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Der Arbeitgeber. Nr. 704. Frankfurt a. M., 29. Oktober 1870.

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[Spaltenumbruch] schaft." Von diesem Satz müssen wir ausgehen. Der Sieger ge-
winnt,
zum mindesten verliert er weniger wie der Besiegte.

Wie jetzt die Sache liegt, wird der Ausgang des Krieges dem
seitherigen Gang desselben entsprechen, d. h. er wird siegreich für die
deutschen Wassen sein. Dies steht bereits bei einem großen Theil
unserer Nation so fest, daß man sich schon über den Preis [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]des Sieges
geeinigt hat. Dieser Siegespreis soll in folgendem bestehen:

Erstlich in Landentschädigung, indem Frankreich an Deutschland
Elsaß und mindestens Deutschlothringen abgibt.

Zweitens in Geldentschädigung, indem Frankreich an Deutsch-
land eine Summe von wahrscheinlich 3 Milliarden Francs bezahlt.

Drittens eine indirekte Kriegsfolge, vielleicht aber der reichste
Siegespreis, wird die Herstellung der deutschen Einheit sein.

Diesen allerdings großartigen Siegespreisen stehen auch gewal-
tige Opfer gegenüber an Verlusten von Menschenleben und Kapital.
Wir glauben aber, die Opfer sind nicht größer als der Preis; eher
liegt die Sache umgekehrt. Das deutsche Kapital, das der Krieg
vernichtet hat, wird durch die beiden ersten Siegesprämien, die Land-
und Geldentschädigung großentheils ersetzt werden; und die schmerz-
lichen Verluste, welche die Nation in Gestalt von Menschenleben zu
tragen hat, werden durch das aus dem Kampf hervorgegangene ein-
heitliche deutsche Reich gemildert werden. Die Männer, welche ihr
Leben gelassen haben für die Verwirklichung des Traumes von Jahr-
hunderten, haben ihrer Zeit vorgearbeitet, sie haben auch für die
Nachkommen, wir wollen hoffen, bis ins vierte und fünfte Glied ge-
arbeitet. Es ist nicht mehr wie billig, daß diese Nachkommen auch
an dem Lohn, an der materiellen Enschädigung, welche wir den
Hinterbliebenen dieser Männer schuldig sind, participiren. Möchte
man sich dieses wohl merken, wenn es nach dem Kriege zu dieser
Frage kommt. Wenn eine Generation für vier bis fünf arbeitet,
dann ist es nicht mehr wie billig, daß diese vier bis fünf auch diese
Arbeit vergüten, nur dann kann die Vergütung eine den Leistungen
einigermaßen entsprechende sein.

Die Erwerbung von Elsaß und Lothringen wird unser nationales
Wirthschaftsgebiet vergrößern; zwei reiche Provinzen mit entwickelter
Jndustrie und gesegneter Landwirthschaft treten mit uns, wenn auch
gezwungen, in innigen Verkehr. Dies ist nicht zu unterschätzen.
Wird auch manchen Produktionsarten eine bedeutende Konkurrenz
entstehen, so läßt sich dieselbe durch Reformiren des deutsch=französischen
Handelsvertrags für den Anfang mildern, und dann hat Konkurrenz
noch nie geschadet. Konkurrenz, die mit ehrlichen und reellen Waffen
kämpft, dient im Gegentheil dazu, die ganze Wirthschaft gesunder zu
machen, dieselbe zu stählen und zu stärken. Wir müssen die beiden
Provinzen als zwei reiche Associers betrachten, die nicht nur das
Betriebskapital unserer Wirthschaft vermehren, sondern auch selbst-
thätig mitarbeiten werden. Wenn sie überlegenere Arbeiter sind, wie
manche unserer seitherigen Theilhaber, so werden sie, wenn nur
der Geschäftsvertrag richtig abgeschlossen
wird, vielleicht
mehr verdienen, wie mancher unserer alten Theilhaber, allein sie wer-
den das Einkommen dessen, mit dem sie an einer Branche arbeiten,
nicht schmälern, sondern eher vermehren, wenn auch indirekt, weil sie
das Gesammteinkommen vermehren. Wir glauben, daß in diesem
Sinn die Gutachten der Handelskammern ausfallen werden, welche
die norddeutsche Bundesregierung über die Folge des Eintrittes der
beiden Staaten in den deutschen Staatenverband eben erheben läßt.
Die Annerion der beiden Provinzen, so viel Unannehmlichkeiten sie
auch im Anfang mit sich führen mag, wird daher nur die deutsche
Wirthschaft erheblich vermögender und reicher machen. Das ist durch-
aus keine Frage, und der Verlauf der Zeit wird diese Ansicht
bestätigen. Das Einkommen der beiden Provinzen wird sich sogar
sehr erhöhen, wenn der neue Handelsvertrag so abgeschlossen wird,
daß ihnen außer dem neuen Absatzgebiet, das sie erhalten, das alte
möglichst ungeschmälert verbleibt.

Was nun die Kriegskosten betrifft, welche Frankreich an Deutsch-
land bezahlen muß, so liegt es auf der Hand, daß dieselben unsere
Wirthschaft nicht belasten, dieselbe vielmehr entlasten werden. Nur
ist hierbei sehr viel Rücksicht auf eine richtige Vertheilung zu nehmen,
damit nicht nur dem Gesammtkonto die gebührende Summe zu gut
kommt, sondern auch den einzelnen Posten. Doch ist dieses für unser
Thema eine Frage von untergeordneter Bedeutung.

Den wesentlichsten Einfluß und den bei weitem größten auf
unsere Wirthschaft wird die politische Einigung üben. Jndeß
ist dieser Einfluß an wesentliche Bedingungen geknüpft. Die poli-
[Spaltenumbruch] tische Einheit eines Staates an und für sich erhöht dessen wirth-
schaftliche Macht durchaus nicht oder nur sehr wenig; sie kann die-
selbe sogar untergraben, wenn die beiden Elemente jeder guten
Wirthschaft, Freiheit und Gleichheit, fehlen. Dieses sind die
wesentlichen Bedingungen, unter welchen die politische Einigung
Deutschlands auf dessen wirthschaftliche Entwicklung von der größten
Bedeutung sind. Wird daher das neue deutsche Reich auf diese
beiden Fundamente, Freiheit und Gleichheit, aufgebaut, dann wird
sich seine Wirthschaft zur größten Blüthe entwickeln. Daß, diese
beide Bedingungen vorausgesetzt, ein geeinigtes Volk -- auf die
Form der Einigung kommt es weniger an -- eine intensivere und
umfangreichere Wirthschaft treiben kann, als eine Nation, die macht-
los in viele kleine Theile getheilt ist, lehrt die Geschichte der Ver-
gangenheit und Gegenwart zu deutlich. Griechenland, das England
der alten Zeit, Amerika, England und das reiche Frankreich
beweisen dies auf das schlagendste; während die Türkei und zum
großen Theil Rußland die Thatsache erhärten, daß der Ein-
heitsstaat nicht genügt, um die Wirthschaft eines Volkes zu ent-
wickeln, und das ganze Volk wohlhabend zu machen. Dies be-
ruht auf dem Satz, daß je größer eine Kraft, also je mächtiger
ein Volk, je freier diese Kraft sich in gutem Sinn entwickeln kann
-- das Prinzip der Freiheit -- je mächtiger die Gesetzesdämme sind,
welche vor einer schädlichen Entwicklung dieser Kraft schützen -- das
Prinzip der Gleichheit -- desto größer wird die Leistung sein. Also
ein mächtiges Volk, dessen Jnstitutionen auf Freiheit und Gleichheit
beruhen, wird auch eine Macht in seiner Wirthschaft entfalten, und
in Folge dessen, weil es viel vermag, ein vermögendes Volk, ein
reiches Volk werden. Dies läßt sich bis ins Detail nachweisen.
Handel und Politik sind zwei so verwandte Dinge, decken sich oft-
mals so, daß man das Gebiet, wo diese Konkurrenz stattfindet, sogar
mit einem eigenen Namen belegt hat, mit dem der Handelspolitik.
Ein ohnmächtiges Volk oder eine ohnmächtige Nation wird fast gar
keine große Handelspolitik treiben können. Ein politisch starkes Volk
ist indeß auch im Stande seiner Handelspolitik Geltung zu verschaffen.
Nur wollen wir nicht so verstanden sein, daß diese Handelspolitik
auf Kosten Anderer getrieben werden darf, das ist falsch, die Jnteressen
der Menschheit sind solidarisch; allein ein mächtiges Deutschland kann
verhindern, daß auf seine d. h. auf Deutschlands Kosten, ein anderes
Volk Handelspolitik treibt. -- Die eigentliche Kraft einer ge-
sunden Handelspolitik besteht daher nicht im Diktiren von Handels-
verträgen, sondern in der Abschließung von derartigen Verträgen mit
andern Völkern, auf gleicher Basis.

Vorausgesetzt, die Handelspolitik wird in dem neuen deutschen
Staatenkörper demgemäß geführt, so kann sie nur unserm Handel,
unserer Jndustrie und unserer Landwirthschaft zum Segen gereichen.
Denn Handel, Jndustrie und Landwirthschaft hängen eng zusammen.
Eine verkehrte Handelspolitik dagegen, wie sie z. B. jetzt von den
Vereinigten Staaten getrieben wird, kann nur schädlich für die Ge-
sammtwirthschaft werden, und die Einigkeit oder die Einheit des
Volkes kann vor diesem Schaden so wenig bewahren, wie das ame-
rikanische Volk davor bewahrt bleiben wird.

Ein geeinigtes kräftiges Volk, das eine gesunde Handelspolitik
verfolgt, kann seinen Transaktionen mit dem Ausland auch mehr
Geltung verschaffen, es kann seinen ausländischen Handel kräftiger
vor Verlusten schützen, es kann seine Wege sicherer machen; und
es ist ein alter Satz, daß sichere und gute Wege den Verkehr heben,
während unsichere und schlechte ihn hemmen.

Es ist nicht nöthig, daß Deutschland zu diesem Zweck dem
Flottenschwindel huldigt, der so verderblich ist wie ein stehendes Prä-
torianerheer -- das glänzende Fiasko der französischen Flotte in
diesem Krieg ist gewiß die beste Jllustration dafür --; es genügt
eine hinreichende Anzahl Schiffe zu haben, um seinen Handel mit
überseeischen Nationen zu schützen. Jn dieser Beziehung darf sich
Deutschland weder an Frankreich noch an England, in welch letzterem
Land die Verhältnisse ganz anders liegen, ein Beispiel nehmen, sondern
an Amerika, das nach dem Kriege seine Kriegsflotte bis auf einen
Rest versteigerte.

Ein ausgedehnter Handel ruft aber stets eine starke Jndustrie
hervor, und erzeugt eine blühende Landwirthschaft. Der ausgedehnte
Handel ist aber nur möglich, wenn völlige Handelsfreiheit herrscht;
daher ist es die letztere, welche unsere Jndustrie und unsere Land-
wirthschaft fördert und nicht der Schutzzoll. Die Handelsfreiheit,
welche auf dem Prinzip der Gleichheit beruht, kommt Allen zu gut,

[Spaltenumbruch] schaft.“ Von diesem Satz müssen wir ausgehen. Der Sieger ge-
winnt,
zum mindesten verliert er weniger wie der Besiegte.

Wie jetzt die Sache liegt, wird der Ausgang des Krieges dem
seitherigen Gang desselben entsprechen, d. h. er wird siegreich für die
deutschen Wassen sein. Dies steht bereits bei einem großen Theil
unserer Nation so fest, daß man sich schon über den Preis [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]des Sieges
geeinigt hat. Dieser Siegespreis soll in folgendem bestehen:

Erstlich in Landentschädigung, indem Frankreich an Deutschland
Elsaß und mindestens Deutschlothringen abgibt.

Zweitens in Geldentschädigung, indem Frankreich an Deutsch-
land eine Summe von wahrscheinlich 3 Milliarden Francs bezahlt.

Drittens eine indirekte Kriegsfolge, vielleicht aber der reichste
Siegespreis, wird die Herstellung der deutschen Einheit sein.

Diesen allerdings großartigen Siegespreisen stehen auch gewal-
tige Opfer gegenüber an Verlusten von Menschenleben und Kapital.
Wir glauben aber, die Opfer sind nicht größer als der Preis; eher
liegt die Sache umgekehrt. Das deutsche Kapital, das der Krieg
vernichtet hat, wird durch die beiden ersten Siegesprämien, die Land-
und Geldentschädigung großentheils ersetzt werden; und die schmerz-
lichen Verluste, welche die Nation in Gestalt von Menschenleben zu
tragen hat, werden durch das aus dem Kampf hervorgegangene ein-
heitliche deutsche Reich gemildert werden. Die Männer, welche ihr
Leben gelassen haben für die Verwirklichung des Traumes von Jahr-
hunderten, haben ihrer Zeit vorgearbeitet, sie haben auch für die
Nachkommen, wir wollen hoffen, bis ins vierte und fünfte Glied ge-
arbeitet. Es ist nicht mehr wie billig, daß diese Nachkommen auch
an dem Lohn, an der materiellen Enschädigung, welche wir den
Hinterbliebenen dieser Männer schuldig sind, participiren. Möchte
man sich dieses wohl merken, wenn es nach dem Kriege zu dieser
Frage kommt. Wenn eine Generation für vier bis fünf arbeitet,
dann ist es nicht mehr wie billig, daß diese vier bis fünf auch diese
Arbeit vergüten, nur dann kann die Vergütung eine den Leistungen
einigermaßen entsprechende sein.

Die Erwerbung von Elsaß und Lothringen wird unser nationales
Wirthschaftsgebiet vergrößern; zwei reiche Provinzen mit entwickelter
Jndustrie und gesegneter Landwirthschaft treten mit uns, wenn auch
gezwungen, in innigen Verkehr. Dies ist nicht zu unterschätzen.
Wird auch manchen Produktionsarten eine bedeutende Konkurrenz
entstehen, so läßt sich dieselbe durch Reformiren des deutsch=französischen
Handelsvertrags für den Anfang mildern, und dann hat Konkurrenz
noch nie geschadet. Konkurrenz, die mit ehrlichen und reellen Waffen
kämpft, dient im Gegentheil dazu, die ganze Wirthschaft gesunder zu
machen, dieselbe zu stählen und zu stärken. Wir müssen die beiden
Provinzen als zwei reiche Associers betrachten, die nicht nur das
Betriebskapital unserer Wirthschaft vermehren, sondern auch selbst-
thätig mitarbeiten werden. Wenn sie überlegenere Arbeiter sind, wie
manche unserer seitherigen Theilhaber, so werden sie, wenn nur
der Geschäftsvertrag richtig abgeschlossen
wird, vielleicht
mehr verdienen, wie mancher unserer alten Theilhaber, allein sie wer-
den das Einkommen dessen, mit dem sie an einer Branche arbeiten,
nicht schmälern, sondern eher vermehren, wenn auch indirekt, weil sie
das Gesammteinkommen vermehren. Wir glauben, daß in diesem
Sinn die Gutachten der Handelskammern ausfallen werden, welche
die norddeutsche Bundesregierung über die Folge des Eintrittes der
beiden Staaten in den deutschen Staatenverband eben erheben läßt.
Die Annerion der beiden Provinzen, so viel Unannehmlichkeiten sie
auch im Anfang mit sich führen mag, wird daher nur die deutsche
Wirthschaft erheblich vermögender und reicher machen. Das ist durch-
aus keine Frage, und der Verlauf der Zeit wird diese Ansicht
bestätigen. Das Einkommen der beiden Provinzen wird sich sogar
sehr erhöhen, wenn der neue Handelsvertrag so abgeschlossen wird,
daß ihnen außer dem neuen Absatzgebiet, das sie erhalten, das alte
möglichst ungeschmälert verbleibt.

Was nun die Kriegskosten betrifft, welche Frankreich an Deutsch-
land bezahlen muß, so liegt es auf der Hand, daß dieselben unsere
Wirthschaft nicht belasten, dieselbe vielmehr entlasten werden. Nur
ist hierbei sehr viel Rücksicht auf eine richtige Vertheilung zu nehmen,
damit nicht nur dem Gesammtkonto die gebührende Summe zu gut
kommt, sondern auch den einzelnen Posten. Doch ist dieses für unser
Thema eine Frage von untergeordneter Bedeutung.

Den wesentlichsten Einfluß und den bei weitem größten auf
unsere Wirthschaft wird die politische Einigung üben. Jndeß
ist dieser Einfluß an wesentliche Bedingungen geknüpft. Die poli-
[Spaltenumbruch] tische Einheit eines Staates an und für sich erhöht dessen wirth-
schaftliche Macht durchaus nicht oder nur sehr wenig; sie kann die-
selbe sogar untergraben, wenn die beiden Elemente jeder guten
Wirthschaft, Freiheit und Gleichheit, fehlen. Dieses sind die
wesentlichen Bedingungen, unter welchen die politische Einigung
Deutschlands auf dessen wirthschaftliche Entwicklung von der größten
Bedeutung sind. Wird daher das neue deutsche Reich auf diese
beiden Fundamente, Freiheit und Gleichheit, aufgebaut, dann wird
sich seine Wirthschaft zur größten Blüthe entwickeln. Daß, diese
beide Bedingungen vorausgesetzt, ein geeinigtes Volk -- auf die
Form der Einigung kommt es weniger an -- eine intensivere und
umfangreichere Wirthschaft treiben kann, als eine Nation, die macht-
los in viele kleine Theile getheilt ist, lehrt die Geschichte der Ver-
gangenheit und Gegenwart zu deutlich. Griechenland, das England
der alten Zeit, Amerika, England und das reiche Frankreich
beweisen dies auf das schlagendste; während die Türkei und zum
großen Theil Rußland die Thatsache erhärten, daß der Ein-
heitsstaat nicht genügt, um die Wirthschaft eines Volkes zu ent-
wickeln, und das ganze Volk wohlhabend zu machen. Dies be-
ruht auf dem Satz, daß je größer eine Kraft, also je mächtiger
ein Volk, je freier diese Kraft sich in gutem Sinn entwickeln kann
-- das Prinzip der Freiheit -- je mächtiger die Gesetzesdämme sind,
welche vor einer schädlichen Entwicklung dieser Kraft schützen -- das
Prinzip der Gleichheit -- desto größer wird die Leistung sein. Also
ein mächtiges Volk, dessen Jnstitutionen auf Freiheit und Gleichheit
beruhen, wird auch eine Macht in seiner Wirthschaft entfalten, und
in Folge dessen, weil es viel vermag, ein vermögendes Volk, ein
reiches Volk werden. Dies läßt sich bis ins Detail nachweisen.
Handel und Politik sind zwei so verwandte Dinge, decken sich oft-
mals so, daß man das Gebiet, wo diese Konkurrenz stattfindet, sogar
mit einem eigenen Namen belegt hat, mit dem der Handelspolitik.
Ein ohnmächtiges Volk oder eine ohnmächtige Nation wird fast gar
keine große Handelspolitik treiben können. Ein politisch starkes Volk
ist indeß auch im Stande seiner Handelspolitik Geltung zu verschaffen.
Nur wollen wir nicht so verstanden sein, daß diese Handelspolitik
auf Kosten Anderer getrieben werden darf, das ist falsch, die Jnteressen
der Menschheit sind solidarisch; allein ein mächtiges Deutschland kann
verhindern, daß auf seine d. h. auf Deutschlands Kosten, ein anderes
Volk Handelspolitik treibt. -- Die eigentliche Kraft einer ge-
sunden Handelspolitik besteht daher nicht im Diktiren von Handels-
verträgen, sondern in der Abschließung von derartigen Verträgen mit
andern Völkern, auf gleicher Basis.

Vorausgesetzt, die Handelspolitik wird in dem neuen deutschen
Staatenkörper demgemäß geführt, so kann sie nur unserm Handel,
unserer Jndustrie und unserer Landwirthschaft zum Segen gereichen.
Denn Handel, Jndustrie und Landwirthschaft hängen eng zusammen.
Eine verkehrte Handelspolitik dagegen, wie sie z. B. jetzt von den
Vereinigten Staaten getrieben wird, kann nur schädlich für die Ge-
sammtwirthschaft werden, und die Einigkeit oder die Einheit des
Volkes kann vor diesem Schaden so wenig bewahren, wie das ame-
rikanische Volk davor bewahrt bleiben wird.

Ein geeinigtes kräftiges Volk, das eine gesunde Handelspolitik
verfolgt, kann seinen Transaktionen mit dem Ausland auch mehr
Geltung verschaffen, es kann seinen ausländischen Handel kräftiger
vor Verlusten schützen, es kann seine Wege sicherer machen; und
es ist ein alter Satz, daß sichere und gute Wege den Verkehr heben,
während unsichere und schlechte ihn hemmen.

Es ist nicht nöthig, daß Deutschland zu diesem Zweck dem
Flottenschwindel huldigt, der so verderblich ist wie ein stehendes Prä-
torianerheer -- das glänzende Fiasko der französischen Flotte in
diesem Krieg ist gewiß die beste Jllustration dafür --; es genügt
eine hinreichende Anzahl Schiffe zu haben, um seinen Handel mit
überseeischen Nationen zu schützen. Jn dieser Beziehung darf sich
Deutschland weder an Frankreich noch an England, in welch letzterem
Land die Verhältnisse ganz anders liegen, ein Beispiel nehmen, sondern
an Amerika, das nach dem Kriege seine Kriegsflotte bis auf einen
Rest versteigerte.

Ein ausgedehnter Handel ruft aber stets eine starke Jndustrie
hervor, und erzeugt eine blühende Landwirthschaft. Der ausgedehnte
Handel ist aber nur möglich, wenn völlige Handelsfreiheit herrscht;
daher ist es die letztere, welche unsere Jndustrie und unsere Land-
wirthschaft fördert und nicht der Schutzzoll. Die Handelsfreiheit,
welche auf dem Prinzip der Gleichheit beruht, kommt Allen zu gut,

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[0002] schaft.“ Von diesem Satz müssen wir ausgehen. Der Sieger ge- winnt, zum mindesten verliert er weniger wie der Besiegte. Wie jetzt die Sache liegt, wird der Ausgang des Krieges dem seitherigen Gang desselben entsprechen, d. h. er wird siegreich für die deutschen Wassen sein. Dies steht bereits bei einem großen Theil unserer Nation so fest, daß man sich schon über den Preis ___des Sieges geeinigt hat. Dieser Siegespreis soll in folgendem bestehen: Erstlich in Landentschädigung, indem Frankreich an Deutschland Elsaß und mindestens Deutschlothringen abgibt. Zweitens in Geldentschädigung, indem Frankreich an Deutsch- land eine Summe von wahrscheinlich 3 Milliarden Francs bezahlt. Drittens eine indirekte Kriegsfolge, vielleicht aber der reichste Siegespreis, wird die Herstellung der deutschen Einheit sein. Diesen allerdings großartigen Siegespreisen stehen auch gewal- tige Opfer gegenüber an Verlusten von Menschenleben und Kapital. Wir glauben aber, die Opfer sind nicht größer als der Preis; eher liegt die Sache umgekehrt. Das deutsche Kapital, das der Krieg vernichtet hat, wird durch die beiden ersten Siegesprämien, die Land- und Geldentschädigung großentheils ersetzt werden; und die schmerz- lichen Verluste, welche die Nation in Gestalt von Menschenleben zu tragen hat, werden durch das aus dem Kampf hervorgegangene ein- heitliche deutsche Reich gemildert werden. Die Männer, welche ihr Leben gelassen haben für die Verwirklichung des Traumes von Jahr- hunderten, haben ihrer Zeit vorgearbeitet, sie haben auch für die Nachkommen, wir wollen hoffen, bis ins vierte und fünfte Glied ge- arbeitet. Es ist nicht mehr wie billig, daß diese Nachkommen auch an dem Lohn, an der materiellen Enschädigung, welche wir den Hinterbliebenen dieser Männer schuldig sind, participiren. Möchte man sich dieses wohl merken, wenn es nach dem Kriege zu dieser Frage kommt. Wenn eine Generation für vier bis fünf arbeitet, dann ist es nicht mehr wie billig, daß diese vier bis fünf auch diese Arbeit vergüten, nur dann kann die Vergütung eine den Leistungen einigermaßen entsprechende sein. Die Erwerbung von Elsaß und Lothringen wird unser nationales Wirthschaftsgebiet vergrößern; zwei reiche Provinzen mit entwickelter Jndustrie und gesegneter Landwirthschaft treten mit uns, wenn auch gezwungen, in innigen Verkehr. Dies ist nicht zu unterschätzen. Wird auch manchen Produktionsarten eine bedeutende Konkurrenz entstehen, so läßt sich dieselbe durch Reformiren des deutsch=französischen Handelsvertrags für den Anfang mildern, und dann hat Konkurrenz noch nie geschadet. Konkurrenz, die mit ehrlichen und reellen Waffen kämpft, dient im Gegentheil dazu, die ganze Wirthschaft gesunder zu machen, dieselbe zu stählen und zu stärken. Wir müssen die beiden Provinzen als zwei reiche Associers betrachten, die nicht nur das Betriebskapital unserer Wirthschaft vermehren, sondern auch selbst- thätig mitarbeiten werden. Wenn sie überlegenere Arbeiter sind, wie manche unserer seitherigen Theilhaber, so werden sie, wenn nur der Geschäftsvertrag richtig abgeschlossen wird, vielleicht mehr verdienen, wie mancher unserer alten Theilhaber, allein sie wer- den das Einkommen dessen, mit dem sie an einer Branche arbeiten, nicht schmälern, sondern eher vermehren, wenn auch indirekt, weil sie das Gesammteinkommen vermehren. Wir glauben, daß in diesem Sinn die Gutachten der Handelskammern ausfallen werden, welche die norddeutsche Bundesregierung über die Folge des Eintrittes der beiden Staaten in den deutschen Staatenverband eben erheben läßt. Die Annerion der beiden Provinzen, so viel Unannehmlichkeiten sie auch im Anfang mit sich führen mag, wird daher nur die deutsche Wirthschaft erheblich vermögender und reicher machen. Das ist durch- aus keine Frage, und der Verlauf der Zeit wird diese Ansicht bestätigen. Das Einkommen der beiden Provinzen wird sich sogar sehr erhöhen, wenn der neue Handelsvertrag so abgeschlossen wird, daß ihnen außer dem neuen Absatzgebiet, das sie erhalten, das alte möglichst ungeschmälert verbleibt. Was nun die Kriegskosten betrifft, welche Frankreich an Deutsch- land bezahlen muß, so liegt es auf der Hand, daß dieselben unsere Wirthschaft nicht belasten, dieselbe vielmehr entlasten werden. Nur ist hierbei sehr viel Rücksicht auf eine richtige Vertheilung zu nehmen, damit nicht nur dem Gesammtkonto die gebührende Summe zu gut kommt, sondern auch den einzelnen Posten. Doch ist dieses für unser Thema eine Frage von untergeordneter Bedeutung. Den wesentlichsten Einfluß und den bei weitem größten auf unsere Wirthschaft wird die politische Einigung üben. Jndeß ist dieser Einfluß an wesentliche Bedingungen geknüpft. Die poli- tische Einheit eines Staates an und für sich erhöht dessen wirth- schaftliche Macht durchaus nicht oder nur sehr wenig; sie kann die- selbe sogar untergraben, wenn die beiden Elemente jeder guten Wirthschaft, Freiheit und Gleichheit, fehlen. Dieses sind die wesentlichen Bedingungen, unter welchen die politische Einigung Deutschlands auf dessen wirthschaftliche Entwicklung von der größten Bedeutung sind. Wird daher das neue deutsche Reich auf diese beiden Fundamente, Freiheit und Gleichheit, aufgebaut, dann wird sich seine Wirthschaft zur größten Blüthe entwickeln. Daß, diese beide Bedingungen vorausgesetzt, ein geeinigtes Volk -- auf die Form der Einigung kommt es weniger an -- eine intensivere und umfangreichere Wirthschaft treiben kann, als eine Nation, die macht- los in viele kleine Theile getheilt ist, lehrt die Geschichte der Ver- gangenheit und Gegenwart zu deutlich. Griechenland, das England der alten Zeit, Amerika, England und das reiche Frankreich beweisen dies auf das schlagendste; während die Türkei und zum großen Theil Rußland die Thatsache erhärten, daß der Ein- heitsstaat nicht genügt, um die Wirthschaft eines Volkes zu ent- wickeln, und das ganze Volk wohlhabend zu machen. Dies be- ruht auf dem Satz, daß je größer eine Kraft, also je mächtiger ein Volk, je freier diese Kraft sich in gutem Sinn entwickeln kann -- das Prinzip der Freiheit -- je mächtiger die Gesetzesdämme sind, welche vor einer schädlichen Entwicklung dieser Kraft schützen -- das Prinzip der Gleichheit -- desto größer wird die Leistung sein. Also ein mächtiges Volk, dessen Jnstitutionen auf Freiheit und Gleichheit beruhen, wird auch eine Macht in seiner Wirthschaft entfalten, und in Folge dessen, weil es viel vermag, ein vermögendes Volk, ein reiches Volk werden. Dies läßt sich bis ins Detail nachweisen. Handel und Politik sind zwei so verwandte Dinge, decken sich oft- mals so, daß man das Gebiet, wo diese Konkurrenz stattfindet, sogar mit einem eigenen Namen belegt hat, mit dem der Handelspolitik. Ein ohnmächtiges Volk oder eine ohnmächtige Nation wird fast gar keine große Handelspolitik treiben können. Ein politisch starkes Volk ist indeß auch im Stande seiner Handelspolitik Geltung zu verschaffen. Nur wollen wir nicht so verstanden sein, daß diese Handelspolitik auf Kosten Anderer getrieben werden darf, das ist falsch, die Jnteressen der Menschheit sind solidarisch; allein ein mächtiges Deutschland kann verhindern, daß auf seine d. h. auf Deutschlands Kosten, ein anderes Volk Handelspolitik treibt. -- Die eigentliche Kraft einer ge- sunden Handelspolitik besteht daher nicht im Diktiren von Handels- verträgen, sondern in der Abschließung von derartigen Verträgen mit andern Völkern, auf gleicher Basis. Vorausgesetzt, die Handelspolitik wird in dem neuen deutschen Staatenkörper demgemäß geführt, so kann sie nur unserm Handel, unserer Jndustrie und unserer Landwirthschaft zum Segen gereichen. Denn Handel, Jndustrie und Landwirthschaft hängen eng zusammen. Eine verkehrte Handelspolitik dagegen, wie sie z. B. jetzt von den Vereinigten Staaten getrieben wird, kann nur schädlich für die Ge- sammtwirthschaft werden, und die Einigkeit oder die Einheit des Volkes kann vor diesem Schaden so wenig bewahren, wie das ame- rikanische Volk davor bewahrt bleiben wird. Ein geeinigtes kräftiges Volk, das eine gesunde Handelspolitik verfolgt, kann seinen Transaktionen mit dem Ausland auch mehr Geltung verschaffen, es kann seinen ausländischen Handel kräftiger vor Verlusten schützen, es kann seine Wege sicherer machen; und es ist ein alter Satz, daß sichere und gute Wege den Verkehr heben, während unsichere und schlechte ihn hemmen. Es ist nicht nöthig, daß Deutschland zu diesem Zweck dem Flottenschwindel huldigt, der so verderblich ist wie ein stehendes Prä- torianerheer -- das glänzende Fiasko der französischen Flotte in diesem Krieg ist gewiß die beste Jllustration dafür --; es genügt eine hinreichende Anzahl Schiffe zu haben, um seinen Handel mit überseeischen Nationen zu schützen. Jn dieser Beziehung darf sich Deutschland weder an Frankreich noch an England, in welch letzterem Land die Verhältnisse ganz anders liegen, ein Beispiel nehmen, sondern an Amerika, das nach dem Kriege seine Kriegsflotte bis auf einen Rest versteigerte. Ein ausgedehnter Handel ruft aber stets eine starke Jndustrie hervor, und erzeugt eine blühende Landwirthschaft. Der ausgedehnte Handel ist aber nur möglich, wenn völlige Handelsfreiheit herrscht; daher ist es die letztere, welche unsere Jndustrie und unsere Land- wirthschaft fördert und nicht der Schutzzoll. Die Handelsfreiheit, welche auf dem Prinzip der Gleichheit beruht, kommt Allen zu gut,

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 704. Frankfurt a. M., 29. Oktober 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0704_1870/2>, abgerufen am 28.03.2024.