Der Arbeitgeber. Nr. 701. Frankfurt a. M., 8. Oktober 1870.[Spaltenumbruch]
müssen ihnen beibringen, daß sie nicht bloß auswandern können, Die Vermittlung landwirthschaftlicher Arbeiter ist ein vernach- Auch die Dienstleistungen, welche die Bevölkerungen vorüber- Besser eingerichtet wie die oben genannte Vermittlungsart ist Die Löhne für Dienstboten sind zwar gestiegen, aber wir sind Die Vermittlung der Dienstboten geschieht auf sehr decentrali- Greift man die Sache etwas weiter, so daß man alle weiblichen Die lokale Vermittlung dieser Klasse von Arbeitern ist durch- Die Arbeitvermittlung muß frei gegeben werden; sobald dies Besonderer kurzer Erwähnung verdienen auch die Dienstmann- * Elsaß und Lothringen. Wir haben schon vor einiger Zeit [Spaltenumbruch]
müssen ihnen beibringen, daß sie nicht bloß auswandern können, Die Vermittlung landwirthschaftlicher Arbeiter ist ein vernach- Auch die Dienstleistungen, welche die Bevölkerungen vorüber- Besser eingerichtet wie die oben genannte Vermittlungsart ist Die Löhne für Dienstboten sind zwar gestiegen, aber wir sind Die Vermittlung der Dienstboten geschieht auf sehr decentrali- Greift man die Sache etwas weiter, so daß man alle weiblichen Die lokale Vermittlung dieser Klasse von Arbeitern ist durch- Die Arbeitvermittlung muß frei gegeben werden; sobald dies Besonderer kurzer Erwähnung verdienen auch die Dienstmann- * Elsaß und Lothringen. Wir haben schon vor einiger Zeit <TEI> <text> <body> <div type="jFinancialNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002"/><cb n="8748"/> müssen ihnen beibringen, daß sie nicht bloß auswandern können,<lb/> sondern auch <hi rendition="#g">im Land frei hinziehen und sich ansässig<lb/> machen können wo sie wollen.</hi> </p><lb/> <p>Die Vermittlung landwirthschaftlicher Arbeiter ist ein vernach-<lb/> lässigter Geschäftszweig, und hat sich deßhalb gerächt. Unsere Jndu-<lb/> strie ging rascher wie die Landwirthschaft, und nahm ihr viele Ar-<lb/> beiter; die Landwirthschaft humpelte unter Klagen lange hinten nach;<lb/> es ist Zeit, daß sie dieses nutzlose System aufgibt, sich aufrafft und<lb/> die Arbeitvermittlung selbst und zwar in oben angedeuteter Weise in<lb/> die Hand nimmt. Auf anderem Weg, das möge man sich ein für<lb/> allemal merken, ist die Sache nicht zu machen; befolgt man daher<lb/> die hier gegebenen Vorschläge nicht, so wird die Landwirthschaft, in<lb/> Folge der theueren Arbeitlöhne, ein immer weniger rentabeleres Ge-<lb/> schäft werden.</p><lb/> <p>Auch die Dienstleistungen, welche die Bevölkerungen vorüber-<lb/> gehend einander leisten, könnten besser organisirt werden. Dieselben<lb/> ( das Wandern der Fulder <abbr>ec.</abbr> ) wurden eingeführt zu einer Zeit als<lb/> es noch keine Eisenbahnen gab, der Austausch fand daher nur immer<lb/> in der Nähe statt; diese Wege waren schon für die Begriffe der<lb/> Leute sehr weit; sie brauchten mehrere Tage dazu, um an Ort und<lb/> Stelle zu kommen. Die Eisenbahnen haben aber heutzutage die<lb/> Wege sehr abgekürzt, und dieser Satz muß Anwendung auf die Be-<lb/> völkerungen finden, welche sporadisch jedes Jahr eine Zeit lang in<lb/> eine andere Gegend wandern, um Arbeit zu finden; d. h. die Eisen-<lb/> bahnen müssen diese Leute um ein sehr billiges Entgeld an den Ort<lb/> ihrer Bestimmung hin= und hertransportiren, dann kann der Mann<lb/> von der rauhen Alp, vom bayerischen Wald, vom Erzgebirg, vom<lb/> Westerwald leichter ins gesegnete Rheinland oder reiche Sachsen<lb/> kommen, als der Odenwälder heutzutage nach Rheinhessen oder gar<lb/> nach Vorderstarkenburg. Aber damit die Eisenbahnen den Transport-<lb/> dienst gegen billige Fahrtaxe übernehmen können, muß diese Arbeit-<lb/> vermittlung <hi rendition="#g">organisirt</hi> sein.</p><lb/> <p>Besser eingerichtet wie die oben genannte Vermittlungsart ist<lb/> die Vermittlung von Arbeit für <hi rendition="#g">städtische Dienstboten,</hi> und<lb/> solche Leute, welche in Städten niedere kleine Dienste verrichten, so-<lb/> genannte <hi rendition="#g">Dienstmänner.</hi> Die Dienstbotennoth ist zwar auch<lb/> ein stehendes Thema, das unsere Hausfrauen nach allen Variationen,<lb/> besonders in Kaffee=Konzerten, Thee=Oratorien und einfachen Gesang-<lb/> proben ohne Jnstrumentalbegleitung abspielen; allein sie bezieht sich<lb/> weniger auf die Quantität als auf die Qualität, d. h. an Dienst-<lb/> mädchen mangelt es nie oder doch selten, aber sie sind den Herr-<lb/> schaften nicht gut genug, oder auch nicht schlecht genug, d. h. die<lb/> Dienstmädchen machen zu viel Ansprüche, unter andern ganz uner-<lb/> hörte, z. B. auf menschliche anständige Behandlung, und was der-<lb/> gleichen absurde Forderungen der Neuzeit mehr sind, worauf sich doch<lb/> eine gute gediegene ächt hausbackene Wirthschafterin unter keinen Umständen<lb/> einlassen kann. Die schlechte Dachkammer, in die es im Sommer<lb/> regnet, und im Winter oft schneit, die nicht heizbar, ist ihr nicht<lb/> gut genug -- unerhört! Man soll sie als ein Fräulein behandeln,<lb/> und per Sie anreden -- unerhörter! Nachdem sie von Morgens 5<lb/> bis Abends 10 oder gar 11 -- ich habe in Häusern gewohnt wo das<lb/> Mädchen vor 12 Uhr Nachts regelmäßig nicht zur Ruhe kam, dagegen<lb/> präzis 5 Uhr Morgens geweckt wurde -- Trepp auf Trepp ab, in<lb/> Küche und Keller gewirthschaftet, und für die Bequemlichkeit der Herr-<lb/> schaft abgerackert hat, verlangt die Person Sonntags Nachmittags<lb/> einen Ausgang -- am unerhörtesten -- um, das ist doch am<lb/> allerunerhörtesten, mit ihrem Schatz spazieren zu gehen. Diese Person<lb/> erfrecht sich einen Schatz zu haben! Doch genug davon, sicher ist,<lb/> daß das arme Dienstmädchen immer <hi rendition="#g">das</hi> hat, was der Herrschaft<lb/> häufig fehlt, <hi rendition="#g">ein Herz.</hi> --</p><lb/> <p>Die Löhne für Dienstboten sind zwar gestiegen, aber wir sind<lb/> nicht geneigt dies dem Mangel an Angebot zuzuschreiben; es scheint<lb/> uns vielmehr die Lohnsteigerung auf einer Hebung der ganzen Klasse<lb/> zu beruhen, allerdings zunächst veranlaßt durch die Zunahme des<lb/> Wohlstandes der sogenannten Herrschaften.</p><lb/> <p>Die Vermittlung der Dienstboten geschieht auf sehr decentrali-<lb/> sirte Weise, durch sogenannte „Verdingfrauen“; es sind dies über die<lb/> Stadt vertheilte Geschäfte, von denen jedes seine besondere Kundschaft<lb/> hat. Dieselben sind konzessionspflichtig. Die ganze Ordnung des<lb/> Dienstbotenwesens ist, in Preußen wenigstens, eine geradezu mittel-<lb/> alterliche, und nicht ohne Beschämung kann man ein sogenanntes<lb/> Dienstbüchelchen durchlesen. Wir haben es indeß hier nur mit der<lb/><cb n="8749"/> Vermittlung zu thun, und müssen unsere Bemerkungen über das inter-<lb/> ressante Thema vorläufig aussetzen.</p><lb/> <p>Greift man die Sache etwas weiter, so daß man alle weiblichen<lb/> Arbeiter, die sich vermiethen, in den Rahmen faßt, so kann man eine<lb/><hi rendition="#g">lokale</hi> Vermittlung unterscheiden, und eine solche, die über ganz<lb/> Deutschland geht. Die Vermittlung niederer Arbeit wird hier stets<lb/> lokal sein, während die höhere Arbeit sich weiter erstreckt. Städtische<lb/> Dienstmädchen werden immer durch Verdinganstalten untergebracht,<lb/> dagegen Gouvernanten, Erzieherinnen, Lehrerinnen können recht gut<lb/> durch Spezialbüreaux placirt werden, deren Thätigkeit sich über ganz<lb/> Deutschland erstreckt. Dasselbe gilt von männlichen Arbeitern dieser<lb/> Branche, also von Bedienten, Kutschern <abbr>ec.</abbr>, und andererseits wieder<lb/> von Lehrern, Erziehern, Vorlesern, Privatsekretären, Verwaltern <abbr>ec.</abbr> </p><lb/> <p>Die lokale Vermittlung dieser Klasse von Arbeitern ist durch-<lb/> schnittlich eine ehrliche; nicht dasselbe kann man sagen von den nicht<lb/> lokalen Vermittlungsbüreaux. Besonders in früherer Zeit haben solche<lb/> Vermittlungsbüreaux allerwärts Schwindel getrieben. Wir haben in<lb/> früheren Jahrgängen diese Art von Geschäften häufig genug geschil-<lb/> dert und die Kunstgriffe aufgedeckt deren sie sich bedienten. Doch die<lb/> gesunde Presse hat die Jnhaber derartiger Geschäfte bald so gebrand-<lb/> markt, daß ihr Geschäft nicht mehr so viel einbrachte, um das Un-<lb/> ehrenhafte zu beschwichtigen. Es gibt deren nur wenige noch.</p><lb/> <p>Die Arbeitvermittlung muß frei gegeben werden; sobald dies<lb/> geschieht, sind allerdings auch Benachtheiligungen des Publikums zu<lb/> befürchten; allein es bleibt nichts anderes übrig als sich dagegen<lb/> selbst zu schützen. Bringt jeden Fall an die Oeffentlichkeit und ihr<lb/> erspart euren Kameraden und Kameradinen manchen Thaler. --</p><lb/> <p>Besonderer kurzer Erwähnung verdienen auch die <hi rendition="#g">Dienstmann-<lb/> Jnstitute;</hi> dieselben haben mit vielem Erfolg die Arbeit, welche<lb/> auf der Straße liegt, aufgelesen, in ein System gebracht und orga-<lb/> nisirt. Sie sind nichts als Arbeitvermittlungsanstalten, und als<lb/> solche empfehlenswerth. Die Löhne für Botengänge sind seit Ein-<lb/> führung der Dienstmänner auf 1 / 3 früherer Preise gefallen. Wofür<lb/> man früher 12 Kreuzer bezahlte, das erhält man jetzt für 4 Kr.<lb/> Eine vorsichtigere Anstellung von Dienstmännern wäre aus wirth-<lb/> schaftlichen Rücksichten zu empfehlen. Das Dienstmanninstitut soll<lb/> kein Schlupfwinkel für Bummler sein, für faule baumstarke Schlingel,<lb/> die sonst irgend etwas anders arbeiten könnten; die Dienstmänner sollen,<lb/> da sie überwiegend zu Botengängen benutzt werden, auch nur aus<lb/> solchen Leuten gewählt werden, von denen Shakspeare sagt: „ein<lb/> armer Teufel, zum Botengehen nur geschickt.“ Uebernimmt man<lb/> auch andere Arbeiten, so sollte man die Arbeiter sortiren, etwa in<lb/> die leichte Compagnie der Botengänger und in die schwerere der Aus-<lb/> zieher, Gepäckträger, Taglöhner <abbr>ec.</abbr> Durch verschiedene Arbeitpreise<lb/> für die beiden Klassen könnten die Botengänge noch billiger werden,<lb/> dadurch würde man sie noch mehr verwenden, und sie würden sich<lb/> besser stellen. Die schwere Compagnie würde ebenfalls mehr Ver-<lb/> wendung finden, weil sie brauchbareres Material enthält; auch sie<lb/> würde daher mehr verdienen. Jetzt ist in der Leitung nichts derar-<lb/> tiges zu verspüren. Man sieht Menschen wie Riesen, Kerle die eine<lb/> Lokomotive aus den Schienen heben könnten, mit Liebesbriefchen über<lb/> die Straßen laufen, und dann wieder schwächlichere ältere Leute, die<lb/> sich abmühen eine Kiste Kaufmannsgut in hoch gelegene Magazine<lb/> zu schaffen. Also auch hier schadet ein etwas richtig sehendes Auge<lb/> und ein klein wenig Ueberlegung gar nichts. Unsere Zeit verlangt<lb/> Specialisirung bis zu den Dienstmännern herab.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#sup">*</hi> Elsaß und Lothringen. Wir haben schon vor einiger Zeit<lb/> die Aufmerksamkeit des Handels= und Fabrikstandes auf den bevor-<lb/> stehenden Anschluß von Elsaß und Lothringen an den Zollverein ge-<lb/> richtet. Da die französische Zollgrenze bereits gefallen ist, so können<lb/> jetzt schon Geschäfte dahin gemacht werden, und zwar sehr lohnende,<lb/> da in Folge des gesperrten Verkehres mit dem Jnnern und den See-<lb/> häfen an Kolonialwaaren u. s. w. großer Mangel ist. Der Gou-<lb/> verneur von Lothringen hat deshalb eine Bekanntmachung erlassen<lb/> und den Handelsstand zur Einfuhr solcher Gegenstände ermuntert.<lb/> Ebenso hat der Gouverneur des Elsaß die Handelskammern von<lb/> Bermen und Elberfeld zu einem Gutachten über die Folgen des<lb/> Anschlusses von Elsaß aufgefordert, und kürzlich nun auch das sächsische<lb/> Ministerium von den Handelskammern des Landes ein gleiches Gut-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0002]
müssen ihnen beibringen, daß sie nicht bloß auswandern können,
sondern auch im Land frei hinziehen und sich ansässig
machen können wo sie wollen.
Die Vermittlung landwirthschaftlicher Arbeiter ist ein vernach-
lässigter Geschäftszweig, und hat sich deßhalb gerächt. Unsere Jndu-
strie ging rascher wie die Landwirthschaft, und nahm ihr viele Ar-
beiter; die Landwirthschaft humpelte unter Klagen lange hinten nach;
es ist Zeit, daß sie dieses nutzlose System aufgibt, sich aufrafft und
die Arbeitvermittlung selbst und zwar in oben angedeuteter Weise in
die Hand nimmt. Auf anderem Weg, das möge man sich ein für
allemal merken, ist die Sache nicht zu machen; befolgt man daher
die hier gegebenen Vorschläge nicht, so wird die Landwirthschaft, in
Folge der theueren Arbeitlöhne, ein immer weniger rentabeleres Ge-
schäft werden.
Auch die Dienstleistungen, welche die Bevölkerungen vorüber-
gehend einander leisten, könnten besser organisirt werden. Dieselben
( das Wandern der Fulder ec. ) wurden eingeführt zu einer Zeit als
es noch keine Eisenbahnen gab, der Austausch fand daher nur immer
in der Nähe statt; diese Wege waren schon für die Begriffe der
Leute sehr weit; sie brauchten mehrere Tage dazu, um an Ort und
Stelle zu kommen. Die Eisenbahnen haben aber heutzutage die
Wege sehr abgekürzt, und dieser Satz muß Anwendung auf die Be-
völkerungen finden, welche sporadisch jedes Jahr eine Zeit lang in
eine andere Gegend wandern, um Arbeit zu finden; d. h. die Eisen-
bahnen müssen diese Leute um ein sehr billiges Entgeld an den Ort
ihrer Bestimmung hin= und hertransportiren, dann kann der Mann
von der rauhen Alp, vom bayerischen Wald, vom Erzgebirg, vom
Westerwald leichter ins gesegnete Rheinland oder reiche Sachsen
kommen, als der Odenwälder heutzutage nach Rheinhessen oder gar
nach Vorderstarkenburg. Aber damit die Eisenbahnen den Transport-
dienst gegen billige Fahrtaxe übernehmen können, muß diese Arbeit-
vermittlung organisirt sein.
Besser eingerichtet wie die oben genannte Vermittlungsart ist
die Vermittlung von Arbeit für städtische Dienstboten, und
solche Leute, welche in Städten niedere kleine Dienste verrichten, so-
genannte Dienstmänner. Die Dienstbotennoth ist zwar auch
ein stehendes Thema, das unsere Hausfrauen nach allen Variationen,
besonders in Kaffee=Konzerten, Thee=Oratorien und einfachen Gesang-
proben ohne Jnstrumentalbegleitung abspielen; allein sie bezieht sich
weniger auf die Quantität als auf die Qualität, d. h. an Dienst-
mädchen mangelt es nie oder doch selten, aber sie sind den Herr-
schaften nicht gut genug, oder auch nicht schlecht genug, d. h. die
Dienstmädchen machen zu viel Ansprüche, unter andern ganz uner-
hörte, z. B. auf menschliche anständige Behandlung, und was der-
gleichen absurde Forderungen der Neuzeit mehr sind, worauf sich doch
eine gute gediegene ächt hausbackene Wirthschafterin unter keinen Umständen
einlassen kann. Die schlechte Dachkammer, in die es im Sommer
regnet, und im Winter oft schneit, die nicht heizbar, ist ihr nicht
gut genug -- unerhört! Man soll sie als ein Fräulein behandeln,
und per Sie anreden -- unerhörter! Nachdem sie von Morgens 5
bis Abends 10 oder gar 11 -- ich habe in Häusern gewohnt wo das
Mädchen vor 12 Uhr Nachts regelmäßig nicht zur Ruhe kam, dagegen
präzis 5 Uhr Morgens geweckt wurde -- Trepp auf Trepp ab, in
Küche und Keller gewirthschaftet, und für die Bequemlichkeit der Herr-
schaft abgerackert hat, verlangt die Person Sonntags Nachmittags
einen Ausgang -- am unerhörtesten -- um, das ist doch am
allerunerhörtesten, mit ihrem Schatz spazieren zu gehen. Diese Person
erfrecht sich einen Schatz zu haben! Doch genug davon, sicher ist,
daß das arme Dienstmädchen immer das hat, was der Herrschaft
häufig fehlt, ein Herz. --
Die Löhne für Dienstboten sind zwar gestiegen, aber wir sind
nicht geneigt dies dem Mangel an Angebot zuzuschreiben; es scheint
uns vielmehr die Lohnsteigerung auf einer Hebung der ganzen Klasse
zu beruhen, allerdings zunächst veranlaßt durch die Zunahme des
Wohlstandes der sogenannten Herrschaften.
Die Vermittlung der Dienstboten geschieht auf sehr decentrali-
sirte Weise, durch sogenannte „Verdingfrauen“; es sind dies über die
Stadt vertheilte Geschäfte, von denen jedes seine besondere Kundschaft
hat. Dieselben sind konzessionspflichtig. Die ganze Ordnung des
Dienstbotenwesens ist, in Preußen wenigstens, eine geradezu mittel-
alterliche, und nicht ohne Beschämung kann man ein sogenanntes
Dienstbüchelchen durchlesen. Wir haben es indeß hier nur mit der
Vermittlung zu thun, und müssen unsere Bemerkungen über das inter-
ressante Thema vorläufig aussetzen.
Greift man die Sache etwas weiter, so daß man alle weiblichen
Arbeiter, die sich vermiethen, in den Rahmen faßt, so kann man eine
lokale Vermittlung unterscheiden, und eine solche, die über ganz
Deutschland geht. Die Vermittlung niederer Arbeit wird hier stets
lokal sein, während die höhere Arbeit sich weiter erstreckt. Städtische
Dienstmädchen werden immer durch Verdinganstalten untergebracht,
dagegen Gouvernanten, Erzieherinnen, Lehrerinnen können recht gut
durch Spezialbüreaux placirt werden, deren Thätigkeit sich über ganz
Deutschland erstreckt. Dasselbe gilt von männlichen Arbeitern dieser
Branche, also von Bedienten, Kutschern ec., und andererseits wieder
von Lehrern, Erziehern, Vorlesern, Privatsekretären, Verwaltern ec.
Die lokale Vermittlung dieser Klasse von Arbeitern ist durch-
schnittlich eine ehrliche; nicht dasselbe kann man sagen von den nicht
lokalen Vermittlungsbüreaux. Besonders in früherer Zeit haben solche
Vermittlungsbüreaux allerwärts Schwindel getrieben. Wir haben in
früheren Jahrgängen diese Art von Geschäften häufig genug geschil-
dert und die Kunstgriffe aufgedeckt deren sie sich bedienten. Doch die
gesunde Presse hat die Jnhaber derartiger Geschäfte bald so gebrand-
markt, daß ihr Geschäft nicht mehr so viel einbrachte, um das Un-
ehrenhafte zu beschwichtigen. Es gibt deren nur wenige noch.
Die Arbeitvermittlung muß frei gegeben werden; sobald dies
geschieht, sind allerdings auch Benachtheiligungen des Publikums zu
befürchten; allein es bleibt nichts anderes übrig als sich dagegen
selbst zu schützen. Bringt jeden Fall an die Oeffentlichkeit und ihr
erspart euren Kameraden und Kameradinen manchen Thaler. --
Besonderer kurzer Erwähnung verdienen auch die Dienstmann-
Jnstitute; dieselben haben mit vielem Erfolg die Arbeit, welche
auf der Straße liegt, aufgelesen, in ein System gebracht und orga-
nisirt. Sie sind nichts als Arbeitvermittlungsanstalten, und als
solche empfehlenswerth. Die Löhne für Botengänge sind seit Ein-
führung der Dienstmänner auf 1 / 3 früherer Preise gefallen. Wofür
man früher 12 Kreuzer bezahlte, das erhält man jetzt für 4 Kr.
Eine vorsichtigere Anstellung von Dienstmännern wäre aus wirth-
schaftlichen Rücksichten zu empfehlen. Das Dienstmanninstitut soll
kein Schlupfwinkel für Bummler sein, für faule baumstarke Schlingel,
die sonst irgend etwas anders arbeiten könnten; die Dienstmänner sollen,
da sie überwiegend zu Botengängen benutzt werden, auch nur aus
solchen Leuten gewählt werden, von denen Shakspeare sagt: „ein
armer Teufel, zum Botengehen nur geschickt.“ Uebernimmt man
auch andere Arbeiten, so sollte man die Arbeiter sortiren, etwa in
die leichte Compagnie der Botengänger und in die schwerere der Aus-
zieher, Gepäckträger, Taglöhner ec. Durch verschiedene Arbeitpreise
für die beiden Klassen könnten die Botengänge noch billiger werden,
dadurch würde man sie noch mehr verwenden, und sie würden sich
besser stellen. Die schwere Compagnie würde ebenfalls mehr Ver-
wendung finden, weil sie brauchbareres Material enthält; auch sie
würde daher mehr verdienen. Jetzt ist in der Leitung nichts derar-
tiges zu verspüren. Man sieht Menschen wie Riesen, Kerle die eine
Lokomotive aus den Schienen heben könnten, mit Liebesbriefchen über
die Straßen laufen, und dann wieder schwächlichere ältere Leute, die
sich abmühen eine Kiste Kaufmannsgut in hoch gelegene Magazine
zu schaffen. Also auch hier schadet ein etwas richtig sehendes Auge
und ein klein wenig Ueberlegung gar nichts. Unsere Zeit verlangt
Specialisirung bis zu den Dienstmännern herab.
* Elsaß und Lothringen. Wir haben schon vor einiger Zeit
die Aufmerksamkeit des Handels= und Fabrikstandes auf den bevor-
stehenden Anschluß von Elsaß und Lothringen an den Zollverein ge-
richtet. Da die französische Zollgrenze bereits gefallen ist, so können
jetzt schon Geschäfte dahin gemacht werden, und zwar sehr lohnende,
da in Folge des gesperrten Verkehres mit dem Jnnern und den See-
häfen an Kolonialwaaren u. s. w. großer Mangel ist. Der Gou-
verneur von Lothringen hat deshalb eine Bekanntmachung erlassen
und den Handelsstand zur Einfuhr solcher Gegenstände ermuntert.
Ebenso hat der Gouverneur des Elsaß die Handelskammern von
Bermen und Elberfeld zu einem Gutachten über die Folgen des
Anschlusses von Elsaß aufgefordert, und kürzlich nun auch das sächsische
Ministerium von den Handelskammern des Landes ein gleiches Gut-
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Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
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