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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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Aller gegen Alle entstehe, das wird er leicht einsehen. Aber
durch keine Ueberredung werdet ihr ihn überzeugen können,
daß irgend ein Gesetz und eine äußere Ordnung der Dinge
eingeführt werden und auf ihn Anwendung haben dürfe,
wozu er nicht seine Zustimmung gegeben oder durch Abstim-
mung mitgewirkt habe. Und sobald er findet, daß eine
Einrichtung, zu welcher er vielleicht selbst seine Zustimmung
gegeben hatte, Wirkungen äußert, welche ihm unangenehm
sind, so wird er sich gegen dieselbe auflehnen, wenn er die
Macht dazu hat, oder wenn er diese Macht nicht hat, eine
neue Abstimmung fordern.

Jhr habt hier den Grundsatz der Volkssouveränetät,
so wie ihn die Anarchie versteht, indem sie Freiheit für Alle
fordert. Dieser Grundsatz ist also nicht blos gegen jenen
oft so freventlich ausgebeuteten Satz des Absolutismus ge-
richtet, daß der menschliche Wille des Regenten das höchste
Gesetz, die höchste Quelle des Rechts sei, sondern wie nicht
selten gottlose Regenten vergaßen, daß es über ihnen wie
über allen Menschen gleich hoch erhaben eine höchste sittliche
Macht gebe, deren Wille ihnen wie dem Niedersten im
Volke Gesetz sein müsse, und daß ihre eigene hoch über die
übrigen Menschen gestellte Autorität nur insofern einen
Sinn habe, als sie sich als die Diener jener höchsten sittli-
chen Macht betrachten und redlich bemüht sind, dem Willen
dieser höchsten Macht, so gut sie ihn zu erkennen vermögen,
auf Erden Geltung zu verschaffen, ganz ebenso vergißt und
leugnet jetzt die Anarchie, daß es eine solche höchste sittliche
Macht über dem Menschen gebe, welcher wir Ehrfurcht und
Gehorsam schuldig sind.

Wir würden aber sehr irren, wenn wir glauben woll-

Aller gegen Alle entſtehe, das wird er leicht einſehen. Aber
durch keine Ueberredung werdet ihr ihn überzeugen können,
daß irgend ein Geſetz und eine äußere Ordnung der Dinge
eingeführt werden und auf ihn Anwendung haben dürfe,
wozu er nicht ſeine Zuſtimmung gegeben oder durch Abſtim-
mung mitgewirkt habe. Und ſobald er findet, daß eine
Einrichtung, zu welcher er vielleicht ſelbſt ſeine Zuſtimmung
gegeben hatte, Wirkungen äußert, welche ihm unangenehm
ſind, ſo wird er ſich gegen dieſelbe auflehnen, wenn er die
Macht dazu hat, oder wenn er dieſe Macht nicht hat, eine
neue Abſtimmung fordern.

Jhr habt hier den Grundſatz der Volksſouveränetät,
ſo wie ihn die Anarchie verſteht, indem ſie Freiheit für Alle
fordert. Dieſer Grundſatz iſt alſo nicht blos gegen jenen
oft ſo freventlich ausgebeuteten Satz des Abſolutismus ge-
richtet, daß der menſchliche Wille des Regenten das höchſte
Geſetz, die höchſte Quelle des Rechts ſei, ſondern wie nicht
ſelten gottloſe Regenten vergaßen, daß es über ihnen wie
über allen Menſchen gleich hoch erhaben eine höchſte ſittliche
Macht gebe, deren Wille ihnen wie dem Niederſten im
Volke Geſetz ſein müſſe, und daß ihre eigene hoch über die
übrigen Menſchen geſtellte Autorität nur inſofern einen
Sinn habe, als ſie ſich als die Diener jener höchſten ſittli-
chen Macht betrachten und redlich bemüht ſind, dem Willen
dieſer höchſten Macht, ſo gut ſie ihn zu erkennen vermögen,
auf Erden Geltung zu verſchaffen, ganz ebenſo vergißt und
leugnet jetzt die Anarchie, daß es eine ſolche höchſte ſittliche
Macht über dem Menſchen gebe, welcher wir Ehrfurcht und
Gehorſam ſchuldig ſind.

Wir würden aber ſehr irren, wenn wir glauben woll-

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[14/0020] Aller gegen Alle entſtehe, das wird er leicht einſehen. Aber durch keine Ueberredung werdet ihr ihn überzeugen können, daß irgend ein Geſetz und eine äußere Ordnung der Dinge eingeführt werden und auf ihn Anwendung haben dürfe, wozu er nicht ſeine Zuſtimmung gegeben oder durch Abſtim- mung mitgewirkt habe. Und ſobald er findet, daß eine Einrichtung, zu welcher er vielleicht ſelbſt ſeine Zuſtimmung gegeben hatte, Wirkungen äußert, welche ihm unangenehm ſind, ſo wird er ſich gegen dieſelbe auflehnen, wenn er die Macht dazu hat, oder wenn er dieſe Macht nicht hat, eine neue Abſtimmung fordern. Jhr habt hier den Grundſatz der Volksſouveränetät, ſo wie ihn die Anarchie verſteht, indem ſie Freiheit für Alle fordert. Dieſer Grundſatz iſt alſo nicht blos gegen jenen oft ſo freventlich ausgebeuteten Satz des Abſolutismus ge- richtet, daß der menſchliche Wille des Regenten das höchſte Geſetz, die höchſte Quelle des Rechts ſei, ſondern wie nicht ſelten gottloſe Regenten vergaßen, daß es über ihnen wie über allen Menſchen gleich hoch erhaben eine höchſte ſittliche Macht gebe, deren Wille ihnen wie dem Niederſten im Volke Geſetz ſein müſſe, und daß ihre eigene hoch über die übrigen Menſchen geſtellte Autorität nur inſofern einen Sinn habe, als ſie ſich als die Diener jener höchſten ſittli- chen Macht betrachten und redlich bemüht ſind, dem Willen dieſer höchſten Macht, ſo gut ſie ihn zu erkennen vermögen, auf Erden Geltung zu verſchaffen, ganz ebenſo vergißt und leugnet jetzt die Anarchie, daß es eine ſolche höchſte ſittliche Macht über dem Menſchen gebe, welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind. Wir würden aber ſehr irren, wenn wir glauben woll-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/20>, abgerufen am 21.11.2024.