Badener Zeitung. Nr. 27, Baden (Niederösterreich), 04.01.1908. Badener Zeitung Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsschluß: Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg. [Spaltenumbruch] Eine Krise? Die schwierigste aller Fragen soll durch Warum nicht? Oesterreich gilt als das Wenn man bei diesen Prüfungskandidaten [Spaltenumbruch] Fenilleton. "Akkorde." *) (Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.) (Nachdruck verboten). VII. Märchen. Ein morgenländischer Fürst wünschte einen Er ließ eines Abends fünf Männer seiner Re- Vier antworteten ihm rasch auf seine Frage. Der König nimmt vier Diamanten von seinen "Ich denke", antwortete er, "daß Deine Macht Der König antwortete: "Ich gebe Dir den Am folgenden Tage kamen die andern vier Frühling. -- es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die -- aufjauchzen wie die Amsel, die auf der -- über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken -- auf dem Friedhof schwärmen die ersten -- Abends leichte Nebel, von der scheidenden Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch Das Schöne ist ein Attribut der Jugend. Sie Auf dem See. Es ist ein Frühsommerabend von berauschender Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am (Fortsetzung folgt.) *) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der
"Badener Zeitung". Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsſchluß: Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg. [Spaltenumbruch] Eine Kriſe? Die ſchwierigſte aller Fragen ſoll durch Warum nicht? Oeſterreich gilt als das Wenn man bei dieſen Prüfungskandidaten [Spaltenumbruch] Fenilleton. „Akkorde.“ *) (Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.) (Nachdruck verboten). VII. Märchen. Ein morgenländiſcher Fürſt wünſchte einen Er ließ eines Abends fünf Männer ſeiner Re- Vier antworteten ihm raſch auf ſeine Frage. Der König nimmt vier Diamanten von ſeinen „Ich denke“, antwortete er, „daß Deine Macht Der König antwortete: „Ich gebe Dir den Am folgenden Tage kamen die andern vier Frühling. — es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die — aufjauchzen wie die Amſel, die auf der — über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken — auf dem Friedhof ſchwärmen die erſten — Abends leichte Nebel, von der ſcheidenden Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch Das Schöne iſt ein Attribut der Jugend. Sie Auf dem See. Es iſt ein Frühſommerabend von berauſchender Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am (Fortſetzung folgt.) *) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der
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Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.
Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.
Telephon-Anſchluß Nr. 229.
Unverlangt eingeſandte Mannſkripte
werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 27. Mittwoch, den 1. April 1908. 29. Jahrg.
Eine Kriſe?
Die ſchwierigſte aller Fragen ſoll durch
ein Geſetz, ein Sprachengeſetz, das doch nur
ein Nationalitätengeſetz ſein kann, geordnet
werden. Was hat man über dieſes heute ſo
dringend gewünſchte Nationalitätengeſetz nicht
ſchon in dem letzten halben Jahrhundert in
Oeſterreich geſchrieben und auch geſprochen!
Wenn man das über dieſen Gegenſtand be-
druckte Papier auftreiben würde, ſo könnte man
das geſamte Areale des öſterreichiſch-ungari-
ſchen Staatsgebildes mehrfach bedecken. Alle
Nationen Oeſterreichs verlangen ſeit Beginn
der konſtitutionellen Aera ein ſolches Geſetz,
alle hervorragenden Staatsmänner haben
die Notwendigkeit eines ſolchen Geſetzes an-
erkannt. Warum iſt ein ſolches Geſetz nicht
zuſtande gekommen? Der Wiener Halb-
offizioſus weiß immer alles und es iſt daher
ganz natürlich, daß er auch in dieſem Falle
das entſcheidende Wort prägt und das-
ſelbe gelaſſen ausſpricht: das Sprachen-
geſetz muß ein Geſetz ſein, das die
Autorität des Volkswillens für ſich
hat. Das iſt eine geradezu erſtaunliche Neuig-
keit! Die Autorität des Volkswillens, dieſe
große Reſultierende in allem und jedem,
die keinem Weiſen ſeit den ſieben Weiſen
Griechenlands bis zu den führenden Intellek-
tuellen der modernſten Zeit gelungen, nur an-
nähernd in einer oder der anderen der
Fragen feſtzuſtellen, ſoll nun in Oeſterreich
das wichtigſte Problem löſen!
Warum nicht? Oeſterreich gilt als das
Reich der Unwahrſcheinlichkeiten, vielleicht iſt
daher das Unwahrſcheinlichſte möglich; die
Logik dieſes Halboffizioſes iſt ja bekanntlich
ganz unantaſtbar. Da wiſſen wir uns ſeit
dem Ausſpruch des großen politiſchen Halb-
offizioſes ſo manches zu erklären. Wir haben
ausgezeichnete Staatsgrundgeſetze — man
kann ſich keine beſſeren denken — warum
ſtehen denn dieſe Staatsgrundgeſetze
nur auf dem Papier? Jetzt wiſſen wir
den Grund: weil dieſe Geſetze nicht die Auto-
rität des Volkswillens für ſich haben! Das
iſt recht ſchade, denn wenn dieſe ausgezeich-
neten Staatsgrundgeſetze die Autorität des
Volkswillens für ſich hätten, dann würde man
ja gar keine Sprachen- und Nationalitäten-
geſetze brauchen, denn in dieſen Staatsgrund-
geſetzen iſt ja die Regelung dieſer Angelegen-
heiten vollſtändig enthalten. Warum beſitzen
aber dieſe ſo außerordentlich ſchönen Staats-
grundgeſetze nicht die Autorität des Volks-
willens? Da kommen wir bei der offenen
Antwort auf die wichtigſte aller öſterreichiſchen
Fragen zu einem der traurigſten Kapitel des
öffentlichen politiſchen Lebens in Oeſterreich.
Wenn man eine Prüfung der Wähler bei der
Millionen derſelben in Oeſterreich über die-
ſen Gegenſtand vornehmen könnte, wie würde
dieſe Prüfung ausfallen? Wie hoch kann man
den Prozentſatz der Wähler ſchätzen, die über-
haupt etwas davon wiſſen, daß es Staats-
grundgeſetze in Oeſterreich überhaupt gibt?
Wenn man bei dieſen Prüfungskandidaten
erfahren wollte, ob dieſelben eine Ahnung
haben, daß es in einem Staate Staatsgrund-
geſetze geben muß und am Ende gar wiſſen
wollte, wie die Autorität des Volkswillens
zur Geltung gelangen kann, ſo würden nicht
nur die Herren Wähler, ſondern auch ein
ſehr hohes Prozent der Herren Gewählten
Fenilleton.
„Akkorde.“ *)
(Aus dem Tagebuche eines Unbekannten.)
Mitgetheilt von Paul Tauſig.
(Nachdruck verboten).
VII.
Märchen.
Ein morgenländiſcher Fürſt wünſchte einen
ebenſo treuen und zuverläſſigen wie tüchtigen Ver-
trauten zu haben und verſuchte, folgendermaßen zum
Ziele zu kommen:
Er ließ eines Abends fünf Männer ſeiner Re-
ſidenz, die im Rufe beſonderer Klugheit ſtanden, zu
ſich kommen. An den Fingern ſeiner Hand glänzten
fünf ſehr große Diamanten. Er ſagte ihnen: „Ich
habe Euch fünf hier um mich verſammelt, weil ich
hoffe, daß ich von Euch die Wahrheit hören werde.
— Ihr ſeht dieſe fünf koſtbaren Diamanten? Sie
werden der Lohn Eurer Aufrichtigkeit ſein. Sagt:
Was haltet ihr von meiner Macht und meinem
Ruhm?“
Vier antworteten ihm raſch auf ſeine Frage.
Entzückt von der Schönheit und Größe der herrlichen
Steine, ſchmeichelten ſie ihm und prieſen — Einer
noch mehr wie der Andere — die Macht und den
Ruhm ihres Herrn; — ſie erhoben ihn über alle
Helden der Geſchichte; in begeiſterten Ausdrücken
rühmten ſie ſeine Talente und ſeine Tugenden, bis
ſie ſchließlich keine Worte mehr finden konnten und
ihn mit dem großen und mächtigen Gott im Himmel
verglichen.
Der König nimmt vier Diamanten von ſeinen
Fingern und vertheilt ſie unter jene Männer. Dann
wendet er ſich an den fünften und fragt ihn: „Wa-
rum ſchweigſt Du? Sage mir auch, ich befehle es
Dir, was Du von meiner Macht und von meinem
Ruhme denkſt?“
„Ich denke“, antwortete er, „daß Deine Macht
Dir von Gott anvertraut iſt, damit Du Deine Völker
glücklich machſt, und daß er einſt eine ernſte Rechen-
ſchaft von dir fordern wird; ich denke, daß Dein
Ruhm falſch und gefährlich iſt, wenn Du nur glänzen
und Deine Feinde beſiegen, nicht aber alle Deine
Pflichten treu erfüllen willſt.“
Der König antwortete: „Ich gebe Dir den
fünften Diamanten nicht, ſchenke Dir aber mein
Vertrauen und meine Freundſchaft. Bleibe ſtets bei
mir; ich habe den Freund gefunden, den ich ſuchte“.
Am folgenden Tage kamen die andern vier
ganz beſtürzt und außer ſich in den Palaſt, um dem
König zu ſagen, daß er von dem Juwelier, der ihm
dieſe Diamanten verkauft habe, betrogen worden ſei, denn
ſie wären falſch. Der König aber antwortete lachend:
„Ach, glaubt doch nicht, daß ich das nicht gewußt
hätte. Ihr habt mir falſche Lobeserhebungen gemacht,
dafür habt Ihr falſche Diamanten erhalten. Ich habe
Euch nur mit gleicher Münze bezahlt. Ihr habt
alſo keinen Grund, Euch zu beklagen.“
Frühling.
— es küßt der Märzwind rothe Flecke auf die
Wangen —
— aufjauchzen wie die Amſel, die auf der
höchſten Spitze eines dürren Aſtes, der Morgenröthe
zugewandt, das allbelebende Licht aus voller Kehle
begrüßt!
— über die weite Trift irrlichtern Sonnenfunken
wie glitzerndes Geſchmeide —
— auf dem Friedhof ſchwärmen die erſten
Bienen, forſchend, ob nicht aus den Trieben, die aus
den jüngſten Gräbern ſprießen, ſchon neuer Lebens-
balſam zu holen wäre.
— Abends leichte Nebel, von der ſcheidenden
Sonne in Goldſtaub verwandelt —
Die weißen Lichtbäche des Mondes rinnen durch
die zartbelaubten Wipfel.
Das Schöne iſt ein Attribut der Jugend. Sie
hält ſich an den Ariſtoteliſchen Satz, daß Jünglinge
es mehr lieben, das Schöne zu thun, als das
Nützliche, denn ſie leben mehr nach dem ſittlichen
Gefühle als nach der Berechnung.
Auf dem See.
Es iſt ein Frühſommerabend von berauſchender
Pracht. Auf der glatten Fläche irrlichtert das Son-
nenlicht und erzittert in zarten Schuppen, — wallt
in Feuerlinien aus oder zerfließt in blendende Licht-
inſeln.
Der Orgelchoral des Kirchleins, das dort am
Ufer ſteht, verweht myſtiſch im Windhauche. Es ſind
Aeolstöne, die man erlauſcht. Ihr Schmeicheln iſt
ſüß wie die Stimme der Liebe.
(Fortſetzung folgt.)
*) Siehe die Nummern 21, 22, 23, 24, 25 und 26 der
„Badener Zeitung“.
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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