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Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg (Bayern), 21. März 1871.

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[Spaltenumbruch] digung ist den deutschen Staatsmann einen Schüler Louis Napoleons zu
nennen, und wie Deutschland diesem Herrscher keinen andern Dank schul-
det als der dem Feinde gebührt, der uns zu immer größerer Anstren-
gung unserer Kraft genöthigt hat. Endlich wird andrerseits mit Recht
hervorgehoben daß nicht der Kaiser, sondern Frankreichs Eifersucht in
letzter Jnstanz für diesen Krieg verantwortlich ist -- der Kaiser hat nur
gethan was ihn und seine Dynastie den Franzosen am meisten erträglich
machen sollte; daß dieß ein Sieg über Preußen, der Einzug in Berlin
und die Eroberung des Rheins gewesen wäre -- wer will das läugnen
der den Juli vorigen Jahrs erlebt hat?

Auch mit dem Abschluß der Broschüre, "Rückblick und Vorblick" kön-
nen wir uns ganz einverstanden erklären. Nur in einem Punkte nicht.
Die Leitung der äußeren Politik kann nie ein Parlament, kann nur ein Ein-
zelner ersprießlich führen, und wohl uns daß sie in den Händen eines so
großen Staatsmannes liegt. Aber in der innern Politik können wir uns
zu der auch vom Verfasser, wenn auch geistvoller als von den meisten seiner
Genossen, gepredigten Seligkeit des Vertrauens nicht bekehren, und zwar
auch gegenüber dem allerdings gewichtigen Satze nicht:

S. 57: "Einflußreiche Parlamente setzen die Erziehung des tüchtigsten
Theils der Staatsbürger durch den freiwilligen Staatsdienst voraus, den
wir ( fügt der Verfasser etwas boshaft bei ) bis jetzt noch gewohnt sind mit
einem verdunkelnden ausländischen Worte "Selfgovernment" zu nennen."
Ei, ei, das ist ein circulus maxime vitiosus! Wo sollen wir denn das
Schwimmen lernen, wenn uns der Reichskanzler nicht in das Wasser
läßt?

Er breche im weiten Gebiete Preußens mit dem System Eulenburg
und zumal mit dem System Mühler -- er löse den Bund mit dem licht-
scheuen Kirchenthum. Wahrlich, die Autorität des Heldenkaisers Wilhelm
hat in ihrem sieghaften Schwert eine Stütze welche jene morsche Krücke
entbehrlich macht. Bis das geschehen, bilden wir liberalen Süddeutschen
in diesen Dingen des großen Kanzlers dankbare Opposition.

Neueste Posten.

* Berlin, 19 März. Von den norddeutschen Nachwahlen zum
Reichstag sind wieder zwei für die Liberalen günstige zu melden: in Altona
hat Senator Dr. Rud. Schleiden über seinen socialdemokratischen Rivalen
gesiegt, in Dresden Prof. Dr. Wigard ( mit 5420 gegen 2529 Stimmen )
über den conservativen Candidaten Dr. Stein.

V Köln, 19 März. Sicherm Vernehmen nach beabsichtigen die
deutschen Bischöfe in kurzem wieder eine Zusammenkunft in Fulda zu hal-
ten um ihren weitern Operationsplan gegen die Concils = Opponenten
zu berathen. Vermuthlich hat auch dießmal unser Hr. Erzbischof die
Rolle des sogenannten "Einpeitschers" übernommen, und allerdings,
wenn wirklich die Protestirenden "gegen den Primat Kampf
und Widerspruch erhoben haben," wie das der hochwürdigste Herr
in seinem Fastenhirtenbriefe behauptet, so läßt sich nicht läugnen daß
eine nach gleichförmiger Methode geschwungene Fuchtel sehr vonnöthen
ist. Es steht jedoch, zumal nach dem seitens des Cultusministers unter dem
13 v. M. an den Vorstand des katholischen Vereins zu Breslau erlassenen
Schreiben, zu hoffen und zu wünschen daß die deutschen Regierungen diese
Gelegenheit endlich ergreifen werden um den Streit zwischen Alt= und Neu-
Katholicismus staatsrechtlich zu regeln.

O Wilhelmshöhe, 19 März. Meinem telegraphischen Bericht
über die Abreise Louis Napoleons von hier, wo er nun über sechs Monate
weilte, füge ich brieflich noch einiges nähere hinzu, womit wohl das Wil-
helmshöher Capitel aus dem Leben des Exkaisers abgeschlossen sein dürfte.
Eine Stunde vor der Abfahrt hatte der katholische Geistliche aus Kassel
noch eine Messe gelesen. Während derselben traf das Telegramm des Wolff' -
schen Bureau's ein, welches die Unruhen in Paris vom 17 und 18 meldete.
Dasselbe rief bei dem Kaiser und dessen Gefolge, wie leicht begreiflich, eine
große Aufregung hervor, und Napoleon unterhielt sich, wie ich Jhnen aus
bestimmter Quelle mittheilen kann, auf dem ganzen Weg zum Bahnhof
über dieses Thema. Der Kaiser hat sich auf Wilhelmshöhe sichtlich
erholt und sieht ausgezeichnet aus. Namentlich ist der Contrast für
diejenigen auffallend welche ihn damals hier ankommen sahen. Die
"Hess. Morgen=Ztg." hatte zur Zeit die Nachricht verbreitet, nach Abschluß
des Friedens habe man von allem Eigenthum des Kaisers die kaiserlichen
Abzeichen entfernt. Heute hatte ich persönlich Gelegenheit wahrzunehmen
daß dieß nicht geschehen, da Wagen, Koffer ec. diese Abzeichen noch breit zur
Schau trugen. Daß Napoleon überhaupt nicht gesonnen ist so leichthin zu
resigniren, dafür spricht mancherlei was hier auf Wilhelmshöhe vor sich gieng.
So sprechen namentlich die reichen Unterstützungen welche er täglich an gefan-
gene Officiere und Soldaten abschickte, und für welche sogar in einer hiesigen
Druckerei ein besonderes Briefschema mit angehängter Quittung gedruckt
wurde, dafür daß ihm alles daran liegt sich seine Popularität bei der
[Spaltenumbruch] Armee zu erhalten. Jn dieser Hinsicht ist auch der anfolgende Brief nicht
ohne Bedeutung, welcher ebenfalls in Hunderten von Exemplaren gedruckt
und unter den Gefangenen von Sedan verbreitet wurde. Derselbe ist an
Mac Mahon gerichtet und lautet: "Mein lieber Marschall! Sie stehen im
Begriff nach Frankreich zurückzukehren und ich halte es für meine Pflicht
Sie jetzt an die Dienste zu erinnern welche diejenige Armee geleistet hat,
die bei Sedan so unglücklich unterlag. Es ist eine Ungerechtigkeit daß
die Officiere, Unterofficiere und Soldaten, welche sich in den verschiedenen
vorgekommenen Kämpfen so wacker hielten, aller Vortheile und Belohnun-
gen beraubt sein sollen, auf welche sie doch ein Recht haben. Seit ich
Gefangener bin, sind über diesen Gegenstand mehrfache Reclamationen
an mich gerichtet worden, und mit großem Kummer mußte ich darauf ver-
zichten, hier Gerechtigkeit walten zu lassen, da die Armee von Sedan sich
tapfer geschlagen hat und die einzige ist welcher gar keine Belohnung zu
theil geworden ist. Jch halte es Jhrer angemessen daß Sie ein Memoran-
dum mit dießbezüglichen Vorschlägen für die Soldaten ausarbeiten welche
unter Jhrem Befehl standen, und solches dem Kriegsminister bei Jhrer An-
kunft in Frankreich unterbreiten. Seien Sie, lieber Marschall, von meiner
aufrichtigen Freundschaft überzeugt. Napoleon. "

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Augsburg, 20 März. Bayer. Staatspapiere: 5proc. halbj. Oblig. --:
4proc. Oblig.90 1 / 4 G.; 4proc. halbj. Oblig.90 1 / 4 G.;4 1 / 2 proc. Obl.96 1 / 2 P.;
4 1 / 2 proc. halbj. Obl.96 1 / 2 P.;3 1 / 2 proc. Obl. 83 G.; 5proc. Anl. v. 1870100 1 / 4 P.;
4proc. Grundr.=Ablös.=Obl.90 1 / 4 G.; 4proc. Präm.=L. a 100 Thlr.108 1 / 4 P. --
Jndustrielle Papiere: Bayer. Ostbahn 127 G., 2. Emis.113 3 / 4 P., mit 15 Proc.
Einz.111 5 / 8 P.; Bankactien 887 G.; 4proc. Bankoblig.99 3 / 4 G.; 4proc. Pfand-
briefe 92 1 / 2 G.; Augsburger 7fl.=L.6 1 / 3 P.; Augsburger Kammgarn = Spinnerei
107 G.; Mech. Spinn= u. Weberei Augsburg 200 P.; Baumw.=Spinn. Stadtbach
Augsburg 200 P.; Haunstetter Weberei 150 P.; Baumw.=Spinnerei u. Weberei
Bamberg 85 P.; Gas=Jndustrie=Actien Augsburg82 1 / 2 G.; Gasbeleucht.=Gesellschaft
Augsburg 180 G.; Maschinenfabrik Augsburg 98 P.; Seilerwaarenfabrik Füßen
136 G.

^ Berlin, 18 März. Börsenwoche. Die Berliner Börse hat eine
neue Schwenkung gemacht; die Speculation war wieder fast ausschließlich auf dem
Gebiete der fremden Speculationspapiere thätig und vernachlässigte den inländi-
schen Markt in solchem Grade daß derselbe fast ganz in den Hintergrund trat.
Es ist mehr als eine müßige Reflexion, wenn ich bedaure daß die Berliner Börse
in einem Augenblick, in welchem der Deutsche Kaiser seinen Einzug hält, sich vor-
wiegend mit einem ganzen Troß fremder Nationalitäten beschäftigt und man mehr
von Franzosen, Lombarden, Jtalienern, Türken u. s. w. als von preußischen und
deutschen Anleihen sprechen hörte. Jch kann aber mein Bedauern nur bedingungs-
weise aussprechen, denn die große speculative Theilnahme entspringt jetzt aus
Motiven welche dem bloßen Hazardspiel sehr nahe stehen, sich aber von demselben
unterscheiden, weil in letzterem die Entscheidung dem Einsatze folgt und im
Börsenspiele die realen Verhältnisse in letzter Jnstanz zu voller Geltung kommen.
Jch will hier keine Abhandlung über Börsenspiel schreiben, glaube aber daß deutsche
Auleihen und ähnliche Papiere sich um eine auf solcher Basis ruhende speculative
Theilnahme zu bewerben keine Ursache haben. Der Jmpuls für die eingetretene
Haussebewegung gieng von Wien aus, mit einer staunenswerthen Leichtfertigkeit
setzte man sich dort über die Verfassungs= und finanziellen Verhältnisse weg, das
Bedürfniß einer Bewegung gab die erste Veranlassung für dieselbe; sie konnte sich
nur in steigender Richtung entwickeln, weil die Speculanten in der Voraussetzung
die Verhältnisse in Frankreich würden sofort nach dem Friedensschluß eine Krisis
veranlassen, sich getäuscht sahen, und nicht sehen wollten daß wenn eine solche ein-
tritt, sie sich erst nach Aufhebung des Moratoriums und nach der Zahlung eines
größeren Theils der Kriegskosten entwickeln kann. Das Jnteresse welches die
Börse für die Haussebewegung gewann, förderte dieselbe, denn es ist " Börsen-
praxis," den vorwiegenden Engagements entsprechend, nicht allein Thatsachen zu
escomptiren, sondern auch Gerüchte zu fabriciren. Dieß ist auch in den letzten
Tagen geschehen, man ließ Türken steigen, weil eine verfügte Steuererhöhung die
Einnahme um 1 Mill. Pf. St. steigern soll, ungeachtet dieses Plus auf bloßer
und kaum zutreffender Schätzung beruht und das Deficit in Wirklichkeit seit Jahren
zwischen 1 und 3 Mill. Pf. St. geschwankt hat. Jtaliener stiegen ungeachtet der
Nachricht daß das Defieit 270 Mill. Fr. beträgt und durch die Ausgabe einer
neuen Serie von 150 Mill. Fr. Bankbillets und einem Zuschlage zu den directen
Steuern von 1 / 10, also auch zur Couponsteuer gedeckt werden soll. Die erstere
wird die italienische Papiervaluta ungünstig beeinflussen. Für österreichische Credit-
actien wurde mit der Nachricht operirt, die Anstalt bewerbe sich um eine Bethei-
ligung an der neuen französischen Anleihe. Oesterreich will eine financielle Groß-
macht werden, trotz schwankender Valuta und der Nothwendigkeit zur Deckung
seiner eigenen financiellen Bedürfnisse immer aufs neue an das Ausland appelliren
zu müssen. Rumänier endlich steigen weil die Jntervention des Bundeskanzler-
amtes zu Gunsten der Obligationsinhaber zur Wahrheit geworden ist. Der nord-
deutsche Generalconsul hat in Bukarest die Anerkennung der Garantieverpflichtun-
gen seitens der Regierung befürwortet. Leider liegt der Schwerpunkt nicht bloß in
dem Wollen, sondern auch in dem "Können," und das ist mindestens zweifelhaft.
Ferner hat die Kammer die Angelegenheit vor ihr Forum gezogen und deren
Entscheidung ist nach den Auslassungen der Commission, also nach einem Acten-
stücke welches an gewaltsamen Deutungen reich ist, unberechenbar. Jch will die
Motive der Haussebewegung nicht noch weiter ausführen, und nur constatiren
daß die Speculation augenblicklich ihren Willen eingesetzt und es verstanden hat
diesen allein zur Geltung zu bringen. Es ist möglich daß dieß auch weiter der
Fall sein wird, die Dauer ist unberechenbar. Jm Vordergrunde standen Staats-
bahnactien ( Franzosen ) , für welche man Dividenden=Gerüchte in Umlauf setzte.
Diesen folgten österr. Creditactien, für Lombarden konnte sich die Börse nicht
erwärmen, ich täusche mich kaum in der Voraussetzung daß dieses Papier noch immer
als "contre-valeur" dient, d. h. daß es zur Deckung anderweitiger Hausse Engagements
in Blanco verkauft ist und wird. Jtaliener, Türken u. s. w. spielten eben-

[Spaltenumbruch] digung ist den deutschen Staatsmann einen Schüler Louis Napoleons zu
nennen, und wie Deutschland diesem Herrscher keinen andern Dank schul-
det als der dem Feinde gebührt, der uns zu immer größerer Anstren-
gung unserer Kraft genöthigt hat. Endlich wird andrerseits mit Recht
hervorgehoben daß nicht der Kaiser, sondern Frankreichs Eifersucht in
letzter Jnstanz für diesen Krieg verantwortlich ist -- der Kaiser hat nur
gethan was ihn und seine Dynastie den Franzosen am meisten erträglich
machen sollte; daß dieß ein Sieg über Preußen, der Einzug in Berlin
und die Eroberung des Rheins gewesen wäre -- wer will das läugnen
der den Juli vorigen Jahrs erlebt hat?

Auch mit dem Abschluß der Broschüre, „Rückblick und Vorblick“ kön-
nen wir uns ganz einverstanden erklären. Nur in einem Punkte nicht.
Die Leitung der äußeren Politik kann nie ein Parlament, kann nur ein Ein-
zelner ersprießlich führen, und wohl uns daß sie in den Händen eines so
großen Staatsmannes liegt. Aber in der innern Politik können wir uns
zu der auch vom Verfasser, wenn auch geistvoller als von den meisten seiner
Genossen, gepredigten Seligkeit des Vertrauens nicht bekehren, und zwar
auch gegenüber dem allerdings gewichtigen Satze nicht:

S. 57: „Einflußreiche Parlamente setzen die Erziehung des tüchtigsten
Theils der Staatsbürger durch den freiwilligen Staatsdienst voraus, den
wir ( fügt der Verfasser etwas boshaft bei ) bis jetzt noch gewohnt sind mit
einem verdunkelnden ausländischen Worte „Selfgovernment“ zu nennen.“
Ei, ei, das ist ein circulus maxime vitiosus! Wo sollen wir denn das
Schwimmen lernen, wenn uns der Reichskanzler nicht in das Wasser
läßt?

Er breche im weiten Gebiete Preußens mit dem System Eulenburg
und zumal mit dem System Mühler -- er löse den Bund mit dem licht-
scheuen Kirchenthum. Wahrlich, die Autorität des Heldenkaisers Wilhelm
hat in ihrem sieghaften Schwert eine Stütze welche jene morsche Krücke
entbehrlich macht. Bis das geschehen, bilden wir liberalen Süddeutschen
in diesen Dingen des großen Kanzlers dankbare Opposition.

Neueste Posten.

* Berlin, 19 März. Von den norddeutschen Nachwahlen zum
Reichstag sind wieder zwei für die Liberalen günstige zu melden: in Altona
hat Senator Dr. Rud. Schleiden über seinen socialdemokratischen Rivalen
gesiegt, in Dresden Prof. Dr. Wigard ( mit 5420 gegen 2529 Stimmen )
über den conservativen Candidaten Dr. Stein.

▽ Köln, 19 März. Sicherm Vernehmen nach beabsichtigen die
deutschen Bischöfe in kurzem wieder eine Zusammenkunft in Fulda zu hal-
ten um ihren weitern Operationsplan gegen die Concils = Opponenten
zu berathen. Vermuthlich hat auch dießmal unser Hr. Erzbischof die
Rolle des sogenannten „Einpeitschers“ übernommen, und allerdings,
wenn wirklich die Protestirenden „gegen den Primat Kampf
und Widerspruch erhoben haben,“ wie das der hochwürdigste Herr
in seinem Fastenhirtenbriefe behauptet, so läßt sich nicht läugnen daß
eine nach gleichförmiger Methode geschwungene Fuchtel sehr vonnöthen
ist. Es steht jedoch, zumal nach dem seitens des Cultusministers unter dem
13 v. M. an den Vorstand des katholischen Vereins zu Breslau erlassenen
Schreiben, zu hoffen und zu wünschen daß die deutschen Regierungen diese
Gelegenheit endlich ergreifen werden um den Streit zwischen Alt= und Neu-
Katholicismus staatsrechtlich zu regeln.

O Wilhelmshöhe, 19 März. Meinem telegraphischen Bericht
über die Abreise Louis Napoleons von hier, wo er nun über sechs Monate
weilte, füge ich brieflich noch einiges nähere hinzu, womit wohl das Wil-
helmshöher Capitel aus dem Leben des Exkaisers abgeschlossen sein dürfte.
Eine Stunde vor der Abfahrt hatte der katholische Geistliche aus Kassel
noch eine Messe gelesen. Während derselben traf das Telegramm des Wolff' -
schen Bureau's ein, welches die Unruhen in Paris vom 17 und 18 meldete.
Dasselbe rief bei dem Kaiser und dessen Gefolge, wie leicht begreiflich, eine
große Aufregung hervor, und Napoleon unterhielt sich, wie ich Jhnen aus
bestimmter Quelle mittheilen kann, auf dem ganzen Weg zum Bahnhof
über dieses Thema. Der Kaiser hat sich auf Wilhelmshöhe sichtlich
erholt und sieht ausgezeichnet aus. Namentlich ist der Contrast für
diejenigen auffallend welche ihn damals hier ankommen sahen. Die
„Hess. Morgen=Ztg.“ hatte zur Zeit die Nachricht verbreitet, nach Abschluß
des Friedens habe man von allem Eigenthum des Kaisers die kaiserlichen
Abzeichen entfernt. Heute hatte ich persönlich Gelegenheit wahrzunehmen
daß dieß nicht geschehen, da Wagen, Koffer ec. diese Abzeichen noch breit zur
Schau trugen. Daß Napoleon überhaupt nicht gesonnen ist so leichthin zu
resigniren, dafür spricht mancherlei was hier auf Wilhelmshöhe vor sich gieng.
So sprechen namentlich die reichen Unterstützungen welche er täglich an gefan-
gene Officiere und Soldaten abschickte, und für welche sogar in einer hiesigen
Druckerei ein besonderes Briefschema mit angehängter Quittung gedruckt
wurde, dafür daß ihm alles daran liegt sich seine Popularität bei der
[Spaltenumbruch] Armee zu erhalten. Jn dieser Hinsicht ist auch der anfolgende Brief nicht
ohne Bedeutung, welcher ebenfalls in Hunderten von Exemplaren gedruckt
und unter den Gefangenen von Sedan verbreitet wurde. Derselbe ist an
Mac Mahon gerichtet und lautet: „Mein lieber Marschall! Sie stehen im
Begriff nach Frankreich zurückzukehren und ich halte es für meine Pflicht
Sie jetzt an die Dienste zu erinnern welche diejenige Armee geleistet hat,
die bei Sedan so unglücklich unterlag. Es ist eine Ungerechtigkeit daß
die Officiere, Unterofficiere und Soldaten, welche sich in den verschiedenen
vorgekommenen Kämpfen so wacker hielten, aller Vortheile und Belohnun-
gen beraubt sein sollen, auf welche sie doch ein Recht haben. Seit ich
Gefangener bin, sind über diesen Gegenstand mehrfache Reclamationen
an mich gerichtet worden, und mit großem Kummer mußte ich darauf ver-
zichten, hier Gerechtigkeit walten zu lassen, da die Armee von Sedan sich
tapfer geschlagen hat und die einzige ist welcher gar keine Belohnung zu
theil geworden ist. Jch halte es Jhrer angemessen daß Sie ein Memoran-
dum mit dießbezüglichen Vorschlägen für die Soldaten ausarbeiten welche
unter Jhrem Befehl standen, und solches dem Kriegsminister bei Jhrer An-
kunft in Frankreich unterbreiten. Seien Sie, lieber Marschall, von meiner
aufrichtigen Freundschaft überzeugt. Napoleon.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Augsburg, 20 März. Bayer. Staatspapiere: 5proc. halbj. Oblig. --:
4proc. Oblig.90 1 / 4 G.; 4proc. halbj. Oblig.90 1 / 4 G.;4 1 / 2 proc. Obl.96 1 / 2 P.;
4 1 / 2 proc. halbj. Obl.96 1 / 2 P.;3 1 / 2 proc. Obl. 83 G.; 5proc. Anl. v. 1870100 1 / 4 P.;
4proc. Grundr.=Ablös.=Obl.90 1 / 4 G.; 4proc. Präm.=L. à 100 Thlr.108 1 / 4 P. --
Jndustrielle Papiere: Bayer. Ostbahn 127 G., 2. Emis.113 3 / 4 P., mit 15 Proc.
Einz.111 5 / 8 P.; Bankactien 887 G.; 4proc. Bankoblig.99 3 / 4 G.; 4proc. Pfand-
briefe 92 1 / 2 G.; Augsburger 7fl.=L.6 1 / 3 P.; Augsburger Kammgarn = Spinnerei
107 G.; Mech. Spinn= u. Weberei Augsburg 200 P.; Baumw.=Spinn. Stadtbach
Augsburg 200 P.; Haunstetter Weberei 150 P.; Baumw.=Spinnerei u. Weberei
Bamberg 85 P.; Gas=Jndustrie=Actien Augsburg82 1 / 2 G.; Gasbeleucht.=Gesellschaft
Augsburg 180 G.; Maschinenfabrik Augsburg 98 P.; Seilerwaarenfabrik Füßen
136 G.

△ Berlin, 18 März. Börsenwoche. Die Berliner Börse hat eine
neue Schwenkung gemacht; die Speculation war wieder fast ausschließlich auf dem
Gebiete der fremden Speculationspapiere thätig und vernachlässigte den inländi-
schen Markt in solchem Grade daß derselbe fast ganz in den Hintergrund trat.
Es ist mehr als eine müßige Reflexion, wenn ich bedaure daß die Berliner Börse
in einem Augenblick, in welchem der Deutsche Kaiser seinen Einzug hält, sich vor-
wiegend mit einem ganzen Troß fremder Nationalitäten beschäftigt und man mehr
von Franzosen, Lombarden, Jtalienern, Türken u. s. w. als von preußischen und
deutschen Anleihen sprechen hörte. Jch kann aber mein Bedauern nur bedingungs-
weise aussprechen, denn die große speculative Theilnahme entspringt jetzt aus
Motiven welche dem bloßen Hazardspiel sehr nahe stehen, sich aber von demselben
unterscheiden, weil in letzterem die Entscheidung dem Einsatze folgt und im
Börsenspiele die realen Verhältnisse in letzter Jnstanz zu voller Geltung kommen.
Jch will hier keine Abhandlung über Börsenspiel schreiben, glaube aber daß deutsche
Auleihen und ähnliche Papiere sich um eine auf solcher Basis ruhende speculative
Theilnahme zu bewerben keine Ursache haben. Der Jmpuls für die eingetretene
Haussebewegung gieng von Wien aus, mit einer staunenswerthen Leichtfertigkeit
setzte man sich dort über die Verfassungs= und finanziellen Verhältnisse weg, das
Bedürfniß einer Bewegung gab die erste Veranlassung für dieselbe; sie konnte sich
nur in steigender Richtung entwickeln, weil die Speculanten in der Voraussetzung
die Verhältnisse in Frankreich würden sofort nach dem Friedensschluß eine Krisis
veranlassen, sich getäuscht sahen, und nicht sehen wollten daß wenn eine solche ein-
tritt, sie sich erst nach Aufhebung des Moratoriums und nach der Zahlung eines
größeren Theils der Kriegskosten entwickeln kann. Das Jnteresse welches die
Börse für die Haussebewegung gewann, förderte dieselbe, denn es ist „ Börsen-
praxis,“ den vorwiegenden Engagements entsprechend, nicht allein Thatsachen zu
escomptiren, sondern auch Gerüchte zu fabriciren. Dieß ist auch in den letzten
Tagen geschehen, man ließ Türken steigen, weil eine verfügte Steuererhöhung die
Einnahme um 1 Mill. Pf. St. steigern soll, ungeachtet dieses Plus auf bloßer
und kaum zutreffender Schätzung beruht und das Deficit in Wirklichkeit seit Jahren
zwischen 1 und 3 Mill. Pf. St. geschwankt hat. Jtaliener stiegen ungeachtet der
Nachricht daß das Defieit 270 Mill. Fr. beträgt und durch die Ausgabe einer
neuen Serie von 150 Mill. Fr. Bankbillets und einem Zuschlage zu den directen
Steuern von 1 / 10, also auch zur Couponsteuer gedeckt werden soll. Die erstere
wird die italienische Papiervaluta ungünstig beeinflussen. Für österreichische Credit-
actien wurde mit der Nachricht operirt, die Anstalt bewerbe sich um eine Bethei-
ligung an der neuen französischen Anleihe. Oesterreich will eine financielle Groß-
macht werden, trotz schwankender Valuta und der Nothwendigkeit zur Deckung
seiner eigenen financiellen Bedürfnisse immer aufs neue an das Ausland appelliren
zu müssen. Rumänier endlich steigen weil die Jntervention des Bundeskanzler-
amtes zu Gunsten der Obligationsinhaber zur Wahrheit geworden ist. Der nord-
deutsche Generalconsul hat in Bukarest die Anerkennung der Garantieverpflichtun-
gen seitens der Regierung befürwortet. Leider liegt der Schwerpunkt nicht bloß in
dem Wollen, sondern auch in dem „Können,“ und das ist mindestens zweifelhaft.
Ferner hat die Kammer die Angelegenheit vor ihr Forum gezogen und deren
Entscheidung ist nach den Auslassungen der Commission, also nach einem Acten-
stücke welches an gewaltsamen Deutungen reich ist, unberechenbar. Jch will die
Motive der Haussebewegung nicht noch weiter ausführen, und nur constatiren
daß die Speculation augenblicklich ihren Willen eingesetzt und es verstanden hat
diesen allein zur Geltung zu bringen. Es ist möglich daß dieß auch weiter der
Fall sein wird, die Dauer ist unberechenbar. Jm Vordergrunde standen Staats-
bahnactien ( Franzosen ) , für welche man Dividenden=Gerüchte in Umlauf setzte.
Diesen folgten österr. Creditactien, für Lombarden konnte sich die Börse nicht
erwärmen, ich täusche mich kaum in der Voraussetzung daß dieses Papier noch immer
als „contre-valeur“ dient, d. h. daß es zur Deckung anderweitiger Hausse Engagements
in Blanco verkauft ist und wird. Jtaliener, Türken u. s. w. spielten eben-

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[1356/0012] digung ist den deutschen Staatsmann einen Schüler Louis Napoleons zu nennen, und wie Deutschland diesem Herrscher keinen andern Dank schul- det als der dem Feinde gebührt, der uns zu immer größerer Anstren- gung unserer Kraft genöthigt hat. Endlich wird andrerseits mit Recht hervorgehoben daß nicht der Kaiser, sondern Frankreichs Eifersucht in letzter Jnstanz für diesen Krieg verantwortlich ist -- der Kaiser hat nur gethan was ihn und seine Dynastie den Franzosen am meisten erträglich machen sollte; daß dieß ein Sieg über Preußen, der Einzug in Berlin und die Eroberung des Rheins gewesen wäre -- wer will das läugnen der den Juli vorigen Jahrs erlebt hat? Auch mit dem Abschluß der Broschüre, „Rückblick und Vorblick“ kön- nen wir uns ganz einverstanden erklären. Nur in einem Punkte nicht. Die Leitung der äußeren Politik kann nie ein Parlament, kann nur ein Ein- zelner ersprießlich führen, und wohl uns daß sie in den Händen eines so großen Staatsmannes liegt. Aber in der innern Politik können wir uns zu der auch vom Verfasser, wenn auch geistvoller als von den meisten seiner Genossen, gepredigten Seligkeit des Vertrauens nicht bekehren, und zwar auch gegenüber dem allerdings gewichtigen Satze nicht: S. 57: „Einflußreiche Parlamente setzen die Erziehung des tüchtigsten Theils der Staatsbürger durch den freiwilligen Staatsdienst voraus, den wir ( fügt der Verfasser etwas boshaft bei ) bis jetzt noch gewohnt sind mit einem verdunkelnden ausländischen Worte „Selfgovernment“ zu nennen.“ Ei, ei, das ist ein circulus maxime vitiosus! Wo sollen wir denn das Schwimmen lernen, wenn uns der Reichskanzler nicht in das Wasser läßt? Er breche im weiten Gebiete Preußens mit dem System Eulenburg und zumal mit dem System Mühler -- er löse den Bund mit dem licht- scheuen Kirchenthum. Wahrlich, die Autorität des Heldenkaisers Wilhelm hat in ihrem sieghaften Schwert eine Stütze welche jene morsche Krücke entbehrlich macht. Bis das geschehen, bilden wir liberalen Süddeutschen in diesen Dingen des großen Kanzlers dankbare Opposition. Neueste Posten. * Berlin, 19 März. Von den norddeutschen Nachwahlen zum Reichstag sind wieder zwei für die Liberalen günstige zu melden: in Altona hat Senator Dr. Rud. Schleiden über seinen socialdemokratischen Rivalen gesiegt, in Dresden Prof. Dr. Wigard ( mit 5420 gegen 2529 Stimmen ) über den conservativen Candidaten Dr. Stein. ▽ Köln, 19 März. Sicherm Vernehmen nach beabsichtigen die deutschen Bischöfe in kurzem wieder eine Zusammenkunft in Fulda zu hal- ten um ihren weitern Operationsplan gegen die Concils = Opponenten zu berathen. Vermuthlich hat auch dießmal unser Hr. Erzbischof die Rolle des sogenannten „Einpeitschers“ übernommen, und allerdings, wenn wirklich die Protestirenden „gegen den Primat Kampf und Widerspruch erhoben haben,“ wie das der hochwürdigste Herr in seinem Fastenhirtenbriefe behauptet, so läßt sich nicht läugnen daß eine nach gleichförmiger Methode geschwungene Fuchtel sehr vonnöthen ist. Es steht jedoch, zumal nach dem seitens des Cultusministers unter dem 13 v. M. an den Vorstand des katholischen Vereins zu Breslau erlassenen Schreiben, zu hoffen und zu wünschen daß die deutschen Regierungen diese Gelegenheit endlich ergreifen werden um den Streit zwischen Alt= und Neu- Katholicismus staatsrechtlich zu regeln. O Wilhelmshöhe, 19 März. Meinem telegraphischen Bericht über die Abreise Louis Napoleons von hier, wo er nun über sechs Monate weilte, füge ich brieflich noch einiges nähere hinzu, womit wohl das Wil- helmshöher Capitel aus dem Leben des Exkaisers abgeschlossen sein dürfte. Eine Stunde vor der Abfahrt hatte der katholische Geistliche aus Kassel noch eine Messe gelesen. Während derselben traf das Telegramm des Wolff' - schen Bureau's ein, welches die Unruhen in Paris vom 17 und 18 meldete. Dasselbe rief bei dem Kaiser und dessen Gefolge, wie leicht begreiflich, eine große Aufregung hervor, und Napoleon unterhielt sich, wie ich Jhnen aus bestimmter Quelle mittheilen kann, auf dem ganzen Weg zum Bahnhof über dieses Thema. Der Kaiser hat sich auf Wilhelmshöhe sichtlich erholt und sieht ausgezeichnet aus. Namentlich ist der Contrast für diejenigen auffallend welche ihn damals hier ankommen sahen. Die „Hess. Morgen=Ztg.“ hatte zur Zeit die Nachricht verbreitet, nach Abschluß des Friedens habe man von allem Eigenthum des Kaisers die kaiserlichen Abzeichen entfernt. Heute hatte ich persönlich Gelegenheit wahrzunehmen daß dieß nicht geschehen, da Wagen, Koffer ec. diese Abzeichen noch breit zur Schau trugen. Daß Napoleon überhaupt nicht gesonnen ist so leichthin zu resigniren, dafür spricht mancherlei was hier auf Wilhelmshöhe vor sich gieng. So sprechen namentlich die reichen Unterstützungen welche er täglich an gefan- gene Officiere und Soldaten abschickte, und für welche sogar in einer hiesigen Druckerei ein besonderes Briefschema mit angehängter Quittung gedruckt wurde, dafür daß ihm alles daran liegt sich seine Popularität bei der Armee zu erhalten. Jn dieser Hinsicht ist auch der anfolgende Brief nicht ohne Bedeutung, welcher ebenfalls in Hunderten von Exemplaren gedruckt und unter den Gefangenen von Sedan verbreitet wurde. Derselbe ist an Mac Mahon gerichtet und lautet: „Mein lieber Marschall! Sie stehen im Begriff nach Frankreich zurückzukehren und ich halte es für meine Pflicht Sie jetzt an die Dienste zu erinnern welche diejenige Armee geleistet hat, die bei Sedan so unglücklich unterlag. Es ist eine Ungerechtigkeit daß die Officiere, Unterofficiere und Soldaten, welche sich in den verschiedenen vorgekommenen Kämpfen so wacker hielten, aller Vortheile und Belohnun- gen beraubt sein sollen, auf welche sie doch ein Recht haben. Seit ich Gefangener bin, sind über diesen Gegenstand mehrfache Reclamationen an mich gerichtet worden, und mit großem Kummer mußte ich darauf ver- zichten, hier Gerechtigkeit walten zu lassen, da die Armee von Sedan sich tapfer geschlagen hat und die einzige ist welcher gar keine Belohnung zu theil geworden ist. Jch halte es Jhrer angemessen daß Sie ein Memoran- dum mit dießbezüglichen Vorschlägen für die Soldaten ausarbeiten welche unter Jhrem Befehl standen, und solches dem Kriegsminister bei Jhrer An- kunft in Frankreich unterbreiten. Seien Sie, lieber Marschall, von meiner aufrichtigen Freundschaft überzeugt. Napoleon. “ Jndustrie, Handel und Verkehr. Augsburg, 20 März. Bayer. Staatspapiere: 5proc. halbj. Oblig. --: 4proc. Oblig.90 1 / 4 G.; 4proc. halbj. Oblig.90 1 / 4 G.;4 1 / 2 proc. Obl.96 1 / 2 P.; 4 1 / 2 proc. halbj. Obl.96 1 / 2 P.;3 1 / 2 proc. Obl. 83 G.; 5proc. Anl. v. 1870100 1 / 4 P.; 4proc. Grundr.=Ablös.=Obl.90 1 / 4 G.; 4proc. Präm.=L. à 100 Thlr.108 1 / 4 P. -- Jndustrielle Papiere: Bayer. Ostbahn 127 G., 2. Emis.113 3 / 4 P., mit 15 Proc. Einz.111 5 / 8 P.; Bankactien 887 G.; 4proc. Bankoblig.99 3 / 4 G.; 4proc. Pfand- briefe 92 1 / 2 G.; Augsburger 7fl.=L.6 1 / 3 P.; Augsburger Kammgarn = Spinnerei 107 G.; Mech. Spinn= u. Weberei Augsburg 200 P.; Baumw.=Spinn. Stadtbach Augsburg 200 P.; Haunstetter Weberei 150 P.; Baumw.=Spinnerei u. Weberei Bamberg 85 P.; Gas=Jndustrie=Actien Augsburg82 1 / 2 G.; Gasbeleucht.=Gesellschaft Augsburg 180 G.; Maschinenfabrik Augsburg 98 P.; Seilerwaarenfabrik Füßen 136 G. △ Berlin, 18 März. Börsenwoche. Die Berliner Börse hat eine neue Schwenkung gemacht; die Speculation war wieder fast ausschließlich auf dem Gebiete der fremden Speculationspapiere thätig und vernachlässigte den inländi- schen Markt in solchem Grade daß derselbe fast ganz in den Hintergrund trat. Es ist mehr als eine müßige Reflexion, wenn ich bedaure daß die Berliner Börse in einem Augenblick, in welchem der Deutsche Kaiser seinen Einzug hält, sich vor- wiegend mit einem ganzen Troß fremder Nationalitäten beschäftigt und man mehr von Franzosen, Lombarden, Jtalienern, Türken u. s. w. als von preußischen und deutschen Anleihen sprechen hörte. Jch kann aber mein Bedauern nur bedingungs- weise aussprechen, denn die große speculative Theilnahme entspringt jetzt aus Motiven welche dem bloßen Hazardspiel sehr nahe stehen, sich aber von demselben unterscheiden, weil in letzterem die Entscheidung dem Einsatze folgt und im Börsenspiele die realen Verhältnisse in letzter Jnstanz zu voller Geltung kommen. Jch will hier keine Abhandlung über Börsenspiel schreiben, glaube aber daß deutsche Auleihen und ähnliche Papiere sich um eine auf solcher Basis ruhende speculative Theilnahme zu bewerben keine Ursache haben. Der Jmpuls für die eingetretene Haussebewegung gieng von Wien aus, mit einer staunenswerthen Leichtfertigkeit setzte man sich dort über die Verfassungs= und finanziellen Verhältnisse weg, das Bedürfniß einer Bewegung gab die erste Veranlassung für dieselbe; sie konnte sich nur in steigender Richtung entwickeln, weil die Speculanten in der Voraussetzung die Verhältnisse in Frankreich würden sofort nach dem Friedensschluß eine Krisis veranlassen, sich getäuscht sahen, und nicht sehen wollten daß wenn eine solche ein- tritt, sie sich erst nach Aufhebung des Moratoriums und nach der Zahlung eines größeren Theils der Kriegskosten entwickeln kann. Das Jnteresse welches die Börse für die Haussebewegung gewann, förderte dieselbe, denn es ist „ Börsen- praxis,“ den vorwiegenden Engagements entsprechend, nicht allein Thatsachen zu escomptiren, sondern auch Gerüchte zu fabriciren. Dieß ist auch in den letzten Tagen geschehen, man ließ Türken steigen, weil eine verfügte Steuererhöhung die Einnahme um 1 Mill. Pf. St. steigern soll, ungeachtet dieses Plus auf bloßer und kaum zutreffender Schätzung beruht und das Deficit in Wirklichkeit seit Jahren zwischen 1 und 3 Mill. Pf. St. geschwankt hat. Jtaliener stiegen ungeachtet der Nachricht daß das Defieit 270 Mill. Fr. beträgt und durch die Ausgabe einer neuen Serie von 150 Mill. Fr. Bankbillets und einem Zuschlage zu den directen Steuern von 1 / 10, also auch zur Couponsteuer gedeckt werden soll. Die erstere wird die italienische Papiervaluta ungünstig beeinflussen. Für österreichische Credit- actien wurde mit der Nachricht operirt, die Anstalt bewerbe sich um eine Bethei- ligung an der neuen französischen Anleihe. Oesterreich will eine financielle Groß- macht werden, trotz schwankender Valuta und der Nothwendigkeit zur Deckung seiner eigenen financiellen Bedürfnisse immer aufs neue an das Ausland appelliren zu müssen. Rumänier endlich steigen weil die Jntervention des Bundeskanzler- amtes zu Gunsten der Obligationsinhaber zur Wahrheit geworden ist. Der nord- deutsche Generalconsul hat in Bukarest die Anerkennung der Garantieverpflichtun- gen seitens der Regierung befürwortet. Leider liegt der Schwerpunkt nicht bloß in dem Wollen, sondern auch in dem „Können,“ und das ist mindestens zweifelhaft. Ferner hat die Kammer die Angelegenheit vor ihr Forum gezogen und deren Entscheidung ist nach den Auslassungen der Commission, also nach einem Acten- stücke welches an gewaltsamen Deutungen reich ist, unberechenbar. Jch will die Motive der Haussebewegung nicht noch weiter ausführen, und nur constatiren daß die Speculation augenblicklich ihren Willen eingesetzt und es verstanden hat diesen allein zur Geltung zu bringen. Es ist möglich daß dieß auch weiter der Fall sein wird, die Dauer ist unberechenbar. Jm Vordergrunde standen Staats- bahnactien ( Franzosen ) , für welche man Dividenden=Gerüchte in Umlauf setzte. Diesen folgten österr. Creditactien, für Lombarden konnte sich die Börse nicht erwärmen, ich täusche mich kaum in der Voraussetzung daß dieses Papier noch immer als „contre-valeur“ dient, d. h. daß es zur Deckung anderweitiger Hausse Engagements in Blanco verkauft ist und wird. Jtaliener, Türken u. s. w. spielten eben-

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg (Bayern), 21. März 1871, S. 1356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg80_1871/12>, abgerufen am 21.11.2024.