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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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einer blinden Menge und ihrer gewissenlosen Führer Preis
gibt, ebenso soll der Wohlstand, welchen die Anarchie for-
dert, nicht die Frucht der unverdrossenen Arbeit und einer
gewissenhaften Treue sein, nicht die Errungenschaft einer
bescheidenen Genügsamkeit sein, welche allmälig und im
Kleinen erwirbt und erspart, nicht ein Gut, welches durch
das Bewußtsein eines treu vollbrachten Tagewerks seinen
höchsten Werth erhält. Dieser Wohlstand soll dem Müßig-
gang ebenso zu Theil werden, wie der Arbeitsamkeit, er soll
dem Verschwender, welcher heute durchbringt, was er gestern
erhalten hatte, morgen wieder neu ersetzt werden. Der Wohl-
stand für Alle soll auch nicht dazu dienen, die bescheidenen
Ansprüche einer in Zucht und Sitte lebenden Familie zu
befriedigen, sondern er soll das Mittel sein zur Befriedigung
einer Genußsucht, welche von Zucht und Sitte nichts weiß,
die Bande der Familie auflöst und nur das eigene Jch zum
Mittelpunkte ihrer Bestrebungen macht. Er soll eine Ge-
nußsucht befriedigen, welche ihre Anforderungen stets weiter
und weiter ausdehnt und vom Neide gestachelt sich nicht zu-
frieden gibt, so lange sie es nicht dem Luxus und der Ver-
schwendung der Reichsten gleich oder zuvor thun kann. Die
Arbeitsamkeit soll also theilen mit dem Müßiggang, die Spar-
samkeit mit der Verschwendung, die Ehrbarkeit mit der Lie-
derlichkeit, das ist die Forderung des Wohlstandes für Alle.

Man braucht kein großer Rechenmeister zu sein, um zu
erkennen, daß, wie jene Freiheit für Alle bald sich in das
Gegentheil, in unerträgliche Abhängigkeit Aller, verwan-
deln muß, ebenso der Wohlstand für Alle schnell zu allge-
meiner Verarmung führen würde. Aber auch das wird wohl
keines Beweises bedürfen, daß durch diesen dem Müßiggang

einer blinden Menge und ihrer gewiſſenloſen Führer Preis
gibt, ebenſo ſoll der Wohlſtand, welchen die Anarchie for-
dert, nicht die Frucht der unverdroſſenen Arbeit und einer
gewiſſenhaften Treue ſein, nicht die Errungenſchaft einer
beſcheidenen Genügſamkeit ſein, welche allmälig und im
Kleinen erwirbt und erſpart, nicht ein Gut, welches durch
das Bewußtſein eines treu vollbrachten Tagewerks ſeinen
höchſten Werth erhält. Dieſer Wohlſtand ſoll dem Müßig-
gang ebenſo zu Theil werden, wie der Arbeitſamkeit, er ſoll
dem Verſchwender, welcher heute durchbringt, was er geſtern
erhalten hatte, morgen wieder neu erſetzt werden. Der Wohl-
ſtand für Alle ſoll auch nicht dazu dienen, die beſcheidenen
Anſprüche einer in Zucht und Sitte lebenden Familie zu
befriedigen, ſondern er ſoll das Mittel ſein zur Befriedigung
einer Genußſucht, welche von Zucht und Sitte nichts weiß,
die Bande der Familie auflöst und nur das eigene Jch zum
Mittelpunkte ihrer Beſtrebungen macht. Er ſoll eine Ge-
nußſucht befriedigen, welche ihre Anforderungen ſtets weiter
und weiter ausdehnt und vom Neide geſtachelt ſich nicht zu-
frieden gibt, ſo lange ſie es nicht dem Luxus und der Ver-
ſchwendung der Reichſten gleich oder zuvor thun kann. Die
Arbeitſamkeit ſoll alſo theilen mit dem Müßiggang, die Spar-
ſamkeit mit der Verſchwendung, die Ehrbarkeit mit der Lie-
derlichkeit, das iſt die Forderung des Wohlſtandes für Alle.

Man braucht kein großer Rechenmeiſter zu ſein, um zu
erkennen, daß, wie jene Freiheit für Alle bald ſich in das
Gegentheil, in unerträgliche Abhängigkeit Aller, verwan-
deln muß, ebenſo der Wohlſtand für Alle ſchnell zu allge-
meiner Verarmung führen würde. Aber auch das wird wohl
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[8/0014] einer blinden Menge und ihrer gewiſſenloſen Führer Preis gibt, ebenſo ſoll der Wohlſtand, welchen die Anarchie for- dert, nicht die Frucht der unverdroſſenen Arbeit und einer gewiſſenhaften Treue ſein, nicht die Errungenſchaft einer beſcheidenen Genügſamkeit ſein, welche allmälig und im Kleinen erwirbt und erſpart, nicht ein Gut, welches durch das Bewußtſein eines treu vollbrachten Tagewerks ſeinen höchſten Werth erhält. Dieſer Wohlſtand ſoll dem Müßig- gang ebenſo zu Theil werden, wie der Arbeitſamkeit, er ſoll dem Verſchwender, welcher heute durchbringt, was er geſtern erhalten hatte, morgen wieder neu erſetzt werden. Der Wohl- ſtand für Alle ſoll auch nicht dazu dienen, die beſcheidenen Anſprüche einer in Zucht und Sitte lebenden Familie zu befriedigen, ſondern er ſoll das Mittel ſein zur Befriedigung einer Genußſucht, welche von Zucht und Sitte nichts weiß, die Bande der Familie auflöst und nur das eigene Jch zum Mittelpunkte ihrer Beſtrebungen macht. Er ſoll eine Ge- nußſucht befriedigen, welche ihre Anforderungen ſtets weiter und weiter ausdehnt und vom Neide geſtachelt ſich nicht zu- frieden gibt, ſo lange ſie es nicht dem Luxus und der Ver- ſchwendung der Reichſten gleich oder zuvor thun kann. Die Arbeitſamkeit ſoll alſo theilen mit dem Müßiggang, die Spar- ſamkeit mit der Verſchwendung, die Ehrbarkeit mit der Lie- derlichkeit, das iſt die Forderung des Wohlſtandes für Alle. Man braucht kein großer Rechenmeiſter zu ſein, um zu erkennen, daß, wie jene Freiheit für Alle bald ſich in das Gegentheil, in unerträgliche Abhängigkeit Aller, verwan- deln muß, ebenſo der Wohlſtand für Alle ſchnell zu allge- meiner Verarmung führen würde. Aber auch das wird wohl keines Beweiſes bedürfen, daß durch dieſen dem Müßiggang

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/14>, abgerufen am 23.11.2024.