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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 19. Juni 1848.

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[Spaltenumbruch] auch nicht so sicher, wie auf unsern Oderkähnen, doch bedeutend
romantischer, denn unter mir toben die brausenden, schaumgekrönten
Wogen. Zuweilen zwar ist es nicht gut sitzen dort; denn Welle
und Schaum gehen oft darüber hinweg und man läuft Gefahr,
von diesem Sitze Pythia's einem Haifische direct ins Maul ge-
worfen zu werden. Diese Kerle begleiten uns oft, um Jedem,
der lebendig oder todt ins Wasser fällt, sogleich die letzte Oelung
zu geben. Von ihrem Körper selbst sieht man in dem fortwäh-
renden Schwung der Wellen wenig; aber der Wasserstrahl, den
sie hoch in die Luft werfen, zeigt sich häufig. Wenn wir stets
solchen Sturm wie heute haben, sind wir in 14 Tagen in Amerika;
wir haben immer 12 bis 16 Segel aufgespannt. Heute schwankt
es ungeheuer, so daß man kaum gehen kann, auch ist die See-
krankheit wieder stark vorhanden; nur ich bin verschont davon.
Hielten die Leute eine größere Diät, das beste Heilmittel,
so würden auch sie davon verschont bleiben.

   

Viel ist nicht zu bemerken, aber wenig. Jch habe fortwäh-
rend mit vielen Kranken zu thun. Gestern ist auch wieder ein
Kind geboren worden, bei dem aber der Vater, ein Bauer aus
dem Salzburgischen, mir schändlicherweise ( vielleicht aus Eifersucht )
so ins Handwerk gepfuscht hat, daß mir fast nur das Nachsehen
blieb. Das hat mein edles Gemüth aber nicht abgehalten, für
die Mutter aus des Capitäns Küche eine stärkende Weinsago-
suppe zu besorgen. Ueberhaupt habe ich mit dem Capitain ein
langes Zwiegespräch über die Verabreichung der Lebensmittel ge-
halten, in Folge dessen einige Verbesserungen stattfinden werden;
auch soll jetzt Jeder täglich eine Portion Essig erhalten, was mit
Zucker und Wasser ein ebenso nützliches als angenehmes Getränk
gibt. Gestern Abend wurden Wind und Wellen noch so stark,
daß man vor Schaukeln nicht einschlafen konnte, das ganze Schiff
knitterte und knatterte durch und durch, so daß man jeden Augen-
blick befürchten zu müssen glaubte, es würde auseinander gehen.
Dazu erschreckten zuweilen umstürzende Koffer und zusammen-
fallende Küchengeräthschaften. Am Ende erbarmte sich doch Mor-
pheus, und führte mich und vielleicht Manchen in seinen Armen
zu ruhigeren Gefilden.    ( Fortsetzung folgt. )

Brief
eines in Wisconsin lebenden Holsteiners.
   

Ueber den gegenwärtigen Zustand Wisconsin's spricht der
Gouverneur in der Botschaft vom 7. Febr. 1848 sich folgender-
maßen aus: "Die reichen Quellen des Ackerbaues in Wisconsin
haben sich geöffnet. Fülle im verflossenen Jahr war die Beloh-
nung des Bauers, und in keinem Theil der Vereinigten Staaten
war das Volk weniger heimgesucht von Krankheiten. Vor 12
Jahren waren Wisconsins Felder kaum dem Ackerbau zugänglich;
[Spaltenumbruch] wo sich damals Wildnisse und ununterbrochene Prärien ausdehnten,
da sieht man jetzt wogende Felder mit allen Arten Früchte; wo
damals die Wigwams der Wilden rauchten, stehen jetzt volkreiche
Städte und Dörfer; des Wilden Kriegstanz hat den Tönen und
Segnungen der Civilisation Platz gemacht, und das Murmeln
der Ströme, an deren Ufer die Jndianer ruhten, verliert sich in
dem Gesumme der Maschinen. Wisconsin wird in wenigen Jahren
eine der großen Vorrathskammern des Westens sein. Durch die große
Zunahme an Bevölkerung seit den letzten 2 Jahren wird es nöthig
sein, Gesetze örtlicher Natur zu erlassen. Die Hauptrichtung und
Endzweck aller Gesetzgebung sollte sein, jeden Bürger in seiner
Person, seinem Eigenthum und seinen persönlichen Rechten zu
schützen, indem sie Jedermann und jedem Jnteresse Schutz unter
den Gesetzen gibt, ausschließliche Privilegien aber Niemandem.
Häfen, welche an geeigneten Punkten am Westufer des Michigan-
Sees liegen, bilden als Schutz des stark erweiterten Seehandels
einen Gegenstand großer Wichtigkeit für das Volk von Wisconsin.
Jch hegte stets die Meinung, daß die Häfen des Territoriums
am westlichen Ufer des Michigansees Werke nationalen Jnteresses
seien; dieser Meinung bin ich jetzt noch. Der Handel des Michi-
gansees hat in einem Verhältnisse zugenommen, das wohl den
jedes andern Jnlandwassers der Ver. St. weit übertrifft. Wenn
die nördlichen Counties des Territoriums so angebaut sind, wie
die südlichen Counties, so wird die Ausfuhr verhältnißmäßig
wachsen; die nördlichen Counties sind im raschen Wachsen be-
griffen und werden daher bald einen Ueberfluß von Ackerbau-
producten für den östlichen Markt haben. Vermessungen und
Schätzungen für Häfen sind an der Mündung des Sheboygan-
und Manitouwoc = Flusses unter Leitung des Kriegsdepartements
gemacht worden. Häfen an der Mündung dieser Flüsse würden
der gegenwärtigen wie der künftigen Bevölkerung im Jnnern jener
Gegend, vom Seeufer nach dem For-Flusse, sehr zu Statten
kommen. Port Washington ist ein bedeutender Platz am
Mich. See, dessen Ansprüche auf einen Hafen nicht zu übersehen
sind.* ) " Von unserer Constitution theile ich jetzt nichts mit, weil
ich Dir nächstens einige Exemplare zusenden werde. Aus dem
vorstehenden Auszuge wirst Du einigermaßen den blühenden Zu-
stand Wisconsins beurtheilen können, und in der That keiner der
Unions=Staaten, wohin noch Einwanderung in größerem Maß-
stabe stattfinden kann, bietet einen solchen Verein von günstigen
Verhältnissen als Wisconsin. Das Klima ist gemäßigt, und der
Unterschied zwischen der größten Wärme und Kälte weniger be-
deutend, als in den übrigen Staaten des Ostens und Westens,
weßhalb Europäern besonders zusagend. Es gibt hier weder große
Sümpfe, noch sind die Flußufer so niedrig, um die Flüsse über-
treten zu lassen, wie es z. B. der Fall ist in Ohio und noch mehr
in den andern westlichen Staaten, wo die Flüsse die Ufer weithin

* ) Jm Gegentheil, P. Wash. ist sehr unbedeutend, obwohl es in einer
sehr fruchtbaren County liegt und County=City ist, weßhalb die Bewohner
dieser County fast sämmtlich eine andere Stadt zur County=City wünschen;
es mündet kein Fluß bei Port Wash., und die Anlage eines Hafens daselbst
würde bedeutende Summen kosten.

[Spaltenumbruch] auch nicht so sicher, wie auf unsern Oderkähnen, doch bedeutend
romantischer, denn unter mir toben die brausenden, schaumgekrönten
Wogen. Zuweilen zwar ist es nicht gut sitzen dort; denn Welle
und Schaum gehen oft darüber hinweg und man läuft Gefahr,
von diesem Sitze Pythia's einem Haifische direct ins Maul ge-
worfen zu werden. Diese Kerle begleiten uns oft, um Jedem,
der lebendig oder todt ins Wasser fällt, sogleich die letzte Oelung
zu geben. Von ihrem Körper selbst sieht man in dem fortwäh-
renden Schwung der Wellen wenig; aber der Wasserstrahl, den
sie hoch in die Luft werfen, zeigt sich häufig. Wenn wir stets
solchen Sturm wie heute haben, sind wir in 14 Tagen in Amerika;
wir haben immer 12 bis 16 Segel aufgespannt. Heute schwankt
es ungeheuer, so daß man kaum gehen kann, auch ist die See-
krankheit wieder stark vorhanden; nur ich bin verschont davon.
Hielten die Leute eine größere Diät, das beste Heilmittel,
so würden auch sie davon verschont bleiben.

   

Viel ist nicht zu bemerken, aber wenig. Jch habe fortwäh-
rend mit vielen Kranken zu thun. Gestern ist auch wieder ein
Kind geboren worden, bei dem aber der Vater, ein Bauer aus
dem Salzburgischen, mir schändlicherweise ( vielleicht aus Eifersucht )
so ins Handwerk gepfuscht hat, daß mir fast nur das Nachsehen
blieb. Das hat mein edles Gemüth aber nicht abgehalten, für
die Mutter aus des Capitäns Küche eine stärkende Weinsago-
suppe zu besorgen. Ueberhaupt habe ich mit dem Capitain ein
langes Zwiegespräch über die Verabreichung der Lebensmittel ge-
halten, in Folge dessen einige Verbesserungen stattfinden werden;
auch soll jetzt Jeder täglich eine Portion Essig erhalten, was mit
Zucker und Wasser ein ebenso nützliches als angenehmes Getränk
gibt. Gestern Abend wurden Wind und Wellen noch so stark,
daß man vor Schaukeln nicht einschlafen konnte, das ganze Schiff
knitterte und knatterte durch und durch, so daß man jeden Augen-
blick befürchten zu müssen glaubte, es würde auseinander gehen.
Dazu erschreckten zuweilen umstürzende Koffer und zusammen-
fallende Küchengeräthschaften. Am Ende erbarmte sich doch Mor-
pheus, und führte mich und vielleicht Manchen in seinen Armen
zu ruhigeren Gefilden.    ( Fortsetzung folgt. )

Brief
eines in Wisconsin lebenden Holsteiners.
   

Ueber den gegenwärtigen Zustand Wisconsin's spricht der
Gouverneur in der Botschaft vom 7. Febr. 1848 sich folgender-
maßen aus: „Die reichen Quellen des Ackerbaues in Wisconsin
haben sich geöffnet. Fülle im verflossenen Jahr war die Beloh-
nung des Bauers, und in keinem Theil der Vereinigten Staaten
war das Volk weniger heimgesucht von Krankheiten. Vor 12
Jahren waren Wisconsins Felder kaum dem Ackerbau zugänglich;
[Spaltenumbruch] wo sich damals Wildnisse und ununterbrochene Prärien ausdehnten,
da sieht man jetzt wogende Felder mit allen Arten Früchte; wo
damals die Wigwams der Wilden rauchten, stehen jetzt volkreiche
Städte und Dörfer; des Wilden Kriegstanz hat den Tönen und
Segnungen der Civilisation Platz gemacht, und das Murmeln
der Ströme, an deren Ufer die Jndianer ruhten, verliert sich in
dem Gesumme der Maschinen. Wisconsin wird in wenigen Jahren
eine der großen Vorrathskammern des Westens sein. Durch die große
Zunahme an Bevölkerung seit den letzten 2 Jahren wird es nöthig
sein, Gesetze örtlicher Natur zu erlassen. Die Hauptrichtung und
Endzweck aller Gesetzgebung sollte sein, jeden Bürger in seiner
Person, seinem Eigenthum und seinen persönlichen Rechten zu
schützen, indem sie Jedermann und jedem Jnteresse Schutz unter
den Gesetzen gibt, ausschließliche Privilegien aber Niemandem.
Häfen, welche an geeigneten Punkten am Westufer des Michigan-
Sees liegen, bilden als Schutz des stark erweiterten Seehandels
einen Gegenstand großer Wichtigkeit für das Volk von Wisconsin.
Jch hegte stets die Meinung, daß die Häfen des Territoriums
am westlichen Ufer des Michigansees Werke nationalen Jnteresses
seien; dieser Meinung bin ich jetzt noch. Der Handel des Michi-
gansees hat in einem Verhältnisse zugenommen, das wohl den
jedes andern Jnlandwassers der Ver. St. weit übertrifft. Wenn
die nördlichen Counties des Territoriums so angebaut sind, wie
die südlichen Counties, so wird die Ausfuhr verhältnißmäßig
wachsen; die nördlichen Counties sind im raschen Wachsen be-
griffen und werden daher bald einen Ueberfluß von Ackerbau-
producten für den östlichen Markt haben. Vermessungen und
Schätzungen für Häfen sind an der Mündung des Sheboygan-
und Manitouwoc = Flusses unter Leitung des Kriegsdepartements
gemacht worden. Häfen an der Mündung dieser Flüsse würden
der gegenwärtigen wie der künftigen Bevölkerung im Jnnern jener
Gegend, vom Seeufer nach dem For-Flusse, sehr zu Statten
kommen. Port Washington ist ein bedeutender Platz am
Mich. See, dessen Ansprüche auf einen Hafen nicht zu übersehen
sind.* ) “ Von unserer Constitution theile ich jetzt nichts mit, weil
ich Dir nächstens einige Exemplare zusenden werde. Aus dem
vorstehenden Auszuge wirst Du einigermaßen den blühenden Zu-
stand Wisconsins beurtheilen können, und in der That keiner der
Unions=Staaten, wohin noch Einwanderung in größerem Maß-
stabe stattfinden kann, bietet einen solchen Verein von günstigen
Verhältnissen als Wisconsin. Das Klima ist gemäßigt, und der
Unterschied zwischen der größten Wärme und Kälte weniger be-
deutend, als in den übrigen Staaten des Ostens und Westens,
weßhalb Europäern besonders zusagend. Es gibt hier weder große
Sümpfe, noch sind die Flußufer so niedrig, um die Flüsse über-
treten zu lassen, wie es z. B. der Fall ist in Ohio und noch mehr
in den andern westlichen Staaten, wo die Flüsse die Ufer weithin

* ) Jm Gegentheil, P. Wash. ist sehr unbedeutend, obwohl es in einer
sehr fruchtbaren County liegt und County=City ist, weßhalb die Bewohner
dieser County fast sämmtlich eine andere Stadt zur County=City wünschen;
es mündet kein Fluß bei Port Wash., und die Anlage eines Hafens daselbst
würde bedeutende Summen kosten.
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Vor 12 Jahren waren Wisconsins Felder kaum dem Ackerbau zugänglich; wo sich damals Wildnisse und ununterbrochene Prärien ausdehnten, da sieht man jetzt wogende Felder mit allen Arten Früchte; wo damals die Wigwams der Wilden rauchten, stehen jetzt volkreiche Städte und Dörfer; des Wilden Kriegstanz hat den Tönen und Segnungen der Civilisation Platz gemacht, und das Murmeln der Ströme, an deren Ufer die Jndianer ruhten, verliert sich in dem Gesumme der Maschinen. Wisconsin wird in wenigen Jahren eine der großen Vorrathskammern des Westens sein. Durch die große Zunahme an Bevölkerung seit den letzten 2 Jahren wird es nöthig sein, Gesetze örtlicher Natur zu erlassen. Die Hauptrichtung und Endzweck aller Gesetzgebung sollte sein, jeden Bürger in seiner Person, seinem Eigenthum und seinen persönlichen Rechten zu schützen, indem sie Jedermann und jedem Jnteresse Schutz unter den Gesetzen gibt, ausschließliche Privilegien aber Niemandem. 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B. der Fall ist in Ohio und noch mehr in den andern westlichen Staaten, wo die Flüsse die Ufer weithin * ) Jm Gegentheil, P. Wash. ist sehr unbedeutend, obwohl es in einer sehr fruchtbaren County liegt und County=City ist, weßhalb die Bewohner dieser County fast sämmtlich eine andere Stadt zur County=City wünschen; es mündet kein Fluß bei Port Wash., und die Anlage eines Hafens daselbst würde bedeutende Summen kosten.

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 19. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer25_1848/3>, abgerufen am 03.05.2024.