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Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 39. Bremen, 14. Mai 1852.

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[Beginn Spaltensatz] vermeiden und zwischen denen eine praktische Vermittlung zu treffen, Sache
des Gesetzgebers ist. Auf der einen Seite steht die Forderung der indivi-
duellen Freiheit, des unbeengten Geschäftsbetriebes, der sich seine Werkzeuge
selbst erwählt und sie ungehindert für sich wirken läßt, steht die Forderung
der Concurrenz, die dem Rivalen keinen Einblick in die Mittel ihres Treibens
gestattet, und die doch zugleich wohlthätig die Beförderungsgelegenheiten für
den, der ihrer bedarf, mehrt und ihre Kosten mindert. Hier ist zugleich dem
gerechten Wunsche des Auswanderungslustigen zu genügen, in nächster Nähe
eine Gelegenheit zu haben, um die nöthigen Verabredungen hinsichtlich der
Reise zu treffen. Wie nun, aber anders, als durch Privatagenturen,
allen diesen Forderungen genügt werden könne, vermögen wir nicht zu
ersehen. Auf der andern Seite steht aber zugleich das Gesammtwohl,
die Pflicht der Regierung, die Staatsangehörigen vor Betrug, vor den
Fallschlingen eigennütziger Privatspekulationen, die Auswanderer insbeson-
dere vor übereilter und zu ihrem Verderben gereichender Ausführung ihrer
Pläne zu schützen, und dafür zu sorgen, daß die ( Gottlob! endlich aner-
kannte ) unbeschränkte Auswanderungsfreiheit nicht schädlich für die Einzelnen
und für das Ganze wirke. Nach dieser Seite hin ist daher eine sorgfältige
Controlle über das Wirken der Agenten und eine genaue Rücksicht bei
ihrer Zulassung auf die Gesetze und Einrichtungen des Seehafens, den sie
vertreten, heilige Pflicht - eine Pflicht, die selbst in den auf der unbe-
schränktesten Freiheit basirten Republiken der Vereinigten Staaten dadurch
anerkannt wird, daß z. B. in Newyork das Geschäft der Wirthe, Passage-
mäkler, Landverkäufer an eine widerrufliche Concession geknüpft ist.

Mit Freuden ersehen wir daher in dem vorliegenden Gesetze, außer
der für die Agenten vorgeschriebenen Concession, eine andere auf diesen
Gegenstand bezügliche Bestimmung, die nämlich, daß überhaupt nur Agenten
von solchen Häfen im Lande zugelassen werden sollen, in denen ebenso
sorglich, wie durch das hannoversche Gesetz, für die Sicher-
heit und Wohlfahrt der Auswanderer gesorgt ist.
Ein strenges
Halten an dieser Bestimmung führt nothwendig zum Ausschluß der
Agenten für alle ausländischen Häfen, da in keinem, sei es nun
hinsichtlich der Menge der Proviants, oder der Beköstigungsweise, oder
der Sicherung der Passagiere gegen Unglücksfälle, so gut gesorgt ist, wie
es das hannoversche Gesetz verlangt, und wie es zugleich in Bremen und
Hamburg der Fall ist. Uns scheint, daß auch solche deutsche Staaten,
die nicht, wie Hannover, eigene Seehäfen besitzen, ähnliche Grenzen zum
Besten ihrer Auswanderer ziehen und den Grundsatz aufstellen sollten, daß
für keinen Seehafen, dessen Gesetze nicht den betreffenden Bestimmungen
genügen, ein Agent im Lande geduldet werden solle. So würden Tausende
nicht mehr der Gefahr ausgesetzt werden, den sehr mangelhaften
Proviantbestimmungen Rotterdams, Havre's, Antwerpens, Eng-
lands
als Opfer zu erliegen, und jene Häfen gezwungen werden, entweder
andere Einrichtungen zu treffen, oder auf die Beförderung deutscher
Auswanderer zu verzichten.

Daß aber mit dieser Ueberwachung der Agenturen Alles von Seiten
der Regierungen geschehen sei, was für die Auswanderung geschehen kann,
das behaupten wir gewiß nicht. Ein zweiter Weg, um den Einfluß der
Privatagenten, soweit er verderblich sein kann, zu parallysiren, ist die
Einrichtung oder doch Begünstigung philanthropischer Anstalten, die
ohne die Absicht auf Gewinn Rath und Unterstützung ertheilen, in welcher
Richtung die preußische Regierung in anerkennenswerther Weise voran-
geht. Wir können dies so oft angeschlagene Thema hier nicht weiter ver-
folgen, sondern wenden uns zum hannoverschen Gesetze zurück.

Da müssen wir zunächst bei der Caution etwas verweilen, die für
Mäkler und Expedienten auf 5000 Thlr. Cour. festgesetzt ist. Daß über-
haupt eine solche gefordert wird, sowohl von den einheimischen, als von
den durch Agenten vertretenen Ausländern, bedarf keiner weitern Recht-
fertigung. Als einen sehr großen Uebelstand müssen wir es aber
bezeichnen, daß in jedem einzelnen deutschen Staate eine neue
Caution nöthig wird. Sehr viele reelle Expeditionshäuser, die nicht so
viel Kapital aus ihrem Geschäfte missen können, als dazu gehört, allen
diesen Verpflichtungen nachzukommen ( es würden für ganz Deutschland
mindestens 50,000 Thlr. erforderlich sein ) , sind dadurch außer Stand
gesetzt, in allen Theilen des Landes Verbindungen zu unterhalten und
durch wohlthätige Concurrenz den Auswanderern nützlich zu sein, während
[Spaltenumbruch] der möglicherweise offenstehende Ausweg, nichtconcessionirte Winkel-
agenten
zu halten, nur die Abhülfe eines Uebels durch ein anderes
ebenso großes ist! Wo den Expedienten und Mäklern bereits im See-
hafen, wie in Bremen und Hamburg, eine hohe Caution zu erlegen
vorgeschrieben ist, da könnte es auch für die andern deutschen Staaten bei
dieser füglich sein Vewenden haben; denn ihr Betrag deckt alle zu glei-
cher
Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Entschädigungs-
ansprüche, und die Bestimmung, daß sie sogleich jedesmal ergänzt werden
muß, wenn sie angegriffen wurde, schützt für die Zukunft. Soweit uns
die Passagierbeförderungsgesetze des innern Deutschlands bekannt sind, ist
freilich in allen zugleich die Vorkehrung getroffen, daß in Streitigkeits-
fällen, wo die Jntervention der Hafenbehörden nicht ausreicht, die Expe-
dienten dem betreffenden inländischen Gerichte unterworsen sind, und
möchte daher aus dieser Rücksicht die Niederlegung einer Cautionssumme
in dem betreffenden Lande selbst zweckmäßig erscheinen. Dagegen aber
machen wir geltend, daß zunächst diese ganze Ausdehnung der Jurisdiktion
eine ziemlich unpraktische ist, da, einmal auf Reisen und vielleicht gar
schon im transatlantischen Hafen angelangt, der Auswanderer wahrlich
keinen Prozeß im Jnnern Deutschlands anfangen wird, und da zur Erle-
digung der wirklichen Beschwerden, was die deutschen Seehäfen
anlangt, die Dazwischenkunft der Hafenbehörden erfahrungsmäßig genügt.
Sodann aber, wenn nun auch wirklich für mögliche Fälle jene Bestimmung
aufrecht erhalten werden soll, dürfte mit den deutschen Seehäfen leicht
eine Uebereinkunft dahin zu treffen sein, daß die z. B. in Bremen depo-
nirte Summe ohne Weiteres als Sicherheit für alle, z. B. vor hanno-
verschen
Gerichten geltend zu machenden Ansprüche betrachtet werden
solle. Ein anderer ( und gewiß der beste ) Weg, um über diese Schwierig-
keit hinwegzukommen, wäre der, daß ein gemeinsames deutsches
Passagierbeförderungsgesetz
zur Regelung aller darauf bezüglichen
Verhältnisse an die Stelle der Partikulargesetze träte und daß einer
praktischen Abfassung desselben die in den deutschen Seehäfen bestehen-
den Gesetze zu Grunde gelegt würden.

Nach Andeutung dieser allgemeinern Gesichtspunkte können wir uns
über die Einzelnheiten des hannoverschen Gesetzes kürzer fassen. Wenn
der hier vorgeschriebene Proviant etwas reichlicher erscheint, als nach dem
Bremischen Gesetze, so hat das seinen Grund darin, daß das hannoversche
Maß kleiner als das Bremische ist. Einzelne weitere Verschiedenheiten
sind ziemlich unwesentlich. Die etwa noch hervorzuhebenden Bestimmungen
sind folgende: Die Mäkler dürfen für ihre Bemühungen nur 4% des an
den Expedienten zu zahlenden Ueberfahrtspreises berechnen; die Agenten
haben kein Recht, irgend eine Vergütung von den Passagieren zu verlangen.
Die Ueberfahrtsverträge müssen unter ausdrücklicher Anführung
aller wesentlichen Verabredungen
bei Strafe der Nichtigkeit in
deutscher Sprache
abgefaßt, und alle Passagiere mit einem auf eine
überseeische Reise lautenden Reisepasse versehen sein. Die Liste sämmt-
licher Passagiere eines Schiffes muß vor seinem Abgange der Obrigkeit
eingereicht und von dem Expedienten "auf Ehre und Gewissen" versichert
werden, daß keine unerlaubten Personen sich darunter befinden. Ohne
Bescheinigung, daß die Ausrüstungsbestimmungen in allen Beziehungen
pünktlich befolgt sind, darf kein Schiff abgehen. Zu einer Reise von 13
Wochen ( gesetzliche Zeit für die Reise nach den nordamerikanischen
Häfen ) muß für jeden Passagier mindestens vorhanden sein: an Fleisch
34 17 Loth, an Cichorien8 1 / 2 Loth, an Thee 7 Loth, an Essig 2 Quart,
an Brod 69 10 Loth, an Kartoffeln 1 Himten, an Hülsenfrüchten 37 9 Loth,
an Butter 5 9 Loth; an Sago, Wein, Zucker, Pflaumen, Grütze, Heeringen
und Arzneimitteln ein hinlänglicher Vorrath nach Verhältniß der Passagier-
zahl. Das Ueberfahrtsgeld und außerdem ein Betrag von 20 Thlr. Cour.
für jeden Passagier haftet in Unglücksfällen und muß baar deponirt oder
genügend versichert werden. Das Gesetz findet auf alle von der Ems,
Weser
oder Elbe expedirten hannöverschen Schiffe Anwendung, und
tritt hinsichtlich Dampfschiffe und Segelschiffe mit weniger als 25 Passagieren
in seiner ganzen Ausdehnung in Kraft, sobald durch sie eine indirekte
Beförderung nach außereuropäischen Häfen beabsichtigt wird. Die
Strafen auf dem Polizeiwege sind Entziehung der Concession und Geld-
bußen bis zu 500 Thaler. Mit dem 1. Juli d. J. tritt es in Wirksamkeit.



[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] vermeiden und zwischen denen eine praktische Vermittlung zu treffen, Sache
des Gesetzgebers ist. Auf der einen Seite steht die Forderung der indivi-
duellen Freiheit, des unbeengten Geschäftsbetriebes, der sich seine Werkzeuge
selbst erwählt und sie ungehindert für sich wirken läßt, steht die Forderung
der Concurrenz, die dem Rivalen keinen Einblick in die Mittel ihres Treibens
gestattet, und die doch zugleich wohlthätig die Beförderungsgelegenheiten für
den, der ihrer bedarf, mehrt und ihre Kosten mindert. Hier ist zugleich dem
gerechten Wunsche des Auswanderungslustigen zu genügen, in nächster Nähe
eine Gelegenheit zu haben, um die nöthigen Verabredungen hinsichtlich der
Reise zu treffen. Wie nun, aber anders, als durch Privatagenturen,
allen diesen Forderungen genügt werden könne, vermögen wir nicht zu
ersehen. Auf der andern Seite steht aber zugleich das Gesammtwohl,
die Pflicht der Regierung, die Staatsangehörigen vor Betrug, vor den
Fallschlingen eigennütziger Privatspekulationen, die Auswanderer insbeson-
dere vor übereilter und zu ihrem Verderben gereichender Ausführung ihrer
Pläne zu schützen, und dafür zu sorgen, daß die ( Gottlob! endlich aner-
kannte ) unbeschränkte Auswanderungsfreiheit nicht schädlich für die Einzelnen
und für das Ganze wirke. Nach dieser Seite hin ist daher eine sorgfältige
Controlle über das Wirken der Agenten und eine genaue Rücksicht bei
ihrer Zulassung auf die Gesetze und Einrichtungen des Seehafens, den sie
vertreten, heilige Pflicht – eine Pflicht, die selbst in den auf der unbe-
schränktesten Freiheit basirten Republiken der Vereinigten Staaten dadurch
anerkannt wird, daß z. B. in Newyork das Geschäft der Wirthe, Passage-
mäkler, Landverkäufer an eine widerrufliche Concession geknüpft ist.

Mit Freuden ersehen wir daher in dem vorliegenden Gesetze, außer
der für die Agenten vorgeschriebenen Concession, eine andere auf diesen
Gegenstand bezügliche Bestimmung, die nämlich, daß überhaupt nur Agenten
von solchen Häfen im Lande zugelassen werden sollen, in denen ebenso
sorglich, wie durch das hannoversche Gesetz, für die Sicher-
heit und Wohlfahrt der Auswanderer gesorgt ist.
Ein strenges
Halten an dieser Bestimmung führt nothwendig zum Ausschluß der
Agenten für alle ausländischen Häfen, da in keinem, sei es nun
hinsichtlich der Menge der Proviants, oder der Beköstigungsweise, oder
der Sicherung der Passagiere gegen Unglücksfälle, so gut gesorgt ist, wie
es das hannoversche Gesetz verlangt, und wie es zugleich in Bremen und
Hamburg der Fall ist. Uns scheint, daß auch solche deutsche Staaten,
die nicht, wie Hannover, eigene Seehäfen besitzen, ähnliche Grenzen zum
Besten ihrer Auswanderer ziehen und den Grundsatz aufstellen sollten, daß
für keinen Seehafen, dessen Gesetze nicht den betreffenden Bestimmungen
genügen, ein Agent im Lande geduldet werden solle. So würden Tausende
nicht mehr der Gefahr ausgesetzt werden, den sehr mangelhaften
Proviantbestimmungen Rotterdams, Havre's, Antwerpens, Eng-
lands
als Opfer zu erliegen, und jene Häfen gezwungen werden, entweder
andere Einrichtungen zu treffen, oder auf die Beförderung deutscher
Auswanderer zu verzichten.

Daß aber mit dieser Ueberwachung der Agenturen Alles von Seiten
der Regierungen geschehen sei, was für die Auswanderung geschehen kann,
das behaupten wir gewiß nicht. Ein zweiter Weg, um den Einfluß der
Privatagenten, soweit er verderblich sein kann, zu parallysiren, ist die
Einrichtung oder doch Begünstigung philanthropischer Anstalten, die
ohne die Absicht auf Gewinn Rath und Unterstützung ertheilen, in welcher
Richtung die preußische Regierung in anerkennenswerther Weise voran-
geht. Wir können dies so oft angeschlagene Thema hier nicht weiter ver-
folgen, sondern wenden uns zum hannoverschen Gesetze zurück.

Da müssen wir zunächst bei der Caution etwas verweilen, die für
Mäkler und Expedienten auf 5000 Thlr. Cour. festgesetzt ist. Daß über-
haupt eine solche gefordert wird, sowohl von den einheimischen, als von
den durch Agenten vertretenen Ausländern, bedarf keiner weitern Recht-
fertigung. Als einen sehr großen Uebelstand müssen wir es aber
bezeichnen, daß in jedem einzelnen deutschen Staate eine neue
Caution nöthig wird. Sehr viele reelle Expeditionshäuser, die nicht so
viel Kapital aus ihrem Geschäfte missen können, als dazu gehört, allen
diesen Verpflichtungen nachzukommen ( es würden für ganz Deutschland
mindestens 50,000 Thlr. erforderlich sein ) , sind dadurch außer Stand
gesetzt, in allen Theilen des Landes Verbindungen zu unterhalten und
durch wohlthätige Concurrenz den Auswanderern nützlich zu sein, während
[Spaltenumbruch] der möglicherweise offenstehende Ausweg, nichtconcessionirte Winkel-
agenten
zu halten, nur die Abhülfe eines Uebels durch ein anderes
ebenso großes ist! Wo den Expedienten und Mäklern bereits im See-
hafen, wie in Bremen und Hamburg, eine hohe Caution zu erlegen
vorgeschrieben ist, da könnte es auch für die andern deutschen Staaten bei
dieser füglich sein Vewenden haben; denn ihr Betrag deckt alle zu glei-
cher
Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Entschädigungs-
ansprüche, und die Bestimmung, daß sie sogleich jedesmal ergänzt werden
muß, wenn sie angegriffen wurde, schützt für die Zukunft. Soweit uns
die Passagierbeförderungsgesetze des innern Deutschlands bekannt sind, ist
freilich in allen zugleich die Vorkehrung getroffen, daß in Streitigkeits-
fällen, wo die Jntervention der Hafenbehörden nicht ausreicht, die Expe-
dienten dem betreffenden inländischen Gerichte unterworsen sind, und
möchte daher aus dieser Rücksicht die Niederlegung einer Cautionssumme
in dem betreffenden Lande selbst zweckmäßig erscheinen. Dagegen aber
machen wir geltend, daß zunächst diese ganze Ausdehnung der Jurisdiktion
eine ziemlich unpraktische ist, da, einmal auf Reisen und vielleicht gar
schon im transatlantischen Hafen angelangt, der Auswanderer wahrlich
keinen Prozeß im Jnnern Deutschlands anfangen wird, und da zur Erle-
digung der wirklichen Beschwerden, was die deutschen Seehäfen
anlangt, die Dazwischenkunft der Hafenbehörden erfahrungsmäßig genügt.
Sodann aber, wenn nun auch wirklich für mögliche Fälle jene Bestimmung
aufrecht erhalten werden soll, dürfte mit den deutschen Seehäfen leicht
eine Uebereinkunft dahin zu treffen sein, daß die z. B. in Bremen depo-
nirte Summe ohne Weiteres als Sicherheit für alle, z. B. vor hanno-
verschen
Gerichten geltend zu machenden Ansprüche betrachtet werden
solle. Ein anderer ( und gewiß der beste ) Weg, um über diese Schwierig-
keit hinwegzukommen, wäre der, daß ein gemeinsames deutsches
Passagierbeförderungsgesetz
zur Regelung aller darauf bezüglichen
Verhältnisse an die Stelle der Partikulargesetze träte und daß einer
praktischen Abfassung desselben die in den deutschen Seehäfen bestehen-
den Gesetze zu Grunde gelegt würden.

Nach Andeutung dieser allgemeinern Gesichtspunkte können wir uns
über die Einzelnheiten des hannoverschen Gesetzes kürzer fassen. Wenn
der hier vorgeschriebene Proviant etwas reichlicher erscheint, als nach dem
Bremischen Gesetze, so hat das seinen Grund darin, daß das hannoversche
Maß kleiner als das Bremische ist. Einzelne weitere Verschiedenheiten
sind ziemlich unwesentlich. Die etwa noch hervorzuhebenden Bestimmungen
sind folgende: Die Mäkler dürfen für ihre Bemühungen nur 4% des an
den Expedienten zu zahlenden Ueberfahrtspreises berechnen; die Agenten
haben kein Recht, irgend eine Vergütung von den Passagieren zu verlangen.
Die Ueberfahrtsverträge müssen unter ausdrücklicher Anführung
aller wesentlichen Verabredungen
bei Strafe der Nichtigkeit in
deutscher Sprache
abgefaßt, und alle Passagiere mit einem auf eine
überseeische Reise lautenden Reisepasse versehen sein. Die Liste sämmt-
licher Passagiere eines Schiffes muß vor seinem Abgange der Obrigkeit
eingereicht und von dem Expedienten „auf Ehre und Gewissen“ versichert
werden, daß keine unerlaubten Personen sich darunter befinden. Ohne
Bescheinigung, daß die Ausrüstungsbestimmungen in allen Beziehungen
pünktlich befolgt sind, darf kein Schiff abgehen. Zu einer Reise von 13
Wochen ( gesetzliche Zeit für die Reise nach den nordamerikanischen
Häfen ) muß für jeden Passagier mindestens vorhanden sein: an Fleisch
34 17 Loth, an Cichorien8 1 / 2 Loth, an Thee 7 Loth, an Essig 2 Quart,
an Brod 69 10 Loth, an Kartoffeln 1 Himten, an Hülsenfrüchten 37 9 Loth,
an Butter 5 9 Loth; an Sago, Wein, Zucker, Pflaumen, Grütze, Heeringen
und Arzneimitteln ein hinlänglicher Vorrath nach Verhältniß der Passagier-
zahl. Das Ueberfahrtsgeld und außerdem ein Betrag von 20 Thlr. Cour.
für jeden Passagier haftet in Unglücksfällen und muß baar deponirt oder
genügend versichert werden. Das Gesetz findet auf alle von der Ems,
Weser
oder Elbe expedirten hannöverschen Schiffe Anwendung, und
tritt hinsichtlich Dampfschiffe und Segelschiffe mit weniger als 25 Passagieren
in seiner ganzen Ausdehnung in Kraft, sobald durch sie eine indirekte
Beförderung nach außereuropäischen Häfen beabsichtigt wird. Die
Strafen auf dem Polizeiwege sind Entziehung der Concession und Geld-
bußen bis zu 500 Thaler. Mit dem 1. Juli d. J. tritt es in Wirksamkeit.



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[154/0002] 154 vermeiden und zwischen denen eine praktische Vermittlung zu treffen, Sache des Gesetzgebers ist. Auf der einen Seite steht die Forderung der indivi- duellen Freiheit, des unbeengten Geschäftsbetriebes, der sich seine Werkzeuge selbst erwählt und sie ungehindert für sich wirken läßt, steht die Forderung der Concurrenz, die dem Rivalen keinen Einblick in die Mittel ihres Treibens gestattet, und die doch zugleich wohlthätig die Beförderungsgelegenheiten für den, der ihrer bedarf, mehrt und ihre Kosten mindert. Hier ist zugleich dem gerechten Wunsche des Auswanderungslustigen zu genügen, in nächster Nähe eine Gelegenheit zu haben, um die nöthigen Verabredungen hinsichtlich der Reise zu treffen. Wie nun, aber anders, als durch Privatagenturen, allen diesen Forderungen genügt werden könne, vermögen wir nicht zu ersehen. Auf der andern Seite steht aber zugleich das Gesammtwohl, die Pflicht der Regierung, die Staatsangehörigen vor Betrug, vor den Fallschlingen eigennütziger Privatspekulationen, die Auswanderer insbeson- dere vor übereilter und zu ihrem Verderben gereichender Ausführung ihrer Pläne zu schützen, und dafür zu sorgen, daß die ( Gottlob! endlich aner- kannte ) unbeschränkte Auswanderungsfreiheit nicht schädlich für die Einzelnen und für das Ganze wirke. Nach dieser Seite hin ist daher eine sorgfältige Controlle über das Wirken der Agenten und eine genaue Rücksicht bei ihrer Zulassung auf die Gesetze und Einrichtungen des Seehafens, den sie vertreten, heilige Pflicht – eine Pflicht, die selbst in den auf der unbe- schränktesten Freiheit basirten Republiken der Vereinigten Staaten dadurch anerkannt wird, daß z. B. in Newyork das Geschäft der Wirthe, Passage- mäkler, Landverkäufer an eine widerrufliche Concession geknüpft ist. Mit Freuden ersehen wir daher in dem vorliegenden Gesetze, außer der für die Agenten vorgeschriebenen Concession, eine andere auf diesen Gegenstand bezügliche Bestimmung, die nämlich, daß überhaupt nur Agenten von solchen Häfen im Lande zugelassen werden sollen, in denen ebenso sorglich, wie durch das hannoversche Gesetz, für die Sicher- heit und Wohlfahrt der Auswanderer gesorgt ist. Ein strenges Halten an dieser Bestimmung führt nothwendig zum Ausschluß der Agenten für alle ausländischen Häfen, da in keinem, sei es nun hinsichtlich der Menge der Proviants, oder der Beköstigungsweise, oder der Sicherung der Passagiere gegen Unglücksfälle, so gut gesorgt ist, wie es das hannoversche Gesetz verlangt, und wie es zugleich in Bremen und Hamburg der Fall ist. Uns scheint, daß auch solche deutsche Staaten, die nicht, wie Hannover, eigene Seehäfen besitzen, ähnliche Grenzen zum Besten ihrer Auswanderer ziehen und den Grundsatz aufstellen sollten, daß für keinen Seehafen, dessen Gesetze nicht den betreffenden Bestimmungen genügen, ein Agent im Lande geduldet werden solle. So würden Tausende nicht mehr der Gefahr ausgesetzt werden, den sehr mangelhaften Proviantbestimmungen Rotterdams, Havre's, Antwerpens, Eng- lands als Opfer zu erliegen, und jene Häfen gezwungen werden, entweder andere Einrichtungen zu treffen, oder auf die Beförderung deutscher Auswanderer zu verzichten. Daß aber mit dieser Ueberwachung der Agenturen Alles von Seiten der Regierungen geschehen sei, was für die Auswanderung geschehen kann, das behaupten wir gewiß nicht. Ein zweiter Weg, um den Einfluß der Privatagenten, soweit er verderblich sein kann, zu parallysiren, ist die Einrichtung oder doch Begünstigung philanthropischer Anstalten, die ohne die Absicht auf Gewinn Rath und Unterstützung ertheilen, in welcher Richtung die preußische Regierung in anerkennenswerther Weise voran- geht. Wir können dies so oft angeschlagene Thema hier nicht weiter ver- folgen, sondern wenden uns zum hannoverschen Gesetze zurück. Da müssen wir zunächst bei der Caution etwas verweilen, die für Mäkler und Expedienten auf 5000 Thlr. Cour. festgesetzt ist. Daß über- haupt eine solche gefordert wird, sowohl von den einheimischen, als von den durch Agenten vertretenen Ausländern, bedarf keiner weitern Recht- fertigung. Als einen sehr großen Uebelstand müssen wir es aber bezeichnen, daß in jedem einzelnen deutschen Staate eine neue Caution nöthig wird. Sehr viele reelle Expeditionshäuser, die nicht so viel Kapital aus ihrem Geschäfte missen können, als dazu gehört, allen diesen Verpflichtungen nachzukommen ( es würden für ganz Deutschland mindestens 50,000 Thlr. erforderlich sein ) , sind dadurch außer Stand gesetzt, in allen Theilen des Landes Verbindungen zu unterhalten und durch wohlthätige Concurrenz den Auswanderern nützlich zu sein, während der möglicherweise offenstehende Ausweg, nichtconcessionirte Winkel- agenten zu halten, nur die Abhülfe eines Uebels durch ein anderes ebenso großes ist! Wo den Expedienten und Mäklern bereits im See- hafen, wie in Bremen und Hamburg, eine hohe Caution zu erlegen vorgeschrieben ist, da könnte es auch für die andern deutschen Staaten bei dieser füglich sein Vewenden haben; denn ihr Betrag deckt alle zu glei- cher Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Entschädigungs- ansprüche, und die Bestimmung, daß sie sogleich jedesmal ergänzt werden muß, wenn sie angegriffen wurde, schützt für die Zukunft. Soweit uns die Passagierbeförderungsgesetze des innern Deutschlands bekannt sind, ist freilich in allen zugleich die Vorkehrung getroffen, daß in Streitigkeits- fällen, wo die Jntervention der Hafenbehörden nicht ausreicht, die Expe- dienten dem betreffenden inländischen Gerichte unterworsen sind, und möchte daher aus dieser Rücksicht die Niederlegung einer Cautionssumme in dem betreffenden Lande selbst zweckmäßig erscheinen. Dagegen aber machen wir geltend, daß zunächst diese ganze Ausdehnung der Jurisdiktion eine ziemlich unpraktische ist, da, einmal auf Reisen und vielleicht gar schon im transatlantischen Hafen angelangt, der Auswanderer wahrlich keinen Prozeß im Jnnern Deutschlands anfangen wird, und da zur Erle- digung der wirklichen Beschwerden, was die deutschen Seehäfen anlangt, die Dazwischenkunft der Hafenbehörden erfahrungsmäßig genügt. Sodann aber, wenn nun auch wirklich für mögliche Fälle jene Bestimmung aufrecht erhalten werden soll, dürfte mit den deutschen Seehäfen leicht eine Uebereinkunft dahin zu treffen sein, daß die z. B. in Bremen depo- nirte Summe ohne Weiteres als Sicherheit für alle, z. B. vor hanno- verschen Gerichten geltend zu machenden Ansprüche betrachtet werden solle. Ein anderer ( und gewiß der beste ) Weg, um über diese Schwierig- keit hinwegzukommen, wäre der, daß ein gemeinsames deutsches Passagierbeförderungsgesetz zur Regelung aller darauf bezüglichen Verhältnisse an die Stelle der Partikulargesetze träte und daß einer praktischen Abfassung desselben die in den deutschen Seehäfen bestehen- den Gesetze zu Grunde gelegt würden. Nach Andeutung dieser allgemeinern Gesichtspunkte können wir uns über die Einzelnheiten des hannoverschen Gesetzes kürzer fassen. Wenn der hier vorgeschriebene Proviant etwas reichlicher erscheint, als nach dem Bremischen Gesetze, so hat das seinen Grund darin, daß das hannoversche Maß kleiner als das Bremische ist. Einzelne weitere Verschiedenheiten sind ziemlich unwesentlich. Die etwa noch hervorzuhebenden Bestimmungen sind folgende: Die Mäkler dürfen für ihre Bemühungen nur 4% des an den Expedienten zu zahlenden Ueberfahrtspreises berechnen; die Agenten haben kein Recht, irgend eine Vergütung von den Passagieren zu verlangen. Die Ueberfahrtsverträge müssen unter ausdrücklicher Anführung aller wesentlichen Verabredungen bei Strafe der Nichtigkeit in deutscher Sprache abgefaßt, und alle Passagiere mit einem auf eine überseeische Reise lautenden Reisepasse versehen sein. Die Liste sämmt- licher Passagiere eines Schiffes muß vor seinem Abgange der Obrigkeit eingereicht und von dem Expedienten „auf Ehre und Gewissen“ versichert werden, daß keine unerlaubten Personen sich darunter befinden. Ohne Bescheinigung, daß die Ausrüstungsbestimmungen in allen Beziehungen pünktlich befolgt sind, darf kein Schiff abgehen. Zu einer Reise von 13 Wochen ( gesetzliche Zeit für die Reise nach den nordamerikanischen Häfen ) muß für jeden Passagier mindestens vorhanden sein: an Fleisch 34 17 Loth, an Cichorien8 1 / 2 Loth, an Thee 7 Loth, an Essig 2 Quart, an Brod 69 10 Loth, an Kartoffeln 1 Himten, an Hülsenfrüchten 37 9 Loth, an Butter 5 9 Loth; an Sago, Wein, Zucker, Pflaumen, Grütze, Heeringen und Arzneimitteln ein hinlänglicher Vorrath nach Verhältniß der Passagier- zahl. Das Ueberfahrtsgeld und außerdem ein Betrag von 20 Thlr. Cour. für jeden Passagier haftet in Unglücksfällen und muß baar deponirt oder genügend versichert werden. Das Gesetz findet auf alle von der Ems, Weser oder Elbe expedirten hannöverschen Schiffe Anwendung, und tritt hinsichtlich Dampfschiffe und Segelschiffe mit weniger als 25 Passagieren in seiner ganzen Ausdehnung in Kraft, sobald durch sie eine indirekte Beförderung nach außereuropäischen Häfen beabsichtigt wird. Die Strafen auf dem Polizeiwege sind Entziehung der Concession und Geld- bußen bis zu 500 Thaler. Mit dem 1. Juli d. J. tritt es in Wirksamkeit.

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Zitationshilfe: Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 39. Bremen, 14. Mai 1852, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung039_1852/2>, abgerufen am 21.11.2024.