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Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 17. Bremen, 27. Februar 1852.

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[Beginn Spaltensatz] weinbrennerei wird wahrscheinlich sehr bald ertheilt und dadurch den
Getreidepreisen größere Festigkeit gegeben werden. Jn den kleineren Ort-
schaften giebt es neben mehreren Kauf= und Handwerkerläden gewöhnlich
eine Dampfmühle, und regelmäßig Kirche und Wirthshaus, engverbunden
neben einander, wie in vielen deutschen Dörfern.

Die in "Süd=Australien" ansässigen Deutschen sind Landwirthe,
Handwerker
und Kaufleute, letztere beiden Klassen hauptsächlich in
Adelaide. Unter den Landwirthen befinden sich diejenigen fast alle in
einer behaglichen und zufriedenen Lage, die, in der Heimath drückender
Verhältnisse und schwerer Arbeit gewohnt, bei ihrer Ansiedelung ein gut
Theil Geduld und Kräfte zusetzen konnten. Wer dagegen der härte-
sten
Arbeit ungewohnt und dazu unfähig hinkam, der hat sein
Glück in jenem Lande vergeblich gesucht und wird es auch künftig dort
nicht finden. Der Grund ist einfach genug. So wie im Westen der Ver-
einigten Staaten, so ist auch in Süd=Australien der Arbeitslohn sehr hoch.
Wer daher zum Bauen seines hölzernen Hauses, zum Umhauen seiner
Holzung, zum Bestellen seiner Aecker, zum Umzäunen seiner Felder, zum
Hüten seines Viehs, zur Schur seiner Schafe sich nur auf fremde Kräfte
verläßt, ohne den sauersten Theil selbst zu verrichten, dem geht sein Ertrag
in Arbeitslöhnen verloren; dabei ist noch Grund und Boden theuerer, als
dort, und setzt ein größeres Anlagekapital voraus. Mit einer Summe
unter 500 £, bestätigt ein anderer Berichterstatter über Süd=Australien, der
im vergangenen Jahre nach Deutschland zurückgekehrte Dr. Listemann ) ,
dürfe Keiner dort wagen, selbstständig Ackerbauwirthschaft zu beginnen.
Dazu kommt das Risico, das ein Jeder läuft, durch einmal zu frühzeitig
eintretende oder zu anhaltende Dürre einen Theil seiner Jahresprodukte
vernichtet zu sehen. Mit Getreide, von dem im Jahre 1849 z. B. für
32,000 £ ausgeführt wurde, versorgt Süd=Australien allerdings seine
Nachbarkolonien. Seine Abgelegenheit aber und die dadurch bedingte
Länge und Kostspieligkeit des Transports wird es nie, auch wenn seine
Bodenbeschaffenheit es zuließe, zu einem Kornspeicher für andere Welttheile
machen. Dagegen ist wohl nicht in Abrede zu stellen, daß die Schafzucht
und ihr Ertrag, die Wolle, sowie der große Mineralreichthum einen werth-
vollen Ausfuhrartikel ausmachen und der Kolonie eine blühende Zukunft
sichern; dazu wird sich sehr wahrscheinlich Wein, vielleicht auch Taback,
Oliven, Seide gesellen. Außerdem wird Gummi, Häute, Talg, Fischbein
exportirt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß eine erfolgreiche Vermeh-
rung dieser Artikel, ein Anwachsen der Bevölkerung an Reichthum und
Zahl zu ihrer nothwendigen Voraussetzung einen gedeihlichen und den
innern Markt vollständig versorgenden Ackerbau hat. Dies Alles berech-
tigt wohl zu der Annahme, daß ein an harte Arbeit gewöhnter Bauer
und Tagelöhner dort entweder mit Hülfe eines angesammelten Kapitals
selbstständiger Landwirth werden, oder doch durch Tagelohn lohnende Arbeit
und mit der Zeit eine selbstständige Stellung finden kann.

Auch manche Handwerker können auf ein sicheres Fortkommen
rechnen, wobei aber nicht zu übersehen ist, was unser Berichterstatter,
als sich von selbst verstehend, unerwähnt läßt, daß England mit seinen
Fabrikaten die junge Kolonie reichlich versorgt, und zu billigerem Preise,
als sie dort gefertigt werden können. Am besten, versichert Hr. Listemann,
dessen Beschreibung wir hier ergänzend zu Hülfe nehmen, würden Maurer,
Tischler, Schmiede, Stellmacher, Klempner, Lohgerber und Brauer dort
weiter kommen, weniger gut Schneider, Schuhmacher, Schlosser, Sattler
und Glaser; Bäcker, Fleischer und Barbiere wären in genügender Zahl
dort schon vertreten. Ueberhaupt aber muß als Hauptregel festgehalten
werden, daß Keiner, der dorthin übersiedelt und auf seiner Hände Werk
angewiesen ist, sich eigensinnig auf ein bestimmtes Fach steifen darf, sondern
die erste beste Arbeit annehmen muß. Wer sich hieran hält, versichert Herr
Reimer, könne nach den bisherigen Erfahrungen des " deutschen Nach-
weiseamts
" in Adelaide, immer zu thun finden. Zur Zeit der Schaf-
schur und der Ernte ist oft großer Mangel an Arbeitskräften.

Männliche und weibliche Dienstboten sind gesucht; dagegen Künstlern,
Gelehrten, überhaupt Allen, deren nutzbringendes Kapital in ihrer höhern
Bildung besteht, ist Süd=Australien ein sehr stiefmütterlicher Boden.

[Spaltenumbruch] Eben so hülflos sind in den meisten Fällen junge Leute, die an einem
Comptoir zu arbeiten gewohnt sind. Wer sich von ihnen nicht entschließt,
den Spaten oder Hirtenstock in die Hand zu nehmen, wird je eher je lieber
das Land wieder verlassen.     ( Schluß folgt. )



Brief aus Brooklyn bei Newyork.
( Den 26. Januar 1852. )

Nachdem ich früher während der 13 Jahre, die ich in Missouri zubrachte,
Leben und Schicksale der dortigen Einwanderer mit eigenen Augen gesehen
und in eigener Erfahrung getheilt habe, bin ich jetzt seit mehr als 4 Jahren
in der Nähe des großen Thors postirt, durch welches die meisten derselben
ihren Einzug in Amerika halten, und habe daher Gelegenheit gehabt, die
Sache von verschiedenen Seiten kennen zu lernen und die Pro und Contra
zu erwägen. Das Resultat meiner Erfahrungen ist nun, daß die große
Masse der Einwanderer, nämlich die arme, zu ihrem Unterhalt auf ihrer
eigenen Hände Arbeit angewiesen sind, und nur dann auf ein glückliches
Fortkommen mit einiger Sicherheit rechnen können, wenn sie bis in das
Jnnere des Landes zu gelangen die Mittel haben, während die zahllosen
Schaaren, die hier in den Seestädten liegen bleiben, zum größten Theil
physisch oder moralisch, meistens beides zugleich, zu Grunde gehen. Viel-
leicht freut Jhr Euch, daß Jhr sie los seid, aber das ist auch der ganze
Vortheil, der dabei ist; den Leuten selbst ist nicht geholfen; sie kommen
nur von einem Elend in's andere, und für uns sind sie eine Last und
Plage, nicht nur für die Gegenwart, das möchte noch hingehen, sondern
auch für die Zukunft, indem dadurch ein Proletariat der schlimmsten Gattung
heranwächst, da ihre Kinder sich an's Betteln und Stehlen gewöhnen u. s. w.
Thut doch, was Jhr könnt, den armen einfältigen Menschen hierüber die
Augen zu öffnen. Wer drüben ein Bettler gewesen, wird es hier sehr
oft wieder, und wer es dort noch nicht war, kann es hier leicht werden,
wenn er keine Mittel hat, in's Land hinein zu kommen. Dies ist,
einzelne Ausnahmen abgerechnet, die man vernünftiger Weise nicht in
Anschlag bringen kann, allgemeine Regel. Ferner sollte Keiner, der seine
Mittel zu Rathe halten muß, gegen den Winter reisen; es ist alsdann
meistens der Fall, daß die Verbindung mit dem Jnnern schwierig
oder ganz gesperrt ist, soweit die Beförderung der Einwanderer in Betracht
kommt; das Leben ist hier theuer, Arbeit ohnehin oft bei der großen Con-
currenz schwer und im Winter vollends gar nicht zu finden. So wird das
Wenige, was sie etwa noch mitgebracht haben, verzehrt, und dann auch
die Möglichkeit, im Frühling weiter zu kommen, abgeschnitten. Ueberhaupt
scheint es mir ein großer Fehler, daß die gesammte ärmere Auswanderung
nicht in größerer Menge über Neworleans geht, wenigstens im Winter
sollte das durchaus Regel sein; aber überhaupt ist Neworleans, als die
Pforte des Westens, der Ort, wohin sie immer gewiesen werden sollten ) .
Jch weiß wohl, daß die Passage über Neworleans etwas höher ist, aber
dafür ist die Passage von da ins Jnnere wieder soviel niedriger und un-
vergleichlich viel kürzer und Plackereien weniger ausgesetzt, da die ganze
Reise von da bis St. Louis auf einem und demselben Boote gemacht wer-
den kann. Dadurch fällt auch die Gelegenheit zu Betrügereien weg, denen
bei der Reise von den östlichen Städten in's Land hinein nicht zu entgehen
ist. Als eine dritte Regel möchte ich aufstellen, namentlich für Familien-
väter, sich nicht eher zum Auswandern zu entschließen, als bis sie über
zwei Dinge mit sich im Reinen sind, nämlich 1 ) daß wirklich die Noth
sie treibt, und 2 ) daß sie es nicht sowohl ihrer selbst, als ihrer Kinder
wegen thun. Jm Ganzen darf man als gewiß annehmen, daß die einge-
wanderte Generation für sich selber wenig gewinnt; den Vortheil erntet
erst die zweite.

Unkunde der hiesigen Verhältnisse, namentlich auch der Sprache, die
mit der Acclimatisirung unausbleiblich verbundenen Krankheiten, oft auch
Heimweh und Muthlosigkeit, besonders aber die anfangs bei Bemittelten
fast immer eintretende Verarmung - es ist hier ein von der Erfahrung
gelehrtes Sprichwort: daß der Deutsche erst anfängt, Etwas vor sich zu
bringen, wenn das deutsche Geld aufgezehrt ist, - alles dies und tausend
andere Dinge wirken zusammen, um den Eingewanderten selbst oft den
Vortheil ihres Unternehmens zu rauben, auch wenn ihre Kinder so glücklich
sind, die Früchte davon zu ernten.

Wer hauptsächlich dieser Noth entgegenzuwirken sucht, ist die Deutsche
Gesellschaft
in Newyork, eine äußerst nützliche und wohlthätige Anstalt.
Wer sie verlästert, zeigt nur, daß er es mit den Einwanderern nicht wohl
meint. Derer giebt es freilich genug, und der Grund ist klar, indem hier
Tausende vom Schaden der Einwanderer leben und daher einer Gesellschaft
nicht gewogen sein können, welche diese Erwerbsquelle ihnen abzuschneiden
redlich bemüht ist. Jch sprach noch kürzlich mit einem hiesigen Prediger
über diesen Gegenstand, der darin ganz mit mir übereinstimmte und auf
dessen Urtheil in dieser Sache um so viel mehr Gewicht zu legen ist, als
er übrigens in gar keiner näheren Verbindung mit der Gesellschaft steht.


[Ende Spaltensatz]
* ) " Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr
zum Vaterlande
" von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von
A. W. Hayn.
* ) " Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr
zum Vaterlande
" von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von
A. W. Hayn.
* ) Eine Landung dort von August bis November muß aber aus Gesundheits-
rücksichten vermieden werden; auch ist die Reise nach den Staaten an den Seen,
wie Wisconsin, über Newyork leichter zu bewerkstelligen.     D. Red.

[Beginn Spaltensatz] weinbrennerei wird wahrscheinlich sehr bald ertheilt und dadurch den
Getreidepreisen größere Festigkeit gegeben werden. Jn den kleineren Ort-
schaften giebt es neben mehreren Kauf= und Handwerkerläden gewöhnlich
eine Dampfmühle, und regelmäßig Kirche und Wirthshaus, engverbunden
neben einander, wie in vielen deutschen Dörfern.

Die in „Süd=Australien“ ansässigen Deutschen sind Landwirthe,
Handwerker
und Kaufleute, letztere beiden Klassen hauptsächlich in
Adelaide. Unter den Landwirthen befinden sich diejenigen fast alle in
einer behaglichen und zufriedenen Lage, die, in der Heimath drückender
Verhältnisse und schwerer Arbeit gewohnt, bei ihrer Ansiedelung ein gut
Theil Geduld und Kräfte zusetzen konnten. Wer dagegen der härte-
sten
Arbeit ungewohnt und dazu unfähig hinkam, der hat sein
Glück in jenem Lande vergeblich gesucht und wird es auch künftig dort
nicht finden. Der Grund ist einfach genug. So wie im Westen der Ver-
einigten Staaten, so ist auch in Süd=Australien der Arbeitslohn sehr hoch.
Wer daher zum Bauen seines hölzernen Hauses, zum Umhauen seiner
Holzung, zum Bestellen seiner Aecker, zum Umzäunen seiner Felder, zum
Hüten seines Viehs, zur Schur seiner Schafe sich nur auf fremde Kräfte
verläßt, ohne den sauersten Theil selbst zu verrichten, dem geht sein Ertrag
in Arbeitslöhnen verloren; dabei ist noch Grund und Boden theuerer, als
dort, und setzt ein größeres Anlagekapital voraus. Mit einer Summe
unter 500 £, bestätigt ein anderer Berichterstatter über Süd=Australien, der
im vergangenen Jahre nach Deutschland zurückgekehrte Dr. Listemann ) ,
dürfe Keiner dort wagen, selbstständig Ackerbauwirthschaft zu beginnen.
Dazu kommt das Risico, das ein Jeder läuft, durch einmal zu frühzeitig
eintretende oder zu anhaltende Dürre einen Theil seiner Jahresprodukte
vernichtet zu sehen. Mit Getreide, von dem im Jahre 1849 z. B. für
32,000 £ ausgeführt wurde, versorgt Süd=Australien allerdings seine
Nachbarkolonien. Seine Abgelegenheit aber und die dadurch bedingte
Länge und Kostspieligkeit des Transports wird es nie, auch wenn seine
Bodenbeschaffenheit es zuließe, zu einem Kornspeicher für andere Welttheile
machen. Dagegen ist wohl nicht in Abrede zu stellen, daß die Schafzucht
und ihr Ertrag, die Wolle, sowie der große Mineralreichthum einen werth-
vollen Ausfuhrartikel ausmachen und der Kolonie eine blühende Zukunft
sichern; dazu wird sich sehr wahrscheinlich Wein, vielleicht auch Taback,
Oliven, Seide gesellen. Außerdem wird Gummi, Häute, Talg, Fischbein
exportirt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß eine erfolgreiche Vermeh-
rung dieser Artikel, ein Anwachsen der Bevölkerung an Reichthum und
Zahl zu ihrer nothwendigen Voraussetzung einen gedeihlichen und den
innern Markt vollständig versorgenden Ackerbau hat. Dies Alles berech-
tigt wohl zu der Annahme, daß ein an harte Arbeit gewöhnter Bauer
und Tagelöhner dort entweder mit Hülfe eines angesammelten Kapitals
selbstständiger Landwirth werden, oder doch durch Tagelohn lohnende Arbeit
und mit der Zeit eine selbstständige Stellung finden kann.

Auch manche Handwerker können auf ein sicheres Fortkommen
rechnen, wobei aber nicht zu übersehen ist, was unser Berichterstatter,
als sich von selbst verstehend, unerwähnt läßt, daß England mit seinen
Fabrikaten die junge Kolonie reichlich versorgt, und zu billigerem Preise,
als sie dort gefertigt werden können. Am besten, versichert Hr. Listemann,
dessen Beschreibung wir hier ergänzend zu Hülfe nehmen, würden Maurer,
Tischler, Schmiede, Stellmacher, Klempner, Lohgerber und Brauer dort
weiter kommen, weniger gut Schneider, Schuhmacher, Schlosser, Sattler
und Glaser; Bäcker, Fleischer und Barbiere wären in genügender Zahl
dort schon vertreten. Ueberhaupt aber muß als Hauptregel festgehalten
werden, daß Keiner, der dorthin übersiedelt und auf seiner Hände Werk
angewiesen ist, sich eigensinnig auf ein bestimmtes Fach steifen darf, sondern
die erste beste Arbeit annehmen muß. Wer sich hieran hält, versichert Herr
Reimer, könne nach den bisherigen Erfahrungen des „ deutschen Nach-
weiseamts
“ in Adelaide, immer zu thun finden. Zur Zeit der Schaf-
schur und der Ernte ist oft großer Mangel an Arbeitskräften.

Männliche und weibliche Dienstboten sind gesucht; dagegen Künstlern,
Gelehrten, überhaupt Allen, deren nutzbringendes Kapital in ihrer höhern
Bildung besteht, ist Süd=Australien ein sehr stiefmütterlicher Boden.

[Spaltenumbruch] Eben so hülflos sind in den meisten Fällen junge Leute, die an einem
Comptoir zu arbeiten gewohnt sind. Wer sich von ihnen nicht entschließt,
den Spaten oder Hirtenstock in die Hand zu nehmen, wird je eher je lieber
das Land wieder verlassen.     ( Schluß folgt. )



Brief aus Brooklyn bei Newyork.
( Den 26. Januar 1852. )

Nachdem ich früher während der 13 Jahre, die ich in Missouri zubrachte,
Leben und Schicksale der dortigen Einwanderer mit eigenen Augen gesehen
und in eigener Erfahrung getheilt habe, bin ich jetzt seit mehr als 4 Jahren
in der Nähe des großen Thors postirt, durch welches die meisten derselben
ihren Einzug in Amerika halten, und habe daher Gelegenheit gehabt, die
Sache von verschiedenen Seiten kennen zu lernen und die Pro und Contra
zu erwägen. Das Resultat meiner Erfahrungen ist nun, daß die große
Masse der Einwanderer, nämlich die arme, zu ihrem Unterhalt auf ihrer
eigenen Hände Arbeit angewiesen sind, und nur dann auf ein glückliches
Fortkommen mit einiger Sicherheit rechnen können, wenn sie bis in das
Jnnere des Landes zu gelangen die Mittel haben, während die zahllosen
Schaaren, die hier in den Seestädten liegen bleiben, zum größten Theil
physisch oder moralisch, meistens beides zugleich, zu Grunde gehen. Viel-
leicht freut Jhr Euch, daß Jhr sie los seid, aber das ist auch der ganze
Vortheil, der dabei ist; den Leuten selbst ist nicht geholfen; sie kommen
nur von einem Elend in's andere, und für uns sind sie eine Last und
Plage, nicht nur für die Gegenwart, das möchte noch hingehen, sondern
auch für die Zukunft, indem dadurch ein Proletariat der schlimmsten Gattung
heranwächst, da ihre Kinder sich an's Betteln und Stehlen gewöhnen u. s. w.
Thut doch, was Jhr könnt, den armen einfältigen Menschen hierüber die
Augen zu öffnen. Wer drüben ein Bettler gewesen, wird es hier sehr
oft wieder, und wer es dort noch nicht war, kann es hier leicht werden,
wenn er keine Mittel hat, in's Land hinein zu kommen. Dies ist,
einzelne Ausnahmen abgerechnet, die man vernünftiger Weise nicht in
Anschlag bringen kann, allgemeine Regel. Ferner sollte Keiner, der seine
Mittel zu Rathe halten muß, gegen den Winter reisen; es ist alsdann
meistens der Fall, daß die Verbindung mit dem Jnnern schwierig
oder ganz gesperrt ist, soweit die Beförderung der Einwanderer in Betracht
kommt; das Leben ist hier theuer, Arbeit ohnehin oft bei der großen Con-
currenz schwer und im Winter vollends gar nicht zu finden. So wird das
Wenige, was sie etwa noch mitgebracht haben, verzehrt, und dann auch
die Möglichkeit, im Frühling weiter zu kommen, abgeschnitten. Ueberhaupt
scheint es mir ein großer Fehler, daß die gesammte ärmere Auswanderung
nicht in größerer Menge über Neworleans geht, wenigstens im Winter
sollte das durchaus Regel sein; aber überhaupt ist Neworleans, als die
Pforte des Westens, der Ort, wohin sie immer gewiesen werden sollten ) .
Jch weiß wohl, daß die Passage über Neworleans etwas höher ist, aber
dafür ist die Passage von da ins Jnnere wieder soviel niedriger und un-
vergleichlich viel kürzer und Plackereien weniger ausgesetzt, da die ganze
Reise von da bis St. Louis auf einem und demselben Boote gemacht wer-
den kann. Dadurch fällt auch die Gelegenheit zu Betrügereien weg, denen
bei der Reise von den östlichen Städten in's Land hinein nicht zu entgehen
ist. Als eine dritte Regel möchte ich aufstellen, namentlich für Familien-
väter, sich nicht eher zum Auswandern zu entschließen, als bis sie über
zwei Dinge mit sich im Reinen sind, nämlich 1 ) daß wirklich die Noth
sie treibt, und 2 ) daß sie es nicht sowohl ihrer selbst, als ihrer Kinder
wegen thun. Jm Ganzen darf man als gewiß annehmen, daß die einge-
wanderte Generation für sich selber wenig gewinnt; den Vortheil erntet
erst die zweite.

Unkunde der hiesigen Verhältnisse, namentlich auch der Sprache, die
mit der Acclimatisirung unausbleiblich verbundenen Krankheiten, oft auch
Heimweh und Muthlosigkeit, besonders aber die anfangs bei Bemittelten
fast immer eintretende Verarmung – es ist hier ein von der Erfahrung
gelehrtes Sprichwort: daß der Deutsche erst anfängt, Etwas vor sich zu
bringen, wenn das deutsche Geld aufgezehrt ist, – alles dies und tausend
andere Dinge wirken zusammen, um den Eingewanderten selbst oft den
Vortheil ihres Unternehmens zu rauben, auch wenn ihre Kinder so glücklich
sind, die Früchte davon zu ernten.

Wer hauptsächlich dieser Noth entgegenzuwirken sucht, ist die Deutsche
Gesellschaft
in Newyork, eine äußerst nützliche und wohlthätige Anstalt.
Wer sie verlästert, zeigt nur, daß er es mit den Einwanderern nicht wohl
meint. Derer giebt es freilich genug, und der Grund ist klar, indem hier
Tausende vom Schaden der Einwanderer leben und daher einer Gesellschaft
nicht gewogen sein können, welche diese Erwerbsquelle ihnen abzuschneiden
redlich bemüht ist. Jch sprach noch kürzlich mit einem hiesigen Prediger
über diesen Gegenstand, der darin ganz mit mir übereinstimmte und auf
dessen Urtheil in dieser Sache um so viel mehr Gewicht zu legen ist, als
er übrigens in gar keiner näheren Verbindung mit der Gesellschaft steht.


[Ende Spaltensatz]
* ) „ Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr
zum Vaterlande
“ von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von
A. W. Hayn.
* ) „ Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr
zum Vaterlande
“ von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von
A. W. Hayn.
* ) Eine Landung dort von August bis November muß aber aus Gesundheits-
rücksichten vermieden werden; auch ist die Reise nach den Staaten an den Seen,
wie Wisconsin, über Newyork leichter zu bewerkstelligen.     D. Red.
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[[66]/0002] 66 weinbrennerei wird wahrscheinlich sehr bald ertheilt und dadurch den Getreidepreisen größere Festigkeit gegeben werden. Jn den kleineren Ort- schaften giebt es neben mehreren Kauf= und Handwerkerläden gewöhnlich eine Dampfmühle, und regelmäßig Kirche und Wirthshaus, engverbunden neben einander, wie in vielen deutschen Dörfern. Die in „Süd=Australien“ ansässigen Deutschen sind Landwirthe, Handwerker und Kaufleute, letztere beiden Klassen hauptsächlich in Adelaide. Unter den Landwirthen befinden sich diejenigen fast alle in einer behaglichen und zufriedenen Lage, die, in der Heimath drückender Verhältnisse und schwerer Arbeit gewohnt, bei ihrer Ansiedelung ein gut Theil Geduld und Kräfte zusetzen konnten. Wer dagegen der härte- sten Arbeit ungewohnt und dazu unfähig hinkam, der hat sein Glück in jenem Lande vergeblich gesucht und wird es auch künftig dort nicht finden. Der Grund ist einfach genug. So wie im Westen der Ver- einigten Staaten, so ist auch in Süd=Australien der Arbeitslohn sehr hoch. Wer daher zum Bauen seines hölzernen Hauses, zum Umhauen seiner Holzung, zum Bestellen seiner Aecker, zum Umzäunen seiner Felder, zum Hüten seines Viehs, zur Schur seiner Schafe sich nur auf fremde Kräfte verläßt, ohne den sauersten Theil selbst zu verrichten, dem geht sein Ertrag in Arbeitslöhnen verloren; dabei ist noch Grund und Boden theuerer, als dort, und setzt ein größeres Anlagekapital voraus. Mit einer Summe unter 500 £, bestätigt ein anderer Berichterstatter über Süd=Australien, der im vergangenen Jahre nach Deutschland zurückgekehrte Dr. Listemann ) , dürfe Keiner dort wagen, selbstständig Ackerbauwirthschaft zu beginnen. Dazu kommt das Risico, das ein Jeder läuft, durch einmal zu frühzeitig eintretende oder zu anhaltende Dürre einen Theil seiner Jahresprodukte vernichtet zu sehen. Mit Getreide, von dem im Jahre 1849 z. B. für 32,000 £ ausgeführt wurde, versorgt Süd=Australien allerdings seine Nachbarkolonien. Seine Abgelegenheit aber und die dadurch bedingte Länge und Kostspieligkeit des Transports wird es nie, auch wenn seine Bodenbeschaffenheit es zuließe, zu einem Kornspeicher für andere Welttheile machen. Dagegen ist wohl nicht in Abrede zu stellen, daß die Schafzucht und ihr Ertrag, die Wolle, sowie der große Mineralreichthum einen werth- vollen Ausfuhrartikel ausmachen und der Kolonie eine blühende Zukunft sichern; dazu wird sich sehr wahrscheinlich Wein, vielleicht auch Taback, Oliven, Seide gesellen. Außerdem wird Gummi, Häute, Talg, Fischbein exportirt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß eine erfolgreiche Vermeh- rung dieser Artikel, ein Anwachsen der Bevölkerung an Reichthum und Zahl zu ihrer nothwendigen Voraussetzung einen gedeihlichen und den innern Markt vollständig versorgenden Ackerbau hat. Dies Alles berech- tigt wohl zu der Annahme, daß ein an harte Arbeit gewöhnter Bauer und Tagelöhner dort entweder mit Hülfe eines angesammelten Kapitals selbstständiger Landwirth werden, oder doch durch Tagelohn lohnende Arbeit und mit der Zeit eine selbstständige Stellung finden kann. Auch manche Handwerker können auf ein sicheres Fortkommen rechnen, wobei aber nicht zu übersehen ist, was unser Berichterstatter, als sich von selbst verstehend, unerwähnt läßt, daß England mit seinen Fabrikaten die junge Kolonie reichlich versorgt, und zu billigerem Preise, als sie dort gefertigt werden können. Am besten, versichert Hr. Listemann, dessen Beschreibung wir hier ergänzend zu Hülfe nehmen, würden Maurer, Tischler, Schmiede, Stellmacher, Klempner, Lohgerber und Brauer dort weiter kommen, weniger gut Schneider, Schuhmacher, Schlosser, Sattler und Glaser; Bäcker, Fleischer und Barbiere wären in genügender Zahl dort schon vertreten. Ueberhaupt aber muß als Hauptregel festgehalten werden, daß Keiner, der dorthin übersiedelt und auf seiner Hände Werk angewiesen ist, sich eigensinnig auf ein bestimmtes Fach steifen darf, sondern die erste beste Arbeit annehmen muß. Wer sich hieran hält, versichert Herr Reimer, könne nach den bisherigen Erfahrungen des „ deutschen Nach- weiseamts “ in Adelaide, immer zu thun finden. Zur Zeit der Schaf- schur und der Ernte ist oft großer Mangel an Arbeitskräften. Männliche und weibliche Dienstboten sind gesucht; dagegen Künstlern, Gelehrten, überhaupt Allen, deren nutzbringendes Kapital in ihrer höhern Bildung besteht, ist Süd=Australien ein sehr stiefmütterlicher Boden. Eben so hülflos sind in den meisten Fällen junge Leute, die an einem Comptoir zu arbeiten gewohnt sind. Wer sich von ihnen nicht entschließt, den Spaten oder Hirtenstock in die Hand zu nehmen, wird je eher je lieber das Land wieder verlassen. ( Schluß folgt. ) Brief aus Brooklyn bei Newyork. ( Den 26. Januar 1852. ) Nachdem ich früher während der 13 Jahre, die ich in Missouri zubrachte, Leben und Schicksale der dortigen Einwanderer mit eigenen Augen gesehen und in eigener Erfahrung getheilt habe, bin ich jetzt seit mehr als 4 Jahren in der Nähe des großen Thors postirt, durch welches die meisten derselben ihren Einzug in Amerika halten, und habe daher Gelegenheit gehabt, die Sache von verschiedenen Seiten kennen zu lernen und die Pro und Contra zu erwägen. Das Resultat meiner Erfahrungen ist nun, daß die große Masse der Einwanderer, nämlich die arme, zu ihrem Unterhalt auf ihrer eigenen Hände Arbeit angewiesen sind, und nur dann auf ein glückliches Fortkommen mit einiger Sicherheit rechnen können, wenn sie bis in das Jnnere des Landes zu gelangen die Mittel haben, während die zahllosen Schaaren, die hier in den Seestädten liegen bleiben, zum größten Theil physisch oder moralisch, meistens beides zugleich, zu Grunde gehen. Viel- leicht freut Jhr Euch, daß Jhr sie los seid, aber das ist auch der ganze Vortheil, der dabei ist; den Leuten selbst ist nicht geholfen; sie kommen nur von einem Elend in's andere, und für uns sind sie eine Last und Plage, nicht nur für die Gegenwart, das möchte noch hingehen, sondern auch für die Zukunft, indem dadurch ein Proletariat der schlimmsten Gattung heranwächst, da ihre Kinder sich an's Betteln und Stehlen gewöhnen u. s. w. Thut doch, was Jhr könnt, den armen einfältigen Menschen hierüber die Augen zu öffnen. Wer drüben ein Bettler gewesen, wird es hier sehr oft wieder, und wer es dort noch nicht war, kann es hier leicht werden, wenn er keine Mittel hat, in's Land hinein zu kommen. Dies ist, einzelne Ausnahmen abgerechnet, die man vernünftiger Weise nicht in Anschlag bringen kann, allgemeine Regel. Ferner sollte Keiner, der seine Mittel zu Rathe halten muß, gegen den Winter reisen; es ist alsdann meistens der Fall, daß die Verbindung mit dem Jnnern schwierig oder ganz gesperrt ist, soweit die Beförderung der Einwanderer in Betracht kommt; das Leben ist hier theuer, Arbeit ohnehin oft bei der großen Con- currenz schwer und im Winter vollends gar nicht zu finden. So wird das Wenige, was sie etwa noch mitgebracht haben, verzehrt, und dann auch die Möglichkeit, im Frühling weiter zu kommen, abgeschnitten. Ueberhaupt scheint es mir ein großer Fehler, daß die gesammte ärmere Auswanderung nicht in größerer Menge über Neworleans geht, wenigstens im Winter sollte das durchaus Regel sein; aber überhaupt ist Neworleans, als die Pforte des Westens, der Ort, wohin sie immer gewiesen werden sollten ) . Jch weiß wohl, daß die Passage über Neworleans etwas höher ist, aber dafür ist die Passage von da ins Jnnere wieder soviel niedriger und un- vergleichlich viel kürzer und Plackereien weniger ausgesetzt, da die ganze Reise von da bis St. Louis auf einem und demselben Boote gemacht wer- den kann. Dadurch fällt auch die Gelegenheit zu Betrügereien weg, denen bei der Reise von den östlichen Städten in's Land hinein nicht zu entgehen ist. Als eine dritte Regel möchte ich aufstellen, namentlich für Familien- väter, sich nicht eher zum Auswandern zu entschließen, als bis sie über zwei Dinge mit sich im Reinen sind, nämlich 1 ) daß wirklich die Noth sie treibt, und 2 ) daß sie es nicht sowohl ihrer selbst, als ihrer Kinder wegen thun. Jm Ganzen darf man als gewiß annehmen, daß die einge- wanderte Generation für sich selber wenig gewinnt; den Vortheil erntet erst die zweite. Unkunde der hiesigen Verhältnisse, namentlich auch der Sprache, die mit der Acclimatisirung unausbleiblich verbundenen Krankheiten, oft auch Heimweh und Muthlosigkeit, besonders aber die anfangs bei Bemittelten fast immer eintretende Verarmung – es ist hier ein von der Erfahrung gelehrtes Sprichwort: daß der Deutsche erst anfängt, Etwas vor sich zu bringen, wenn das deutsche Geld aufgezehrt ist, – alles dies und tausend andere Dinge wirken zusammen, um den Eingewanderten selbst oft den Vortheil ihres Unternehmens zu rauben, auch wenn ihre Kinder so glücklich sind, die Früchte davon zu ernten. Wer hauptsächlich dieser Noth entgegenzuwirken sucht, ist die Deutsche Gesellschaft in Newyork, eine äußerst nützliche und wohlthätige Anstalt. Wer sie verlästert, zeigt nur, daß er es mit den Einwanderern nicht wohl meint. Derer giebt es freilich genug, und der Grund ist klar, indem hier Tausende vom Schaden der Einwanderer leben und daher einer Gesellschaft nicht gewogen sein können, welche diese Erwerbsquelle ihnen abzuschneiden redlich bemüht ist. Jch sprach noch kürzlich mit einem hiesigen Prediger über diesen Gegenstand, der darin ganz mit mir übereinstimmte und auf dessen Urtheil in dieser Sache um so viel mehr Gewicht zu legen ist, als er übrigens in gar keiner näheren Verbindung mit der Gesellschaft steht. * ) „ Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr zum Vaterlande “ von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von A. W. Hayn. * ) „ Meine Auswanderung nach Süd=Australien und Rückkehr zum Vaterlande “ von G. Listemann, Berlin 1851, Druck und Verlag von A. W. Hayn. * ) Eine Landung dort von August bis November muß aber aus Gesundheits- rücksichten vermieden werden; auch ist die Reise nach den Staaten an den Seen, wie Wisconsin, über Newyork leichter zu bewerkstelligen. D. Red.

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Zitationshilfe: Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 17. Bremen, 27. Februar 1852, S. [66]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung017_1852/2>, abgerufen am 23.05.2024.