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Der Arbeitgeber. Nr. 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870.

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Der "Arbeitgeber" erscheint
wöchentlich,
die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

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Der
Arbeitgeber.

Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.

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Bestellungen werden von allen
Postämtern u. Buchhandlun-
gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.

[Ende Spaltensatz]

Usingen bei

Nro 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870.

[Abbildung]

[Beginn Spaltensatz]
Wirthschaft im Krieg. * )

Wenn jetzt allerorten die Fabrikschornsteine aufhören zu rauchen
und hierdurch ein totales Niederlegen aller Jndustrie signalisirt wird,
so hören wir allerdings manchen kurzsichtigen Arbeiterfeind sagen,
"das sei ein gutes Kurmittel für die Arbeiter, welche allerorten durch
Arbeitseinstellungen höhere Löhne erpressen wollten, jetzt würden die-
selben zur Raison kommen." Es ist höchst bedauerlich, daß solche
unreife Ansichten überhaupt noch gehegt werden können und beweist,
wie wenig wirthschaftliche Bildung doch eigentlich verbreitet ist, und
wie in dieser Hinsicht künftig tüchtig nachgeholt werden muß. Be-
trachten wir ruhig, in welcher Weise ein Krieg denn eigentlich so
verheerend auf das Nationalvermögen einwirkt, so finden wir, daß
allerdings eine verderbliche Einwirkung desselben nicht zu hindern,
daß aber solche bei Anwendung richtiger wirthschaftlicher Gegenmittel
auf ein Minimum herabzumindern sei. Jn unserem großen deutschen
Vaterlande ist die erwerbende Thätigkeit wie überall wesentlich eine
zweifache, und zwar eine landwirthschaftliche und eine industrielle. Jn
manchen Gegenden sehen wir die Landwirthschaft weitaus vorwiegen,
während anderwärts Jndustrie vorwaltend auftritt. Der Landwirth-
schaft kann aber ein Krieg nur schaden: 1. da wo Heereszüge und
Wahlstätten unmittelbar den Betrieb unterbrechen, resp. Feldfrüchte
und Betriebsvorrichtungen und Mittel vernichten; da wo durch Ein-
berufung zu den Fahnen die nothwendigen Arbeitskräfte der Land-
wirthschaft entzogen sind und 3. indirekt durch Einschränkung des
Konsums von landwirthschaftlichen Produkten. Jm ersten Punkte
kann eine Schädigung glücklicherweise nur ein verhältnißmäßig kleines
Gebiet treffen, im zweiten kann ein Ersatz der dem Landbau ent-
zogenen Arme ohne jede Schwierigkeit durch unbeschäftigte Fabrikarbeiter
erfolgen, und im dritten kann die Einschränkung des Konsums land-
wirthschaftlicher Produkte nur in sehr geringem Maß stattfinden, weil
die Landwirthschaft eben wesentlich nur das tägliche Brod ( ? ) producirt.
Also Gegenden, in denen Landwirthschaft vorwaltende Erwerbsquelle
ist, halten einen Krieg lange aus, wenn nicht übermäßige Kontribu-
tionen von selben erhoben werden, und da in Deutschland die Landwirth-
schaft noch vorwiegt, da Deutschland noch reichlich seinen Konsum
selbst erzeugt, so haben wir zunächst das beruhigende Bewußtsein, auch
in der Kriegszeit werden wir nicht verhungern.

Schlimmer sieht es mit der industriellen Erwerbsthätigkeit wäh-
rend des Krieges aus; da dieselbe nicht gerade das unumgänglich
nothwendige tägliche Brod erzeugt, so fehlt sofort bei Eintritt von
Kriegszeiten derselben der Absatz ihrer Erzeugnisse, soweit solche nicht
zum alltäglichen Bedürfniß gehören. Der Jndustrielle, welcher sich
seines Absatzes beraubt sieht, und nicht wissen kann, wann und in
welchem Maße derselbe wieder sich einstellen werde, wird nolens
volens
seine Produktion beschränken, event. selbe ganz einstellen. Da-
durch werden aber seine Arbeiter brodlos, und da dies Verhältniß in
vielen Gegenden Deutschlands vorwaltet, da ferner der Landbau nur
den geringsten Theil der brodlos gewordenen Fabrikarbeiter und Hand-
werker beschäftigen kann, da außerdem deren Domicil oftmals eine
landwirthschaftliche Beschäftigung nicht zuläßt, so muß hier anderwei-
tig Rath geschafft werden. Ein weiterer Uebelstand ist noch, daß
[Spaltenumbruch] den gewerbtreibenden Theil der Bevölkerung die unvermeidlichen er-
höhten Abgaben und Leistungen während des Krieges noch härter
treffen als den Landwirth, dessen Erwerb nicht inhibirt ist. Es
folgt aus Gesagtem der politisch und wirthschaftlich wichtige Satz:
"daß ein Volk in dem Maße einen Krieg länger aushalten könne,
als dessen Haupterwerb weniger auf der Jndustrie basire." Dieses
Rathschaffen ist freilich keine ganz leichte Sache, zumal der sonst
immer bereite Vermittler des Verkehres, der Handelsstand, einestheils
in solchen Krisen mit sich selber zu thun hat, und anderntheils als
solcher, getreu seiner egoistischen Lebensanschauung, welcher das höhere
Sittliche, welches dem gewerblichen und landwirthschaftlichen Produ-
centen innewohnt, abgeht, sich mit der Hansemann'schen Devise: "in
Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf" von aller Thätigkeit zu-
rückzieht ( ? A. d. R. ) .

Die erste Aufgabe des außer Thätigkeit gesetzten Theiles der
industriellen Bevölkerung ist dem allgemeinen Naturgesetze der Pflicht
zur Produktion, zur Wertherzeugung, zur Arbeit auch dann nachzu-
kommen zu suchen, wenn dies im gewöhnlichen Gleise nicht möglich
ist. Die gewöhnlichen Werthprodukte auch während mangelnden Ab-
satzes auf Vorrath zu erzeugen, ist in den meisten Fällen unthunlich.
Alle Luxusgegenstände, alle der Mode unterworfenen Artikel, alle
leicht verderblichen und alle nur auf Bestellung zu arbeitenden Er-
zeugnisse müssen vorläufig hier außer Betracht bleiben. Die aus
ihrem Gleise gebrachte Produktion muß sich auf Erzeugung solcher
Werthe werfen, die weder einer Mode noch einem Verderben, noch
einer Werthverminderung durch längere Aufbewahrung unterliegen.

Diese Werthe zerfallen aber selbst wieder in zwei große Gruppen,
nämlich in Werthe, welche künftig wieder zu versilbern sind, und in
Werthe, welche eine feste Kapitalanlage repräsentiren und eine Ren-
tabilität durch ihre Benutzung gewähren.

Zu den Werthen der ersten Gruppe gehören alle der Mode und
dem Verderben nicht unterworfenen industriellen und landwirthschaft-
lichen Produkte und deren Erzeugung während der Kriegszeit zu
unterbrechen, hieße eine schwere wirthschaftliche Sünde begehen.
Hierfür hat denn auch bereits der Staat theilweise gesorgt, indem
die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen beschlossen wurde. Nun,
was sind 30,000,000 Thlr. als Aushilfe für das deutsche Wirth-
schaftsgebiet? 300 Millionen würden kaum ein Jahr lang hin-
reichen, die Werthproduktion in den Hauptartikeln der bezeichneten
Gruppe zu unterhalten. Hier ist man auf dem richtigen Wege, aber leider
sind die Mittel viel zu gering bemessen ( ? A. d. R. ) . Noch aber wäre
dem wirthschaftlichen Uebel, welches ein Krieg mit sich führt, indem er
die friedliche Produktion aufhebt, nur zum kleinsten Theile vorgebeugt,
wenn selbst diejenigen Jndustriezweige in Thätigkeit erhalten würden,
die Erzeugnisse der beregten Art liefern, der weitaus bedeutendere
Theil der Arbeitskräfte wäre doch brodlos. Wohl erfordert außer-
dem die Produktion vorberegter Werthe in ihrer größten Mehrzahl
speziell eingeschulte Arbeitskräfte, und weil es ferner gerade die so-
genannten "hartarbeitenden" Gewerbszweige sind, deren Erzeugnisse
hierher gehören, so möchte auch außerdem der geringste Theil der
brodlosen Arbeiter fähig sein, hier einzutreten.

Die Werthe der zweiten Gruppe, welche also eine feste Kapital-
anlage repräsentiren, und sich durch ihre Benutzung rentiren, wären
spezieller ins Auge zu fassen. Hierher gehören zunächst öffentliche
Verkehrsstraßen, also Eisenbahnen, Kanäle, Kunststraßen, Stromregu-
lirungen ec.; zweitens aber land= und forstwirthschaftliche Ameliora-
tionen, Entwässerungs= und Bewässerungsanlagen, Hafenbauten und
[Ende Spaltensatz]

* ) Dieser Aufsatz enthält Manches, womit wir nicht einverstanden sind,
z. B. daß der Verfasser die Begriffe Kapital und Geld nicht weit genug von
einander gehalten hat. Der Artikel hat indeß auf der andern Seite wieder
so viel Anregendes der nähern Erörterung Werthes, daß wir aus diesem Grund
die Aufnahme nicht versagten. A. d. R.

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neuer Erfindungen, vermit-
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Wirthschaft im Krieg. * )

Wenn jetzt allerorten die Fabrikschornsteine aufhören zu rauchen
und hierdurch ein totales Niederlegen aller Jndustrie signalisirt wird,
so hören wir allerdings manchen kurzsichtigen Arbeiterfeind sagen,
„das sei ein gutes Kurmittel für die Arbeiter, welche allerorten durch
Arbeitseinstellungen höhere Löhne erpressen wollten, jetzt würden die-
selben zur Raison kommen.“ Es ist höchst bedauerlich, daß solche
unreife Ansichten überhaupt noch gehegt werden können und beweist,
wie wenig wirthschaftliche Bildung doch eigentlich verbreitet ist, und
wie in dieser Hinsicht künftig tüchtig nachgeholt werden muß. Be-
trachten wir ruhig, in welcher Weise ein Krieg denn eigentlich so
verheerend auf das Nationalvermögen einwirkt, so finden wir, daß
allerdings eine verderbliche Einwirkung desselben nicht zu hindern,
daß aber solche bei Anwendung richtiger wirthschaftlicher Gegenmittel
auf ein Minimum herabzumindern sei. Jn unserem großen deutschen
Vaterlande ist die erwerbende Thätigkeit wie überall wesentlich eine
zweifache, und zwar eine landwirthschaftliche und eine industrielle. Jn
manchen Gegenden sehen wir die Landwirthschaft weitaus vorwiegen,
während anderwärts Jndustrie vorwaltend auftritt. Der Landwirth-
schaft kann aber ein Krieg nur schaden: 1. da wo Heereszüge und
Wahlstätten unmittelbar den Betrieb unterbrechen, resp. Feldfrüchte
und Betriebsvorrichtungen und Mittel vernichten; da wo durch Ein-
berufung zu den Fahnen die nothwendigen Arbeitskräfte der Land-
wirthschaft entzogen sind und 3. indirekt durch Einschränkung des
Konsums von landwirthschaftlichen Produkten. Jm ersten Punkte
kann eine Schädigung glücklicherweise nur ein verhältnißmäßig kleines
Gebiet treffen, im zweiten kann ein Ersatz der dem Landbau ent-
zogenen Arme ohne jede Schwierigkeit durch unbeschäftigte Fabrikarbeiter
erfolgen, und im dritten kann die Einschränkung des Konsums land-
wirthschaftlicher Produkte nur in sehr geringem Maß stattfinden, weil
die Landwirthschaft eben wesentlich nur das tägliche Brod ( ? ) producirt.
Also Gegenden, in denen Landwirthschaft vorwaltende Erwerbsquelle
ist, halten einen Krieg lange aus, wenn nicht übermäßige Kontribu-
tionen von selben erhoben werden, und da in Deutschland die Landwirth-
schaft noch vorwiegt, da Deutschland noch reichlich seinen Konsum
selbst erzeugt, so haben wir zunächst das beruhigende Bewußtsein, auch
in der Kriegszeit werden wir nicht verhungern.

Schlimmer sieht es mit der industriellen Erwerbsthätigkeit wäh-
rend des Krieges aus; da dieselbe nicht gerade das unumgänglich
nothwendige tägliche Brod erzeugt, so fehlt sofort bei Eintritt von
Kriegszeiten derselben der Absatz ihrer Erzeugnisse, soweit solche nicht
zum alltäglichen Bedürfniß gehören. Der Jndustrielle, welcher sich
seines Absatzes beraubt sieht, und nicht wissen kann, wann und in
welchem Maße derselbe wieder sich einstellen werde, wird nolens
volens
seine Produktion beschränken, event. selbe ganz einstellen. Da-
durch werden aber seine Arbeiter brodlos, und da dies Verhältniß in
vielen Gegenden Deutschlands vorwaltet, da ferner der Landbau nur
den geringsten Theil der brodlos gewordenen Fabrikarbeiter und Hand-
werker beschäftigen kann, da außerdem deren Domicil oftmals eine
landwirthschaftliche Beschäftigung nicht zuläßt, so muß hier anderwei-
tig Rath geschafft werden. Ein weiterer Uebelstand ist noch, daß
[Spaltenumbruch] den gewerbtreibenden Theil der Bevölkerung die unvermeidlichen er-
höhten Abgaben und Leistungen während des Krieges noch härter
treffen als den Landwirth, dessen Erwerb nicht inhibirt ist. Es
folgt aus Gesagtem der politisch und wirthschaftlich wichtige Satz:
„daß ein Volk in dem Maße einen Krieg länger aushalten könne,
als dessen Haupterwerb weniger auf der Jndustrie basire.“ Dieses
Rathschaffen ist freilich keine ganz leichte Sache, zumal der sonst
immer bereite Vermittler des Verkehres, der Handelsstand, einestheils
in solchen Krisen mit sich selber zu thun hat, und anderntheils als
solcher, getreu seiner egoistischen Lebensanschauung, welcher das höhere
Sittliche, welches dem gewerblichen und landwirthschaftlichen Produ-
centen innewohnt, abgeht, sich mit der Hansemann'schen Devise: „in
Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf“ von aller Thätigkeit zu-
rückzieht ( ? A. d. R. ) .

Die erste Aufgabe des außer Thätigkeit gesetzten Theiles der
industriellen Bevölkerung ist dem allgemeinen Naturgesetze der Pflicht
zur Produktion, zur Wertherzeugung, zur Arbeit auch dann nachzu-
kommen zu suchen, wenn dies im gewöhnlichen Gleise nicht möglich
ist. Die gewöhnlichen Werthprodukte auch während mangelnden Ab-
satzes auf Vorrath zu erzeugen, ist in den meisten Fällen unthunlich.
Alle Luxusgegenstände, alle der Mode unterworfenen Artikel, alle
leicht verderblichen und alle nur auf Bestellung zu arbeitenden Er-
zeugnisse müssen vorläufig hier außer Betracht bleiben. Die aus
ihrem Gleise gebrachte Produktion muß sich auf Erzeugung solcher
Werthe werfen, die weder einer Mode noch einem Verderben, noch
einer Werthverminderung durch längere Aufbewahrung unterliegen.

Diese Werthe zerfallen aber selbst wieder in zwei große Gruppen,
nämlich in Werthe, welche künftig wieder zu versilbern sind, und in
Werthe, welche eine feste Kapitalanlage repräsentiren und eine Ren-
tabilität durch ihre Benutzung gewähren.

Zu den Werthen der ersten Gruppe gehören alle der Mode und
dem Verderben nicht unterworfenen industriellen und landwirthschaft-
lichen Produkte und deren Erzeugung während der Kriegszeit zu
unterbrechen, hieße eine schwere wirthschaftliche Sünde begehen.
Hierfür hat denn auch bereits der Staat theilweise gesorgt, indem
die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen beschlossen wurde. Nun,
was sind 30,000,000 Thlr. als Aushilfe für das deutsche Wirth-
schaftsgebiet? 300 Millionen würden kaum ein Jahr lang hin-
reichen, die Werthproduktion in den Hauptartikeln der bezeichneten
Gruppe zu unterhalten. Hier ist man auf dem richtigen Wege, aber leider
sind die Mittel viel zu gering bemessen ( ? A. d. R. ) . Noch aber wäre
dem wirthschaftlichen Uebel, welches ein Krieg mit sich führt, indem er
die friedliche Produktion aufhebt, nur zum kleinsten Theile vorgebeugt,
wenn selbst diejenigen Jndustriezweige in Thätigkeit erhalten würden,
die Erzeugnisse der beregten Art liefern, der weitaus bedeutendere
Theil der Arbeitskräfte wäre doch brodlos. Wohl erfordert außer-
dem die Produktion vorberegter Werthe in ihrer größten Mehrzahl
speziell eingeschulte Arbeitskräfte, und weil es ferner gerade die so-
genannten „hartarbeitenden“ Gewerbszweige sind, deren Erzeugnisse
hierher gehören, so möchte auch außerdem der geringste Theil der
brodlosen Arbeiter fähig sein, hier einzutreten.

Die Werthe der zweiten Gruppe, welche also eine feste Kapital-
anlage repräsentiren, und sich durch ihre Benutzung rentiren, wären
spezieller ins Auge zu fassen. Hierher gehören zunächst öffentliche
Verkehrsstraßen, also Eisenbahnen, Kanäle, Kunststraßen, Stromregu-
lirungen ec.; zweitens aber land= und forstwirthschaftliche Ameliora-
tionen, Entwässerungs= und Bewässerungsanlagen, Hafenbauten und
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* ) Dieser Aufsatz enthält Manches, womit wir nicht einverstanden sind,
z. B. daß der Verfasser die Begriffe Kapital und Geld nicht weit genug von
einander gehalten hat. Der Artikel hat indeß auf der andern Seite wieder
so viel Anregendes der nähern Erörterung Werthes, daß wir aus diesem Grund
die Aufnahme nicht versagten. A. d. R.
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Usingen bei Nro 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870. [Abbildung] Wirthschaft im Krieg. * ) Wenn jetzt allerorten die Fabrikschornsteine aufhören zu rauchen und hierdurch ein totales Niederlegen aller Jndustrie signalisirt wird, so hören wir allerdings manchen kurzsichtigen Arbeiterfeind sagen, „das sei ein gutes Kurmittel für die Arbeiter, welche allerorten durch Arbeitseinstellungen höhere Löhne erpressen wollten, jetzt würden die- selben zur Raison kommen.“ Es ist höchst bedauerlich, daß solche unreife Ansichten überhaupt noch gehegt werden können und beweist, wie wenig wirthschaftliche Bildung doch eigentlich verbreitet ist, und wie in dieser Hinsicht künftig tüchtig nachgeholt werden muß. Be- trachten wir ruhig, in welcher Weise ein Krieg denn eigentlich so verheerend auf das Nationalvermögen einwirkt, so finden wir, daß allerdings eine verderbliche Einwirkung desselben nicht zu hindern, daß aber solche bei Anwendung richtiger wirthschaftlicher Gegenmittel auf ein Minimum herabzumindern sei. Jn unserem großen deutschen Vaterlande ist die erwerbende Thätigkeit wie überall wesentlich eine zweifache, und zwar eine landwirthschaftliche und eine industrielle. Jn manchen Gegenden sehen wir die Landwirthschaft weitaus vorwiegen, während anderwärts Jndustrie vorwaltend auftritt. Der Landwirth- schaft kann aber ein Krieg nur schaden: 1. da wo Heereszüge und Wahlstätten unmittelbar den Betrieb unterbrechen, resp. Feldfrüchte und Betriebsvorrichtungen und Mittel vernichten; da wo durch Ein- berufung zu den Fahnen die nothwendigen Arbeitskräfte der Land- wirthschaft entzogen sind und 3. indirekt durch Einschränkung des Konsums von landwirthschaftlichen Produkten. Jm ersten Punkte kann eine Schädigung glücklicherweise nur ein verhältnißmäßig kleines Gebiet treffen, im zweiten kann ein Ersatz der dem Landbau ent- zogenen Arme ohne jede Schwierigkeit durch unbeschäftigte Fabrikarbeiter erfolgen, und im dritten kann die Einschränkung des Konsums land- wirthschaftlicher Produkte nur in sehr geringem Maß stattfinden, weil die Landwirthschaft eben wesentlich nur das tägliche Brod ( ? ) producirt. Also Gegenden, in denen Landwirthschaft vorwaltende Erwerbsquelle ist, halten einen Krieg lange aus, wenn nicht übermäßige Kontribu- tionen von selben erhoben werden, und da in Deutschland die Landwirth- schaft noch vorwiegt, da Deutschland noch reichlich seinen Konsum selbst erzeugt, so haben wir zunächst das beruhigende Bewußtsein, auch in der Kriegszeit werden wir nicht verhungern. Schlimmer sieht es mit der industriellen Erwerbsthätigkeit wäh- rend des Krieges aus; da dieselbe nicht gerade das unumgänglich nothwendige tägliche Brod erzeugt, so fehlt sofort bei Eintritt von Kriegszeiten derselben der Absatz ihrer Erzeugnisse, soweit solche nicht zum alltäglichen Bedürfniß gehören. Der Jndustrielle, welcher sich seines Absatzes beraubt sieht, und nicht wissen kann, wann und in welchem Maße derselbe wieder sich einstellen werde, wird nolens volens seine Produktion beschränken, event. selbe ganz einstellen. Da- durch werden aber seine Arbeiter brodlos, und da dies Verhältniß in vielen Gegenden Deutschlands vorwaltet, da ferner der Landbau nur den geringsten Theil der brodlos gewordenen Fabrikarbeiter und Hand- werker beschäftigen kann, da außerdem deren Domicil oftmals eine landwirthschaftliche Beschäftigung nicht zuläßt, so muß hier anderwei- tig Rath geschafft werden. Ein weiterer Uebelstand ist noch, daß den gewerbtreibenden Theil der Bevölkerung die unvermeidlichen er- höhten Abgaben und Leistungen während des Krieges noch härter treffen als den Landwirth, dessen Erwerb nicht inhibirt ist. Es folgt aus Gesagtem der politisch und wirthschaftlich wichtige Satz: „daß ein Volk in dem Maße einen Krieg länger aushalten könne, als dessen Haupterwerb weniger auf der Jndustrie basire.“ Dieses Rathschaffen ist freilich keine ganz leichte Sache, zumal der sonst immer bereite Vermittler des Verkehres, der Handelsstand, einestheils in solchen Krisen mit sich selber zu thun hat, und anderntheils als solcher, getreu seiner egoistischen Lebensanschauung, welcher das höhere Sittliche, welches dem gewerblichen und landwirthschaftlichen Produ- centen innewohnt, abgeht, sich mit der Hansemann'schen Devise: „in Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf“ von aller Thätigkeit zu- rückzieht ( ? A. d. R. ) . Die erste Aufgabe des außer Thätigkeit gesetzten Theiles der industriellen Bevölkerung ist dem allgemeinen Naturgesetze der Pflicht zur Produktion, zur Wertherzeugung, zur Arbeit auch dann nachzu- kommen zu suchen, wenn dies im gewöhnlichen Gleise nicht möglich ist. Die gewöhnlichen Werthprodukte auch während mangelnden Ab- satzes auf Vorrath zu erzeugen, ist in den meisten Fällen unthunlich. Alle Luxusgegenstände, alle der Mode unterworfenen Artikel, alle leicht verderblichen und alle nur auf Bestellung zu arbeitenden Er- zeugnisse müssen vorläufig hier außer Betracht bleiben. Die aus ihrem Gleise gebrachte Produktion muß sich auf Erzeugung solcher Werthe werfen, die weder einer Mode noch einem Verderben, noch einer Werthverminderung durch längere Aufbewahrung unterliegen. Diese Werthe zerfallen aber selbst wieder in zwei große Gruppen, nämlich in Werthe, welche künftig wieder zu versilbern sind, und in Werthe, welche eine feste Kapitalanlage repräsentiren und eine Ren- tabilität durch ihre Benutzung gewähren. Zu den Werthen der ersten Gruppe gehören alle der Mode und dem Verderben nicht unterworfenen industriellen und landwirthschaft- lichen Produkte und deren Erzeugung während der Kriegszeit zu unterbrechen, hieße eine schwere wirthschaftliche Sünde begehen. Hierfür hat denn auch bereits der Staat theilweise gesorgt, indem die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen beschlossen wurde. Nun, was sind 30,000,000 Thlr. als Aushilfe für das deutsche Wirth- schaftsgebiet? 300 Millionen würden kaum ein Jahr lang hin- reichen, die Werthproduktion in den Hauptartikeln der bezeichneten Gruppe zu unterhalten. Hier ist man auf dem richtigen Wege, aber leider sind die Mittel viel zu gering bemessen ( ? A. d. R. ) . Noch aber wäre dem wirthschaftlichen Uebel, welches ein Krieg mit sich führt, indem er die friedliche Produktion aufhebt, nur zum kleinsten Theile vorgebeugt, wenn selbst diejenigen Jndustriezweige in Thätigkeit erhalten würden, die Erzeugnisse der beregten Art liefern, der weitaus bedeutendere Theil der Arbeitskräfte wäre doch brodlos. Wohl erfordert außer- dem die Produktion vorberegter Werthe in ihrer größten Mehrzahl speziell eingeschulte Arbeitskräfte, und weil es ferner gerade die so- genannten „hartarbeitenden“ Gewerbszweige sind, deren Erzeugnisse hierher gehören, so möchte auch außerdem der geringste Theil der brodlosen Arbeiter fähig sein, hier einzutreten. Die Werthe der zweiten Gruppe, welche also eine feste Kapital- anlage repräsentiren, und sich durch ihre Benutzung rentiren, wären spezieller ins Auge zu fassen. Hierher gehören zunächst öffentliche Verkehrsstraßen, also Eisenbahnen, Kanäle, Kunststraßen, Stromregu- lirungen ec.; zweitens aber land= und forstwirthschaftliche Ameliora- tionen, Entwässerungs= und Bewässerungsanlagen, Hafenbauten und * ) Dieser Aufsatz enthält Manches, womit wir nicht einverstanden sind, z. B. daß der Verfasser die Begriffe Kapital und Geld nicht weit genug von einander gehalten hat. Der Artikel hat indeß auf der andern Seite wieder so viel Anregendes der nähern Erörterung Werthes, daß wir aus diesem Grund die Aufnahme nicht versagten. A. d. R.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 695. Frankfurt a. M., 27. August 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0695_1870/1>, abgerufen am 21.11.2024.