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Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908.

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Badener Zeitung
Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

[Spaltenumbruch] Redaktionsschluß:
Dienstag und Freitag früh.
[Spaltenumbruch] Erscheint Wittwoch und Samstag früh.

------ Telephon-Anschluß Nr. 229. ------
[Spaltenumbruch] Unverlangt eingesandte Manuskripte
werden nicht zurückgesendet.
Abonnement Baden:
Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6 --,
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Nummer 16 h. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaus an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 25. Mittwoch den 25. März 1908. 29. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Klarstellung.

Die große Versammlung der Badener
Ortsgruppe des Vereines "Freie Schule"
vom 15. März hatte einen merkwürdig an-
mutenden Charakter. Mehrere hundert Menschen
waren in einem Saale versammelt, die sozialen
Schranken waren gefallen und alle die auf-
merksam zuhörenden Frauen und Männer be-
schlich allmählig das Gefühl, daß das keine
gewöhnliche Versammlung, sondern ein rein
menschliches Familienfest sei. Man beschuldigt
den Verein "Freie Schule", daß er gegen den
Einfluß der Religion arbeite; in dieser Ver-
sammlung konnte man wohl zur Ueberzeugung
gelangen, daß gerade von den Ver-
tretern der "Freien Schule" für das
veredelnde Moment der Religion am
kräftigsten eingetreten wird
und daß
dieser Verein geradezu bestimmt ist, eine
Schutzwehr zu bilden gegen den Niedergang
der öffentlichen Moral in Oesterreich. Unan-
tastbar war alles, was in dieser Versamm-
lung gesprochen wurde und dieser Austausch
[Spaltenumbruch] großer, edler Gedanken hat jenes Gefühl der
allgemeinen menschlichen Zusammengehörigkeit
ausgelöst, der einen Erfolg bedeutet, welcher
über alles Alltägliche und Triviale turmhoch
herausragt.

Ueber diese Versammlung bringt das
hiesige christlichsoziale "Volksblatt" einen Be-
richt. Wenn wir nun einige Bemerkungen
über diesen Bericht für zweckmäßig erachten,
so geschieht dies nicht in der Absicht, mit
diesem Blatte zu polemisieren. Jeder Ein-
sichtsvolle wird uns zugestehen, daß die Form,
in welcher Angriffe in diesem Blatte statt-
finden, dies einem auf Anstand haltenden
Menschen unmöglich macht. Aber der Inhalt
dieses Berichtes hat seine Bedeutung für das
öffentliche Leben in Baden und dies ist allein
der Grund, weshalb wir uns heute mit dem-
selben beschäftigen.

Der Bericht bringt gar nichts, auch nicht
ein Wort über den eigentlichen Verlauf der
Versammlung, sondern beschäftigt sich aus-
schließlich mit den Personen, welche an der
Versammlung teilnahmen. Zuerst werden
[Spaltenumbruch] natürlich die zwei Vortragenden gehörig per-
sönlich beschimpft. Hock und Kronawetter
werden sich darüber zu trösten wissen.
Dann werden aber sofort einige Namen her-
vorragender Persönlichkeiten aus den bürger-
lichen Kreisen angeführt, um deren Teilnahme
an der Versammlung kleinliche Motive zu
unterschieben. Das ist jene Methode, die
der Stadt Baden schon den größten
Schaden zugefügt hat,
jene Methode,
gegen welche sich alle Bewohner Badens auf-
lehnen müssen und welche den Urgrund bildet,
daß es in Baden mit der Vertretung der
öffentlichen Angelegenheiten und der städtischen
Interessen nicht vorwärts geht.

Vor den letzten allgemeinen Gemeinde-
wahlen ist ein kleiner Kreis von wirklichen,
ganz selbstlosen Freunden der Stadt Baden
zusammengetreten, um tüchtige Kräfte sowie
ganz unabhängige Männer in die Gemeinde-
vertretung hineinzubringen. Es hat sich auch
herausgestellt, daß solche Persönlichkeiten in
Baden wirklich vorhanden sind. Man ist an
dieselben herangetreten und erhielt überall




[Spaltenumbruch]
Fenilleton.



"Akkorde." *)
(Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.)

(Nachdruck verboten).

IV.

Die Schneenixe treibt die Dämonen aus ihren
silbernen Betten zu wilder Mänadenjagd. -- Seuf-
zende Riesengestalten von unfaßbarer, verschwommener
Körperlichkeit!

Auf den Dächern führen sie satanische Tänze
auf und heulen wie flüchtige Gespenster durch die
hohlen Schlote.




Das Leichentuch der Erde wird zur Sturmfahne
der empörten Elemente, die Erde selber zum Schau-
platz satanischer Gewalten.




Eine Mondnacht von sinnberückenden Effekten.
Unter dem weißen Licht der in dunstfreier Höhe
schwebenden Scheibe hob sich das Meer sehnsüchtig
und glitzerte in Millionen Silberschuppen.




An den Klippen schwärmten irrlichternde Tropfen.




Nur das Meer pulste in leichten Athemzügen
und gab der hellen Nacht ihre Silberblicke zurück.




Ueber die verschneiten Fichtenhorste spannt sich
[Spaltenumbruch] ein Nebelstreif von Millionen Welten und diese setzen
als blinkende Sterne Millionen Lichter auf die
weißen Zweige.




Jetzt schlummert der Ozean und trinkt das
Sternenlicht, das auf ihn herabträuft.




-- -- Auferstehung des eingesargten Lebens -- --




Die Silbermöve kreist schlaftrunken über den
kahlen Klippen; man glaubt an Geisterlachen, so
seltsam ist der herbe Ton des träumenden Sturmvogels.




Das ist ein Duft, als seien alle Blumenseelen
ihrem herbstlichen Grabe entstiegen!




Die Glücklichen hängen an den Lippen, als sei
die Lust ein unerschöpflicher Born, eine Liebeshippo-
krene ohne Versiegen!




Die Lichtfeier des Meeres: ein hehrer seelenbe-
zwingender Glanz.




Wie eine dünne Rauchsäule steigt der Nebelstreif
der Milchstraße von den beschneiten Schultern des
Hochgebirgs in die Unendlichkeit und zerrinnt in eine
andere Weltregion.




Dort geht eine Welt in nächtlicher Licht-
brandung auf, zerschmelzen Himmel und Erde in
einem Kusse -- -- --




Schwarzgrüne Wogenberge durchwühlen die
Tangwaldungen der Tiefe, wo die rothen Korallen
glühen und der bunte Sternenhimmel der See-
Anemonen flimmert.




[Spaltenumbruch]

Verspätete Vogelschwärme schwimmen im Luft-
ozean und suchen südliche Gefilde auf, wo in Lorbeer-
hainen noch das schwüle Aroma des Sommers brütet.




Von der Jugendzeit zum reifen Alter spannt
sich jene Seufzerbrücke, die jeder betreten muß und
auf der Mancher zum Fall kommt.

In solchen Stürzen leidet das Herz Schiffbruch,
aber der gehärtete Verstand sammelt die Trümmer,
die das Meer der Leidenschaften auswarf. Es ist
freilich unnützer Ballast, denn jene Trümmer sind
zerschellte Hoffnungen der Jugend.

Seesturm.

Am Strande peitschte die Brandung in riesiger
Höhe die schäumenden Wogen empor. In Millionen
Atome zerstäubt, schnellten sie den weißen Gischt
thürmend hinauf.

Was Minuten für das Menschenleben sein können,
das lernten wir hier pochenden Herzens kennen. Es
waren Minuten zwischen Sein und Nichtsein; --
noch immer trieb das Schiff dem Strande zu.

Die See glich sich selbst nicht mehr, sie hatte
nichts von der schönen blau-grünen Farbe ihres All-
tagsgewandes. -- Wie der Schneesturm auf dem
Gletscher alles wie mit einem Leichentuche verhüllt,
so bildete der zerstäubte Wasserdunst mit den be-
ständig hinrasenden Regenschauern ein chaotisches
Gemenge. Dichtes, undurchdringliches Grau!

Mit dem einbrechenden Abend veränderte sich
die Szenerie. Riesige Wolkenmassen stiegen auf --
die Nachtwolken flossen massig ineinander -- ein
langanhaltender Donner rollte vorüber und Blitze
zerrissen für den Augenblick das starrende Gewölk.
Der Donner machte das Schiff erzittern. Die Nacht
war undurchdringlich.

(Fortsetzung folgt.)


*) Siehe die Nummern 21, 22, 23 und 24 der
"Badener Zeitung".
Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

[Spaltenumbruch] Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
[Spaltenumbruch] Erſcheint Wittwoch und Samstag früh.

——— Telephon-Anſchluß Nr. 229. ———
[Spaltenumbruch] Unverlangt eingeſandte Manuſkripte
werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden:
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ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30. halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 25. Mittwoch den 25. März 1908. 29. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Eine Klarſtellung.

Die große Verſammlung der Badener
Ortsgruppe des Vereines „Freie Schule“
vom 15. März hatte einen merkwürdig an-
mutenden Charakter. Mehrere hundert Menſchen
waren in einem Saale verſammelt, die ſozialen
Schranken waren gefallen und alle die auf-
merkſam zuhörenden Frauen und Männer be-
ſchlich allmählig das Gefühl, daß das keine
gewöhnliche Verſammlung, ſondern ein rein
menſchliches Familienfeſt ſei. Man beſchuldigt
den Verein „Freie Schule“, daß er gegen den
Einfluß der Religion arbeite; in dieſer Ver-
ſammlung konnte man wohl zur Ueberzeugung
gelangen, daß gerade von den Ver-
tretern der „Freien Schule“ für das
veredelnde Moment der Religion am
kräftigſten eingetreten wird
und daß
dieſer Verein geradezu beſtimmt iſt, eine
Schutzwehr zu bilden gegen den Niedergang
der öffentlichen Moral in Oeſterreich. Unan-
taſtbar war alles, was in dieſer Verſamm-
lung geſprochen wurde und dieſer Austauſch
[Spaltenumbruch] großer, edler Gedanken hat jenes Gefühl der
allgemeinen menſchlichen Zuſammengehörigkeit
ausgelöſt, der einen Erfolg bedeutet, welcher
über alles Alltägliche und Triviale turmhoch
herausragt.

Ueber dieſe Verſammlung bringt das
hieſige chriſtlichſoziale „Volksblatt“ einen Be-
richt. Wenn wir nun einige Bemerkungen
über dieſen Bericht für zweckmäßig erachten,
ſo geſchieht dies nicht in der Abſicht, mit
dieſem Blatte zu polemiſieren. Jeder Ein-
ſichtsvolle wird uns zugeſtehen, daß die Form,
in welcher Angriffe in dieſem Blatte ſtatt-
finden, dies einem auf Anſtand haltenden
Menſchen unmöglich macht. Aber der Inhalt
dieſes Berichtes hat ſeine Bedeutung für das
öffentliche Leben in Baden und dies iſt allein
der Grund, weshalb wir uns heute mit dem-
ſelben beſchäftigen.

Der Bericht bringt gar nichts, auch nicht
ein Wort über den eigentlichen Verlauf der
Verſammlung, ſondern beſchäftigt ſich aus-
ſchließlich mit den Perſonen, welche an der
Verſammlung teilnahmen. Zuerſt werden
[Spaltenumbruch] natürlich die zwei Vortragenden gehörig per-
ſönlich beſchimpft. Hock und Kronawetter
werden ſich darüber zu tröſten wiſſen.
Dann werden aber ſofort einige Namen her-
vorragender Perſönlichkeiten aus den bürger-
lichen Kreiſen angeführt, um deren Teilnahme
an der Verſammlung kleinliche Motive zu
unterſchieben. Das iſt jene Methode, die
der Stadt Baden ſchon den größten
Schaden zugefügt hat,
jene Methode,
gegen welche ſich alle Bewohner Badens auf-
lehnen müſſen und welche den Urgrund bildet,
daß es in Baden mit der Vertretung der
öffentlichen Angelegenheiten und der ſtädtiſchen
Intereſſen nicht vorwärts geht.

Vor den letzten allgemeinen Gemeinde-
wahlen iſt ein kleiner Kreis von wirklichen,
ganz ſelbſtloſen Freunden der Stadt Baden
zuſammengetreten, um tüchtige Kräfte ſowie
ganz unabhängige Männer in die Gemeinde-
vertretung hineinzubringen. Es hat ſich auch
herausgeſtellt, daß ſolche Perſönlichkeiten in
Baden wirklich vorhanden ſind. Man iſt an
dieſelben herangetreten und erhielt überall




[Spaltenumbruch]
Fenilleton.



„Akkorde.“ *)
(Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.)

(Nachdruck verboten).

IV.

Die Schneenixe treibt die Dämonen aus ihren
ſilbernen Betten zu wilder Mänadenjagd. — Seuf-
zende Rieſengeſtalten von unfaßbarer, verſchwommener
Körperlichkeit!

Auf den Dächern führen ſie ſataniſche Tänze
auf und heulen wie flüchtige Geſpenſter durch die
hohlen Schlote.




Das Leichentuch der Erde wird zur Sturmfahne
der empörten Elemente, die Erde ſelber zum Schau-
platz ſataniſcher Gewalten.




Eine Mondnacht von ſinnberückenden Effekten.
Unter dem weißen Licht der in dunſtfreier Höhe
ſchwebenden Scheibe hob ſich das Meer ſehnſüchtig
und glitzerte in Millionen Silberſchuppen.




An den Klippen ſchwärmten irrlichternde Tropfen.




Nur das Meer pulſte in leichten Athemzügen
und gab der hellen Nacht ihre Silberblicke zurück.




Ueber die verſchneiten Fichtenhorſte ſpannt ſich
[Spaltenumbruch] ein Nebelſtreif von Millionen Welten und dieſe ſetzen
als blinkende Sterne Millionen Lichter auf die
weißen Zweige.




Jetzt ſchlummert der Ozean und trinkt das
Sternenlicht, das auf ihn herabträuft.




— — Auferſtehung des eingeſargten Lebens — —




Die Silbermöve kreiſt ſchlaftrunken über den
kahlen Klippen; man glaubt an Geiſterlachen, ſo
ſeltſam iſt der herbe Ton des träumenden Sturmvogels.




Das iſt ein Duft, als ſeien alle Blumenſeelen
ihrem herbſtlichen Grabe entſtiegen!




Die Glücklichen hängen an den Lippen, als ſei
die Luſt ein unerſchöpflicher Born, eine Liebeshippo-
krene ohne Verſiegen!




Die Lichtfeier des Meeres: ein hehrer ſeelenbe-
zwingender Glanz.




Wie eine dünne Rauchſäule ſteigt der Nebelſtreif
der Milchſtraße von den beſchneiten Schultern des
Hochgebirgs in die Unendlichkeit und zerrinnt in eine
andere Weltregion.




Dort geht eine Welt in nächtlicher Licht-
brandung auf, zerſchmelzen Himmel und Erde in
einem Kuſſe — — —




Schwarzgrüne Wogenberge durchwühlen die
Tangwaldungen der Tiefe, wo die rothen Korallen
glühen und der bunte Sternenhimmel der See-
Anemonen flimmert.




[Spaltenumbruch]

Verſpätete Vogelſchwärme ſchwimmen im Luft-
ozean und ſuchen ſüdliche Gefilde auf, wo in Lorbeer-
hainen noch das ſchwüle Aroma des Sommers brütet.




Von der Jugendzeit zum reifen Alter ſpannt
ſich jene Seufzerbrücke, die jeder betreten muß und
auf der Mancher zum Fall kommt.

In ſolchen Stürzen leidet das Herz Schiffbruch,
aber der gehärtete Verſtand ſammelt die Trümmer,
die das Meer der Leidenſchaften auswarf. Es iſt
freilich unnützer Ballaſt, denn jene Trümmer ſind
zerſchellte Hoffnungen der Jugend.

Seeſturm.

Am Strande peitſchte die Brandung in rieſiger
Höhe die ſchäumenden Wogen empor. In Millionen
Atome zerſtäubt, ſchnellten ſie den weißen Giſcht
thürmend hinauf.

Was Minuten für das Menſchenleben ſein können,
das lernten wir hier pochenden Herzens kennen. Es
waren Minuten zwiſchen Sein und Nichtſein; —
noch immer trieb das Schiff dem Strande zu.

Die See glich ſich ſelbſt nicht mehr, ſie hatte
nichts von der ſchönen blau-grünen Farbe ihres All-
tagsgewandes. — Wie der Schneeſturm auf dem
Gletſcher alles wie mit einem Leichentuche verhüllt,
ſo bildete der zerſtäubte Waſſerdunſt mit den be-
ſtändig hinraſenden Regenſchauern ein chaotiſches
Gemenge. Dichtes, undurchdringliches Grau!

Mit dem einbrechenden Abend veränderte ſich
die Szenerie. Rieſige Wolkenmaſſen ſtiegen auf —
die Nachtwolken floſſen maſſig ineinander — ein
langanhaltender Donner rollte vorüber und Blitze
zerriſſen für den Augenblick das ſtarrende Gewölk.
Der Donner machte das Schiff erzittern. Die Nacht
war undurchdringlich.

(Fortſetzung folgt.)


*) Siehe die Nummern 21, 22, 23 und 24 der
„Badener Zeitung“.
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[[1]/0001] Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. Redaktionsſchluß: Dienstag und Freitag früh. Erſcheint Wittwoch und Samstag früh. ——— Telephon-Anſchluß Nr. 229. ——— Unverlangt eingeſandte Manuſkripte werden nicht zurückgeſendet. Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6 —, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30. halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 25. Mittwoch den 25. März 1908. 29. Jahrg. Eine Klarſtellung. Die große Verſammlung der Badener Ortsgruppe des Vereines „Freie Schule“ vom 15. März hatte einen merkwürdig an- mutenden Charakter. Mehrere hundert Menſchen waren in einem Saale verſammelt, die ſozialen Schranken waren gefallen und alle die auf- merkſam zuhörenden Frauen und Männer be- ſchlich allmählig das Gefühl, daß das keine gewöhnliche Verſammlung, ſondern ein rein menſchliches Familienfeſt ſei. Man beſchuldigt den Verein „Freie Schule“, daß er gegen den Einfluß der Religion arbeite; in dieſer Ver- ſammlung konnte man wohl zur Ueberzeugung gelangen, daß gerade von den Ver- tretern der „Freien Schule“ für das veredelnde Moment der Religion am kräftigſten eingetreten wird und daß dieſer Verein geradezu beſtimmt iſt, eine Schutzwehr zu bilden gegen den Niedergang der öffentlichen Moral in Oeſterreich. Unan- taſtbar war alles, was in dieſer Verſamm- lung geſprochen wurde und dieſer Austauſch großer, edler Gedanken hat jenes Gefühl der allgemeinen menſchlichen Zuſammengehörigkeit ausgelöſt, der einen Erfolg bedeutet, welcher über alles Alltägliche und Triviale turmhoch herausragt. Ueber dieſe Verſammlung bringt das hieſige chriſtlichſoziale „Volksblatt“ einen Be- richt. Wenn wir nun einige Bemerkungen über dieſen Bericht für zweckmäßig erachten, ſo geſchieht dies nicht in der Abſicht, mit dieſem Blatte zu polemiſieren. Jeder Ein- ſichtsvolle wird uns zugeſtehen, daß die Form, in welcher Angriffe in dieſem Blatte ſtatt- finden, dies einem auf Anſtand haltenden Menſchen unmöglich macht. Aber der Inhalt dieſes Berichtes hat ſeine Bedeutung für das öffentliche Leben in Baden und dies iſt allein der Grund, weshalb wir uns heute mit dem- ſelben beſchäftigen. Der Bericht bringt gar nichts, auch nicht ein Wort über den eigentlichen Verlauf der Verſammlung, ſondern beſchäftigt ſich aus- ſchließlich mit den Perſonen, welche an der Verſammlung teilnahmen. Zuerſt werden natürlich die zwei Vortragenden gehörig per- ſönlich beſchimpft. Hock und Kronawetter werden ſich darüber zu tröſten wiſſen. Dann werden aber ſofort einige Namen her- vorragender Perſönlichkeiten aus den bürger- lichen Kreiſen angeführt, um deren Teilnahme an der Verſammlung kleinliche Motive zu unterſchieben. Das iſt jene Methode, die der Stadt Baden ſchon den größten Schaden zugefügt hat, jene Methode, gegen welche ſich alle Bewohner Badens auf- lehnen müſſen und welche den Urgrund bildet, daß es in Baden mit der Vertretung der öffentlichen Angelegenheiten und der ſtädtiſchen Intereſſen nicht vorwärts geht. Vor den letzten allgemeinen Gemeinde- wahlen iſt ein kleiner Kreis von wirklichen, ganz ſelbſtloſen Freunden der Stadt Baden zuſammengetreten, um tüchtige Kräfte ſowie ganz unabhängige Männer in die Gemeinde- vertretung hineinzubringen. Es hat ſich auch herausgeſtellt, daß ſolche Perſönlichkeiten in Baden wirklich vorhanden ſind. Man iſt an dieſelben herangetreten und erhielt überall Fenilleton. „Akkorde.“ *) (Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.) Mitgetheilt von Paul Tauſig. (Nachdruck verboten). IV. Die Schneenixe treibt die Dämonen aus ihren ſilbernen Betten zu wilder Mänadenjagd. — Seuf- zende Rieſengeſtalten von unfaßbarer, verſchwommener Körperlichkeit! Auf den Dächern führen ſie ſataniſche Tänze auf und heulen wie flüchtige Geſpenſter durch die hohlen Schlote. Das Leichentuch der Erde wird zur Sturmfahne der empörten Elemente, die Erde ſelber zum Schau- platz ſataniſcher Gewalten. Eine Mondnacht von ſinnberückenden Effekten. Unter dem weißen Licht der in dunſtfreier Höhe ſchwebenden Scheibe hob ſich das Meer ſehnſüchtig und glitzerte in Millionen Silberſchuppen. An den Klippen ſchwärmten irrlichternde Tropfen. Nur das Meer pulſte in leichten Athemzügen und gab der hellen Nacht ihre Silberblicke zurück. Ueber die verſchneiten Fichtenhorſte ſpannt ſich ein Nebelſtreif von Millionen Welten und dieſe ſetzen als blinkende Sterne Millionen Lichter auf die weißen Zweige. Jetzt ſchlummert der Ozean und trinkt das Sternenlicht, das auf ihn herabträuft. — — Auferſtehung des eingeſargten Lebens — — Die Silbermöve kreiſt ſchlaftrunken über den kahlen Klippen; man glaubt an Geiſterlachen, ſo ſeltſam iſt der herbe Ton des träumenden Sturmvogels. Das iſt ein Duft, als ſeien alle Blumenſeelen ihrem herbſtlichen Grabe entſtiegen! Die Glücklichen hängen an den Lippen, als ſei die Luſt ein unerſchöpflicher Born, eine Liebeshippo- krene ohne Verſiegen! Die Lichtfeier des Meeres: ein hehrer ſeelenbe- zwingender Glanz. Wie eine dünne Rauchſäule ſteigt der Nebelſtreif der Milchſtraße von den beſchneiten Schultern des Hochgebirgs in die Unendlichkeit und zerrinnt in eine andere Weltregion. Dort geht eine Welt in nächtlicher Licht- brandung auf, zerſchmelzen Himmel und Erde in einem Kuſſe — — — Schwarzgrüne Wogenberge durchwühlen die Tangwaldungen der Tiefe, wo die rothen Korallen glühen und der bunte Sternenhimmel der See- Anemonen flimmert. Verſpätete Vogelſchwärme ſchwimmen im Luft- ozean und ſuchen ſüdliche Gefilde auf, wo in Lorbeer- hainen noch das ſchwüle Aroma des Sommers brütet. Von der Jugendzeit zum reifen Alter ſpannt ſich jene Seufzerbrücke, die jeder betreten muß und auf der Mancher zum Fall kommt. In ſolchen Stürzen leidet das Herz Schiffbruch, aber der gehärtete Verſtand ſammelt die Trümmer, die das Meer der Leidenſchaften auswarf. Es iſt freilich unnützer Ballaſt, denn jene Trümmer ſind zerſchellte Hoffnungen der Jugend. Seeſturm. Am Strande peitſchte die Brandung in rieſiger Höhe die ſchäumenden Wogen empor. In Millionen Atome zerſtäubt, ſchnellten ſie den weißen Giſcht thürmend hinauf. Was Minuten für das Menſchenleben ſein können, das lernten wir hier pochenden Herzens kennen. Es waren Minuten zwiſchen Sein und Nichtſein; — noch immer trieb das Schiff dem Strande zu. Die See glich ſich ſelbſt nicht mehr, ſie hatte nichts von der ſchönen blau-grünen Farbe ihres All- tagsgewandes. — Wie der Schneeſturm auf dem Gletſcher alles wie mit einem Leichentuche verhüllt, ſo bildete der zerſtäubte Waſſerdunſt mit den be- ſtändig hinraſenden Regenſchauern ein chaotiſches Gemenge. Dichtes, undurchdringliches Grau! Mit dem einbrechenden Abend veränderte ſich die Szenerie. Rieſige Wolkenmaſſen ſtiegen auf — die Nachtwolken floſſen maſſig ineinander — ein langanhaltender Donner rollte vorüber und Blitze zerriſſen für den Augenblick das ſtarrende Gewölk. Der Donner machte das Schiff erzittern. Die Nacht war undurchdringlich. (Fortſetzung folgt.) *) Siehe die Nummern 21, 22, 23 und 24 der „Badener Zeitung“.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener025_1908/1>, abgerufen am 21.11.2024.