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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 19. Juni 1848.

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Allgemeine Auswanderungs = Zeitung.
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Organ
für
Kunde aus deutschen Ansiedlungen,
für Rath und That
zu Gunsten der fortziehenden Brüder,
sowie für
Oeffentlichkeit in Auswanderungs-
sachen überhaupt.
BREMEN:
C. Schünemann's Buchhandlung

[Spaltenumbruch] [Abbildung]
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Mit
Karten, Plänen und
Jllustrationen,

sowie mit einem
Jntelligenzblatte
für Bekanntmachungen von
Behörden u. Privaten.
NEW-YORK:
Helmich & Co., 421 Broadway, für die Ver.
Staaten Nord=Amerika's.
William Radde. 322 Broadway.

[Ende Spaltensatz] [Beginn Spaltensatz]
Pränumerationspreis des halben Jahrgangs bei allen
Buchhandlungen und Fürstl. Thurn und Tarischen
Postanstalten 1 1 / 6 Rl == 2 fl 6 Xr.

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Nro 25.
Montag, 19. Juni 1848.
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[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Jnhalt: Eine Uebersiedelung nach Amerika ( Briefe eines Arztes II. )
-- Statut des Vereins zum Ankauf der Cumingschen Hacienda, von L.
Constant. -- Präsident Ludewigs Bericht ( Schluß ) . -- Empfohlene
Schiffe. -- Auswanderungsverein in Leipzig.


Eine Uebersiedelung nach Amerika.
II.
* )
   

Um mit dem Euch versprochenen Tagebuche nicht zu sehr
in Rückhalt zu kommen, beginne ich es heute gleich. Wann und
wie wir diesen Morgen von Glückstadt abgegangen sind, habe
ich Euch bereits in dem Briefe gemeldet, den der Lootse mitgenommen
hat. Bei prächtigem Wetter und günstigem Winde aus Südost
fuhren wir langsam die Elbe hinab, indem uns beide Ufer schöne
Aussichten auf Städte, Dörfer und fruchtbare Gefilde eröffneten;
es war das Letzte, was das Vaterland mir bot, die letzte heimat-
liche Erde, die ich auf lange Zeit vielleicht sehen sollte; um
so mehr hatte ich Ursache, sie mit den Augen festzuhalten, mich
an ihrem Anblicke noch zu erfreuen. Cuxhaven erreichten wir
gegen 8 Uhr; ein hübsches Städtchen längs dem Ufer hin, das
sich von der See aus mit seinem Leuchtthurm, Telegraphen und
freundlichen Häusern sehr nett macht; seine Ufer begleiteten uns
viel weiter, als das rechte Elbufer, das bald unsern Blicken ent-
schwand; endlich waren es nur noch Dünen und Sandbänke, die
wir sahen, bewohnt von Seemöven und Ottern; endlich -- Nichts
als Wasser und Himmel. Wir waren auf hoher See. Sie ist
mir nicht etwas ganz Neues, und doch hat es immer einen neuen
Reiz für mich, in die grüne Salzfluth zu schauen, die sich mit
wildem Gebrause und schneeigem Schaume am Vordertheil unseres
Schiffes bricht. Dicht am Schiffe sieht das Meer köstlich grün
[Spaltenumbruch] aus, bald hell bald dunkel schimmernd, nach der Sonne zu, wie
ein flüssiges Goldmeer, nach der entgegengesetzten Seite dunkel-
blau, bis es nach dem Horizonte zu in hellblau übergeht und
mit dem Himmel sich verbindet. Die erste Jnsel, welche wir
erblickten, war Neuwerk, klein, mit elenden Fischerhütten und
einem Leuchtthurme. Sie blieb links liegen, ungefähr 1 Meile
hinter Curhaven. Jm Beschauen derselben ward ich durch eine
Hannoveranerin gestört, die von einem Zahn befreit sein wollte;
schnell war die Operation vorüber, und bald saß ich wieder mit
meinem Fernrohr auf der Planke. Hier verließ uns auch der
Lootse. Gegen Mittag fuhren wir 9 engl. Meilen links von
Helgoland vorbei, welches wie ein graurother Fels in weiter
Ferne aus dem Meere hervortaucht und durch das Fernrohr sich
recht schön macht, mit dessen Hülfe ich auch sein Felsenthor mit
der Kluft mir recht nahe rückte. Nachmittag studirte oder saß
ich mit meinem Kammergenossen, dem Theologen auf dem schrägen
Bogspriet am Vordertheil des Schiffes, das weit in die See
hinausreicht. Ein köstlicher Platz! Jn einem Wunsche vereinigten
wir uns wenigstens beide, den, unsere Lieben bei uns zu haben.

   

Heute bis Mittag hatten wir starken Wind mit Regen.
Die Seekrankheit hatte sich gestern schon gezeigt, war heute aber
fast allgemein; nur Wenige, unter denen auch ich, sind ihr bis
jetzt entgangen, doch fühle ich mich etwas unbehaglich. An jeder
Oeffnung stehen Einige und opfern ihren Zoll, in allen Ecken
und Betten liegen sie herum mit erbärmlichen Gesichtern. Auf
dem Deck ist schon schwer gehen, man taumelt rechts und links.
Nach Tische ward wieder heiterer Himmel. Wir fahren übrigens
nicht zwischen England und Frankreich hindurch, sondern oben um
Schottland herum, weil uns der Wind für diesen Weg günstiger
ist, 2 Tage aber, d. h. 100 Meilen, ist dieser Weg länger. Wir
befinden uns jetzt schon ziemlich hoch in der Nordsee.

* ) Vgl. in Nr. 21 dies. Z. den I. Brief.
Allgemeine Auswanderungs = Zeitung.
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Kunde aus deutschen Ansiedlungen,
für Rath und That
zu Gunsten der fortziehenden Brüder,
sowie für
Oeffentlichkeit in Auswanderungs-
sachen überhaupt.
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C. Schünemann's Buchhandlung

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Mit
Karten, Plänen und
Jllustrationen,

sowie mit einem
Jntelligenzblatte
für Bekanntmachungen von
Behörden u. Privaten.
NEW-YORK:
Helmich & Co., 421 Broadway, für die Ver.
Staaten Nord=Amerika's.
William Radde. 322 Broadway.

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Pränumerationspreis des halben Jahrgangs bei allen
Buchhandlungen und Fürstl. Thurn und Tarischen
Postanstalten 1 1 / 6 Rl == 2 fl 6 Xr.

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Montag, 19. Juni 1848.
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Jnhalt: Eine Uebersiedelung nach Amerika ( Briefe eines Arztes II. )
-- Statut des Vereins zum Ankauf der Cumingschen Hacienda, von L.
Constant. -- Präsident Ludewigs Bericht ( Schluß ) . -- Empfohlene
Schiffe. -- Auswanderungsverein in Leipzig.


Eine Uebersiedelung nach Amerika.
II.
* )
   

Um mit dem Euch versprochenen Tagebuche nicht zu sehr
in Rückhalt zu kommen, beginne ich es heute gleich. Wann und
wie wir diesen Morgen von Glückstadt abgegangen sind, habe
ich Euch bereits in dem Briefe gemeldet, den der Lootse mitgenommen
hat. Bei prächtigem Wetter und günstigem Winde aus Südost
fuhren wir langsam die Elbe hinab, indem uns beide Ufer schöne
Aussichten auf Städte, Dörfer und fruchtbare Gefilde eröffneten;
es war das Letzte, was das Vaterland mir bot, die letzte heimat-
liche Erde, die ich auf lange Zeit vielleicht sehen sollte; um
so mehr hatte ich Ursache, sie mit den Augen festzuhalten, mich
an ihrem Anblicke noch zu erfreuen. Cuxhaven erreichten wir
gegen 8 Uhr; ein hübsches Städtchen längs dem Ufer hin, das
sich von der See aus mit seinem Leuchtthurm, Telegraphen und
freundlichen Häusern sehr nett macht; seine Ufer begleiteten uns
viel weiter, als das rechte Elbufer, das bald unsern Blicken ent-
schwand; endlich waren es nur noch Dünen und Sandbänke, die
wir sahen, bewohnt von Seemöven und Ottern; endlich -- Nichts
als Wasser und Himmel. Wir waren auf hoher See. Sie ist
mir nicht etwas ganz Neues, und doch hat es immer einen neuen
Reiz für mich, in die grüne Salzfluth zu schauen, die sich mit
wildem Gebrause und schneeigem Schaume am Vordertheil unseres
Schiffes bricht. Dicht am Schiffe sieht das Meer köstlich grün
[Spaltenumbruch] aus, bald hell bald dunkel schimmernd, nach der Sonne zu, wie
ein flüssiges Goldmeer, nach der entgegengesetzten Seite dunkel-
blau, bis es nach dem Horizonte zu in hellblau übergeht und
mit dem Himmel sich verbindet. Die erste Jnsel, welche wir
erblickten, war Neuwerk, klein, mit elenden Fischerhütten und
einem Leuchtthurme. Sie blieb links liegen, ungefähr 1 Meile
hinter Curhaven. Jm Beschauen derselben ward ich durch eine
Hannoveranerin gestört, die von einem Zahn befreit sein wollte;
schnell war die Operation vorüber, und bald saß ich wieder mit
meinem Fernrohr auf der Planke. Hier verließ uns auch der
Lootse. Gegen Mittag fuhren wir 9 engl. Meilen links von
Helgoland vorbei, welches wie ein graurother Fels in weiter
Ferne aus dem Meere hervortaucht und durch das Fernrohr sich
recht schön macht, mit dessen Hülfe ich auch sein Felsenthor mit
der Kluft mir recht nahe rückte. Nachmittag studirte oder saß
ich mit meinem Kammergenossen, dem Theologen auf dem schrägen
Bogspriet am Vordertheil des Schiffes, das weit in die See
hinausreicht. Ein köstlicher Platz! Jn einem Wunsche vereinigten
wir uns wenigstens beide, den, unsere Lieben bei uns zu haben.

   

Heute bis Mittag hatten wir starken Wind mit Regen.
Die Seekrankheit hatte sich gestern schon gezeigt, war heute aber
fast allgemein; nur Wenige, unter denen auch ich, sind ihr bis
jetzt entgangen, doch fühle ich mich etwas unbehaglich. An jeder
Oeffnung stehen Einige und opfern ihren Zoll, in allen Ecken
und Betten liegen sie herum mit erbärmlichen Gesichtern. Auf
dem Deck ist schon schwer gehen, man taumelt rechts und links.
Nach Tische ward wieder heiterer Himmel. Wir fahren übrigens
nicht zwischen England und Frankreich hindurch, sondern oben um
Schottland herum, weil uns der Wind für diesen Weg günstiger
ist, 2 Tage aber, d. h. 100 Meilen, ist dieser Weg länger. Wir
befinden uns jetzt schon ziemlich hoch in der Nordsee.

* ) Vgl. in Nr. 21 dies. Z. den I. Brief.
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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 19. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer25_1848/1>, abgerufen am 24.04.2024.