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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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über den kleineren gebet; angenommen ferner, die Zahl der
auf diese Art zur Theilnahme an der Regierung Berufenen
sei so groß, daß dieselben, wenn sie einig sind und zusam-
menhalten, die Versuche zum Umsturz des Bestehenden ver-
eiteln könnten,*) -- ist denn wirkliche Einigkeit von
diesen Besitzenden zu erwarten? Wie viele Leute gibt es denn
überhaupt, welche mit dem Bestehenden vollkommen zufrie-
den wären und keine Aenderungen wollten? Will nicht fast
Jedermann Aenderungen, und ist wohl das Jnteresse,
welches ihr als leitendes Prinzip anerkennen wollt, dazu
geeignet, die Ansichten und Bestrebungen in Bezug auf die
vorzunehmenden Aenderungen zu vereinigen? Wird es
seiner Natur nach nicht vielmehr Spaltungen und Wider-
streit hervorrufen? Wird nicht nothwendig, sobald das Jn-
teresse die leitende Triebkraft der ganzen Maschine ist, der
Egoismus der Einzelnen den Austheiler und Schieds-
richter machen wollen? Wird da nicht der Einzelne denken,
der Staat werde nicht gleich untergehen, wenn ihm, dem
Einzelnen, ein etwas ungebührlicher Vortheil zugewendet
werde? Wird er nicht darauf spekuliren, daß die Anderen,
welche ein gleiches Jnteresse an der Erhaltung des Staates
wie er selbst hätten, zuletzt, wenn die Gefahr des Umstur-
zes recht groß werde, eher seiner Forderung nachgeben wer-
den, als daß sie durch Hartnäckigkeit Alles auf's Spiel
setzen? Daß über solchen Berechnungen ein Staat in den
Abgrund stürzen könne, das hat uns die französische Februar-

*) "Diese (materiellen) Jnteressen schlagen sich nicht, sie ziehen sich zurück
und unterwerfen sich schnell und unbedingt in der Stunde der Ge-
fahr" -- (vergl. das Schreiben des Königs von W. an den Fürsten
Schw.).

über den kleineren gebet; angenommen ferner, die Zahl der
auf dieſe Art zur Theilnahme an der Regierung Berufenen
ſei ſo groß, daß dieſelben, wenn ſie einig ſind und zuſam-
menhalten, die Verſuche zum Umſturz des Beſtehenden ver-
eiteln könnten,*) — iſt denn wirkliche Einigkeit von
dieſen Beſitzenden zu erwarten? Wie viele Leute gibt es denn
überhaupt, welche mit dem Beſtehenden vollkommen zufrie-
den wären und keine Aenderungen wollten? Will nicht faſt
Jedermann Aenderungen, und iſt wohl das Jntereſſe,
welches ihr als leitendes Prinzip anerkennen wollt, dazu
geeignet, die Anſichten und Beſtrebungen in Bezug auf die
vorzunehmenden Aenderungen zu vereinigen? Wird es
ſeiner Natur nach nicht vielmehr Spaltungen und Wider-
ſtreit hervorrufen? Wird nicht nothwendig, ſobald das Jn-
tereſſe die leitende Triebkraft der ganzen Maſchine iſt, der
Egoismus der Einzelnen den Austheiler und Schieds-
richter machen wollen? Wird da nicht der Einzelne denken,
der Staat werde nicht gleich untergehen, wenn ihm, dem
Einzelnen, ein etwas ungebührlicher Vortheil zugewendet
werde? Wird er nicht darauf ſpekuliren, daß die Anderen,
welche ein gleiches Jntereſſe an der Erhaltung des Staates
wie er ſelbſt hätten, zuletzt, wenn die Gefahr des Umſtur-
zes recht groß werde, eher ſeiner Forderung nachgeben wer-
den, als daß ſie durch Hartnäckigkeit Alles auf’s Spiel
ſetzen? Daß über ſolchen Berechnungen ein Staat in den
Abgrund ſtürzen könne, das hat uns die franzöſiſche Februar-

*) „Dieſe (materiellen) Jntereſſen ſchlagen ſich nicht, ſie ziehen ſich zurück
und unterwerfen ſich ſchnell und unbedingt in der Stunde der Ge-
fahr“ — (vergl. das Schreiben des Königs von W. an den Fürſten
Schw.).
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[22/0028] über den kleineren gebet; angenommen ferner, die Zahl der auf dieſe Art zur Theilnahme an der Regierung Berufenen ſei ſo groß, daß dieſelben, wenn ſie einig ſind und zuſam- menhalten, die Verſuche zum Umſturz des Beſtehenden ver- eiteln könnten, *) — iſt denn wirkliche Einigkeit von dieſen Beſitzenden zu erwarten? Wie viele Leute gibt es denn überhaupt, welche mit dem Beſtehenden vollkommen zufrie- den wären und keine Aenderungen wollten? Will nicht faſt Jedermann Aenderungen, und iſt wohl das Jntereſſe, welches ihr als leitendes Prinzip anerkennen wollt, dazu geeignet, die Anſichten und Beſtrebungen in Bezug auf die vorzunehmenden Aenderungen zu vereinigen? Wird es ſeiner Natur nach nicht vielmehr Spaltungen und Wider- ſtreit hervorrufen? Wird nicht nothwendig, ſobald das Jn- tereſſe die leitende Triebkraft der ganzen Maſchine iſt, der Egoismus der Einzelnen den Austheiler und Schieds- richter machen wollen? Wird da nicht der Einzelne denken, der Staat werde nicht gleich untergehen, wenn ihm, dem Einzelnen, ein etwas ungebührlicher Vortheil zugewendet werde? Wird er nicht darauf ſpekuliren, daß die Anderen, welche ein gleiches Jntereſſe an der Erhaltung des Staates wie er ſelbſt hätten, zuletzt, wenn die Gefahr des Umſtur- zes recht groß werde, eher ſeiner Forderung nachgeben wer- den, als daß ſie durch Hartnäckigkeit Alles auf’s Spiel ſetzen? Daß über ſolchen Berechnungen ein Staat in den Abgrund ſtürzen könne, das hat uns die franzöſiſche Februar- *) „Dieſe (materiellen) Jntereſſen ſchlagen ſich nicht, ſie ziehen ſich zurück und unterwerfen ſich ſchnell und unbedingt in der Stunde der Ge- fahr“ — (vergl. das Schreiben des Königs von W. an den Fürſten Schw.).

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/28>, abgerufen am 21.11.2024.