Badener Zeitung. Nr. 58, Baden (Niederösterreich), 21.07.1909. Badener Zeitung Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsschluß: Nr. 58 Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juli 1909 30. Jahrg. [Spaltenumbruch] Die politischen Machenschaften des Herrenhausmitgliedes Herrn Hermann Braß. (Einer der vielen Beweise des Nieder- ganges des Deutschtums in Oester- reich.) Die Macht und der Einfluß eines Volks- Es kam die schreckliche Niederlage des [Spaltenumbruch] Feuilleton. Aus den Tagebüchern des Grafen Prokesch-Osten. 1830--1834. Verlag von Christof Reißer's Söhnen, Wien 1909. (Schluß.) In der Erzherzog Karl-Ausstellung, welche heuer Tagsdarauf verzeichnet Prokesch den merkwür- Unterm 30. August muß Reichstadt Prokesch Der Herzog glaubte zu wissen, daß die öffent- Prokesch, selbst ein Militär von Bedeutung, fällt Reichstadt war sehr wankelmütig, schon unterm Am 8. November las der Prinz Prokesch das [Spaltenumbruch] Unterm 29. November nimmt Reichstadt dem Auch über Herzensneigungen weihte Reichstadt Mit Beginn 1831 findet Prokesch den Herzog Daß unter solchen Auspizien der Prinz, wie Als Prokesch nach Italien geschickt wird, um Nach Prokesch' Rückkehr von Italien im Herbste Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsſchluß: Nr. 58 Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juli 1909 30. Jahrg. [Spaltenumbruch] Die politiſchen Machenſchaften des Herrenhausmitgliedes Herrn Hermann Braß. (Einer der vielen Beweiſe des Nieder- ganges des Deutſchtums in Oeſter- reich.) Die Macht und der Einfluß eines Volks- Es kam die ſchreckliche Niederlage des [Spaltenumbruch] Feuilleton. Aus den Tagebüchern des Grafen Prokeſch-Oſten. 1830—1834. Verlag von Chriſtof Reißer’s Söhnen, Wien 1909. (Schluß.) In der Erzherzog Karl-Ausſtellung, welche heuer Tagsdarauf verzeichnet Prokeſch den merkwür- Unterm 30. Auguſt muß Reichſtadt Prokeſch Der Herzog glaubte zu wiſſen, daß die öffent- Prokeſch, ſelbſt ein Militär von Bedeutung, fällt Reichſtadt war ſehr wankelmütig, ſchon unterm Am 8. November las der Prinz Prokeſch das [Spaltenumbruch] Unterm 29. November nimmt Reichſtadt dem Auch über Herzensneigungen weihte Reichſtadt Mit Beginn 1831 findet Prokeſch den Herzog Daß unter ſolchen Auſpizien der Prinz, wie Als Prokeſch nach Italien geſchickt wird, um Nach Prokeſch’ Rückkehr von Italien im Herbſte <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Badener Zeitung</hi><lb/> Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition"> <p><cb/><hi rendition="#b">Redaktionsſchluß:<lb/> Dienstag und Freitag früh.<lb/><cb/> Erſcheint Wittwoch und Samstag früh.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Telephon-Anſchluß Nr. 229. <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><lb/> <cb/> Anverlangt eingeſandte Mannſkripte<lb/> werden nicht zurückgeſendet.<lb/> Abonnement Baden:</hi> Zum Abholen vierteljährig <hi rendition="#aq">K</hi> 2·50, halbjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 5·—, ganzjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 10·—. 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Letzterer eröffnet<lb/> ſich Prokeſch als Deiſten und Anhänger der konſti-<lb/> tutionellen Monarchie mit Bedingung des Diktorats<lb/> in Kreiſen. Prokeſch hat auch Gelegenheit, Reichſtadt<lb/> aus einer argen Verlegenheit Dietrichſtein gegenüber</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.
Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
Erſcheint Wittwoch und Samstag früh.
Telephon-Anſchluß Nr. 229.
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werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 58 Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juli 1909 30. Jahrg.
Die politiſchen Machenſchaften
des Herrenhausmitgliedes Herrn
Hermann Braß.
(Einer der vielen Beweiſe des Nieder-
ganges des Deutſchtums in Oeſter-
reich.)
Die Macht und der Einfluß eines Volks-
ſtammes beruht auf deſſen Kultur. Die Welt-
geſchichte iſt eigentlich nichts anderes als der
Beweis dieſes Ausſpruches und in keinem
Staate tritt dieſe Wahrheit ſo zutage wie
in Oeſterreich. Dieſes mächtige und große
Reich ſteht infolge einer ſchlechten, unglück-
lichen, korrupten Regierung, infolge einer
Niederlage in Italien, wo ſeit Jahrhunderten
ſo viel deutſches Blut zwecklos vergoſſen
wurde, vor dem Abgrund des Verderbens.
Es bricht über dieſes Reich eine finanzielle
Kataſtrophe herein, ein Staatsfinanzkrach, wie
er außer der franzöſiſchen Aſſignatenepoche in
der Geſchichte noch nicht verzeichnet war.
Kein inländiſcher und noch weniger ein aus-
ländiſcher Wucherer wagt es, ſelbſt zu den
höchſten Wucherzinſen, dieſem in ſich zuſam-
menbrechenden Staate etwas zu borgen. Der
Zerfall ſcheint unausbleiblich. Unter den vielen
Völkern dieſes Reiches gibt es nur einen
Volksſtamm, der zur Rettung des Ganzen
berufen werden kann, es iſt der deutſche.
Um dieſe Rettung zu ermöglichen, mußte je-
doch dieſem Volksſtamm ſein Können, d. h.
die Macht ſeiner großen Kultur, vollſtändig
zurückgegeben werden. Das iſt der eigentliche
Sinn des Februarpatentes und der Miſſion
Schmerlings. Als die Deutſchen in die
Möglichkeit der fruchtbaren Ausnützung ihrer
hohen Kultur allmählig verſetzt wurden, hatten
ſie auch die Aufgabe der Rettung Oeſterreichs
glänzend gelöſt.
Es kam die ſchreckliche Niederlage des
Jahres 1866, die natürliche Folge des Um-
ſtandes, daß Schmerling fallen gelaſſen wurde,
und wieder waren jene Elemente zur Re-
gierung und Macht gelangt, welche in Oeſter-
reichs Geſchichte für ewige Zeit mit der Schuld
belaſtet ſtehen, ihr Vaterland in den Fünfziger-
Jahren vollſtändig zerrüttet und wehrlos ge-
macht zu haben. Gerade das Unglück des
Jahres 1866 zeigte die Macht deutſcher
Kultur im hellſten Strahlenkranze, und ſo
wurde ihr geſtattet, Oeſterreich nochmals zu
retten. Alles, was heute Oeſterreich an Kraft
und Größe beſitzt, iſt nur der Reſt des Er-
folges jener arbeitsfreudigen, von den Tſchechen
beſchimpften Kulturträger. Aber die Deutſchen
ſind nun einmal mit einer ſchweren Krankheit
erblich belaſtet, die hauptſächlich dann einen
akuten Charakter erhält, wenn ſie irgendwo
zu einer beſonderen Entwicklungshöhe ge-
langte. Uneinigkeit, bis zur unausſtehlichſten
Rechthaberei geſteigert, machte den Aufenthalt
im damaligen rein deutſchen Miniſterrat zu
einer reinen Höllenqual und als noch der
bosniſche Kalkulationsfehler dazu kam, wurde
ein eiſerner Ring um ihre Machtſphäre ge-
ſchloſſen. Zur Minorität im Abgeordneten-
hauſe verurteilt, durch traurige Erfahrungen
von der ſchweren Krankheit zeitweiſe geheilt,
entwickelt ſich die deutſchliberale Partei zur
höchſten Kraftleiſtung, ſie wirkt unter dem
zyniſchen Regime Taaffe als der deutſch-
öſterreichiſche Eckehart und es gelingt ihr, die
deutſche Kultur noch einige Zeit vor dem
Feuilleton.
Aus den
Tagebüchern des Grafen Prokeſch-Oſten.
1830—1834.
Verlag von Chriſtof Reißer’s Söhnen, Wien 1909.
(Schluß.)
In der Erzherzog Karl-Ausſtellung, welche heuer
zur Erinnerung an die Schlacht bei Aſpern in den
Räumlichkeiten des neuen Muſeumstraktes inſtalliert
war, konnte man auch viele Ausſtellungsobjekte be-
trachten, die auf den unglücklichen Sohn Napoleons
aus ſeiner Ehe mit Maria Louiſe, den Herzog von
Reichſtadt Bezug hatten. Nun leſen ſich in Prokeſch’
Tagebüchern alle Eintragungen über dieſe intereſſante
hiſtoriſche Perſönlichkeit wie ein Kommentar zu dieſen
Ausſtellungsobjekten. Mit der Raſchheit eines elek-
triſchen Funkens bildete ſich zwiſchen Prokeſch und
dem Herzog ein intimes Verhältnis heraus, das bis
zum Tode des Prinzen währte. Am 23. Juni 1830
hatte Prokeſch das erſte Zuſammentreffen mit dem
Herzog, das ſich ſchon auf zwei intereſſante Geſpräch-
ſtunden erſtreckte und ſchon fünf Tage ſpäter nennt
Reichſtadt Prokeſch ſeinen „Poſa“. Prokeſch’ Anſichten
über Hannibal entzückten den Prinzen.
Tagsdarauf verzeichnet Prokeſch den merkwür-
digen Ausſpruch Reichſtadt’s: „Frankreich geb’ ich
auf, ich kann kein Aventurier werden, noch den Li-
beralen dienen wollen. Aus dem allgemeinen Chaos
möchte ich mir Polen zuſammenſtellen und für mich
haben“.
Unterm 30. Auguſt muß Reichſtadt Prokeſch
ſchon eingeſtehen, daß es Metternich ſeiner Mutter
abſchlug, daß Prokeſch zu ihm käme, doch er knüpft
die Hoffnung daran: „Was nicht iſt, kann noch
werden; es wird die Zeit kommen, wo mein Wille
gilt“.
Der Herzog glaubte zu wiſſen, daß die öffent-
liche Meinung von ihm gering ſei, hält dies aber für
beſſer. Er erblickt ſeine Aufgabe darin, ſich nur mit
Leib und Seele an Oeſterreich hängend zu geben.
Er weiß genau, daß die Armee nur ſeine Stütze iſt,
nicht die kaiſerliche Familie, in der aber nur Erz-
herzog Karl gilt.
Prokeſch, ſelbſt ein Militär von Bedeutung, fällt
nun über den Herzog ein ſehr bemerkenswertes Urteil,
indem er über ihn ſchreibt: „Ich habe heute den
Herzog von Reichſtadt geſprochen. Ich laſſe mir den
Kopf abhacken, wenn er nicht mehr militäriſche Ta-
lente hat, als der geſchickteſte unſerer Generale. Aber
in der Anleitung zu ſeinen militäriſchen Studien iſt
über dem Kleinen und Zufälligen das Große und
Notwendige auf die Seite geſetzt. Friedrich von
Preußen ſagte: „La guerre est une science pour les
hommes de genie, un art pour les médiocres et un
métier pour les ignorants“.
Reichſtadt war ſehr wankelmütig, ſchon unterm
3. September gibt er wieder ſeinem heißen Wunſche
nach dem Throne von Frankreich Ausdruck.
Am 8. November las der Prinz Prokeſch das
Teſtament Napoleons vor und ſügte die Bemerkung
daran, daß im Artikel 4 des § 1 die Vorſchrift für
ſein ganzes Leben läge. Sein Mentor Dietrichſtein
gibt Prokeſch gegenüber auch der Anſicht Ausdruck,
daß er für den Prinzen keine andere Zukunft ſehe,
als den Thron von Frankreich, nur fürchtet er deſſen
Ungeduld, Hang zur Trägheit und extravagante Kriegs-
luſt. Er meint aber, daß der Herzog jede Lockung
ſeitens der Familie Napoleons, außer ſie käme von
Lucian oder Joſef, zurückweiſen müſſe.
Unterm 29. November nimmt Reichſtadt dem
Prokeſch das Wort ab, daß er in jeder ernſten Lage
auf ihn zählen könne. Eine Handzeichnung, ein Pferd
ſeines Vaters nach Vernet, ſchenkt er Prokeſch und
dieſer gab ſie im Jahre 1855 an Napoleon III.
Auch über Herzensneigungen weihte Reichſtadt
Prokeſch ein, ſo geſtand er ihm ſeine Neigung zur
Gräfin Karoly geb. Fürſtin Kaunitz, was aber Pro-
keſch heftigſt bekämpft.
Mit Beginn 1831 findet Prokeſch den Herzog
in größter Erregung über die Vorfallenheiten in
Paris. Er möchte Frankreichs Thron, fürchtet aber,
daß die Zeit dränge und geſteht ſelbſt ein, daß er
noch nicht hinlänglich vorbereitet ſei. Er wurde in
ſeinem Verlangen nach dem franzöſiſchen Throne umſo
mehr beſtärkt, als Kaiſer Franz zu ihm ſagte: „Wenn
das franzöſiſche Volk es verlange und die Alliierten
es zugeben, hätte ich nichts dagegen“. Auch ſpricht
der Kaiſer einmal ſeinen Hintergedanken aus, daß
„in Frankreich alles querüber gehen möge, um Orleans
mit Reichſtadt zu erſetzen“.
Daß unter ſolchen Auſpizien der Prinz, wie
Prokeſch verzeichnet, „vor Ungeduld zerriſſen iſt“,
nimmt nicht Wunder. Aber den Grundſatz ſpricht der
Prinz aus, daß er nur auf den Ruf der franzöſiſchen
Armee, nicht aber auf jenen der Bajonette der Alli-
ierten nach Frankreich gehen möchte.
Als Prokeſch nach Italien geſchickt wird, um
von Reichſtadt entfernt zu werden, ſchenkt er ihm
ſeine Uhr, wogegen Prokeſch ihm ein albaneſiſches
Gewehr gibt.
Nach Prokeſch’ Rückkehr von Italien im Herbſte
findet er den Prinzen viel ruhiger. Letzterer eröffnet
ſich Prokeſch als Deiſten und Anhänger der konſti-
tutionellen Monarchie mit Bedingung des Diktorats
in Kreiſen. Prokeſch hat auch Gelegenheit, Reichſtadt
aus einer argen Verlegenheit Dietrichſtein gegenüber
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