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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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willkommene Erleichterung ihres religiösen Denkens. Und
dieser Gebrauch ist um so mehr gerechtfertigt, als aus dem
nämlichen Grunde, aus welchem der menschliche Verstand
unfähig ist, die vollkommene Wahrheit zu erfassen, auch
die menschliche Sprache und Darstellung stets nur unvoll-
kommen und verschleiert die Wahrheit wiederzugeben vermag.
Aber von dem Augenblicke an, wo ihr die buchstäbliche
Auffassung dieser Lehre "vom Himmel" als eine Pflicht
des Verstandes
fordert, werdet ihr den heftigsten Wider-
spruch sogar von Seiten Derjenigen erfahren, welche sich
ohne jene bildliche Darstellung überhaupt gar nicht zu hel-
fen wüßten, und sie werden mit Recht diesen Widerspruch
auf die Weigerung ihres Verstandes stützen, zweierlei sich
widersprechende Arten der Vorstellung gleichzeitig sich anzu-
eignen, die eine für ihr kirchliches, die andere für ihr
außerkirchliches Denken. Und je mehr ihr in der Kirche
auf das buchstäbliche Festhalten der kirchlichen Darstellung
hinarbeitet, um so lauter wird den Leuten, wenn sie aus
der Kirche heraustreten, das ganze übrige Denken aus jedem
Winkel des alltäglichen Lebens heraus einen Widerspruch
gegen jene kirchliche Form des Denkens zurufen. Dieser
Widerspruch wird sich dann aber durch eure eigene Schuld
nicht auf die Form beschränken, sondern auch den Jnhalt
zugleich erschüttern. Und wie tief auch der Eindruck sein
mag, welchen ihr augenblicklich durch eure Beredtsamkeit
auf die Zuhörer hervorgebracht habt, so wird diesen dennoch,
ehe sie sich drei Straßen weit von der Kirche entfernt haben,
das kaum errungene Besitzthum des Glaubens wie ein Traum-
bild zerrinnen. So kommt es dann, daß so Viele, welche,
so lange sie in der Kirche sind, sich erbauen, außerhalb

willkommene Erleichterung ihres religiöſen Denkens. Und
dieſer Gebrauch iſt um ſo mehr gerechtfertigt, als aus dem
nämlichen Grunde, aus welchem der menſchliche Verſtand
unfähig iſt, die vollkommene Wahrheit zu erfaſſen, auch
die menſchliche Sprache und Darſtellung ſtets nur unvoll-
kommen und verſchleiert die Wahrheit wiederzugeben vermag.
Aber von dem Augenblicke an, wo ihr die buchſtäbliche
Auffaſſung dieſer Lehre „vom Himmel“ als eine Pflicht
des Verſtandes
fordert, werdet ihr den heftigſten Wider-
ſpruch ſogar von Seiten Derjenigen erfahren, welche ſich
ohne jene bildliche Darſtellung überhaupt gar nicht zu hel-
fen wüßten, und ſie werden mit Recht dieſen Widerſpruch
auf die Weigerung ihres Verſtandes ſtützen, zweierlei ſich
widerſprechende Arten der Vorſtellung gleichzeitig ſich anzu-
eignen, die eine für ihr kirchliches, die andere für ihr
außerkirchliches Denken. Und je mehr ihr in der Kirche
auf das buchſtäbliche Feſthalten der kirchlichen Darſtellung
hinarbeitet, um ſo lauter wird den Leuten, wenn ſie aus
der Kirche heraustreten, das ganze übrige Denken aus jedem
Winkel des alltäglichen Lebens heraus einen Widerſpruch
gegen jene kirchliche Form des Denkens zurufen. Dieſer
Widerſpruch wird ſich dann aber durch eure eigene Schuld
nicht auf die Form beſchränken, ſondern auch den Jnhalt
zugleich erſchüttern. Und wie tief auch der Eindruck ſein
mag, welchen ihr augenblicklich durch eure Beredtſamkeit
auf die Zuhörer hervorgebracht habt, ſo wird dieſen dennoch,
ehe ſie ſich drei Straßen weit von der Kirche entfernt haben,
das kaum errungene Beſitzthum des Glaubens wie ein Traum-
bild zerrinnen. So kommt es dann, daß ſo Viele, welche,
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[68/0074] willkommene Erleichterung ihres religiöſen Denkens. Und dieſer Gebrauch iſt um ſo mehr gerechtfertigt, als aus dem nämlichen Grunde, aus welchem der menſchliche Verſtand unfähig iſt, die vollkommene Wahrheit zu erfaſſen, auch die menſchliche Sprache und Darſtellung ſtets nur unvoll- kommen und verſchleiert die Wahrheit wiederzugeben vermag. Aber von dem Augenblicke an, wo ihr die buchſtäbliche Auffaſſung dieſer Lehre „vom Himmel“ als eine Pflicht des Verſtandes fordert, werdet ihr den heftigſten Wider- ſpruch ſogar von Seiten Derjenigen erfahren, welche ſich ohne jene bildliche Darſtellung überhaupt gar nicht zu hel- fen wüßten, und ſie werden mit Recht dieſen Widerſpruch auf die Weigerung ihres Verſtandes ſtützen, zweierlei ſich widerſprechende Arten der Vorſtellung gleichzeitig ſich anzu- eignen, die eine für ihr kirchliches, die andere für ihr außerkirchliches Denken. Und je mehr ihr in der Kirche auf das buchſtäbliche Feſthalten der kirchlichen Darſtellung hinarbeitet, um ſo lauter wird den Leuten, wenn ſie aus der Kirche heraustreten, das ganze übrige Denken aus jedem Winkel des alltäglichen Lebens heraus einen Widerſpruch gegen jene kirchliche Form des Denkens zurufen. Dieſer Widerſpruch wird ſich dann aber durch eure eigene Schuld nicht auf die Form beſchränken, ſondern auch den Jnhalt zugleich erſchüttern. Und wie tief auch der Eindruck ſein mag, welchen ihr augenblicklich durch eure Beredtſamkeit auf die Zuhörer hervorgebracht habt, ſo wird dieſen dennoch, ehe ſie ſich drei Straßen weit von der Kirche entfernt haben, das kaum errungene Beſitzthum des Glaubens wie ein Traum- bild zerrinnen. So kommt es dann, daß ſo Viele, welche, ſo lange ſie in der Kirche ſind, ſich erbauen, außerhalb

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/74>, abgerufen am 21.11.2024.