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Der Arbeitgeber. Nr. 699. Frankfurt a. M., 24. September 1870.

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[Spaltenumbruch] soll an dem Mangel von ein Paar Socken, Unterhosen und Hemden,
in Geld ausgedrückt, wegen nicht rechtzeitiger Aufwendung von ein
Paar Thalern verloren gehen? Viele unserer Soldaten haben zu
Hause Weib und Kinder, die sie in Friedenszeiten redlich und gut
ernähren. Sollen solche Männer, Familienväter, von denen das
Glück anderer Menschen abhängt, wegen Entbehrung der nannten
Wollenwaaren, die in jedem Kramladen für wenig Geld zu haben
sind -- sterben?! Ganz abgesehen, daß dieser Gedanke unser Mensch-
kichkeitsgefühl empört, reflektire man nur einen Augenblick, rechne
man nur einen Moment wirthschaftlich, wenn dies Angesichts solcher
traurigen Thatsachen auch schrecklich, kalt und herzlos scheinen mag.
Ein guter Wirthschafter ist indeß immer auch ein guter Mensch!
Was ist die Folge, wenn der Soldat, der Familienvater ist, in Folge
Mangels der genannten Kleidungsstücke stirbt? Das Bivouakiren in
kalten Nächten und der Herbstregen sorgen dafür, daß viele sterben,
man verlasse sich darauf! Was ist nun die Folge des Todes eines
solchen Soldaten fragen wir? Einfach die, daß wir, d. h. das Volk, die
hinterlassene Familie ernähren müssen, was gering gerechnet 250 Thaler
per Jahr ausmacht. Nimmt man nun an, daß die Unterstützung
der Familie durchschnittlich 15 Jahre dauere, so bezahlt das Volk
3750 Thaler, weil es nicht rechtzeitig 3 Thaler bezahlt hat. Das
nennt man eine Wirthschaft! Auf die mehr oder minder große
Genauigkeit der Zahlen kommt es hier nicht an; fest steht, daß
augenblicklich kleine Opfer uns sehr große Aus-
gaben ersparen.
Deßhalb, und diese Aufforderung geht an den
Staat sowohl, wie an die Vereine und alle Privaten, so rasch wie
möglich wollene Socken, wollene Unterhosen und wollene Hemden für
unsere tapfern Soldaten vor Metz!

Allein es ist nicht genug, daß dieses Material zusammen komme,
es muß auch auf den Leib des Soldaten kommen, wenn es nützen
soll; und leider ist von unsern Magazinen bis dahin ein sehr weiter
Weg, der mit vielen Hindernissen belegt ist. Allein guter Wille und
vor allen Dingen festes Auftreten und Heranziehen der Gebrechen
an die Oeffentlichkeit kann auch hier helfen. Unser Gewährsmann
beschwert sich wie viele andere über das Treiben der Johanniter.
Wir sind freilich nicht in der Lage unpartheiisch abzuwägen, was an
den vielen Beschuldigungen ist, die gegen diese Herrn erhoben werden.
Aber etwas scheint faul zu sein in diesem Staate Dänemark; dies
zeugen schon die massenhaft auftretenden Anklagen einerseits und die
vielen Beschönigungen neuerdings andererseits. Doch lassen wir eine
kritische Untersuchung der Thätigkeit der Herrn Johanniter bis zur
gelegenen Zeit. Der nächste Landtag wird hoffentlich bei Bewilli-
gung der den Johanniter ausgesetzten Unterstützungs=Summe die Sache
untersuchen. Jetzt kommt es darauf an, daß nicht bloß die oben-
genannten Gegenstände zusammen kommen, sondern daß sie auch rasch
an den Ort ihrer Verwendung kommen. Es wäre eine schwere
Unterlassungssünde, die sich alle dabei betheiligten Faktoren zu Schulden
kommen ließen, wollte man diese Forderung nicht anerkennen oder
der Erfüllung derselben Schwierigkeiten irgend welcher Art entgegen
legen. Alle Standes= und sonstige Rücksichten müssen hier wegfallen,
hier gilt nur ein Satz, dem sich alle zu unterwerfen haben: Es
muß schleunigst geholfen werden!

* Deutsche Jnvalidenkasse. Der preußische "Staatsanzeiger"
veröffentlicht einen Aufruf des Kronprinzen, in welchem darauf hin-
gewiesen wird, daß der Krieg ein einheitliches deutsches Heer ge-
schaffen habe, daher auch die Sorge um die Jnvaliden und die durch
den Krieg hilflos Gewordenen eine gemeinsame deutsche Angelegenheit
sei. Deshalb beauftragt der Kronprinz den Geschäftsausschuß der
Viktoria=Jnvalidenstiftung von 1866 die Organisation und Leitung
einer Jnvalidenstiftung für Deutschland zu übernehmen und in ganz
Deutschland zu Beiträgen und zur Bildung von Zweigvereinen auf-
zufordern.

* Die Friedensliga. Es ist eine eigenthümliche Jronie des
Schicksals, daß die internationale Friedensliga am Tage vor der
Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland noch ein Cirkular erließ,
worin sie mit Befriedigung die damals für definitiv gehaltene Be-
endigung des Konfliktes mittheilt. Die Liga hat im Jahr 1869
einen Wettbewerb ausgeschrieben für das beste volksthümlichste
Werk
über das Verbrechen des Krieges. 40 Schriften sind darauf
eingegangen. Zwei neue Flugschriften, die 11. und 12. der
ganzen Sammlung sollen noch in diesem Herbste erscheinen. Die
eine enthält einen Bericht über die 56. Jahresversammlung der
englischen Friedensliga, welche jetzt eine regelmäßige Ein-
[Spaltenumbruch] nahme von 80,000 Fr. per Jahr, ein eigenes Haus, Blatt und
überall Vertreter hat. Jedes Jahr veranstaltet sie mehre Hundert
Vorträge und Versammlungen für ihren Zweck. Die internationale
Liga hat kaum den zehnten Theil dieser Einnahme, besteht aber auch
erst 4 Jahre. Es ist beabsichtigt, künftig auch einen Almanach
herauszugeben. -- Die Liga, bis jetzt hauptsächlich eine französische,
wird gut thun, zunächst die französische Eitelkeit zu bekämpfen; denn
aus der dem Volke systematisch eingetrichterten und jetzt zum förm-
lichen Größenwahnsinn ausgebildeten übertriebenen Meinung von sich
selbst, sind in diesem Jahrhundert die meisten Kriege hervorgegangen.

* Bildet Eure Töchter. Unter diesem Titel bringt der " Bürger-
und Bauernfreund" einen Leitartikel, in dem viel Wahres enthalten
ist. Er knüpft an die widerliche Erscheinung an, wonach die fran-
zösischen Gefangenen und Verwundeten gerade von gebildeten Frauen
und Mädchen bevorzugt worden seien, und erklärt dieselbe aus den
rein französischen Elementen, mit denen die Erziehung unserer Töchter
nur zu voll gepfropft ist. Französisch Plappern wird in allen höheren
Töchterschulen gelehrt, aber der Verstand wie das Gemüth werden
sehr selten hinlänglich gebildet. Auch zur politischen Bildung der
Mädchen wird in dem Artikel aufgefordert. Besser ein Mädchen,
das politisch irgend eine Farbe hat, als ein ganz neutrales, gegen
alle Politik gleichgültiges Mädchen. Wenn auch eine Republikanerin
sich in einen Reaktionär verliebt, und beide sich trotz ihres verschie-
denen politischen Glaubensbekenntnisses heirathen -- das schadet
gar nichts, kommt ja auch bei religiösen Glaubensbekenntnissen vor.
Jm Gegentheil das nützt. Das höher stehende Element wird das
niedere nach sich ziehen, und so kann es kommen, daß eine gescheidte
Republikanerin aus einem in der Wolle gefärbten Konservativen
wenigstens einen Mann mit liberalen Ansichten machen kann;
aber freilich bedarf es dazu einer Republikanerin, d. h. die Er-
ziehung unserer Mädchen muß so geleitet werden, daß auch politische
Ueberzeugungen sich bei ihnen bilden; dies ist nöthig, wenn unsere
Nation der Stellung gewachsen sein soll, welche ihr die Weltgeschichte
wahrscheinlich für die Zukunft anweisen wird. Deßhalb sagen wir
mit dem "Bürger= und Bauernfreund". Bildet Eure Töchter! und
fügen hinzu: aber richtig!

* Gleichheit vor dem Gesetz. Es ist aufgefallen, daß bei
Vertheilung der eisernen Kreuze als Auszeichnung für Thaten auf
dem Schlachtfeld, bisher nur die Namen der Offiziere genannt wor-
den sind, die der übrigen Soldaten aber nicht. Diese Letzteren mögen
allerdings nicht so rasch zu erfahren sein, als die der Offiziere, und
bisweilen werden die Kreuze nicht persönlich, sondern compagnieweise
ertheilt, so daß erst später der Würdigste herausgesucht wird. Allein
in Fällen, wo die Kreuze persönlich ertheilt wurden, kennt man doch
die Namen und sollte sie auch ebenso wie die der Offiziere mittheilen.
Soweit darf man wahrhaftig den aristokratischen Klassen=Unterschied,
der bei unserem jetzigen Heere ohnehin keinen Sinn hat, nicht treiben.

* Bevölkerungsstatistik. Wir entnehmen der Statistique de la
France, durch den Oestr. Oekonomist, nachstehende Daten: Jn Be-
treff der Vermehrung der Bevölkerung nehmen die Länder nachstehende
Reihenfolge ein, bei welcher der jährliche Zuwachs auf 100 Ein-
wohner durch die nebenstehende Zahl und die sich dadurch ergebende
Verdoppelungsperiode der Bevölkerung in Klammer ausgedrückt ist.
Europäisches Rußland 1,39 ( 50 Jahre ) , Schweden 1,33 ( 52 1 / 2 J. ) ,
Norwegen 1,32 ( 53 ) , Schottland 1,31 ( 53 ) , Preußen 1,26 ( 55 ) ,
England 1,26 ( 55 ) , Ungarn 1,09 ( 64 ) , Sachsen 1,05 ( 66 ) , Nieder-
lande 1,05 ( 66 ) , Dänemark 1,05 ( 66 ) , Belgien 0,88 ( 79 ) , Wür-
temberg 0,84 ( 83 ) , Jtalien 0,83 ( 84 ) , Bayern 0,70 ( 99 ) , Spa-
nien 0,67 ( 104 ) , Oestreich 0,63 ( 110 ) , Frankreich 0,38 ( 183 ) .
Uneheliche Geburten waren von 100 Geburten in Bayern 22,68,
Würtemberg 15,76, Sachsen 15,05, Oestreich 14,72, Dänemark 10,84,
Schottland 9,79, Schweden 9,20, Preußen 8,28, Norwegen 7,89,
Frankreich 7,56, Belgien 7,19, Ungarn 6,77, England 6,36, die
Schweiz ( ohne Tessin, Waad und Wallis ) 6,20, Spanien 5,83,
Jtalien 4,94, den Niederlanden 3,93, Jrland 3,75, Rußland 3.

* Todesstrafe. Die erste holländische Kammer hat den
Gesetzentwurf, betreffend die Abschaffung der Todesstrafe, mit 20
gegen 18 Stimmen angenommen.

* Feuerlöschwesen. Jn Bayern sollen jetzt an den Orten,
an welchen landwirthschaftliche Schulen bestehen, Feuerwehren aus den
Studirenden der Landwirthschaft gebildet werden. Man hofft dadurch
die Gründung von freiwilligen Feuerwehren auf dem Lande zu fördern.

[Spaltenumbruch] soll an dem Mangel von ein Paar Socken, Unterhosen und Hemden,
in Geld ausgedrückt, wegen nicht rechtzeitiger Aufwendung von ein
Paar Thalern verloren gehen? Viele unserer Soldaten haben zu
Hause Weib und Kinder, die sie in Friedenszeiten redlich und gut
ernähren. Sollen solche Männer, Familienväter, von denen das
Glück anderer Menschen abhängt, wegen Entbehrung der nannten
Wollenwaaren, die in jedem Kramladen für wenig Geld zu haben
sind -- sterben?! Ganz abgesehen, daß dieser Gedanke unser Mensch-
kichkeitsgefühl empört, reflektire man nur einen Augenblick, rechne
man nur einen Moment wirthschaftlich, wenn dies Angesichts solcher
traurigen Thatsachen auch schrecklich, kalt und herzlos scheinen mag.
Ein guter Wirthschafter ist indeß immer auch ein guter Mensch!
Was ist die Folge, wenn der Soldat, der Familienvater ist, in Folge
Mangels der genannten Kleidungsstücke stirbt? Das Bivouakiren in
kalten Nächten und der Herbstregen sorgen dafür, daß viele sterben,
man verlasse sich darauf! Was ist nun die Folge des Todes eines
solchen Soldaten fragen wir? Einfach die, daß wir, d. h. das Volk, die
hinterlassene Familie ernähren müssen, was gering gerechnet 250 Thaler
per Jahr ausmacht. Nimmt man nun an, daß die Unterstützung
der Familie durchschnittlich 15 Jahre dauere, so bezahlt das Volk
3750 Thaler, weil es nicht rechtzeitig 3 Thaler bezahlt hat. Das
nennt man eine Wirthschaft! Auf die mehr oder minder große
Genauigkeit der Zahlen kommt es hier nicht an; fest steht, daß
augenblicklich kleine Opfer uns sehr große Aus-
gaben ersparen.
Deßhalb, und diese Aufforderung geht an den
Staat sowohl, wie an die Vereine und alle Privaten, so rasch wie
möglich wollene Socken, wollene Unterhosen und wollene Hemden für
unsere tapfern Soldaten vor Metz!

Allein es ist nicht genug, daß dieses Material zusammen komme,
es muß auch auf den Leib des Soldaten kommen, wenn es nützen
soll; und leider ist von unsern Magazinen bis dahin ein sehr weiter
Weg, der mit vielen Hindernissen belegt ist. Allein guter Wille und
vor allen Dingen festes Auftreten und Heranziehen der Gebrechen
an die Oeffentlichkeit kann auch hier helfen. Unser Gewährsmann
beschwert sich wie viele andere über das Treiben der Johanniter.
Wir sind freilich nicht in der Lage unpartheiisch abzuwägen, was an
den vielen Beschuldigungen ist, die gegen diese Herrn erhoben werden.
Aber etwas scheint faul zu sein in diesem Staate Dänemark; dies
zeugen schon die massenhaft auftretenden Anklagen einerseits und die
vielen Beschönigungen neuerdings andererseits. Doch lassen wir eine
kritische Untersuchung der Thätigkeit der Herrn Johanniter bis zur
gelegenen Zeit. Der nächste Landtag wird hoffentlich bei Bewilli-
gung der den Johanniter ausgesetzten Unterstützungs=Summe die Sache
untersuchen. Jetzt kommt es darauf an, daß nicht bloß die oben-
genannten Gegenstände zusammen kommen, sondern daß sie auch rasch
an den Ort ihrer Verwendung kommen. Es wäre eine schwere
Unterlassungssünde, die sich alle dabei betheiligten Faktoren zu Schulden
kommen ließen, wollte man diese Forderung nicht anerkennen oder
der Erfüllung derselben Schwierigkeiten irgend welcher Art entgegen
legen. Alle Standes= und sonstige Rücksichten müssen hier wegfallen,
hier gilt nur ein Satz, dem sich alle zu unterwerfen haben: Es
muß schleunigst geholfen werden!

* Deutsche Jnvalidenkasse. Der preußische „Staatsanzeiger“
veröffentlicht einen Aufruf des Kronprinzen, in welchem darauf hin-
gewiesen wird, daß der Krieg ein einheitliches deutsches Heer ge-
schaffen habe, daher auch die Sorge um die Jnvaliden und die durch
den Krieg hilflos Gewordenen eine gemeinsame deutsche Angelegenheit
sei. Deshalb beauftragt der Kronprinz den Geschäftsausschuß der
Viktoria=Jnvalidenstiftung von 1866 die Organisation und Leitung
einer Jnvalidenstiftung für Deutschland zu übernehmen und in ganz
Deutschland zu Beiträgen und zur Bildung von Zweigvereinen auf-
zufordern.

* Die Friedensliga. Es ist eine eigenthümliche Jronie des
Schicksals, daß die internationale Friedensliga am Tage vor der
Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland noch ein Cirkular erließ,
worin sie mit Befriedigung die damals für definitiv gehaltene Be-
endigung des Konfliktes mittheilt. Die Liga hat im Jahr 1869
einen Wettbewerb ausgeschrieben für das beste volksthümlichste
Werk
über das Verbrechen des Krieges. 40 Schriften sind darauf
eingegangen. Zwei neue Flugschriften, die 11. und 12. der
ganzen Sammlung sollen noch in diesem Herbste erscheinen. Die
eine enthält einen Bericht über die 56. Jahresversammlung der
englischen Friedensliga, welche jetzt eine regelmäßige Ein-
[Spaltenumbruch] nahme von 80,000 Fr. per Jahr, ein eigenes Haus, Blatt und
überall Vertreter hat. Jedes Jahr veranstaltet sie mehre Hundert
Vorträge und Versammlungen für ihren Zweck. Die internationale
Liga hat kaum den zehnten Theil dieser Einnahme, besteht aber auch
erst 4 Jahre. Es ist beabsichtigt, künftig auch einen Almanach
herauszugeben. -- Die Liga, bis jetzt hauptsächlich eine französische,
wird gut thun, zunächst die französische Eitelkeit zu bekämpfen; denn
aus der dem Volke systematisch eingetrichterten und jetzt zum förm-
lichen Größenwahnsinn ausgebildeten übertriebenen Meinung von sich
selbst, sind in diesem Jahrhundert die meisten Kriege hervorgegangen.

* Bildet Eure Töchter. Unter diesem Titel bringt der „ Bürger-
und Bauernfreund“ einen Leitartikel, in dem viel Wahres enthalten
ist. Er knüpft an die widerliche Erscheinung an, wonach die fran-
zösischen Gefangenen und Verwundeten gerade von gebildeten Frauen
und Mädchen bevorzugt worden seien, und erklärt dieselbe aus den
rein französischen Elementen, mit denen die Erziehung unserer Töchter
nur zu voll gepfropft ist. Französisch Plappern wird in allen höheren
Töchterschulen gelehrt, aber der Verstand wie das Gemüth werden
sehr selten hinlänglich gebildet. Auch zur politischen Bildung der
Mädchen wird in dem Artikel aufgefordert. Besser ein Mädchen,
das politisch irgend eine Farbe hat, als ein ganz neutrales, gegen
alle Politik gleichgültiges Mädchen. Wenn auch eine Republikanerin
sich in einen Reaktionär verliebt, und beide sich trotz ihres verschie-
denen politischen Glaubensbekenntnisses heirathen -- das schadet
gar nichts, kommt ja auch bei religiösen Glaubensbekenntnissen vor.
Jm Gegentheil das nützt. Das höher stehende Element wird das
niedere nach sich ziehen, und so kann es kommen, daß eine gescheidte
Republikanerin aus einem in der Wolle gefärbten Konservativen
wenigstens einen Mann mit liberalen Ansichten machen kann;
aber freilich bedarf es dazu einer Republikanerin, d. h. die Er-
ziehung unserer Mädchen muß so geleitet werden, daß auch politische
Ueberzeugungen sich bei ihnen bilden; dies ist nöthig, wenn unsere
Nation der Stellung gewachsen sein soll, welche ihr die Weltgeschichte
wahrscheinlich für die Zukunft anweisen wird. Deßhalb sagen wir
mit dem „Bürger= und Bauernfreund“. Bildet Eure Töchter! und
fügen hinzu: aber richtig!

* Gleichheit vor dem Gesetz. Es ist aufgefallen, daß bei
Vertheilung der eisernen Kreuze als Auszeichnung für Thaten auf
dem Schlachtfeld, bisher nur die Namen der Offiziere genannt wor-
den sind, die der übrigen Soldaten aber nicht. Diese Letzteren mögen
allerdings nicht so rasch zu erfahren sein, als die der Offiziere, und
bisweilen werden die Kreuze nicht persönlich, sondern compagnieweise
ertheilt, so daß erst später der Würdigste herausgesucht wird. Allein
in Fällen, wo die Kreuze persönlich ertheilt wurden, kennt man doch
die Namen und sollte sie auch ebenso wie die der Offiziere mittheilen.
Soweit darf man wahrhaftig den aristokratischen Klassen=Unterschied,
der bei unserem jetzigen Heere ohnehin keinen Sinn hat, nicht treiben.

* Bevölkerungsstatistik. Wir entnehmen der Statistique de la
France, durch den Oestr. Oekonomist, nachstehende Daten: Jn Be-
treff der Vermehrung der Bevölkerung nehmen die Länder nachstehende
Reihenfolge ein, bei welcher der jährliche Zuwachs auf 100 Ein-
wohner durch die nebenstehende Zahl und die sich dadurch ergebende
Verdoppelungsperiode der Bevölkerung in Klammer ausgedrückt ist.
Europäisches Rußland 1,39 ( 50 Jahre ) , Schweden 1,33 ( 52 1 / 2 J. ) ,
Norwegen 1,32 ( 53 ) , Schottland 1,31 ( 53 ) , Preußen 1,26 ( 55 ) ,
England 1,26 ( 55 ) , Ungarn 1,09 ( 64 ) , Sachsen 1,05 ( 66 ) , Nieder-
lande 1,05 ( 66 ) , Dänemark 1,05 ( 66 ) , Belgien 0,88 ( 79 ) , Wür-
temberg 0,84 ( 83 ) , Jtalien 0,83 ( 84 ) , Bayern 0,70 ( 99 ) , Spa-
nien 0,67 ( 104 ) , Oestreich 0,63 ( 110 ) , Frankreich 0,38 ( 183 ) .
Uneheliche Geburten waren von 100 Geburten in Bayern 22,68,
Würtemberg 15,76, Sachsen 15,05, Oestreich 14,72, Dänemark 10,84,
Schottland 9,79, Schweden 9,20, Preußen 8,28, Norwegen 7,89,
Frankreich 7,56, Belgien 7,19, Ungarn 6,77, England 6,36, die
Schweiz ( ohne Tessin, Waad und Wallis ) 6,20, Spanien 5,83,
Jtalien 4,94, den Niederlanden 3,93, Jrland 3,75, Rußland 3.

* Todesstrafe. Die erste holländische Kammer hat den
Gesetzentwurf, betreffend die Abschaffung der Todesstrafe, mit 20
gegen 18 Stimmen angenommen.

* Feuerlöschwesen. Jn Bayern sollen jetzt an den Orten,
an welchen landwirthschaftliche Schulen bestehen, Feuerwehren aus den
Studirenden der Landwirthschaft gebildet werden. Man hofft dadurch
die Gründung von freiwilligen Feuerwehren auf dem Lande zu fördern.

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[0002] soll an dem Mangel von ein Paar Socken, Unterhosen und Hemden, in Geld ausgedrückt, wegen nicht rechtzeitiger Aufwendung von ein Paar Thalern verloren gehen? Viele unserer Soldaten haben zu Hause Weib und Kinder, die sie in Friedenszeiten redlich und gut ernähren. Sollen solche Männer, Familienväter, von denen das Glück anderer Menschen abhängt, wegen Entbehrung der nannten Wollenwaaren, die in jedem Kramladen für wenig Geld zu haben sind -- sterben?! Ganz abgesehen, daß dieser Gedanke unser Mensch- kichkeitsgefühl empört, reflektire man nur einen Augenblick, rechne man nur einen Moment wirthschaftlich, wenn dies Angesichts solcher traurigen Thatsachen auch schrecklich, kalt und herzlos scheinen mag. Ein guter Wirthschafter ist indeß immer auch ein guter Mensch! Was ist die Folge, wenn der Soldat, der Familienvater ist, in Folge Mangels der genannten Kleidungsstücke stirbt? Das Bivouakiren in kalten Nächten und der Herbstregen sorgen dafür, daß viele sterben, man verlasse sich darauf! Was ist nun die Folge des Todes eines solchen Soldaten fragen wir? Einfach die, daß wir, d. h. das Volk, die hinterlassene Familie ernähren müssen, was gering gerechnet 250 Thaler per Jahr ausmacht. Nimmt man nun an, daß die Unterstützung der Familie durchschnittlich 15 Jahre dauere, so bezahlt das Volk 3750 Thaler, weil es nicht rechtzeitig 3 Thaler bezahlt hat. Das nennt man eine Wirthschaft! Auf die mehr oder minder große Genauigkeit der Zahlen kommt es hier nicht an; fest steht, daß augenblicklich kleine Opfer uns sehr große Aus- gaben ersparen. Deßhalb, und diese Aufforderung geht an den Staat sowohl, wie an die Vereine und alle Privaten, so rasch wie möglich wollene Socken, wollene Unterhosen und wollene Hemden für unsere tapfern Soldaten vor Metz! Allein es ist nicht genug, daß dieses Material zusammen komme, es muß auch auf den Leib des Soldaten kommen, wenn es nützen soll; und leider ist von unsern Magazinen bis dahin ein sehr weiter Weg, der mit vielen Hindernissen belegt ist. Allein guter Wille und vor allen Dingen festes Auftreten und Heranziehen der Gebrechen an die Oeffentlichkeit kann auch hier helfen. Unser Gewährsmann beschwert sich wie viele andere über das Treiben der Johanniter. Wir sind freilich nicht in der Lage unpartheiisch abzuwägen, was an den vielen Beschuldigungen ist, die gegen diese Herrn erhoben werden. Aber etwas scheint faul zu sein in diesem Staate Dänemark; dies zeugen schon die massenhaft auftretenden Anklagen einerseits und die vielen Beschönigungen neuerdings andererseits. Doch lassen wir eine kritische Untersuchung der Thätigkeit der Herrn Johanniter bis zur gelegenen Zeit. Der nächste Landtag wird hoffentlich bei Bewilli- gung der den Johanniter ausgesetzten Unterstützungs=Summe die Sache untersuchen. Jetzt kommt es darauf an, daß nicht bloß die oben- genannten Gegenstände zusammen kommen, sondern daß sie auch rasch an den Ort ihrer Verwendung kommen. Es wäre eine schwere Unterlassungssünde, die sich alle dabei betheiligten Faktoren zu Schulden kommen ließen, wollte man diese Forderung nicht anerkennen oder der Erfüllung derselben Schwierigkeiten irgend welcher Art entgegen legen. Alle Standes= und sonstige Rücksichten müssen hier wegfallen, hier gilt nur ein Satz, dem sich alle zu unterwerfen haben: Es muß schleunigst geholfen werden! * Deutsche Jnvalidenkasse. Der preußische „Staatsanzeiger“ veröffentlicht einen Aufruf des Kronprinzen, in welchem darauf hin- gewiesen wird, daß der Krieg ein einheitliches deutsches Heer ge- schaffen habe, daher auch die Sorge um die Jnvaliden und die durch den Krieg hilflos Gewordenen eine gemeinsame deutsche Angelegenheit sei. Deshalb beauftragt der Kronprinz den Geschäftsausschuß der Viktoria=Jnvalidenstiftung von 1866 die Organisation und Leitung einer Jnvalidenstiftung für Deutschland zu übernehmen und in ganz Deutschland zu Beiträgen und zur Bildung von Zweigvereinen auf- zufordern. * Die Friedensliga. Es ist eine eigenthümliche Jronie des Schicksals, daß die internationale Friedensliga am Tage vor der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland noch ein Cirkular erließ, worin sie mit Befriedigung die damals für definitiv gehaltene Be- endigung des Konfliktes mittheilt. Die Liga hat im Jahr 1869 einen Wettbewerb ausgeschrieben für das beste volksthümlichste Werk über das Verbrechen des Krieges. 40 Schriften sind darauf eingegangen. Zwei neue Flugschriften, die 11. und 12. der ganzen Sammlung sollen noch in diesem Herbste erscheinen. Die eine enthält einen Bericht über die 56. Jahresversammlung der englischen Friedensliga, welche jetzt eine regelmäßige Ein- nahme von 80,000 Fr. per Jahr, ein eigenes Haus, Blatt und überall Vertreter hat. Jedes Jahr veranstaltet sie mehre Hundert Vorträge und Versammlungen für ihren Zweck. Die internationale Liga hat kaum den zehnten Theil dieser Einnahme, besteht aber auch erst 4 Jahre. Es ist beabsichtigt, künftig auch einen Almanach herauszugeben. -- Die Liga, bis jetzt hauptsächlich eine französische, wird gut thun, zunächst die französische Eitelkeit zu bekämpfen; denn aus der dem Volke systematisch eingetrichterten und jetzt zum förm- lichen Größenwahnsinn ausgebildeten übertriebenen Meinung von sich selbst, sind in diesem Jahrhundert die meisten Kriege hervorgegangen. * Bildet Eure Töchter. Unter diesem Titel bringt der „ Bürger- und Bauernfreund“ einen Leitartikel, in dem viel Wahres enthalten ist. Er knüpft an die widerliche Erscheinung an, wonach die fran- zösischen Gefangenen und Verwundeten gerade von gebildeten Frauen und Mädchen bevorzugt worden seien, und erklärt dieselbe aus den rein französischen Elementen, mit denen die Erziehung unserer Töchter nur zu voll gepfropft ist. Französisch Plappern wird in allen höheren Töchterschulen gelehrt, aber der Verstand wie das Gemüth werden sehr selten hinlänglich gebildet. Auch zur politischen Bildung der Mädchen wird in dem Artikel aufgefordert. Besser ein Mädchen, das politisch irgend eine Farbe hat, als ein ganz neutrales, gegen alle Politik gleichgültiges Mädchen. Wenn auch eine Republikanerin sich in einen Reaktionär verliebt, und beide sich trotz ihres verschie- denen politischen Glaubensbekenntnisses heirathen -- das schadet gar nichts, kommt ja auch bei religiösen Glaubensbekenntnissen vor. Jm Gegentheil das nützt. Das höher stehende Element wird das niedere nach sich ziehen, und so kann es kommen, daß eine gescheidte Republikanerin aus einem in der Wolle gefärbten Konservativen wenigstens einen Mann mit liberalen Ansichten machen kann; aber freilich bedarf es dazu einer Republikanerin, d. h. die Er- ziehung unserer Mädchen muß so geleitet werden, daß auch politische Ueberzeugungen sich bei ihnen bilden; dies ist nöthig, wenn unsere Nation der Stellung gewachsen sein soll, welche ihr die Weltgeschichte wahrscheinlich für die Zukunft anweisen wird. Deßhalb sagen wir mit dem „Bürger= und Bauernfreund“. Bildet Eure Töchter! und fügen hinzu: aber richtig! * Gleichheit vor dem Gesetz. Es ist aufgefallen, daß bei Vertheilung der eisernen Kreuze als Auszeichnung für Thaten auf dem Schlachtfeld, bisher nur die Namen der Offiziere genannt wor- den sind, die der übrigen Soldaten aber nicht. Diese Letzteren mögen allerdings nicht so rasch zu erfahren sein, als die der Offiziere, und bisweilen werden die Kreuze nicht persönlich, sondern compagnieweise ertheilt, so daß erst später der Würdigste herausgesucht wird. Allein in Fällen, wo die Kreuze persönlich ertheilt wurden, kennt man doch die Namen und sollte sie auch ebenso wie die der Offiziere mittheilen. Soweit darf man wahrhaftig den aristokratischen Klassen=Unterschied, der bei unserem jetzigen Heere ohnehin keinen Sinn hat, nicht treiben. * Bevölkerungsstatistik. Wir entnehmen der Statistique de la France, durch den Oestr. Oekonomist, nachstehende Daten: Jn Be- treff der Vermehrung der Bevölkerung nehmen die Länder nachstehende Reihenfolge ein, bei welcher der jährliche Zuwachs auf 100 Ein- wohner durch die nebenstehende Zahl und die sich dadurch ergebende Verdoppelungsperiode der Bevölkerung in Klammer ausgedrückt ist. Europäisches Rußland 1,39 ( 50 Jahre ) , Schweden 1,33 ( 52 1 / 2 J. ) , Norwegen 1,32 ( 53 ) , Schottland 1,31 ( 53 ) , Preußen 1,26 ( 55 ) , England 1,26 ( 55 ) , Ungarn 1,09 ( 64 ) , Sachsen 1,05 ( 66 ) , Nieder- lande 1,05 ( 66 ) , Dänemark 1,05 ( 66 ) , Belgien 0,88 ( 79 ) , Wür- temberg 0,84 ( 83 ) , Jtalien 0,83 ( 84 ) , Bayern 0,70 ( 99 ) , Spa- nien 0,67 ( 104 ) , Oestreich 0,63 ( 110 ) , Frankreich 0,38 ( 183 ) . Uneheliche Geburten waren von 100 Geburten in Bayern 22,68, Würtemberg 15,76, Sachsen 15,05, Oestreich 14,72, Dänemark 10,84, Schottland 9,79, Schweden 9,20, Preußen 8,28, Norwegen 7,89, Frankreich 7,56, Belgien 7,19, Ungarn 6,77, England 6,36, die Schweiz ( ohne Tessin, Waad und Wallis ) 6,20, Spanien 5,83, Jtalien 4,94, den Niederlanden 3,93, Jrland 3,75, Rußland 3. * Todesstrafe. Die erste holländische Kammer hat den Gesetzentwurf, betreffend die Abschaffung der Todesstrafe, mit 20 gegen 18 Stimmen angenommen. * Feuerlöschwesen. Jn Bayern sollen jetzt an den Orten, an welchen landwirthschaftliche Schulen bestehen, Feuerwehren aus den Studirenden der Landwirthschaft gebildet werden. Man hofft dadurch die Gründung von freiwilligen Feuerwehren auf dem Lande zu fördern.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 699. Frankfurt a. M., 24. September 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0699_1870/2>, abgerufen am 21.11.2024.