Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg (Bayern), 16. März 1871.[Spaltenumbruch]
Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur Die Verhaftungen in Algier in Folge der Unruhen betrugen schon Jtalien. sym7 Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen Rumanien. Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er- Jndustrie, Handel und Verkehr. Verkehrsbeschränkung. Auf der Route Augsburg werden in den näch- [Spaltenumbruch]
Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur Die Verhaftungen in Algier in Folge der Unruhen betrugen schon Jtalien. sym7 Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen Rumanien. ♋ Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er- Jndustrie, Handel und Verkehr. Verkehrsbeschränkung. Auf der Route Augsburg werden in den näch- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jPoliticalNews"> <p><pb facs="#f0007" n="1267"/><cb/> Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur<lb/> an einzelnen Stellen, und zwar ohne Commando. Um 7 Uhr war die<lb/> Ruhe in der unteren Stadt wiederhergestellt, aber die Läden blieben noch<lb/> geschlossen. Die Zahl der Todten und Verwundeten, welche ziemlich be-<lb/> deutend ist, läßt sich noch nicht genau bestimmen. Wie es scheint, lag dieser<lb/> Ruhestörung ein seit längerer Zeit vorbereiteter Aufstandsversuch der Ein-<lb/> geborenen gegen die französische Herrschaft zu Grunde.</p><lb/> <p>Die Verhaftungen in <hi rendition="#g">Algier</hi> in Folge der Unruhen betrugen schon<lb/> am 1 März Abends mehr als 250; in einem andern Bericht vom 2 März<lb/> waren bereits über 500 genannt, lauter Araber. Verwundete waren,<lb/> so viel aus den vorliegenden Berichten hervorgeht, ziemlich viele, in<lb/> einer einzigen Ambulanz allein 20. Die Haupturheber waren die Barrani,<lb/> d. h. die nicht in Algier ansässige bewegliche Araber=Bevölkerung, die sich<lb/> in den arabischen Kaffeehäusern Fonduks, u. s. w. umhertreibt; der Aus-<lb/> bruch des Kampfes erfolgte bei einem Streite der jüdischen Tirailleurs mit<lb/> Barranis in der Rue d'Jsly; der Muselman fand die Bewaffnung der Juden<lb/> schon an sich anstößig und wollte sich von ihnen nichts gefallen lassen. Nach<lb/> den Unruhen hat die Behörde das Bataillon der jüdischen Tirailleurs auf-<lb/> gelöst, um den Rechtgläubigen keine weitere Gelegenheit zum Fanatismus<lb/> zu geben.</p> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Jtalien.</hi> </head><lb/> <p><abbr>sym7</abbr> Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen<lb/> der Commission des Senats einen langen Bericht erstattet über die Vor-<lb/> schläge bezüglich der Reorganisation der Armee. Der Bericht beginnt mit<lb/> der ebenso unentbehrlichen als banalen Phrase: daß das „furchtbare Drama“<lb/> des deutsch = französischen Kriegs die Völker mehr denn je überzeugt habe<lb/> daß es nicht genüge fortzuschreiten in Wissenschaft, Kunst und Gesittung,<lb/> sondern daß die Staaten vor allem gegen die traurigen Möglichkeiten<lb/> eines Kriegs gesichert sein müssen, „in welchem nicht allein Hab und Gut,<lb/> sondern auch Unabhängigkeit und Nationalität noch immer verschwinden<lb/> können wie in den Zeiten der Vergangenheit, da die brutale Gewalt das<lb/> einzige Gesetz in der Welt war.“ Darauf folgt die übliche Belobung der<lb/> preußischen Armee=Organisation, deren Nachahmung in Jtalien jedoch nicht<lb/> völlig möglich sei. Die Grundlage der preußischen Einrichtung bestehe in<lb/> dem territorialen Charakter der Armeecorps, Divisionen und Regimenter,<lb/> während die einzelnen tactischen Körper des italienischen Heers sich unter-<lb/> schiedslos aus Elementen aller Provinzen des Staats zusammensetzten.<lb/> Dieses letztere System müsse auch fernerhin beibehalten werden, schon<lb/> darum weil es zur Unification des Landes mächtig beigetragen habe.<lb/> Hieraus geht offenbar hervor daß dem General Menabrea ( und wie er denken<lb/> über diesen Punkt so ziemlich alle italienischen Politiker ) die Unification<lb/> Jtaliens noch nicht so fertig erscheint als wünschenswerth wäre; denn<lb/> sonst würde er nicht die Beibehaltung der gegenwärtigen der Unification<lb/> förderlichen Art der Zusammensetzung der Armeetheile für nöthig erachten.<lb/> Die italienischen Politiker haben sicher ganz Recht. Doch dürfte es vielleicht<lb/> nicht schaden wenn die Publicisten der „Opinione“ und der „Perseveranza,“<lb/> welche in den letzten Monaten ihren Lesern so oft erzählt haben daß, wäh-<lb/> rend die italienische Einheit auf dem Wege der Freiheit, vermöge der frei-<lb/> willigen Zustimmung der Bevölkerung, zu Stande gekommen sei, die deut-<lb/> sche Einheit durch Gewalt und Eroberung, durch Blut und Eisen geschaf-<lb/> fen werde -- es würde, meine ich, nicht schaden wenn diese über die deut-<lb/> sche Politik der rohen Gewalt jammerden Publicisten einmal die Frage<lb/> untersuchen wollten: wie es kommt daß man nicht wagen darf in dem durch<lb/> freie Plebiscite geeinigten Jtalien eine Zusammensetzung der Armee aus<lb/> territorialen Truppenkörpern herzustellen, wie sie in dem durch Blut und<lb/> Eisen zusammengeschweißten Deutschland besteht, ohne irgendeine Gefahr<lb/> für die Einheit und Sicherheit des Reichs? Daß Preußen in jeder ein-<lb/> zelnen der kaum annectirten Provinzen deren eigenes Armeecorps belassen,<lb/> daß es hannoverische und schleswig = holsteinische Regimenter dem Feind<lb/> entgegenführen darf, während das seit zehn Jahren geeinigte Jtalien noch<lb/> heute nicht wagen kann ein Regiment bloß aus Neapolitanern oder bloß<lb/> aus Romagnolen zu bilden, geschweige denn solchen Regimentern den<lb/> Schutz der öffentlichen Sicherheit in der heimathlichen Provinz anzuver-<lb/> trauen, das scheint mir eine Thatsache welche der weisen Betrachtung libera-<lb/> ler, mit der nährenden Milch der Plebiscite großgezogener Publicisten<lb/> wohl würdig wäre. Der Entwurf des Kriegsministers Ricotti für die Re-<lb/> organisation der italienischen Armee sieht also ab von der territorialen<lb/> Grundlage der preußischen Heereseinrichtung. Aber er führt auch nicht<lb/> das preußische System der allgemeinen Wehrpflicht ein, oder doch nur in<lb/> derart verdünnter Form, daß man, würde es einem nicht ausdrücklich ge-<lb/> sagt, nicht merkte daß noch etwas davon da sei. Wie bisher, so sollen<lb/> auch fortan die Dienstpflichtigen durch das Loos in zwei Kategorien unter-<lb/> schieden werden; es soll zwar nicht mehr möglich sein sich durch Loskauf<lb/> völlig vom Militärdienst zu befreien, wohl aber sich aus der ersten in die<lb/> zweite Kategorie versetzen zu lassen. Die Dienstzeit der ersten Kategorie<lb/> soll zwölf Jahre betragen ( bisher elf ) , darunter drei bis vier Jahre unter<lb/> den Waffen; das gilt für Jnfanterie, Genie und Artillerie. Die Dienst-<lb/><cb/> zeit der Cavallerie wird zehn Jahre betragen, wovon fünf unter den Waf-<lb/> fen. Die Leute der zweiten Kategorie werden nur einmal auf fünf Mo-<lb/> nate einberufen, um den ersten militärischen Unterricht zu erhalten; ihre<lb/> Dienstzeit soll fortan neun Jahre dauern ( statt fünf ) , für die ersten drei<lb/> Jahre gehören sie dem activen Heer an, welchem sie indessen nur im Kriegs-<lb/> fall einverleibt werden. Jn Friedenszeiten setzt sich das active Heer aus<lb/> drei bis vier Classen der ersten Kategorie zusammen in einer Gesammt-<lb/> stärke von 184,500 Mann. Jn Kriegszeiten erhöht es sich, die Reserve<lb/> inbegriffen, auf 420,000 Mann. Neben dem activen Heer sollen Bezirks-<lb/> milizen gebildet werden, welche im Gegensatz zu dem für jenes beibehalte-<lb/> nen nicht provinciellen Charakter sich aus provinciellen Elementen zusam-<lb/> mensetzen; und zwar sollen diese Milizen bestehen zum Theil aus Solda-<lb/> ten der letzten drei Jahresclassen der ersten Kategorie, zum andern Theil<lb/> aus den Dienstpflichtigen der letzten sechs Jahresclassen der zweiten Kate-<lb/> gorie. Die Gesammtstärke der Bezirksmilizen soll 330,000 Mann betra-<lb/> gen, so daß also Jtalien für den Kriegsfall über 750,000 Mann verfügte.</p> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Rumanien.</hi> </head><lb/> <p>♋ Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er-<lb/> scheint aufs neue in bedenklicher Weise gefährdet. Dieselbe wird zwar im<lb/> Augenblick weder durch einen auswärtigen Krieg noch durch eine Revolu-<lb/> tion bedroht; aber sie muß an den finanziellen Zuständen zu Grunde<lb/> gehen. Schon in zahlreichen Berichten habe ich von der Finanznoth ge-<lb/> sprochen, und hervorgehoben daß Rumänien einer finanziellen Katastrophe<lb/> nur durch eine rasch bewilligte und ins Werk gesetzte Anleihe entgehen<lb/> könne. Aber trotz allen Drängens sowohl von Seite des früheren als<lb/> des gegenwärtigen Ministeriums wurde das Anleihegesetz von der Kam-<lb/> mer stets auf die lange Bank geschoben, und ist bis heute nicht zum Be-<lb/> schluß erhoben. Natürlich ist mit jedem Tage die Finanznoth größer ge-<lb/> worden, während die Schwierigkeit eine Anleihe zu machen sich für Ru-<lb/> mänien seit dem deutsch=französischen Friedensschluß sehr gesteigert hat, da<lb/> in Folge der großen Kriegsentschädigung das Geld auf den europäischen<lb/> Märkten selten geworden ist. Die Bewegung der Staatsmaschine wäre<lb/> bereits ins Stocken gerathen wenn die „ <hi rendition="#aq">Banque de Roumanie</hi> “ ( ein Consor-<lb/> tium englischer und französischer Capitalisten ) der Regierung nicht kürzlich<lb/> 1 1 / 2 Millionen Fr. gegen hohe Zinsen geliehen hätte, wofür die Raten-<lb/> briefe der verkauften, aber erst mit einer oder der zweiten Rate bezahlten<lb/> Staatsgüter verpfändet wurden. Trotzdem hat ein großer Theil der Be-<lb/> amten und Pensionisten schon seit 3 bis 6 Monaten nicht mehr ihre Ge-<lb/> halte oder Pensionen bekommen. Was die Schwierigkeit eine rumänische<lb/> Anleihe zu bewerkstelligen erhöht, sind die Streitigkeiten mit Strousberg<lb/> und die Nichtzahlung des Januar=Coupons für die rumänischen Eisen-<lb/> bahn=Obligationen. Diese Händel werden seit gestern in der Kammer<lb/> verhandelt. Der Antrag der Commission lautet ungefähr dahin: alles<lb/> was in Eisenbahnsachen geschehen ist, möge die Kammer nicht anerkennen.<lb/> Sie möge die Ernennung des Hrn. Hambron zum rumänischen Eisenbahn-<lb/> Commissarius für verfassungswidrig erklären, die Ausfertigung der Obli-<lb/> gationen für concessionswidrig, ebenso die Ausgabe der Obligationen<lb/> und die Verausgabung des erhöhten Geldes. Ferner möge sie erklären<lb/> daß auch der Nachfolger Hambrons, Hr. Steege, seine Vollmachten über-<lb/> schritten habe. Endlich möge die Kammer erklären daß der rumänische<lb/> Staat gar keine directe Verbindlichkeit den Besitzern der Eisenbahn=Obli-<lb/> gationen gegenüber habe. Der Sinn des Commissionsberichts ist unge-<lb/> fähr der: daß die Rumänen sich von deutschem Gelde, deutschen Unter-<lb/> nehmern und Jngenieuren Eisenbahnen bauen lassen und dieselben hin-<lb/> terher nicht bezahlen sollen. Sollte die Kammer sich die Ansichten des<lb/> Commissionsberichts aneignen, so würde dieß der großen Menge der Be-<lb/> völkerung allerdings sehr gefallen und die Eisenbahn=Obligationen wür-<lb/> den ganz werthlos werden -- wenn nicht Deutschland und die übrigen<lb/> europäischen Staaten, deren Unterthanen die Obligationen zufolge der<lb/> Garantie Rumäniens gekauft haben, auch ein Wort mitsprechen wollten.<lb/> Daraus werden sich natürlich schlimme Verwickelungen ergeben; aber das<lb/> allerschlimmste ist daß das schon sehr geschwächte Vertrauen des europäi-<lb/> schen Capitals in rumänische Zustände ganz verloren gehen und daß es<lb/> der Regierung unmöglich wird die ihr so nothwendige Anleihe zu machen.<lb/> Kann die Regierung aber keine Anleihe machen, so kann sie ihre Beamten<lb/> nicht zahlen, sie kann ihre Wechsel ( die Staatsbons ) nicht einlösen, und sie<lb/> kann auch die Zinsen für die Anleihe Oppenheim und die Anleihe Stern<lb/> nicht zahlen; ebensowenig die garantirten Zinsen für die Czernowitz=Jassyer<lb/> Eisenbahn. Damit hört nicht allein der letzte Rest von Gesetzlichkeit im<lb/> Land auf, sondern es werden wiederum zahlreiche Unterthanen der garan-<lb/> tirenden Mächte geschädigt, welchen letzteren nichts weiter übrig bleibt<lb/> als der rumänischen Wirthschaft ein Ende zu machen.</p> </div> </div><lb/> <div type="jFinancialNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Jndustrie, Handel und Verkehr.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <p><hi rendition="#g">Verkehrsbeschränkung.</hi> Auf der Route Augsburg werden in den näch-<lb/> sten Tagen Verkehrsbeschränkungen eintreten, in Folge des Transports der fran-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1267/0007]
Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur
an einzelnen Stellen, und zwar ohne Commando. Um 7 Uhr war die
Ruhe in der unteren Stadt wiederhergestellt, aber die Läden blieben noch
geschlossen. Die Zahl der Todten und Verwundeten, welche ziemlich be-
deutend ist, läßt sich noch nicht genau bestimmen. Wie es scheint, lag dieser
Ruhestörung ein seit längerer Zeit vorbereiteter Aufstandsversuch der Ein-
geborenen gegen die französische Herrschaft zu Grunde.
Die Verhaftungen in Algier in Folge der Unruhen betrugen schon
am 1 März Abends mehr als 250; in einem andern Bericht vom 2 März
waren bereits über 500 genannt, lauter Araber. Verwundete waren,
so viel aus den vorliegenden Berichten hervorgeht, ziemlich viele, in
einer einzigen Ambulanz allein 20. Die Haupturheber waren die Barrani,
d. h. die nicht in Algier ansässige bewegliche Araber=Bevölkerung, die sich
in den arabischen Kaffeehäusern Fonduks, u. s. w. umhertreibt; der Aus-
bruch des Kampfes erfolgte bei einem Streite der jüdischen Tirailleurs mit
Barranis in der Rue d'Jsly; der Muselman fand die Bewaffnung der Juden
schon an sich anstößig und wollte sich von ihnen nichts gefallen lassen. Nach
den Unruhen hat die Behörde das Bataillon der jüdischen Tirailleurs auf-
gelöst, um den Rechtgläubigen keine weitere Gelegenheit zum Fanatismus
zu geben.
Jtalien.
sym7 Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen
der Commission des Senats einen langen Bericht erstattet über die Vor-
schläge bezüglich der Reorganisation der Armee. Der Bericht beginnt mit
der ebenso unentbehrlichen als banalen Phrase: daß das „furchtbare Drama“
des deutsch = französischen Kriegs die Völker mehr denn je überzeugt habe
daß es nicht genüge fortzuschreiten in Wissenschaft, Kunst und Gesittung,
sondern daß die Staaten vor allem gegen die traurigen Möglichkeiten
eines Kriegs gesichert sein müssen, „in welchem nicht allein Hab und Gut,
sondern auch Unabhängigkeit und Nationalität noch immer verschwinden
können wie in den Zeiten der Vergangenheit, da die brutale Gewalt das
einzige Gesetz in der Welt war.“ Darauf folgt die übliche Belobung der
preußischen Armee=Organisation, deren Nachahmung in Jtalien jedoch nicht
völlig möglich sei. Die Grundlage der preußischen Einrichtung bestehe in
dem territorialen Charakter der Armeecorps, Divisionen und Regimenter,
während die einzelnen tactischen Körper des italienischen Heers sich unter-
schiedslos aus Elementen aller Provinzen des Staats zusammensetzten.
Dieses letztere System müsse auch fernerhin beibehalten werden, schon
darum weil es zur Unification des Landes mächtig beigetragen habe.
Hieraus geht offenbar hervor daß dem General Menabrea ( und wie er denken
über diesen Punkt so ziemlich alle italienischen Politiker ) die Unification
Jtaliens noch nicht so fertig erscheint als wünschenswerth wäre; denn
sonst würde er nicht die Beibehaltung der gegenwärtigen der Unification
förderlichen Art der Zusammensetzung der Armeetheile für nöthig erachten.
Die italienischen Politiker haben sicher ganz Recht. Doch dürfte es vielleicht
nicht schaden wenn die Publicisten der „Opinione“ und der „Perseveranza,“
welche in den letzten Monaten ihren Lesern so oft erzählt haben daß, wäh-
rend die italienische Einheit auf dem Wege der Freiheit, vermöge der frei-
willigen Zustimmung der Bevölkerung, zu Stande gekommen sei, die deut-
sche Einheit durch Gewalt und Eroberung, durch Blut und Eisen geschaf-
fen werde -- es würde, meine ich, nicht schaden wenn diese über die deut-
sche Politik der rohen Gewalt jammerden Publicisten einmal die Frage
untersuchen wollten: wie es kommt daß man nicht wagen darf in dem durch
freie Plebiscite geeinigten Jtalien eine Zusammensetzung der Armee aus
territorialen Truppenkörpern herzustellen, wie sie in dem durch Blut und
Eisen zusammengeschweißten Deutschland besteht, ohne irgendeine Gefahr
für die Einheit und Sicherheit des Reichs? Daß Preußen in jeder ein-
zelnen der kaum annectirten Provinzen deren eigenes Armeecorps belassen,
daß es hannoverische und schleswig = holsteinische Regimenter dem Feind
entgegenführen darf, während das seit zehn Jahren geeinigte Jtalien noch
heute nicht wagen kann ein Regiment bloß aus Neapolitanern oder bloß
aus Romagnolen zu bilden, geschweige denn solchen Regimentern den
Schutz der öffentlichen Sicherheit in der heimathlichen Provinz anzuver-
trauen, das scheint mir eine Thatsache welche der weisen Betrachtung libera-
ler, mit der nährenden Milch der Plebiscite großgezogener Publicisten
wohl würdig wäre. Der Entwurf des Kriegsministers Ricotti für die Re-
organisation der italienischen Armee sieht also ab von der territorialen
Grundlage der preußischen Heereseinrichtung. Aber er führt auch nicht
das preußische System der allgemeinen Wehrpflicht ein, oder doch nur in
derart verdünnter Form, daß man, würde es einem nicht ausdrücklich ge-
sagt, nicht merkte daß noch etwas davon da sei. Wie bisher, so sollen
auch fortan die Dienstpflichtigen durch das Loos in zwei Kategorien unter-
schieden werden; es soll zwar nicht mehr möglich sein sich durch Loskauf
völlig vom Militärdienst zu befreien, wohl aber sich aus der ersten in die
zweite Kategorie versetzen zu lassen. Die Dienstzeit der ersten Kategorie
soll zwölf Jahre betragen ( bisher elf ) , darunter drei bis vier Jahre unter
den Waffen; das gilt für Jnfanterie, Genie und Artillerie. Die Dienst-
zeit der Cavallerie wird zehn Jahre betragen, wovon fünf unter den Waf-
fen. Die Leute der zweiten Kategorie werden nur einmal auf fünf Mo-
nate einberufen, um den ersten militärischen Unterricht zu erhalten; ihre
Dienstzeit soll fortan neun Jahre dauern ( statt fünf ) , für die ersten drei
Jahre gehören sie dem activen Heer an, welchem sie indessen nur im Kriegs-
fall einverleibt werden. Jn Friedenszeiten setzt sich das active Heer aus
drei bis vier Classen der ersten Kategorie zusammen in einer Gesammt-
stärke von 184,500 Mann. Jn Kriegszeiten erhöht es sich, die Reserve
inbegriffen, auf 420,000 Mann. Neben dem activen Heer sollen Bezirks-
milizen gebildet werden, welche im Gegensatz zu dem für jenes beibehalte-
nen nicht provinciellen Charakter sich aus provinciellen Elementen zusam-
mensetzen; und zwar sollen diese Milizen bestehen zum Theil aus Solda-
ten der letzten drei Jahresclassen der ersten Kategorie, zum andern Theil
aus den Dienstpflichtigen der letzten sechs Jahresclassen der zweiten Kate-
gorie. Die Gesammtstärke der Bezirksmilizen soll 330,000 Mann betra-
gen, so daß also Jtalien für den Kriegsfall über 750,000 Mann verfügte.
Rumanien.
♋ Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er-
scheint aufs neue in bedenklicher Weise gefährdet. Dieselbe wird zwar im
Augenblick weder durch einen auswärtigen Krieg noch durch eine Revolu-
tion bedroht; aber sie muß an den finanziellen Zuständen zu Grunde
gehen. Schon in zahlreichen Berichten habe ich von der Finanznoth ge-
sprochen, und hervorgehoben daß Rumänien einer finanziellen Katastrophe
nur durch eine rasch bewilligte und ins Werk gesetzte Anleihe entgehen
könne. Aber trotz allen Drängens sowohl von Seite des früheren als
des gegenwärtigen Ministeriums wurde das Anleihegesetz von der Kam-
mer stets auf die lange Bank geschoben, und ist bis heute nicht zum Be-
schluß erhoben. Natürlich ist mit jedem Tage die Finanznoth größer ge-
worden, während die Schwierigkeit eine Anleihe zu machen sich für Ru-
mänien seit dem deutsch=französischen Friedensschluß sehr gesteigert hat, da
in Folge der großen Kriegsentschädigung das Geld auf den europäischen
Märkten selten geworden ist. Die Bewegung der Staatsmaschine wäre
bereits ins Stocken gerathen wenn die „ Banque de Roumanie “ ( ein Consor-
tium englischer und französischer Capitalisten ) der Regierung nicht kürzlich
1 1 / 2 Millionen Fr. gegen hohe Zinsen geliehen hätte, wofür die Raten-
briefe der verkauften, aber erst mit einer oder der zweiten Rate bezahlten
Staatsgüter verpfändet wurden. Trotzdem hat ein großer Theil der Be-
amten und Pensionisten schon seit 3 bis 6 Monaten nicht mehr ihre Ge-
halte oder Pensionen bekommen. Was die Schwierigkeit eine rumänische
Anleihe zu bewerkstelligen erhöht, sind die Streitigkeiten mit Strousberg
und die Nichtzahlung des Januar=Coupons für die rumänischen Eisen-
bahn=Obligationen. Diese Händel werden seit gestern in der Kammer
verhandelt. Der Antrag der Commission lautet ungefähr dahin: alles
was in Eisenbahnsachen geschehen ist, möge die Kammer nicht anerkennen.
Sie möge die Ernennung des Hrn. Hambron zum rumänischen Eisenbahn-
Commissarius für verfassungswidrig erklären, die Ausfertigung der Obli-
gationen für concessionswidrig, ebenso die Ausgabe der Obligationen
und die Verausgabung des erhöhten Geldes. Ferner möge sie erklären
daß auch der Nachfolger Hambrons, Hr. Steege, seine Vollmachten über-
schritten habe. Endlich möge die Kammer erklären daß der rumänische
Staat gar keine directe Verbindlichkeit den Besitzern der Eisenbahn=Obli-
gationen gegenüber habe. Der Sinn des Commissionsberichts ist unge-
fähr der: daß die Rumänen sich von deutschem Gelde, deutschen Unter-
nehmern und Jngenieuren Eisenbahnen bauen lassen und dieselben hin-
terher nicht bezahlen sollen. Sollte die Kammer sich die Ansichten des
Commissionsberichts aneignen, so würde dieß der großen Menge der Be-
völkerung allerdings sehr gefallen und die Eisenbahn=Obligationen wür-
den ganz werthlos werden -- wenn nicht Deutschland und die übrigen
europäischen Staaten, deren Unterthanen die Obligationen zufolge der
Garantie Rumäniens gekauft haben, auch ein Wort mitsprechen wollten.
Daraus werden sich natürlich schlimme Verwickelungen ergeben; aber das
allerschlimmste ist daß das schon sehr geschwächte Vertrauen des europäi-
schen Capitals in rumänische Zustände ganz verloren gehen und daß es
der Regierung unmöglich wird die ihr so nothwendige Anleihe zu machen.
Kann die Regierung aber keine Anleihe machen, so kann sie ihre Beamten
nicht zahlen, sie kann ihre Wechsel ( die Staatsbons ) nicht einlösen, und sie
kann auch die Zinsen für die Anleihe Oppenheim und die Anleihe Stern
nicht zahlen; ebensowenig die garantirten Zinsen für die Czernowitz=Jassyer
Eisenbahn. Damit hört nicht allein der letzte Rest von Gesetzlichkeit im
Land auf, sondern es werden wiederum zahlreiche Unterthanen der garan-
tirenden Mächte geschädigt, welchen letzteren nichts weiter übrig bleibt
als der rumänischen Wirthschaft ein Ende zu machen.
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Verkehrsbeschränkung. Auf der Route Augsburg werden in den näch-
sten Tagen Verkehrsbeschränkungen eintreten, in Folge des Transports der fran-
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