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Badener Zeitung. Nr. 32, Baden (Niederösterreich), 20.04.1904.

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Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904. Nr. 32.

[Spaltenumbruch]

Gerechtigkeit selbst rufen. Vorläufig schämen sich
aber die Tschechen in ihrer Verlogenheit nicht zu
behaupten, eine Erfüllung ihrer Wünsche sei
lediglich an die Zustimmung der Deutschen ge-
knüpft und deshalb müßten sie Obstruktion machen.

Warum zerbrechen sich nicht die tschechischen
Führer die Köpfe darüber, wie zu einer Ver-
ständigung mit den Deutschen zu gelangen wäre?
Es ist leicht Forderungen zu stehlen und den
Beleidigten zu spielen, weil der andere, dem
diese Forderung ins Fleisch schneidet, sich zur
Wehre setzt. Die Tschechen haben sich angewöhnt,
das Deutschtum als eine Art Leiche auf dem
Schlachtfelde anzusehen, der man, ohne daß sie
was dagegen haben kann, die Stiefel ausziehen
oder sonst wegnehmen kann, was man gerade
braucht. Da die Tschechen endlich die Erfahrung
machen mußten, daß der Totgeglaubte noch lebendig
ist und sich nicht begraben lassen will, spielen sie
die Beleidigten. Es wäre klüger und menschlicher,
wenn sie sich mit ihm auseinandersetzen wollten.
Die deutsche Obstruktion im böhmischen Landtage
ist ein Beweis, daß die Deutschen eine weitere
Plünderung durch eine rücksichtslose Majorität
nicht mehr zugeben. Sie haben auch der Regierung
das Versprechen abgerungen, einseitige nationale
Zugeständnisse nicht mehr zu machen und sie
haben die Kraft, das Worthalten zu erzwingen.
Damit sollten die Tschechen endlich rechnen und
ihre Politik darnach einrichten. Die Deutschen
haben keine Angriffspläne wider die Tschechen,
aber den tschechischen Eroberungs- und Beute-
zügen wollen und werden sie nicht länger sich
preisgeben. Mit maßlosen Forderungen werden
sich die Tschechen nur immer stärker in die Enge
einkeilen.




Soziale Gesetzgebung hüben
und drüben.

Sie sind merkwürdig kluge Köpfe, unsere Herren
Minister, das weiß man schon längst. Der so lange
von den Industriellen und Arbeitern angestrebte
Reformentwurf des Unfallversicherungsgesetzes ist fertig
und liegt in irgend einer Schublade, wahrscheinlich
auch parfümiert, wohl verwahrt. Er soll jedoch erst
dann das Licht der Sonne erblicken, respektive vor
das Parlament gelangen, wenn in demselben "ein
Milien geschaffen ist, in welchem das Gesetz Aussicht
hat, sachlich beraten zu werden". So äußerte sich
wenigstens erst kürzlich ein Herr Sektionschef, als
die Experten für die Revisionsberatungen der Gefahren-
klassen nicht früher in das Detail der Aufgabe ein-
treten wollten, bevor ihnen nicht die geplante Reform
in ihren Hauptzügen bekanntgegeben ist. Sollte es
[Spaltenumbruch] wirklich so sein? Sollte wirklich nur die Sorge darum,
daß diese Gesetzesvorlage auch sachlich beraten wird,
unseren Regierungschef davon abhalten, gerade diese
Gesetzesvorlage vor das Forum des Parlaments zu
bringen? Wir glauben es nicht! Es scheint uns viel-
mehr, daß dieselbe nur deshalb zurückgehalten wird,
um zur gegebenen Zeit ein Tauschobjekt abzugeben,
um widerspenstige Parteien für eine Staatsnot-
wendigkeit zu gewinnen. Diese Tendenz entspricht
auch weit mehr allen früheren Regierungstaktiken,
ganz besonders aber der gegenwärtigen.

Man scheint die Absicht zu haben, bei der so oft
versprochenen Reform des Unfallversicherungsgesetzes
den berechtigten Wünschen der Industriellen wenig
Rechnung zu tragen und weil man in industriellen
Kreisen die Absicht merkt, so fürchtet die Regierung
naturgemäß auch die Verstimmung und hüllt die
beabsichtigte Reform in ein tiefes Geheimnis. Was
sonst könnte die Regierung veranlassen, den Entwurf
nicht dem Industrierat, den industriellen Korporationen
und den Handelskammern zur Begutachtung vorzulegen?
Oder sollten dieselben wieder, wie schon so oft, über-
rumpelt werden? Will man auch bei dieser so heiß
ersehnten Reform den Eigendünkel so weit treiben,
daß man sagt: wenn die Reform nicht so angenommen
wird, wie sie ist, so findet eine Reform überhaupt
nicht statt? Will man die Industriellen gegen die
Arbeiterschaft ausspielen, welche eine Reform des
Unfallversicherungsgesetzes ebenso sehnsüchtig anstrebt,
wie die Arbeitgeber?

Einer solchen Absicht muß, wenn sie wirklich
bestehen sollte, mit aller Energie entgegengetreten
werden. Das derzeit in Kraft stehende Unfallversiche-
rungsgesetz ist ein so durch und durch unbrauchbares
und verwerfliches Machwerk, daß es einer gründ-
lichen Reform bedarf und der neue Entwurf muß
daher von allen Seiten geprüft und begutachtet
werden. Dazu ist es aber notwendig, daß derselbe
so rasch als möglich den in Betracht kommenden
Korporationen vorgelegt werde.

Der vom ungarischen Handelsministerium
verfaßte Gesetzentwurf "betreffend die Unfallversiche-
rung der Angestellten in gewerblichen, kaufmännischen
und Verkehrsunternehmungen" gibt gewiß manche
Anhaltspunkte für die Richtung, in welcher unser
Gesetz reformiert werden muß.

Es schadet nicht, wenn wir von unseren Nach-
barn jenseits der Leitha einmal lernen, wie ein der-
artiges Gesetz beschaffen sein muß, um es, wenn
auch nicht beliebt, so doch wenigstens populär und
für die Betroffenen erträglich zu machen. Dies hat
unser Unfallversicherungsgesetz, trotz der vielen nach-
träglich erschienenen Verordnungen, oder vielleicht
auch gerade wegen derselben, nicht erreicht. Keine
Gesetzeslast wird so drückend empfunden wie diese
Kein Gesetz ist wegen seiner Schikanen so verhaßt!
[Spaltenumbruch] Der in demselben herrschende Bureaukratismus, das
möglichste Zurückdrängen derjenigen von der Ver-
waltung, die die Kosten aufzubringen haben und
andere Ursachen mehr sind es, die das Gesetz nie
populär machen können.

Ungarn hat versucht, den Verhältnissen Rechnung
zu tragen und deshalb dürfte der betreffende Ent-
wurf auch dort eine freundliche Aufnahme finden.

Nach dem ungarischen Entwurf soll eine Landes-
Unfallversicherungskasse
geschaffen werden,
welche eine auf Wechselseitigkeit beruhende Genossenschaft
derjenigen Arbeitgeber darstellt, die nach dem Gesetze
versicherungspflichtige Betriebe innehaben. Die Landes-
kassen werden einem staatlichen Arbeiterversiche-
rungsamt
unterstellt. Diese ist die einzige Be-
hörde,
welche über die Landeskassen zu wachen hat
und an welche alle Beschwerden und Rekurse zu
richten sind. Es gibt keinen Instanzenzug wie bei
uns, keine Rekurse an die Statthalterei und an das
Ministerium. Aber auch dieses stattliche Versicherungs-
amt ist nicht als ein rein bureaukratisches gedacht,
denn in dasselbe sollen auch Delegierte aus den
Kreisen der Arbeitgeber und solche aus den Kreisen
der Versicherten, also aus den Kreisen der Arbeiter,
entsendet werden. Zur leichteren und rascheren Ab-
wicklung der Geschäfte werden Bezirksausschüsse
gebildet, welche der Kassendirektion unterstehen und
mit einem ziemlich weitgehenden Wirkungskreis aus-
gestattet werden.

Schon diese wenigen Angaben zeigen, wie sehr
verschieden der ungarische Entwurf von unserem
Unfallversicherungsgesetz ist.

Diese zwei ersten Paragraphe entsprechen so
ziemlich den Bestimmungen des § 1 des österreichischen
Gesetzes. Aber dennoch, wie verschieden von diesem,
wie klar und deutlich! Der § 1 des ungarischen Ent-
wurfes setzt fest, daß alle in versicherungspflichtigen
Betrieben Beschäftigten, die nicht mehr als 2400 Kr.
jährlich verdienen, versicherungspflichtig sind. Dadurch
werden alle, welche ein höheres jährliches Einkommen
haben, und dies ist gewiß bei einer großen Anzahl
der industriellen Beamten, Buchhalter, Prokuristen.
Direktoren etc. der Fall, als nicht versicherungspflichtig
erklärt, selbst dann, wenn sie in versicherungspflich-
tigen Betrieben beschäftigt sind.

Wer da weiß, wie gerade der Umstand, daß
nach dem österreichischen Gesetze alle Beamten eines
versicherungspflichtigen Betriebes, ohne Rücksicht auf
ihr Einkommen versicherungspflichtig sind, zu fortge-
setzten Reibereien zwischen Unternehmern und Unfall-
versicherungsanstalten führt, der wird gewiß mit uns
übereinstimmen, wenn wir verlangen, daß unser Gesetz
in dieser Richtung reformiert werde!

Diese Bestimmung des österreichischen Gesetzes
ist es aber auch, welche es den Unfallversicherungs-
anstalten ermöglicht, mit ihren polypenartigen Fang-




[Spaltenumbruch]

Der Sport holt sich gleichfalls so manches
Opfer aus dem Tierreiche. Die Rennpferde werden
angetrieben, große Strecken in fabelhaft kurzer Zeit
zu durchrasen, indem man sie stachelt und peitscht,
bis sie nicht selten erschöpft zusammenbrechen. Es ist
das eine Grausamkeit, welche durch den Hinweis auf
die angebliche Verbesserung des "Zuchtmaterials"
nicht entschuldigt werden kann.

Auch die Jagd ist eine Liebhaberei, welche mit
den Leiden des Tieres ihr Spiel treibt. Dort, wo
sich der Mensch wilder Tiere erwehren muß, wo er
seinen Lebensunterhalt durch Jagd erwirbt, dort
kämpft er eben seinen Kampf ums Dasein. Allein es
ist eine seltsame Lust, ein recht tigermäßiges Ver-
gnügen, harmlose, ängstliche Tiere des Waldes
niederzuknallen, während sie von Treibern verfolgt,
von Hunden gehetzt, in gräßlicher Todesangst nach
einem Auswege suchen. Und das ist nicht alles:
Manches Reh entkommt mit Schrottkörnern im Leibe,
mancher Hase läuft noch auf drei Beinen davon, um
vielleicht nach tagelanger Qual in einem Winkel zu
verenden. Ein denkender Mensch, der nur etwas Ge-
müt besitzt, wird sich ein anderes Vergnügen suchen.

Der Mensch bedarf des Fleisches als Nahrung
-- ich wenigstens werde es nicht bestreiten -- aber
es ist gewiß unnötig, Schlachttiere tot zu martern.
Da legt z. B. der Fleischhauer die Kälber gefesselt
so auf seinen Wagen, daß die Köpfe an den Seiten
des Wagens oder hinten herabbaumeln. Der Wagen
hat natürlich keine Federung. Was muß so ein Tier
ausstehen, bis ihm endlich der Hals durchschnitten
wird und weiter bis es ausgeblutet hat! Rosegger
bemerkt dazu: "Wäre ich der liebe Gott, ich würde
der Abwechslung halber den Gesellen, der heute
Fleischer ist, morgen Kalb sein lassen und übermorgen
ihn höflich fragen, was er über die Sache denkt?
Vielleicht käme doch eine gute Verständigung zustande
[Spaltenumbruch] und ein billiger Vergleich zwischen Tier und Mensch
-- die schöne Welt würde dadurch sehr viel ge-
winnen und das Menschenherz noch mehr".

Und wäre wirklich die Mühe gar so groß, wenn
man Kalb und Schwein wie den Ochsen durch einen
Schlag betäuben wollte, bevor man sie sticht? Man
würde dadurch dem Tiere die Todesangst ersparen,
welche es sicher nicht minder schrecklich fühlt als ein
Mensch. Daß in der Hinsicht manches erreicht werden
kann, beweist folgender Bericht: "Der Berliner Tier-
schutzverein hat nach einer eingegangenen amtlichen
Enquete mit Hilfe der übrigen Tierschutzvereine, der
Behörden, Bürgermeister und einer Anzahl verstän-
diger Pfarrer und Lehrer durchgesetzt, daß von
50 Millionen Kälbern, Schweinen und Schafen, welche
früher oft mit schartigen Messern in Schlachthäusern
und auf offener Dorfstraße viviseziert wurden, nun
doch schon zirka 30 Millionen vor dem Abstechen
mittelst Keule, Stiftmaske oder Schußapparat betäubt
werden; bei einem Drittel der deutschen Gemeinden
ist es bis jetzt beim Alten geblieben. Wir haben bis
jetzt die Erfahrung gemacht, daß überall da, wo nur
ein barmherziger, verständiger Mann in der Gemeinde
sich um die Sache angenommen hat, die Betäubung
der Schlachttiere vor der Blutentziehung einge-
führt wurde".

Die Schule als solche vermag da freilich nur
wenig zu schaffen, aber außerhalb der Schule kann
der Lehrer immerhin seinen Einfluß geltend machen.
Als Gemeinderat kann er z. B. den Antrag stellen,
daß aus öffentlichen Mitteln ein Betäubungsinstrument
angeschafft und unentgeltlich zur Verfügung gestellt
werde. Gehört er nicht selbst zum Gemeinderate, so
ist er vielleicht mit dem Bürgermeister befreundet und
gelangt durch eine diesbezügliche Unterredung ans
Ziel. Auch sonst bietet sich wohl hie und da Ge-
legenheit, in diesem Sinne zu wirken.


[Spaltenumbruch]

Eine gute Grundlage für die Bestrebungen des
Tierschutzes muß allerdings bereits in der Volksschule
geschaffen werden. "Der Mensch", sagt Kaut, "ist
von Natur aus weder moralisch gut noch böse; er
ist von Natur gar kein moralisches Wesen". Die
Gewohnheit wird ihm zum Recht. Neue Ideen ein-
zuführen, ist deshalb sehr schwer.

Zunächst muß das Kind aufhören, das Tier als
eine Sache zu betrachten, es muß sich dessen bewußt
werden, daß ein Tier ganz ähnlich denkt und empfindet,
wie ein Mensch. Man verweise auf den hohen Grad
von Intelligenz beim Hunde, auf die Beweise von
Mutterliebe, auf die Unterordnung der Herdentiere,
auf den Ameisenstaat, welcher nicht nur ein soziales
Gemeinwesen darstellt und Vorräte sammelt, sondern
selbst Ackerbau und in gewissem Sinne (wenigstens
bei einzelnen Arten kommt es vor) auch Viehzucht
treibt. Ein guter zoologischer Unterricht wird schon
das rechte zu finden wissen. Am besten dürfte es
sein, wenn sich das Kind in konkreten Fällen in die
Lage des Tieres hineindenkt. Entsprechende Geschichten
aus dem Tierleben leisten gute Dienste, um ein
lebhafteres Mitgefühl zu erregen.

Die Gründung von Tierschutz Schülervereinen
wäre mindestens an Landschulen ins Auge zu fassen.
Geldbeiträge sind unnötig. Die Mitglieder werden
einfach aufgeschrieben und verpflichten sich, einerseits
selbst kein Tier zu martern, andererseits nicht zu
dulden, daß in ihrer Gegenwart andere Kinder Tier-
quälereien vornehmen. Gelegentliche Spenden von
hübsch ausgestatteten Tierschutz-Büchlein, welche man
kostentos erhält, würden dem ganzen immerhin
einigen Reiz verleihen.

Schließlich will ich noch darauf aufmerksam
machen, daß durch das Ausroden alter Bäume viele
nützliche Vögel ihre Nistplätze verlieren. Statt wie
früher in geschützten Astlöchern, bauen manche Vögel


Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904. Nr. 32.

[Spaltenumbruch]

Gerechtigkeit ſelbſt rufen. Vorläufig ſchämen ſich
aber die Tſchechen in ihrer Verlogenheit nicht zu
behaupten, eine Erfüllung ihrer Wünſche ſei
lediglich an die Zuſtimmung der Deutſchen ge-
knüpft und deshalb müßten ſie Obſtruktion machen.

Warum zerbrechen ſich nicht die tſchechiſchen
Führer die Köpfe darüber, wie zu einer Ver-
ſtändigung mit den Deutſchen zu gelangen wäre?
Es iſt leicht Forderungen zu ſtehlen und den
Beleidigten zu ſpielen, weil der andere, dem
dieſe Forderung ins Fleiſch ſchneidet, ſich zur
Wehre ſetzt. Die Tſchechen haben ſich angewöhnt,
das Deutſchtum als eine Art Leiche auf dem
Schlachtfelde anzuſehen, der man, ohne daß ſie
was dagegen haben kann, die Stiefel ausziehen
oder ſonſt wegnehmen kann, was man gerade
braucht. Da die Tſchechen endlich die Erfahrung
machen mußten, daß der Totgeglaubte noch lebendig
iſt und ſich nicht begraben laſſen will, ſpielen ſie
die Beleidigten. Es wäre klüger und menſchlicher,
wenn ſie ſich mit ihm auseinanderſetzen wollten.
Die deutſche Obſtruktion im böhmiſchen Landtage
iſt ein Beweis, daß die Deutſchen eine weitere
Plünderung durch eine rückſichtsloſe Majorität
nicht mehr zugeben. Sie haben auch der Regierung
das Verſprechen abgerungen, einſeitige nationale
Zugeſtändniſſe nicht mehr zu machen und ſie
haben die Kraft, das Worthalten zu erzwingen.
Damit ſollten die Tſchechen endlich rechnen und
ihre Politik darnach einrichten. Die Deutſchen
haben keine Angriffspläne wider die Tſchechen,
aber den tſchechiſchen Eroberungs- und Beute-
zügen wollen und werden ſie nicht länger ſich
preisgeben. Mit maßloſen Forderungen werden
ſich die Tſchechen nur immer ſtärker in die Enge
einkeilen.




Soziale Geſetzgebung hüben
und drüben.

Sie ſind merkwürdig kluge Köpfe, unſere Herren
Miniſter, das weiß man ſchon längſt. Der ſo lange
von den Induſtriellen und Arbeitern angeſtrebte
Reformentwurf des Unfallverſicherungsgeſetzes iſt fertig
und liegt in irgend einer Schublade, wahrſcheinlich
auch parfümiert, wohl verwahrt. Er ſoll jedoch erſt
dann das Licht der Sonne erblicken, reſpektive vor
das Parlament gelangen, wenn in demſelben „ein
Milien geſchaffen iſt, in welchem das Geſetz Ausſicht
hat, ſachlich beraten zu werden“. So äußerte ſich
wenigſtens erſt kürzlich ein Herr Sektionschef, als
die Experten für die Reviſionsberatungen der Gefahren-
klaſſen nicht früher in das Detail der Aufgabe ein-
treten wollten, bevor ihnen nicht die geplante Reform
in ihren Hauptzügen bekanntgegeben iſt. Sollte es
[Spaltenumbruch] wirklich ſo ſein? Sollte wirklich nur die Sorge darum,
daß dieſe Geſetzesvorlage auch ſachlich beraten wird,
unſeren Regierungschef davon abhalten, gerade dieſe
Geſetzesvorlage vor das Forum des Parlaments zu
bringen? Wir glauben es nicht! Es ſcheint uns viel-
mehr, daß dieſelbe nur deshalb zurückgehalten wird,
um zur gegebenen Zeit ein Tauſchobjekt abzugeben,
um widerſpenſtige Parteien für eine Staatsnot-
wendigkeit zu gewinnen. Dieſe Tendenz entſpricht
auch weit mehr allen früheren Regierungstaktiken,
ganz beſonders aber der gegenwärtigen.

Man ſcheint die Abſicht zu haben, bei der ſo oft
verſprochenen Reform des Unfallverſicherungsgeſetzes
den berechtigten Wünſchen der Induſtriellen wenig
Rechnung zu tragen und weil man in induſtriellen
Kreiſen die Abſicht merkt, ſo fürchtet die Regierung
naturgemäß auch die Verſtimmung und hüllt die
beabſichtigte Reform in ein tiefes Geheimnis. Was
ſonſt könnte die Regierung veranlaſſen, den Entwurf
nicht dem Induſtrierat, den induſtriellen Korporationen
und den Handelskammern zur Begutachtung vorzulegen?
Oder ſollten dieſelben wieder, wie ſchon ſo oft, über-
rumpelt werden? Will man auch bei dieſer ſo heiß
erſehnten Reform den Eigendünkel ſo weit treiben,
daß man ſagt: wenn die Reform nicht ſo angenommen
wird, wie ſie iſt, ſo findet eine Reform überhaupt
nicht ſtatt? Will man die Induſtriellen gegen die
Arbeiterſchaft ausſpielen, welche eine Reform des
Unfallverſicherungsgeſetzes ebenſo ſehnſüchtig anſtrebt,
wie die Arbeitgeber?

Einer ſolchen Abſicht muß, wenn ſie wirklich
beſtehen ſollte, mit aller Energie entgegengetreten
werden. Das derzeit in Kraft ſtehende Unfallverſiche-
rungsgeſetz iſt ein ſo durch und durch unbrauchbares
und verwerfliches Machwerk, daß es einer gründ-
lichen Reform bedarf und der neue Entwurf muß
daher von allen Seiten geprüft und begutachtet
werden. Dazu iſt es aber notwendig, daß derſelbe
ſo raſch als möglich den in Betracht kommenden
Korporationen vorgelegt werde.

Der vom ungariſchen Handelsminiſterium
verfaßte Geſetzentwurf „betreffend die Unfallverſiche-
rung der Angeſtellten in gewerblichen, kaufmänniſchen
und Verkehrsunternehmungen“ gibt gewiß manche
Anhaltspunkte für die Richtung, in welcher unſer
Geſetz reformiert werden muß.

Es ſchadet nicht, wenn wir von unſeren Nach-
barn jenſeits der Leitha einmal lernen, wie ein der-
artiges Geſetz beſchaffen ſein muß, um es, wenn
auch nicht beliebt, ſo doch wenigſtens populär und
für die Betroffenen erträglich zu machen. Dies hat
unſer Unfallverſicherungsgeſetz, trotz der vielen nach-
träglich erſchienenen Verordnungen, oder vielleicht
auch gerade wegen derſelben, nicht erreicht. Keine
Geſetzeslaſt wird ſo drückend empfunden wie dieſe
Kein Geſetz iſt wegen ſeiner Schikanen ſo verhaßt!
[Spaltenumbruch] Der in demſelben herrſchende Bureaukratismus, das
möglichſte Zurückdrängen derjenigen von der Ver-
waltung, die die Koſten aufzubringen haben und
andere Urſachen mehr ſind es, die das Geſetz nie
populär machen können.

Ungarn hat verſucht, den Verhältniſſen Rechnung
zu tragen und deshalb dürfte der betreffende Ent-
wurf auch dort eine freundliche Aufnahme finden.

Nach dem ungariſchen Entwurf ſoll eine Landes-
Unfallverſicherungskaſſe
geſchaffen werden,
welche eine auf Wechſelſeitigkeit beruhende Genoſſenſchaft
derjenigen Arbeitgeber darſtellt, die nach dem Geſetze
verſicherungspflichtige Betriebe innehaben. Die Landes-
kaſſen werden einem ſtaatlichen Arbeiterverſiche-
rungsamt
unterſtellt. Dieſe iſt die einzige Be-
hörde,
welche über die Landeskaſſen zu wachen hat
und an welche alle Beſchwerden und Rekurſe zu
richten ſind. Es gibt keinen Inſtanzenzug wie bei
uns, keine Rekurſe an die Statthalterei und an das
Miniſterium. Aber auch dieſes ſtattliche Verſicherungs-
amt iſt nicht als ein rein bureaukratiſches gedacht,
denn in dasſelbe ſollen auch Delegierte aus den
Kreiſen der Arbeitgeber und ſolche aus den Kreiſen
der Verſicherten, alſo aus den Kreiſen der Arbeiter,
entſendet werden. Zur leichteren und raſcheren Ab-
wicklung der Geſchäfte werden Bezirksausſchüſſe
gebildet, welche der Kaſſendirektion unterſtehen und
mit einem ziemlich weitgehenden Wirkungskreis aus-
geſtattet werden.

Schon dieſe wenigen Angaben zeigen, wie ſehr
verſchieden der ungariſche Entwurf von unſerem
Unfallverſicherungsgeſetz iſt.

Dieſe zwei erſten Paragraphe entſprechen ſo
ziemlich den Beſtimmungen des § 1 des öſterreichiſchen
Geſetzes. Aber dennoch, wie verſchieden von dieſem,
wie klar und deutlich! Der § 1 des ungariſchen Ent-
wurfes ſetzt feſt, daß alle in verſicherungspflichtigen
Betrieben Beſchäftigten, die nicht mehr als 2400 Kr.
jährlich verdienen, verſicherungspflichtig ſind. Dadurch
werden alle, welche ein höheres jährliches Einkommen
haben, und dies iſt gewiß bei einer großen Anzahl
der induſtriellen Beamten, Buchhalter, Prokuriſten.
Direktoren ꝛc. der Fall, als nicht verſicherungspflichtig
erklärt, ſelbſt dann, wenn ſie in verſicherungspflich-
tigen Betrieben beſchäftigt ſind.

Wer da weiß, wie gerade der Umſtand, daß
nach dem öſterreichiſchen Geſetze alle Beamten eines
verſicherungspflichtigen Betriebes, ohne Rückſicht auf
ihr Einkommen verſicherungspflichtig ſind, zu fortge-
ſetzten Reibereien zwiſchen Unternehmern und Unfall-
verſicherungsanſtalten führt, der wird gewiß mit uns
übereinſtimmen, wenn wir verlangen, daß unſer Geſetz
in dieſer Richtung reformiert werde!

Dieſe Beſtimmung des öſterreichiſchen Geſetzes
iſt es aber auch, welche es den Unfallverſicherungs-
anſtalten ermöglicht, mit ihren polypenartigen Fang-




[Spaltenumbruch]

Der Sport holt ſich gleichfalls ſo manches
Opfer aus dem Tierreiche. Die Rennpferde werden
angetrieben, große Strecken in fabelhaft kurzer Zeit
zu durchraſen, indem man ſie ſtachelt und peitſcht,
bis ſie nicht ſelten erſchöpft zuſammenbrechen. Es iſt
das eine Grauſamkeit, welche durch den Hinweis auf
die angebliche Verbeſſerung des „Zuchtmaterials“
nicht entſchuldigt werden kann.

Auch die Jagd iſt eine Liebhaberei, welche mit
den Leiden des Tieres ihr Spiel treibt. Dort, wo
ſich der Menſch wilder Tiere erwehren muß, wo er
ſeinen Lebensunterhalt durch Jagd erwirbt, dort
kämpft er eben ſeinen Kampf ums Daſein. Allein es
iſt eine ſeltſame Luſt, ein recht tigermäßiges Ver-
gnügen, harmloſe, ängſtliche Tiere des Waldes
niederzuknallen, während ſie von Treibern verfolgt,
von Hunden gehetzt, in gräßlicher Todesangſt nach
einem Auswege ſuchen. Und das iſt nicht alles:
Manches Reh entkommt mit Schrottkörnern im Leibe,
mancher Haſe läuft noch auf drei Beinen davon, um
vielleicht nach tagelanger Qual in einem Winkel zu
verenden. Ein denkender Menſch, der nur etwas Ge-
müt beſitzt, wird ſich ein anderes Vergnügen ſuchen.

Der Menſch bedarf des Fleiſches als Nahrung
— ich wenigſtens werde es nicht beſtreiten — aber
es iſt gewiß unnötig, Schlachttiere tot zu martern.
Da legt z. B. der Fleiſchhauer die Kälber gefeſſelt
ſo auf ſeinen Wagen, daß die Köpfe an den Seiten
des Wagens oder hinten herabbaumeln. Der Wagen
hat natürlich keine Federung. Was muß ſo ein Tier
ausſtehen, bis ihm endlich der Hals durchſchnitten
wird und weiter bis es ausgeblutet hat! Roſegger
bemerkt dazu: „Wäre ich der liebe Gott, ich würde
der Abwechslung halber den Geſellen, der heute
Fleiſcher iſt, morgen Kalb ſein laſſen und übermorgen
ihn höflich fragen, was er über die Sache denkt?
Vielleicht käme doch eine gute Verſtändigung zuſtande
[Spaltenumbruch] und ein billiger Vergleich zwiſchen Tier und Menſch
— die ſchöne Welt würde dadurch ſehr viel ge-
winnen und das Menſchenherz noch mehr“.

Und wäre wirklich die Mühe gar ſo groß, wenn
man Kalb und Schwein wie den Ochſen durch einen
Schlag betäuben wollte, bevor man ſie ſticht? Man
würde dadurch dem Tiere die Todesangſt erſparen,
welche es ſicher nicht minder ſchrecklich fühlt als ein
Menſch. Daß in der Hinſicht manches erreicht werden
kann, beweiſt folgender Bericht: „Der Berliner Tier-
ſchutzverein hat nach einer eingegangenen amtlichen
Enquete mit Hilfe der übrigen Tierſchutzvereine, der
Behörden, Bürgermeiſter und einer Anzahl verſtän-
diger Pfarrer und Lehrer durchgeſetzt, daß von
50 Millionen Kälbern, Schweinen und Schafen, welche
früher oft mit ſchartigen Meſſern in Schlachthäuſern
und auf offener Dorfſtraße viviſeziert wurden, nun
doch ſchon zirka 30 Millionen vor dem Abſtechen
mittelſt Keule, Stiftmaske oder Schußapparat betäubt
werden; bei einem Drittel der deutſchen Gemeinden
iſt es bis jetzt beim Alten geblieben. Wir haben bis
jetzt die Erfahrung gemacht, daß überall da, wo nur
ein barmherziger, verſtändiger Mann in der Gemeinde
ſich um die Sache angenommen hat, die Betäubung
der Schlachttiere vor der Blutentziehung einge-
führt wurde“.

Die Schule als ſolche vermag da freilich nur
wenig zu ſchaffen, aber außerhalb der Schule kann
der Lehrer immerhin ſeinen Einfluß geltend machen.
Als Gemeinderat kann er z. B. den Antrag ſtellen,
daß aus öffentlichen Mitteln ein Betäubungsinſtrument
angeſchafft und unentgeltlich zur Verfügung geſtellt
werde. Gehört er nicht ſelbſt zum Gemeinderate, ſo
iſt er vielleicht mit dem Bürgermeiſter befreundet und
gelangt durch eine diesbezügliche Unterredung ans
Ziel. Auch ſonſt bietet ſich wohl hie und da Ge-
legenheit, in dieſem Sinne zu wirken.


[Spaltenumbruch]

Eine gute Grundlage für die Beſtrebungen des
Tierſchutzes muß allerdings bereits in der Volksſchule
geſchaffen werden. „Der Menſch“, ſagt Kaut, „iſt
von Natur aus weder moraliſch gut noch böſe; er
iſt von Natur gar kein moraliſches Weſen“. Die
Gewohnheit wird ihm zum Recht. Neue Ideen ein-
zuführen, iſt deshalb ſehr ſchwer.

Zunächſt muß das Kind aufhören, das Tier als
eine Sache zu betrachten, es muß ſich deſſen bewußt
werden, daß ein Tier ganz ähnlich denkt und empfindet,
wie ein Menſch. Man verweiſe auf den hohen Grad
von Intelligenz beim Hunde, auf die Beweiſe von
Mutterliebe, auf die Unterordnung der Herdentiere,
auf den Ameiſenſtaat, welcher nicht nur ein ſoziales
Gemeinweſen darſtellt und Vorräte ſammelt, ſondern
ſelbſt Ackerbau und in gewiſſem Sinne (wenigſtens
bei einzelnen Arten kommt es vor) auch Viehzucht
treibt. Ein guter zoologiſcher Unterricht wird ſchon
das rechte zu finden wiſſen. Am beſten dürfte es
ſein, wenn ſich das Kind in konkreten Fällen in die
Lage des Tieres hineindenkt. Entſprechende Geſchichten
aus dem Tierleben leiſten gute Dienſte, um ein
lebhafteres Mitgefühl zu erregen.

Die Gründung von Tierſchutz Schülervereinen
wäre mindeſtens an Landſchulen ins Auge zu faſſen.
Geldbeiträge ſind unnötig. Die Mitglieder werden
einfach aufgeſchrieben und verpflichten ſich, einerſeits
ſelbſt kein Tier zu martern, andererſeits nicht zu
dulden, daß in ihrer Gegenwart andere Kinder Tier-
quälereien vornehmen. Gelegentliche Spenden von
hübſch ausgeſtatteten Tierſchutz-Büchlein, welche man
koſtentos erhält, würden dem ganzen immerhin
einigen Reiz verleihen.

Schließlich will ich noch darauf aufmerkſam
machen, daß durch das Ausroden alter Bäume viele
nützliche Vögel ihre Niſtplätze verlieren. Statt wie
früher in geſchützten Aſtlöchern, bauen manche Vögel


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[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 20. April 1904. Nr. 32. Gerechtigkeit ſelbſt rufen. Vorläufig ſchämen ſich aber die Tſchechen in ihrer Verlogenheit nicht zu behaupten, eine Erfüllung ihrer Wünſche ſei lediglich an die Zuſtimmung der Deutſchen ge- knüpft und deshalb müßten ſie Obſtruktion machen. Warum zerbrechen ſich nicht die tſchechiſchen Führer die Köpfe darüber, wie zu einer Ver- ſtändigung mit den Deutſchen zu gelangen wäre? Es iſt leicht Forderungen zu ſtehlen und den Beleidigten zu ſpielen, weil der andere, dem dieſe Forderung ins Fleiſch ſchneidet, ſich zur Wehre ſetzt. Die Tſchechen haben ſich angewöhnt, das Deutſchtum als eine Art Leiche auf dem Schlachtfelde anzuſehen, der man, ohne daß ſie was dagegen haben kann, die Stiefel ausziehen oder ſonſt wegnehmen kann, was man gerade braucht. Da die Tſchechen endlich die Erfahrung machen mußten, daß der Totgeglaubte noch lebendig iſt und ſich nicht begraben laſſen will, ſpielen ſie die Beleidigten. Es wäre klüger und menſchlicher, wenn ſie ſich mit ihm auseinanderſetzen wollten. Die deutſche Obſtruktion im böhmiſchen Landtage iſt ein Beweis, daß die Deutſchen eine weitere Plünderung durch eine rückſichtsloſe Majorität nicht mehr zugeben. Sie haben auch der Regierung das Verſprechen abgerungen, einſeitige nationale Zugeſtändniſſe nicht mehr zu machen und ſie haben die Kraft, das Worthalten zu erzwingen. Damit ſollten die Tſchechen endlich rechnen und ihre Politik darnach einrichten. Die Deutſchen haben keine Angriffspläne wider die Tſchechen, aber den tſchechiſchen Eroberungs- und Beute- zügen wollen und werden ſie nicht länger ſich preisgeben. Mit maßloſen Forderungen werden ſich die Tſchechen nur immer ſtärker in die Enge einkeilen. Soziale Geſetzgebung hüben und drüben. Sie ſind merkwürdig kluge Köpfe, unſere Herren Miniſter, das weiß man ſchon längſt. Der ſo lange von den Induſtriellen und Arbeitern angeſtrebte Reformentwurf des Unfallverſicherungsgeſetzes iſt fertig und liegt in irgend einer Schublade, wahrſcheinlich auch parfümiert, wohl verwahrt. Er ſoll jedoch erſt dann das Licht der Sonne erblicken, reſpektive vor das Parlament gelangen, wenn in demſelben „ein Milien geſchaffen iſt, in welchem das Geſetz Ausſicht hat, ſachlich beraten zu werden“. So äußerte ſich wenigſtens erſt kürzlich ein Herr Sektionschef, als die Experten für die Reviſionsberatungen der Gefahren- klaſſen nicht früher in das Detail der Aufgabe ein- treten wollten, bevor ihnen nicht die geplante Reform in ihren Hauptzügen bekanntgegeben iſt. Sollte es wirklich ſo ſein? Sollte wirklich nur die Sorge darum, daß dieſe Geſetzesvorlage auch ſachlich beraten wird, unſeren Regierungschef davon abhalten, gerade dieſe Geſetzesvorlage vor das Forum des Parlaments zu bringen? Wir glauben es nicht! Es ſcheint uns viel- mehr, daß dieſelbe nur deshalb zurückgehalten wird, um zur gegebenen Zeit ein Tauſchobjekt abzugeben, um widerſpenſtige Parteien für eine Staatsnot- wendigkeit zu gewinnen. Dieſe Tendenz entſpricht auch weit mehr allen früheren Regierungstaktiken, ganz beſonders aber der gegenwärtigen. Man ſcheint die Abſicht zu haben, bei der ſo oft verſprochenen Reform des Unfallverſicherungsgeſetzes den berechtigten Wünſchen der Induſtriellen wenig Rechnung zu tragen und weil man in induſtriellen Kreiſen die Abſicht merkt, ſo fürchtet die Regierung naturgemäß auch die Verſtimmung und hüllt die beabſichtigte Reform in ein tiefes Geheimnis. Was ſonſt könnte die Regierung veranlaſſen, den Entwurf nicht dem Induſtrierat, den induſtriellen Korporationen und den Handelskammern zur Begutachtung vorzulegen? Oder ſollten dieſelben wieder, wie ſchon ſo oft, über- rumpelt werden? Will man auch bei dieſer ſo heiß erſehnten Reform den Eigendünkel ſo weit treiben, daß man ſagt: wenn die Reform nicht ſo angenommen wird, wie ſie iſt, ſo findet eine Reform überhaupt nicht ſtatt? Will man die Induſtriellen gegen die Arbeiterſchaft ausſpielen, welche eine Reform des Unfallverſicherungsgeſetzes ebenſo ſehnſüchtig anſtrebt, wie die Arbeitgeber? Einer ſolchen Abſicht muß, wenn ſie wirklich beſtehen ſollte, mit aller Energie entgegengetreten werden. Das derzeit in Kraft ſtehende Unfallverſiche- rungsgeſetz iſt ein ſo durch und durch unbrauchbares und verwerfliches Machwerk, daß es einer gründ- lichen Reform bedarf und der neue Entwurf muß daher von allen Seiten geprüft und begutachtet werden. Dazu iſt es aber notwendig, daß derſelbe ſo raſch als möglich den in Betracht kommenden Korporationen vorgelegt werde. Der vom ungariſchen Handelsminiſterium verfaßte Geſetzentwurf „betreffend die Unfallverſiche- rung der Angeſtellten in gewerblichen, kaufmänniſchen und Verkehrsunternehmungen“ gibt gewiß manche Anhaltspunkte für die Richtung, in welcher unſer Geſetz reformiert werden muß. Es ſchadet nicht, wenn wir von unſeren Nach- barn jenſeits der Leitha einmal lernen, wie ein der- artiges Geſetz beſchaffen ſein muß, um es, wenn auch nicht beliebt, ſo doch wenigſtens populär und für die Betroffenen erträglich zu machen. Dies hat unſer Unfallverſicherungsgeſetz, trotz der vielen nach- träglich erſchienenen Verordnungen, oder vielleicht auch gerade wegen derſelben, nicht erreicht. Keine Geſetzeslaſt wird ſo drückend empfunden wie dieſe Kein Geſetz iſt wegen ſeiner Schikanen ſo verhaßt! Der in demſelben herrſchende Bureaukratismus, das möglichſte Zurückdrängen derjenigen von der Ver- waltung, die die Koſten aufzubringen haben und andere Urſachen mehr ſind es, die das Geſetz nie populär machen können. Ungarn hat verſucht, den Verhältniſſen Rechnung zu tragen und deshalb dürfte der betreffende Ent- wurf auch dort eine freundliche Aufnahme finden. Nach dem ungariſchen Entwurf ſoll eine Landes- Unfallverſicherungskaſſe geſchaffen werden, welche eine auf Wechſelſeitigkeit beruhende Genoſſenſchaft derjenigen Arbeitgeber darſtellt, die nach dem Geſetze verſicherungspflichtige Betriebe innehaben. Die Landes- kaſſen werden einem ſtaatlichen Arbeiterverſiche- rungsamt unterſtellt. Dieſe iſt die einzige Be- hörde, welche über die Landeskaſſen zu wachen hat und an welche alle Beſchwerden und Rekurſe zu richten ſind. Es gibt keinen Inſtanzenzug wie bei uns, keine Rekurſe an die Statthalterei und an das Miniſterium. Aber auch dieſes ſtattliche Verſicherungs- amt iſt nicht als ein rein bureaukratiſches gedacht, denn in dasſelbe ſollen auch Delegierte aus den Kreiſen der Arbeitgeber und ſolche aus den Kreiſen der Verſicherten, alſo aus den Kreiſen der Arbeiter, entſendet werden. Zur leichteren und raſcheren Ab- wicklung der Geſchäfte werden Bezirksausſchüſſe gebildet, welche der Kaſſendirektion unterſtehen und mit einem ziemlich weitgehenden Wirkungskreis aus- geſtattet werden. Schon dieſe wenigen Angaben zeigen, wie ſehr verſchieden der ungariſche Entwurf von unſerem Unfallverſicherungsgeſetz iſt. Dieſe zwei erſten Paragraphe entſprechen ſo ziemlich den Beſtimmungen des § 1 des öſterreichiſchen Geſetzes. Aber dennoch, wie verſchieden von dieſem, wie klar und deutlich! Der § 1 des ungariſchen Ent- wurfes ſetzt feſt, daß alle in verſicherungspflichtigen Betrieben Beſchäftigten, die nicht mehr als 2400 Kr. jährlich verdienen, verſicherungspflichtig ſind. Dadurch werden alle, welche ein höheres jährliches Einkommen haben, und dies iſt gewiß bei einer großen Anzahl der induſtriellen Beamten, Buchhalter, Prokuriſten. Direktoren ꝛc. der Fall, als nicht verſicherungspflichtig erklärt, ſelbſt dann, wenn ſie in verſicherungspflich- tigen Betrieben beſchäftigt ſind. Wer da weiß, wie gerade der Umſtand, daß nach dem öſterreichiſchen Geſetze alle Beamten eines verſicherungspflichtigen Betriebes, ohne Rückſicht auf ihr Einkommen verſicherungspflichtig ſind, zu fortge- ſetzten Reibereien zwiſchen Unternehmern und Unfall- verſicherungsanſtalten führt, der wird gewiß mit uns übereinſtimmen, wenn wir verlangen, daß unſer Geſetz in dieſer Richtung reformiert werde! Dieſe Beſtimmung des öſterreichiſchen Geſetzes iſt es aber auch, welche es den Unfallverſicherungs- anſtalten ermöglicht, mit ihren polypenartigen Fang- Der Sport holt ſich gleichfalls ſo manches Opfer aus dem Tierreiche. Die Rennpferde werden angetrieben, große Strecken in fabelhaft kurzer Zeit zu durchraſen, indem man ſie ſtachelt und peitſcht, bis ſie nicht ſelten erſchöpft zuſammenbrechen. Es iſt das eine Grauſamkeit, welche durch den Hinweis auf die angebliche Verbeſſerung des „Zuchtmaterials“ nicht entſchuldigt werden kann. Auch die Jagd iſt eine Liebhaberei, welche mit den Leiden des Tieres ihr Spiel treibt. Dort, wo ſich der Menſch wilder Tiere erwehren muß, wo er ſeinen Lebensunterhalt durch Jagd erwirbt, dort kämpft er eben ſeinen Kampf ums Daſein. Allein es iſt eine ſeltſame Luſt, ein recht tigermäßiges Ver- gnügen, harmloſe, ängſtliche Tiere des Waldes niederzuknallen, während ſie von Treibern verfolgt, von Hunden gehetzt, in gräßlicher Todesangſt nach einem Auswege ſuchen. Und das iſt nicht alles: Manches Reh entkommt mit Schrottkörnern im Leibe, mancher Haſe läuft noch auf drei Beinen davon, um vielleicht nach tagelanger Qual in einem Winkel zu verenden. Ein denkender Menſch, der nur etwas Ge- müt beſitzt, wird ſich ein anderes Vergnügen ſuchen. Der Menſch bedarf des Fleiſches als Nahrung — ich wenigſtens werde es nicht beſtreiten — aber es iſt gewiß unnötig, Schlachttiere tot zu martern. Da legt z. B. der Fleiſchhauer die Kälber gefeſſelt ſo auf ſeinen Wagen, daß die Köpfe an den Seiten des Wagens oder hinten herabbaumeln. Der Wagen hat natürlich keine Federung. Was muß ſo ein Tier ausſtehen, bis ihm endlich der Hals durchſchnitten wird und weiter bis es ausgeblutet hat! Roſegger bemerkt dazu: „Wäre ich der liebe Gott, ich würde der Abwechslung halber den Geſellen, der heute Fleiſcher iſt, morgen Kalb ſein laſſen und übermorgen ihn höflich fragen, was er über die Sache denkt? Vielleicht käme doch eine gute Verſtändigung zuſtande und ein billiger Vergleich zwiſchen Tier und Menſch — die ſchöne Welt würde dadurch ſehr viel ge- winnen und das Menſchenherz noch mehr“. Und wäre wirklich die Mühe gar ſo groß, wenn man Kalb und Schwein wie den Ochſen durch einen Schlag betäuben wollte, bevor man ſie ſticht? Man würde dadurch dem Tiere die Todesangſt erſparen, welche es ſicher nicht minder ſchrecklich fühlt als ein Menſch. Daß in der Hinſicht manches erreicht werden kann, beweiſt folgender Bericht: „Der Berliner Tier- ſchutzverein hat nach einer eingegangenen amtlichen Enquete mit Hilfe der übrigen Tierſchutzvereine, der Behörden, Bürgermeiſter und einer Anzahl verſtän- diger Pfarrer und Lehrer durchgeſetzt, daß von 50 Millionen Kälbern, Schweinen und Schafen, welche früher oft mit ſchartigen Meſſern in Schlachthäuſern und auf offener Dorfſtraße viviſeziert wurden, nun doch ſchon zirka 30 Millionen vor dem Abſtechen mittelſt Keule, Stiftmaske oder Schußapparat betäubt werden; bei einem Drittel der deutſchen Gemeinden iſt es bis jetzt beim Alten geblieben. Wir haben bis jetzt die Erfahrung gemacht, daß überall da, wo nur ein barmherziger, verſtändiger Mann in der Gemeinde ſich um die Sache angenommen hat, die Betäubung der Schlachttiere vor der Blutentziehung einge- führt wurde“. Die Schule als ſolche vermag da freilich nur wenig zu ſchaffen, aber außerhalb der Schule kann der Lehrer immerhin ſeinen Einfluß geltend machen. Als Gemeinderat kann er z. B. den Antrag ſtellen, daß aus öffentlichen Mitteln ein Betäubungsinſtrument angeſchafft und unentgeltlich zur Verfügung geſtellt werde. Gehört er nicht ſelbſt zum Gemeinderate, ſo iſt er vielleicht mit dem Bürgermeiſter befreundet und gelangt durch eine diesbezügliche Unterredung ans Ziel. Auch ſonſt bietet ſich wohl hie und da Ge- legenheit, in dieſem Sinne zu wirken. Eine gute Grundlage für die Beſtrebungen des Tierſchutzes muß allerdings bereits in der Volksſchule geſchaffen werden. „Der Menſch“, ſagt Kaut, „iſt von Natur aus weder moraliſch gut noch böſe; er iſt von Natur gar kein moraliſches Weſen“. Die Gewohnheit wird ihm zum Recht. Neue Ideen ein- zuführen, iſt deshalb ſehr ſchwer. Zunächſt muß das Kind aufhören, das Tier als eine Sache zu betrachten, es muß ſich deſſen bewußt werden, daß ein Tier ganz ähnlich denkt und empfindet, wie ein Menſch. Man verweiſe auf den hohen Grad von Intelligenz beim Hunde, auf die Beweiſe von Mutterliebe, auf die Unterordnung der Herdentiere, auf den Ameiſenſtaat, welcher nicht nur ein ſoziales Gemeinweſen darſtellt und Vorräte ſammelt, ſondern ſelbſt Ackerbau und in gewiſſem Sinne (wenigſtens bei einzelnen Arten kommt es vor) auch Viehzucht treibt. Ein guter zoologiſcher Unterricht wird ſchon das rechte zu finden wiſſen. Am beſten dürfte es ſein, wenn ſich das Kind in konkreten Fällen in die Lage des Tieres hineindenkt. Entſprechende Geſchichten aus dem Tierleben leiſten gute Dienſte, um ein lebhafteres Mitgefühl zu erregen. Die Gründung von Tierſchutz Schülervereinen wäre mindeſtens an Landſchulen ins Auge zu faſſen. Geldbeiträge ſind unnötig. Die Mitglieder werden einfach aufgeſchrieben und verpflichten ſich, einerſeits ſelbſt kein Tier zu martern, andererſeits nicht zu dulden, daß in ihrer Gegenwart andere Kinder Tier- quälereien vornehmen. Gelegentliche Spenden von hübſch ausgeſtatteten Tierſchutz-Büchlein, welche man koſtentos erhält, würden dem ganzen immerhin einigen Reiz verleihen. Schließlich will ich noch darauf aufmerkſam machen, daß durch das Ausroden alter Bäume viele nützliche Vögel ihre Niſtplätze verlieren. Statt wie früher in geſchützten Aſtlöchern, bauen manche Vögel

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 32, Baden (Niederösterreich), 20.04.1904, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener032_1904/2>, abgerufen am 24.11.2024.