Waffen- Dieses sind etwa die bewiesenen Anklagepunkte, die denn auch von Gehen wir etwas näher auf diesen für die Procedur wichtigen Punkt Die k. sächsischen Staatseisenbahnen. *** Dresden, 31 März.Bei der unverkennbaren Wichtigkeit der Der ursprüngliche Anschlag für die sächsisch-böhmische Staatseisen- [Spaltenumbruch]
ſich mit Geſinnungsgenoſſen in Baden zum Zweck einer neuen Schild- Da kam der Beſchluß der Nationalverſammlung über den Waffen- Dieſes ſind etwa die bewieſenen Anklagepunkte, die denn auch von Gehen wir etwas näher auf dieſen für die Procedur wichtigen Punkt Die k. ſächſiſchen Staatseiſenbahnen. *** Dresden, 31 März.Bei der unverkennbaren Wichtigkeit der Der urſprüngliche Anſchlag für die ſächſiſch-böhmiſche Staatseiſen- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0013" n="1493"/><cb/> ſich mit Geſinnungsgenoſſen in Baden zum Zweck einer neuen Schild-<lb/> erhebung in Verbindung, ſchleuderte eine Menge von Brandſchriften und<lb/> aufrühreriſchen Zeitungsblättern ins Land, entwarf gemeinſam mit Heinzen<lb/> einen Plan zur Republicaniſirung Deutſchlands, in welchem die ſchlimm-<lb/> ſten Mittel empfohlen wurden. Dort ſprach er mit ſeinem Freunde ge-<lb/> radezu aus: die Gerechtigkeit und Güte der Sache werde nicht genügen<lb/> ihr den Sieg zu verſchaffen, erklärte die Anwendung von humanen, auf<lb/> Ueberzeugung gerichteten Mitteln für lächerliche Thorheit und verderb-<lb/> liche Schwäche, und machte ſich den Grundſatz zu eigen: „Der Zweck hei-<lb/> ligt die Mittel.“</p><lb/> <p>Da kam der Beſchluß der Nationalverſammlung über den Waffen-<lb/> ſtillſtand zu Malmö, die dadurch bewirkte große Aufregung in Deutſch-<lb/> land, der Aufſtand zu Frankfurt. Dieß ſchien die günſtige Zeit zu ſeyn.<lb/> Er hielt eine Vorberathung mit Geſinnungsgenoſſen in Baſel und trat<lb/> mit zwölf andern Perſonen, unter denen ſich Blind befand, am 21 Sept.<lb/> auf das badiſche Gebiet über, indem er gleichzeitig die Weiſung zum Ein-<lb/> bruch auch an andern Punkten der Schweizergränze gab. Mit einer be-<lb/> waffneten Schaar, die ſich ſogleich auf badiſchem Boden bildetc, zog er<lb/> nach Lörrach, proclamirte dort und an andern Orten die Republik, nicht<lb/> bloß für Baden, ſondern für ganz Deutſchland, errichtete zu dem Behuf<lb/> eine proviſoriſche Regierung, deren Schriftführer und Commiſſär für in-<lb/> nere Angelegenheiten Blind war, verkündete das Kriegsrecht, ließ die<lb/> waffenfähige Mannſchaft des Oberlandes unter Androhung von Geld-<lb/> ſtrafen und ſogar der Todesſtrafe (das Standrecht war zu dem Behuf<lb/> verkündet worden) zu einem bewaffneten Zuge aufbieten, welcher denn<lb/> auch mehrere tauſend — die Angaben ſchwanken zwiſchen 4 bis 10,000<lb/> — Mann ſtark zu Stande kam, und in zwei Colonnen getheilt ſich land-<lb/> abwärts bewegte. Die Unternehmer des Aufſtandes griffen dabei zu man-<lb/> nichfachen Mitteln, die nicht bloß nicht vor dem Geſetz, ſondern auch nicht<lb/> vor der Moral beſtehen können; ſie verbreiteten falſche Nachrichten, ſpie-<lb/> gelten dem menſchlichen Eigennutz Vortheile vor — und zwar ſogar in<lb/> einem officiellen, von Struve und Blind als ächt anerkannten republica-<lb/> niſchen Regierungsblatt nebſt Beilage — ſetzten die Beamten ab und<lb/> andere an ihre Stelle, nahmen die Beamten und andere Perſonen feſt,<lb/> ängſtigten einen ſogar ſo ſehr daß er jeden Augenblick ſeiner Erſchießung<lb/> entgegenzuſehen Grund hatte, ließen öffentliche Caſſen im ungefähren<lb/> Betrag vom 20,000 Gulden hinwegnehmen, gaben Anlaß zu einer Menge<lb/> der brutalſten Gewaltthätigkeiten gegen Gemeinden und einzelne Perſo-<lb/> nen, verletzten das Briefgeheimniß und nahmen ſogar Privateigenthum<lb/> das auf der Poſt befördert wurde weg, wie denn auch einige Gelder in<lb/> die Privattaſche von untergeordneten Theilnehmern am Aufſtand floſſen,<lb/> erpreßten Loskaufſummen unter der Form von Cautionen von vielen<lb/> Perſonen zur Befreiung von der Theilnahme an dem Zuge u. ſ. w. Bei<lb/> der Einnahme von Staufen wurden acht Soldaten, zum Theil ſehr ſchwer<lb/> verwundet, und der Eiſenbahnaufſeher Leibbrand, als er entfliehen wollte,<lb/> von einem unbekannten Freiſchärler erſchoſſen, endlich wurde ein Gendarm<lb/> bei einem Ueberfall von Kleinlaufenburg getödtet der, von Struve ver-<lb/> anlaßt, mit dem Hauptunternehmen im Zuſammenhang ſtand.</p><lb/> <p>Dieſes ſind etwa die bewieſenen Anklagepunkte, die denn auch von<lb/> den Angeklagten offen zugeſtanden wurden, inſoweit ſie perſönlich dabei<lb/> betheiligt erſcheinen oder Kenntniß bei der Ausführung hatten, und in-<lb/> ſofern nicht andere, nicht vor den Gerichtsſchranken ſtehende Perſonen in<lb/> dieſelben implicirt ſind. Zur Entlaſtung derſelben hatte Struve keinen<lb/> einzigen Zeugen verlangt, Blind nur zwei, von denen der eine ohnehin als<lb/> Zeuge citirt worden war, der andere aber, General Hoffmann, der die<lb/> Truppen befehligt hatte, deßhalb nicht erſchien weil dasjenige was man<lb/> ihn fragen wollte allbekannt oder in den Acten enthalten war, oder durch<lb/> andere Zeugen beantwortet werden konnte. Dennoch berief ſich Struve<lb/> fort und fort darauf daß man ihm ſeine Beweismittel abgelehnt, d. h.<lb/> die von ihm verlangten Zeugen nicht in den Gerichtsſaal hereinge-<lb/> laſſen habe.</p><lb/> <p>Gehen wir etwas näher auf dieſen für die Procedur wichtigen Punkt<lb/> ein. In einem während ſeiner Haft verfaßten Protokoll und in ſeiner<lb/> Vertheidigungsrede gab Struve zu ſeiner Rechtfertigung fünf Momente<lb/> an. Er ſagte: was ich gethan habe, iſt 1) durch die drei Jahrzehnte hindurch<lb/> dauernden Verfaſſungsverletzungen, insbeſondere in Baden, veranlaßt;<lb/> 2) es iſt gerechtfertigt durch den ebenſo langen Druck auf dem Volke,<lb/> insbeſondere auf dem badiſchen Volke; 3) das Unternehmen ſtützt ſich<lb/> auf den Auftrag durch die Mehrheit des Volkes; 4) die Maßregeln welche<lb/> gegen die Republicaner ergriffen worden ſind, wie die Verhaftung Fick-<lb/> lers und die Vorbereitung zur Verhaftung der andern badiſchen Volks-<lb/> führer, haben keine andere Wahl gelaſſen; 5) die That iſt recht, weil ſie<lb/> zum Beſten des Volks geſchehen iſt. Man ſieht hieraus: nicht wegen<lb/> der einzelnen in der Anklage aufgezählten Handlungen wollte ſich Struve<lb/> vertheidigen, ſondern er ſuchte ſein Beweismaterial in einem Hintergrund,<lb/><cb/> in der ſeiner Schilderhebung vorausgegangenen Politik des Bundestags<lb/> und der badiſchen Regierung, in den Manifeſtationen des Volkswillens<lb/> auf den Volksverſammlungen des März vorigen Jahres, in dem Vor-<lb/> ſchreiten der Regierung in jener Zeit gegen die Häupter der republicani-<lb/> ſchen Partei. Und daraus wird ſich das auffallende erklären daß er eine<lb/> Menge von bekannten, zum Theil hochgeſtellten Perſönlichkeiten, und nur<lb/> dieſe, als Zeugen vernommen zu haben wünſchte, wie Bekk, v. Duſch,<lb/> Blittersdorf, Uria Sarachaga, Riegel, Mathy, Baſſermann, v. Soiron,<lb/> Mez und andere. Dieſe hat man allerdings nicht in den Saal citirt,<lb/> weil man ſagte: das was ſie angeben könnten, ſey entweder notoriſch<lb/> oder unerheblich, d. h. unerheblich für den Gegenbeweis gegen diejenigen<lb/> ſpeciellen Anklagepunkte wegen deren der Angeklagte ſich zu verantworten<lb/> habe. Daß Struve und ſeine Vertheidiger dem heftig widerſprachen,<lb/> verſteht ſich von ſelbſt. Wir ſehen an dieſem Incidenzfall ſchon die Art<lb/> der Gegenſätze die ſich in der Anklage und Vertheidigung geltend machten,<lb/> und die denn auch in der Anklage und Vertheidigung in vollſter Schärfe<lb/> und Ausbildung hervortraten. 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Für die erſtere Bahn ſtanden auf currenter Rechnung der mit 1848<lb/> abgelaufenen Finanzperiode 7,466,600⅔ Thlr., welche bis auf einen Reſt<lb/> von 488,000 Thlr. verwendet worden ſind. Die bei Uebernahme der Bahn<lb/> ſeitens des Staats von der ſie abtretenden Compagnie aufgeſtellte Total-<lb/> anſchlagsſumme von 12 Mill. Thlr. hat ſich als zu gering dargeſtellt;<lb/> vielmehr berechnet ſich dieſelbe nach den berichtigten Voranſchlägen, unter<lb/> Berückſichtigung des übernommenen Actiencapitals von 4,500,000 Thlr.<lb/> und des Altenburg’ſchen Antheils am Actiencapitale von 300,000 Thlr.<lb/> auf eine Geſammtſumme von 13,991,912 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf., alſo bei-<lb/> läufig 14 Mill. Thlr., wozu noch 2,213,245 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf. (jedoch<lb/> einſchließlich des Reſtes von 488,000 Thlr.) erfordert werden. Als Gründe<lb/> dieſes Mehrbedarfs ſind außer der Mangelhaftigkeit des Voranſchlags an-<lb/> geführt: Vertheuerung des zweiten Gleiſes, Verwendung ſtärkerer Schie-<lb/> nen und Maſchinen für den Betrieb auf anfleigender Bahn; unvorgeſehene<lb/> Transportkoſten welche dadurch entſtanden find daß Oberbaumaterial und<lb/> Betriebsmittel über die Strecke von Reichenbach bis Plauen zum Bahn-<lb/> betrieb von da nach Hof nicht auf dem Schienenweg haben beſchafft werden<lb/> können; größerer Bedarf an Granit- und Sandſteinquadern für die Göltzſche-<lb/> thal- und Ilſterbrücken, ſtatt der früher für ausreichend erachteten Back-<lb/> ſteine; der außerordentliche Aufwand an Beförderungsmitteln für den<lb/> Zwiſchenbetrieb der Poſtſtrecke Reichenbach-Plauen. Als Gründe welche<lb/> die unausgeſetzte Fortſetzung der Bauten auf dieſer Lücke anempfehlen,<lb/> wird hervorgehoben daß eine Einſtellung bei den Brückenbauten theils<lb/> einen Zinsverluſt des in den Gerüſthölzern angelegten Capitals, theils<lb/> einen Capitalverluſt in der Verringerung des Werths jener Hülfsapparate<lb/> bei länger anhaltender, mäßiger Preisgebung an die Witterungseinflüſſe<lb/> herbeiführen werde; daß das koſtſpielige Interimiſticum der Poſtverbin-<lb/> dung zwiſchen Reichenbach und Plauen, und des durch dieſe Zwiſchenſtrecke<lb/> getrennten Betriebs der fertigen Bahntheile ſobald als möglich zu beenden<lb/> ſey; daß der volle Verkehrſtrom erſt nach Ausfüllung der Lücke ſich ergie-<lb/> ßen könne, inmittelſt aber die in dieſe Lücke bereits verwendeten Bauſum-<lb/> men unverzinst liegen. Werden nun für das laufende Jahr nur 780,600<lb/> Thlr. beſtimmt, ſo ließe ſich hieraus ungefähr auf eine Vollendung des<lb/> Zwiſchenbaues im Jahr 1851 ſchließen, vorausgeſetzt daß die Kammern —<lb/> den Gründen der Regierung Rechnung tragend — das Erforderte ver-<lb/> willigen.</p><lb/> <p>Der urſprüngliche Anſchlag für die ſächſiſch-böhmiſche Staatseiſen-<lb/> bahn belieſ ſich auf 3,600,000 Thlr., wovon 2,855,000 Thlr. bereits ver-<lb/> wendet ſind. Da der Geſammtbedarf gegenwärtig auf 5,440,000 Thlr.<lb/> ſich berechnet, ſo beträgt das zu ergänzende Deſicit 1,840,000 Thlr., wo-<lb/> von für das laufende Jahr 1,603,400 Thlr. beſtimmt werden. Auch hier<lb/> beträgt der Rechnungsfehler beinahe 2 Mill. Thlr., nur daß er im Ver-<lb/> hältniß zur ſächſiſch bayeriſchen Bahn dreimal größer gegen den urſprüng-<lb/> lichen Anſchlag iſt. Zu ſeiner Entſchuldigung führt die Regierung an daß<lb/> letzterer Anſchlag im Jahr 1841 aufgeſtellt, ſeitdem aber eine bedeutende<lb/> Steigerung in den Anforderungen an die Solidität der Bahnhauten ein-<lb/> getreten ſey; hörbarer ſind die aus den Terrainverhältniſſen, dem Zwi-<lb/> ſchenfalle der für die Erhöhung des Bahnniveau einflußreich gewordenen<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1493/0013]
ſich mit Geſinnungsgenoſſen in Baden zum Zweck einer neuen Schild-
erhebung in Verbindung, ſchleuderte eine Menge von Brandſchriften und
aufrühreriſchen Zeitungsblättern ins Land, entwarf gemeinſam mit Heinzen
einen Plan zur Republicaniſirung Deutſchlands, in welchem die ſchlimm-
ſten Mittel empfohlen wurden. Dort ſprach er mit ſeinem Freunde ge-
radezu aus: die Gerechtigkeit und Güte der Sache werde nicht genügen
ihr den Sieg zu verſchaffen, erklärte die Anwendung von humanen, auf
Ueberzeugung gerichteten Mitteln für lächerliche Thorheit und verderb-
liche Schwäche, und machte ſich den Grundſatz zu eigen: „Der Zweck hei-
ligt die Mittel.“
Da kam der Beſchluß der Nationalverſammlung über den Waffen-
ſtillſtand zu Malmö, die dadurch bewirkte große Aufregung in Deutſch-
land, der Aufſtand zu Frankfurt. Dieß ſchien die günſtige Zeit zu ſeyn.
Er hielt eine Vorberathung mit Geſinnungsgenoſſen in Baſel und trat
mit zwölf andern Perſonen, unter denen ſich Blind befand, am 21 Sept.
auf das badiſche Gebiet über, indem er gleichzeitig die Weiſung zum Ein-
bruch auch an andern Punkten der Schweizergränze gab. Mit einer be-
waffneten Schaar, die ſich ſogleich auf badiſchem Boden bildetc, zog er
nach Lörrach, proclamirte dort und an andern Orten die Republik, nicht
bloß für Baden, ſondern für ganz Deutſchland, errichtete zu dem Behuf
eine proviſoriſche Regierung, deren Schriftführer und Commiſſär für in-
nere Angelegenheiten Blind war, verkündete das Kriegsrecht, ließ die
waffenfähige Mannſchaft des Oberlandes unter Androhung von Geld-
ſtrafen und ſogar der Todesſtrafe (das Standrecht war zu dem Behuf
verkündet worden) zu einem bewaffneten Zuge aufbieten, welcher denn
auch mehrere tauſend — die Angaben ſchwanken zwiſchen 4 bis 10,000
— Mann ſtark zu Stande kam, und in zwei Colonnen getheilt ſich land-
abwärts bewegte. Die Unternehmer des Aufſtandes griffen dabei zu man-
nichfachen Mitteln, die nicht bloß nicht vor dem Geſetz, ſondern auch nicht
vor der Moral beſtehen können; ſie verbreiteten falſche Nachrichten, ſpie-
gelten dem menſchlichen Eigennutz Vortheile vor — und zwar ſogar in
einem officiellen, von Struve und Blind als ächt anerkannten republica-
niſchen Regierungsblatt nebſt Beilage — ſetzten die Beamten ab und
andere an ihre Stelle, nahmen die Beamten und andere Perſonen feſt,
ängſtigten einen ſogar ſo ſehr daß er jeden Augenblick ſeiner Erſchießung
entgegenzuſehen Grund hatte, ließen öffentliche Caſſen im ungefähren
Betrag vom 20,000 Gulden hinwegnehmen, gaben Anlaß zu einer Menge
der brutalſten Gewaltthätigkeiten gegen Gemeinden und einzelne Perſo-
nen, verletzten das Briefgeheimniß und nahmen ſogar Privateigenthum
das auf der Poſt befördert wurde weg, wie denn auch einige Gelder in
die Privattaſche von untergeordneten Theilnehmern am Aufſtand floſſen,
erpreßten Loskaufſummen unter der Form von Cautionen von vielen
Perſonen zur Befreiung von der Theilnahme an dem Zuge u. ſ. w. Bei
der Einnahme von Staufen wurden acht Soldaten, zum Theil ſehr ſchwer
verwundet, und der Eiſenbahnaufſeher Leibbrand, als er entfliehen wollte,
von einem unbekannten Freiſchärler erſchoſſen, endlich wurde ein Gendarm
bei einem Ueberfall von Kleinlaufenburg getödtet der, von Struve ver-
anlaßt, mit dem Hauptunternehmen im Zuſammenhang ſtand.
Dieſes ſind etwa die bewieſenen Anklagepunkte, die denn auch von
den Angeklagten offen zugeſtanden wurden, inſoweit ſie perſönlich dabei
betheiligt erſcheinen oder Kenntniß bei der Ausführung hatten, und in-
ſofern nicht andere, nicht vor den Gerichtsſchranken ſtehende Perſonen in
dieſelben implicirt ſind. Zur Entlaſtung derſelben hatte Struve keinen
einzigen Zeugen verlangt, Blind nur zwei, von denen der eine ohnehin als
Zeuge citirt worden war, der andere aber, General Hoffmann, der die
Truppen befehligt hatte, deßhalb nicht erſchien weil dasjenige was man
ihn fragen wollte allbekannt oder in den Acten enthalten war, oder durch
andere Zeugen beantwortet werden konnte. Dennoch berief ſich Struve
fort und fort darauf daß man ihm ſeine Beweismittel abgelehnt, d. h.
die von ihm verlangten Zeugen nicht in den Gerichtsſaal hereinge-
laſſen habe.
Gehen wir etwas näher auf dieſen für die Procedur wichtigen Punkt
ein. In einem während ſeiner Haft verfaßten Protokoll und in ſeiner
Vertheidigungsrede gab Struve zu ſeiner Rechtfertigung fünf Momente
an. Er ſagte: was ich gethan habe, iſt 1) durch die drei Jahrzehnte hindurch
dauernden Verfaſſungsverletzungen, insbeſondere in Baden, veranlaßt;
2) es iſt gerechtfertigt durch den ebenſo langen Druck auf dem Volke,
insbeſondere auf dem badiſchen Volke; 3) das Unternehmen ſtützt ſich
auf den Auftrag durch die Mehrheit des Volkes; 4) die Maßregeln welche
gegen die Republicaner ergriffen worden ſind, wie die Verhaftung Fick-
lers und die Vorbereitung zur Verhaftung der andern badiſchen Volks-
führer, haben keine andere Wahl gelaſſen; 5) die That iſt recht, weil ſie
zum Beſten des Volks geſchehen iſt. Man ſieht hieraus: nicht wegen
der einzelnen in der Anklage aufgezählten Handlungen wollte ſich Struve
vertheidigen, ſondern er ſuchte ſein Beweismaterial in einem Hintergrund,
in der ſeiner Schilderhebung vorausgegangenen Politik des Bundestags
und der badiſchen Regierung, in den Manifeſtationen des Volkswillens
auf den Volksverſammlungen des März vorigen Jahres, in dem Vor-
ſchreiten der Regierung in jener Zeit gegen die Häupter der republicani-
ſchen Partei. Und daraus wird ſich das auffallende erklären daß er eine
Menge von bekannten, zum Theil hochgeſtellten Perſönlichkeiten, und nur
dieſe, als Zeugen vernommen zu haben wünſchte, wie Bekk, v. Duſch,
Blittersdorf, Uria Sarachaga, Riegel, Mathy, Baſſermann, v. Soiron,
Mez und andere. Dieſe hat man allerdings nicht in den Saal citirt,
weil man ſagte: das was ſie angeben könnten, ſey entweder notoriſch
oder unerheblich, d. h. unerheblich für den Gegenbeweis gegen diejenigen
ſpeciellen Anklagepunkte wegen deren der Angeklagte ſich zu verantworten
habe. Daß Struve und ſeine Vertheidiger dem heftig widerſprachen,
verſteht ſich von ſelbſt. Wir ſehen an dieſem Incidenzfall ſchon die Art
der Gegenſätze die ſich in der Anklage und Vertheidigung geltend machten,
und die denn auch in der Anklage und Vertheidigung in vollſter Schärfe
und Ausbildung hervortraten. Davon im nächſten Briefe.
Die k. ſächſiſchen Staatseiſenbahnen.
*** Dresden, 31 März.
Bei der unverkennbaren Wichtigkeit der
das ſächſiſche Staatsgebiet durchſchneidenden und flankirenden Schienen-
wege für das deutſche Eiſenbahnnetz iſt ein an unſere Kammern gelangtes
k. Decret über verſchiedene Poſtulate zur Vollendung der Staatseiſenbah-
nen von beſonderm Intereſſe. Es find hauptſächlich die noch unvollendeten
Stellen zwiſchen Reichenbach und Plauen auf der ſächſiſch-bayeriſchen —
und zwiſchen Pirna und Tetſchen auf der ſächſiſch-böhmiſchen Bahn in
Frage. Für die erſtere Bahn ſtanden auf currenter Rechnung der mit 1848
abgelaufenen Finanzperiode 7,466,600⅔ Thlr., welche bis auf einen Reſt
von 488,000 Thlr. verwendet worden ſind. Die bei Uebernahme der Bahn
ſeitens des Staats von der ſie abtretenden Compagnie aufgeſtellte Total-
anſchlagsſumme von 12 Mill. Thlr. hat ſich als zu gering dargeſtellt;
vielmehr berechnet ſich dieſelbe nach den berichtigten Voranſchlägen, unter
Berückſichtigung des übernommenen Actiencapitals von 4,500,000 Thlr.
und des Altenburg’ſchen Antheils am Actiencapitale von 300,000 Thlr.
auf eine Geſammtſumme von 13,991,912 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf., alſo bei-
läufig 14 Mill. Thlr., wozu noch 2,213,245 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf. (jedoch
einſchließlich des Reſtes von 488,000 Thlr.) erfordert werden. Als Gründe
dieſes Mehrbedarfs ſind außer der Mangelhaftigkeit des Voranſchlags an-
geführt: Vertheuerung des zweiten Gleiſes, Verwendung ſtärkerer Schie-
nen und Maſchinen für den Betrieb auf anfleigender Bahn; unvorgeſehene
Transportkoſten welche dadurch entſtanden find daß Oberbaumaterial und
Betriebsmittel über die Strecke von Reichenbach bis Plauen zum Bahn-
betrieb von da nach Hof nicht auf dem Schienenweg haben beſchafft werden
können; größerer Bedarf an Granit- und Sandſteinquadern für die Göltzſche-
thal- und Ilſterbrücken, ſtatt der früher für ausreichend erachteten Back-
ſteine; der außerordentliche Aufwand an Beförderungsmitteln für den
Zwiſchenbetrieb der Poſtſtrecke Reichenbach-Plauen. Als Gründe welche
die unausgeſetzte Fortſetzung der Bauten auf dieſer Lücke anempfehlen,
wird hervorgehoben daß eine Einſtellung bei den Brückenbauten theils
einen Zinsverluſt des in den Gerüſthölzern angelegten Capitals, theils
einen Capitalverluſt in der Verringerung des Werths jener Hülfsapparate
bei länger anhaltender, mäßiger Preisgebung an die Witterungseinflüſſe
herbeiführen werde; daß das koſtſpielige Interimiſticum der Poſtverbin-
dung zwiſchen Reichenbach und Plauen, und des durch dieſe Zwiſchenſtrecke
getrennten Betriebs der fertigen Bahntheile ſobald als möglich zu beenden
ſey; daß der volle Verkehrſtrom erſt nach Ausfüllung der Lücke ſich ergie-
ßen könne, inmittelſt aber die in dieſe Lücke bereits verwendeten Bauſum-
men unverzinst liegen. Werden nun für das laufende Jahr nur 780,600
Thlr. beſtimmt, ſo ließe ſich hieraus ungefähr auf eine Vollendung des
Zwiſchenbaues im Jahr 1851 ſchließen, vorausgeſetzt daß die Kammern —
den Gründen der Regierung Rechnung tragend — das Erforderte ver-
willigen.
Der urſprüngliche Anſchlag für die ſächſiſch-böhmiſche Staatseiſen-
bahn belieſ ſich auf 3,600,000 Thlr., wovon 2,855,000 Thlr. bereits ver-
wendet ſind. Da der Geſammtbedarf gegenwärtig auf 5,440,000 Thlr.
ſich berechnet, ſo beträgt das zu ergänzende Deſicit 1,840,000 Thlr., wo-
von für das laufende Jahr 1,603,400 Thlr. beſtimmt werden. Auch hier
beträgt der Rechnungsfehler beinahe 2 Mill. Thlr., nur daß er im Ver-
hältniß zur ſächſiſch bayeriſchen Bahn dreimal größer gegen den urſprüng-
lichen Anſchlag iſt. Zu ſeiner Entſchuldigung führt die Regierung an daß
letzterer Anſchlag im Jahr 1841 aufgeſtellt, ſeitdem aber eine bedeutende
Steigerung in den Anforderungen an die Solidität der Bahnhauten ein-
getreten ſey; hörbarer ſind die aus den Terrainverhältniſſen, dem Zwi-
ſchenfalle der für die Erhöhung des Bahnniveau einflußreich gewordenen
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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