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Badener Zeitung. Nr. 70, Baden (Niederösterreich), 30.08.1916.

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Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

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werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaus an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. -- Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 70. Baden bei Wien, Mittwoch, den 30. August 1916. 37. Jahra.


[Spaltenumbruch]
Die
Kriegserklärung Rumäniens.

Der 28. August 1916 wird ebenfalls für
alle Zeiten von der Weltgeschichte verewigt werden.
Nach mehr als 2 jähriger Kriegsdauer hat er den
Mittelmächten gleich zwei neue Kriegserklärungen
auf einmal gebracht. Mehr dem Zwange als dem
eigenen Trieb gehorchend, hat Italien an Deutsch-
land den Krieg erklärt, das gleiche hat Rumänien
unserer Monarchie gegenüber getan. In später
Nachtstunde ist der königlich rumänische Gesandte
im Ministerium des Aeußern erschienen, um
daselbst eine Note zu überreichen, derzufolge sich
Rumänien ab 27. August 9. Uhr abends als im
Kriegszustande mit Oesterreich-Ungarn befindlich
betrachtet. Man sieht, wie leicht und einfach die
Herrschenden sich die Kriege machen, die doch für
das Volk so unendlich schrecklich und traurig sind.
Auf die Gründe, die sie für ihr Tun ins Feld
führen, braucht man gar nicht einzugehen. Man
weiß es, daß diese "Gründe" nur die gemachten
Vorwände für einen längst vorhandenen, von
langer Hand vorbereiteten Willen anzusehen und
zu werten sind. Italien hat den Krieg nicht an
Deutschland aus freien Stücken erklärt. Es war
vielmehr das offensichtliche Bestreben der ita-
lienischen Regierung, nicht auch noch die letzten
schmalen Brücken die zum Dreibunde führten,
abzubrechen. Die gleiche Ansicht machte sich in
Italien geltend. Man sagte, es sei nicht nötig,
den Ehemann zu spielen, der gleich einen roten
Kopf bekommt, wenn seine Frau einmal eine
Extratour mit einem anderen tanze. Der Wille,
den Friede zu erhalten, war da und dort vor-
handen. Aber stärker als dieser Wille war die
Gewalt der Entente, die kurz entschlossen den
"neuen Freund" auf schmale Kost setzte, um ihn
den Ententewünschen gefügiger zu machen. England
ging dabei von der Voraussetzung aus, daß
Italien nicht als vollwertiger Bundesgenosse zu
gelten habe, sondern lediglich ein gekauftes Hilfs-
volk sei, welches keinen Willen haben könne, sondern
einfach und ohne Widerrede den Platz auszufüllen
habe, der ihm von den eigentlichen Akteuren zu-
gewiesen wird. Wäre nicht schon alle Vernunft
-- von Rechtlichkeit kann man ja schon gar nicht
mehr reden -- restlos aus dieser Welt gewichen,
dann hätte die Behandlung, die den Italienern
von seinen Bundesgenossen zu teil wird, den
Rumänen zu denken geben müssen. König Ferdi-
nand von Rumänien, der frühere Fürst von
Hohenzollern-Sigmaringen, hätte in diesem Falle
vielleicht doch einen Augenblick bei dem Gedanken
verweilen müssen, ob es denn wirklich notwendig
war, ein freies Volk einigen Versprechungen zu
Liebe in die sklavische Abhängigkeit einer Clique
zu bringen, die offenkundig die unumschränkte
Herrschaft über Europa anstrebt, unter der dann
[Spaltenumbruch] kein Platz mehr ist für die freie Entfaltung
eines Kleinstaates, wie es Rumänien ist und
auch bleiben wird. Der imperalistische Größenwahn
hat aber alle vernünftigen Erwägungen, alle
Lehren der Geschichte, die schier auf jeder Seite
die Rumänen zur Vorsicht gegenüber ihren neuen
Freunden mahnt, achtlos beiseite geschoben.

Rumänien hat in diesem Kriege viel, viel Gold
verdient. Der Reichtum des Landes hat sich in
diesen zwei Jahren um ein gewaltiges gesteigert.
Zugleich aber mit diesem Wohlstande steigerten
sich die bösen Gelüste nach fremdem Gut und
Eigentum, nach einer imperalistischen Machtpolitik,
diesem Grundübel der Menschheit, welches jedesmal
in den Krieg einmündet, der, selbst wenn er im
günstigen Sinne endigt, nach Bismarck ein Unglück
für das Volk bedeutet. Ein solches Unglück hat
der König von Rumänien im Vereine mit seinen
Räten über das rumänische Volk gebracht. Das
Verbrechen, welches da begangen wurde, ist
umso größer, als gar keine Notwendigkeit
vorhanden war, es zu begehen. Mag sein, daß
Rußland mit einem Durchmarsche gedroht hat.
Aber Rumänien hätte ja ruhig abwarten können,
und es hätte dann sicher die Wahrnehmung ge-
macht, daß Rußland es sich wohl überlegt, mit
Rumänien anzubinden. König Ferdinand hat Groß-
machtsträume. Die seitens unserer Monarchte
gemachten Auerbietungen territorialer wie wirt-
schaftlicher Natur genügten nicht mehr. Also wird
ans Schwert gegriffen, um eventuell auch im
Wege politischer Leichenflederei jenes Groß-Rumä-
nien zu verwirklichen, von welchem dem Volke
goldene Berge versprochen werden. So abgebraucht
das Rezent des Imperalismus ist, der nur sich
allein gelten läßt nnd die Menschen nur als
Mittel zum Zweck betrachtet, es zieht dank der
völligen Gedankenlosigkeit der Menschheit immer
wieder. Regelmäßig fallen die Leute auf die ver-
lockend ausgemalten Zukunftsbilder hinein,
trotzdem es die Welt hundertmal schon gesehen
hat, daß die Verheißungen besseren Gedeihens
unsichere Zukunftswechsel sind, die sofort mit
Blut und Geld honoriert werden mussen, am
Fälligkeitstage aber nicht oder nur zum Teile
eingelöst werden. Das aber ist eine Sache, die
das rumänische Volk früher oder später einmal
mit seinen Herrschenden wird auszumachen haben.

Was uns betrifft, so kommt uns der nun-
mehr zur Tat gewordene Raubzug Rumäniens
nicht so sehr überraschend. Schon längst haben
wir es gewußt, daß die Verhältnisse zwischen
unserer Monarchie und dem rumänischen Nachbar
unhaltbare geworden sind. Wenn die Nachricht
von der rumänischen Kriegserklärung auf viele
wie eine einschlagende Bombe wirkte, so trägt
nur wieder jene Presse Schuld daran, die ent-
weder aus eigenem Antrieb oder im Auftrage
Dritter die Sache noch als gänzlich harmlos hin-
[Spaltenumbruch] stellte in demselben Augenblicke, wo der rumänische
Gesandte die Kriegserklärung bereits in der Tasche
hatte. Wie das Lesepublikum von dieser Presse
an der Nase herumgeführt wird, zeigt das Ver-
halten eines Wiener Montagsblattes, welches sich
rühmt, gerade mit dem Auswärtigen Amte eine
enge Fühlung zu haben. Dieses Blatt druckt im
Anschlusse an die Mitteilung über den Kronrat
in Bukarest mit breitem Behagen eine "beruhi-
gende" Notiz des rumänischen Blattes "Politique"
ab, in der es heißt, der Kronrat habe gar keine
weitere Bedeutung, sondern habe "nur den Cha-
rakter einer einfachen Befragung durch den König,
der die Ansicht berufener Persönlichkeiten und die
verschiedenen Meinungen des Landes entgegen-
nehmen will". In einer anderen Notiz bespricht
das genannte, sich überoffiziös gebärdende Mon-
tagsblatt die angebliche Interesselosigkeit der rus-
sischen Presse Rumänien gegenüber und versieht
diese Notiz mit der neckischen Ueberschrift: "Sind
die Trauben sauer geworden?" Die Notiz trägt
das Datum von eben demselben 27. August, von
dem sich die rumänische Regierung mit uns im
Kriegszustande befindlich erachtet. Daraus geht
hervor, daß diese wichtigtuende Presse eben gar
nichts weiß und auch gar keine Informationen
bekommt. Denn für so uninformiert halten wir
unser Auswärtiges Amt doch nicht, daß es erst
über die wahre Lage in Rumänien durch das Er-
scheinen des Gesandten unterrichtet wurde, der
die Kriegserklärung brachte. Wir führen dieses
Beispiel an, um die Qualitäten der Berichterstat-
tung jener Presse aufzuzeigen, die jetzt mit lautem
Hollodrio unter Zuhilfenahme abgebrauchter Kli-
schees, wie z. B. "wir werden nicht alleinstehen"
und wie diese schönen Redensarten noch alle heißen
mögen, daran gehen wird, den großen Ernst der
Situation zu verschleiern.

Die Kunde von diesem neuen Kriege ist ein
schwerer Schlag für die Menschheit, die sich nach
dem Frieden, nach der Wiederkehr geordneter Ver-
hältnisse sehnt. Wo ist denn der Retter, der
Europa vor dem Schicksal bewahrt, im Blute
seiner Söhne und in der Gemeinheit, die dieser
Krieg gezüchtet und die noch immer neue Kriege
zeitigt, zu ersticken?




Die Jugendbildung und der Krieg.

Daß Ereignisse von so umwälzender Gewalt,
wie es der gegenwärtige Krieg ist, auf die Jugend
und Jugendbildung nicht ohne tiefgreifende Ein-
flüsse sein können, bedarf erst nicht langer Beweise.
Der Idealzustand, nach welchem Jugend und Schule
verschont bleiben sollen von den zumeist schädlich
und nachteilig wirkenden Strömungen des Alltags,
ist bisher nicht erreicht worden und wird wahr-
scheinlich auch in der Zukunft nicht verwirklicht




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Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

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Dienstag und Freitag früh.
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werden nicht zurückgeſendet.
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(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 70. Baden bei Wien, Mittwoch, den 30. Auguſt 1916. 37. Jahra.


[Spaltenumbruch]
Die
Kriegserklärung Rumäniens.

Der 28. Auguſt 1916 wird ebenfalls für
alle Zeiten von der Weltgeſchichte verewigt werden.
Nach mehr als 2 jähriger Kriegsdauer hat er den
Mittelmächten gleich zwei neue Kriegserklärungen
auf einmal gebracht. Mehr dem Zwange als dem
eigenen Trieb gehorchend, hat Italien an Deutſch-
land den Krieg erklärt, das gleiche hat Rumänien
unſerer Monarchie gegenüber getan. In ſpäter
Nachtſtunde iſt der königlich rumäniſche Geſandte
im Miniſterium des Aeußern erſchienen, um
daſelbſt eine Note zu überreichen, derzufolge ſich
Rumänien ab 27. Auguſt 9. Uhr abends als im
Kriegszuſtande mit Oeſterreich-Ungarn befindlich
betrachtet. Man ſieht, wie leicht und einfach die
Herrſchenden ſich die Kriege machen, die doch für
das Volk ſo unendlich ſchrecklich und traurig ſind.
Auf die Gründe, die ſie für ihr Tun ins Feld
führen, braucht man gar nicht einzugehen. Man
weiß es, daß dieſe „Gründe“ nur die gemachten
Vorwände für einen längſt vorhandenen, von
langer Hand vorbereiteten Willen anzuſehen und
zu werten ſind. Italien hat den Krieg nicht an
Deutſchland aus freien Stücken erklärt. Es war
vielmehr das offenſichtliche Beſtreben der ita-
lieniſchen Regierung, nicht auch noch die letzten
ſchmalen Brücken die zum Dreibunde führten,
abzubrechen. Die gleiche Anſicht machte ſich in
Italien geltend. Man ſagte, es ſei nicht nötig,
den Ehemann zu ſpielen, der gleich einen roten
Kopf bekommt, wenn ſeine Frau einmal eine
Extratour mit einem anderen tanze. Der Wille,
den Friede zu erhalten, war da und dort vor-
handen. Aber ſtärker als dieſer Wille war die
Gewalt der Entente, die kurz entſchloſſen den
„neuen Freund“ auf ſchmale Koſt ſetzte, um ihn
den Ententewünſchen gefügiger zu machen. England
ging dabei von der Vorausſetzung aus, daß
Italien nicht als vollwertiger Bundesgenoſſe zu
gelten habe, ſondern lediglich ein gekauftes Hilfs-
volk ſei, welches keinen Willen haben könne, ſondern
einfach und ohne Widerrede den Platz auszufüllen
habe, der ihm von den eigentlichen Akteuren zu-
gewieſen wird. Wäre nicht ſchon alle Vernunft
— von Rechtlichkeit kann man ja ſchon gar nicht
mehr reden — reſtlos aus dieſer Welt gewichen,
dann hätte die Behandlung, die den Italienern
von ſeinen Bundesgenoſſen zu teil wird, den
Rumänen zu denken geben müſſen. König Ferdi-
nand von Rumänien, der frühere Fürſt von
Hohenzollern-Sigmaringen, hätte in dieſem Falle
vielleicht doch einen Augenblick bei dem Gedanken
verweilen müſſen, ob es denn wirklich notwendig
war, ein freies Volk einigen Verſprechungen zu
Liebe in die ſklaviſche Abhängigkeit einer Clique
zu bringen, die offenkundig die unumſchränkte
Herrſchaft über Europa anſtrebt, unter der dann
[Spaltenumbruch] kein Platz mehr iſt für die freie Entfaltung
eines Kleinſtaates, wie es Rumänien iſt und
auch bleiben wird. Der imperaliſtiſche Größenwahn
hat aber alle vernünftigen Erwägungen, alle
Lehren der Geſchichte, die ſchier auf jeder Seite
die Rumänen zur Vorſicht gegenüber ihren neuen
Freunden mahnt, achtlos beiſeite geſchoben.

Rumänien hat in dieſem Kriege viel, viel Gold
verdient. Der Reichtum des Landes hat ſich in
dieſen zwei Jahren um ein gewaltiges geſteigert.
Zugleich aber mit dieſem Wohlſtande ſteigerten
ſich die böſen Gelüſte nach fremdem Gut und
Eigentum, nach einer imperaliſtiſchen Machtpolitik,
dieſem Grundübel der Menſchheit, welches jedesmal
in den Krieg einmündet, der, ſelbſt wenn er im
günſtigen Sinne endigt, nach Bismarck ein Unglück
für das Volk bedeutet. Ein ſolches Unglück hat
der König von Rumänien im Vereine mit ſeinen
Räten über das rumäniſche Volk gebracht. Das
Verbrechen, welches da begangen wurde, iſt
umſo größer, als gar keine Notwendigkeit
vorhanden war, es zu begehen. Mag ſein, daß
Rußland mit einem Durchmarſche gedroht hat.
Aber Rumänien hätte ja ruhig abwarten können,
und es hätte dann ſicher die Wahrnehmung ge-
macht, daß Rußland es ſich wohl überlegt, mit
Rumänien anzubinden. König Ferdinand hat Groß-
machtsträume. Die ſeitens unſerer Monarchte
gemachten Auerbietungen territorialer wie wirt-
ſchaftlicher Natur genügten nicht mehr. Alſo wird
ans Schwert gegriffen, um eventuell auch im
Wege politiſcher Leichenflederei jenes Groß-Rumä-
nien zu verwirklichen, von welchem dem Volke
goldene Berge verſprochen werden. So abgebraucht
das Rezent des Imperalismus iſt, der nur ſich
allein gelten läßt nnd die Menſchen nur als
Mittel zum Zweck betrachtet, es zieht dank der
völligen Gedankenloſigkeit der Menſchheit immer
wieder. Regelmäßig fallen die Leute auf die ver-
lockend ausgemalten Zukunftsbilder hinein,
trotzdem es die Welt hundertmal ſchon geſehen
hat, daß die Verheißungen beſſeren Gedeihens
unſichere Zukunftswechſel ſind, die ſofort mit
Blut und Geld honoriert werden muſſen, am
Fälligkeitstage aber nicht oder nur zum Teile
eingelöſt werden. Das aber iſt eine Sache, die
das rumäniſche Volk früher oder ſpäter einmal
mit ſeinen Herrſchenden wird auszumachen haben.

Was uns betrifft, ſo kommt uns der nun-
mehr zur Tat gewordene Raubzug Rumäniens
nicht ſo ſehr überraſchend. Schon längſt haben
wir es gewußt, daß die Verhältniſſe zwiſchen
unſerer Monarchie und dem rumäniſchen Nachbar
unhaltbare geworden ſind. Wenn die Nachricht
von der rumäniſchen Kriegserklärung auf viele
wie eine einſchlagende Bombe wirkte, ſo trägt
nur wieder jene Preſſe Schuld daran, die ent-
weder aus eigenem Antrieb oder im Auftrage
Dritter die Sache noch als gänzlich harmlos hin-
[Spaltenumbruch] ſtellte in demſelben Augenblicke, wo der rumäniſche
Geſandte die Kriegserklärung bereits in der Taſche
hatte. Wie das Leſepublikum von dieſer Preſſe
an der Naſe herumgeführt wird, zeigt das Ver-
halten eines Wiener Montagsblattes, welches ſich
rühmt, gerade mit dem Auswärtigen Amte eine
enge Fühlung zu haben. Dieſes Blatt druckt im
Anſchluſſe an die Mitteilung über den Kronrat
in Bukareſt mit breitem Behagen eine „beruhi-
gende“ Notiz des rumäniſchen Blattes „Politique“
ab, in der es heißt, der Kronrat habe gar keine
weitere Bedeutung, ſondern habe „nur den Cha-
rakter einer einfachen Befragung durch den König,
der die Anſicht berufener Perſönlichkeiten und die
verſchiedenen Meinungen des Landes entgegen-
nehmen will“. In einer anderen Notiz beſpricht
das genannte, ſich überoffiziös gebärdende Mon-
tagsblatt die angebliche Intereſſeloſigkeit der ruſ-
ſiſchen Preſſe Rumänien gegenüber und verſieht
dieſe Notiz mit der neckiſchen Ueberſchrift: „Sind
die Trauben ſauer geworden?“ Die Notiz trägt
das Datum von eben demſelben 27. Auguſt, von
dem ſich die rumäniſche Regierung mit uns im
Kriegszuſtande befindlich erachtet. Daraus geht
hervor, daß dieſe wichtigtuende Preſſe eben gar
nichts weiß und auch gar keine Informationen
bekommt. Denn für ſo uninformiert halten wir
unſer Auswärtiges Amt doch nicht, daß es erſt
über die wahre Lage in Rumänien durch das Er-
ſcheinen des Geſandten unterrichtet wurde, der
die Kriegserklärung brachte. Wir führen dieſes
Beiſpiel an, um die Qualitäten der Berichterſtat-
tung jener Preſſe aufzuzeigen, die jetzt mit lautem
Hollodrio unter Zuhilfenahme abgebrauchter Kli-
ſchees, wie z. B. „wir werden nicht alleinſtehen“
und wie dieſe ſchönen Redensarten noch alle heißen
mögen, daran gehen wird, den großen Ernſt der
Situation zu verſchleiern.

Die Kunde von dieſem neuen Kriege iſt ein
ſchwerer Schlag für die Menſchheit, die ſich nach
dem Frieden, nach der Wiederkehr geordneter Ver-
hältniſſe ſehnt. Wo iſt denn der Retter, der
Europa vor dem Schickſal bewahrt, im Blute
ſeiner Söhne und in der Gemeinheit, die dieſer
Krieg gezüchtet und die noch immer neue Kriege
zeitigt, zu erſticken?




Die Jugendbildung und der Krieg.

Daß Ereigniſſe von ſo umwälzender Gewalt,
wie es der gegenwärtige Krieg iſt, auf die Jugend
und Jugendbildung nicht ohne tiefgreifende Ein-
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Der Idealzuſtand, nach welchem Jugend und Schule
verſchont bleiben ſollen von den zumeiſt ſchädlich
und nachteilig wirkenden Strömungen des Alltags,
iſt bisher nicht erreicht worden und wird wahr-
ſcheinlich auch in der Zukunft nicht verwirklicht




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Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 70. Baden bei Wien, Mittwoch, den 30. Auguſt 1916. 37. Jahra. Die Kriegserklärung Rumäniens. Der 28. Auguſt 1916 wird ebenfalls für alle Zeiten von der Weltgeſchichte verewigt werden. Nach mehr als 2 jähriger Kriegsdauer hat er den Mittelmächten gleich zwei neue Kriegserklärungen auf einmal gebracht. Mehr dem Zwange als dem eigenen Trieb gehorchend, hat Italien an Deutſch- land den Krieg erklärt, das gleiche hat Rumänien unſerer Monarchie gegenüber getan. In ſpäter Nachtſtunde iſt der königlich rumäniſche Geſandte im Miniſterium des Aeußern erſchienen, um daſelbſt eine Note zu überreichen, derzufolge ſich Rumänien ab 27. Auguſt 9. Uhr abends als im Kriegszuſtande mit Oeſterreich-Ungarn befindlich betrachtet. Man ſieht, wie leicht und einfach die Herrſchenden ſich die Kriege machen, die doch für das Volk ſo unendlich ſchrecklich und traurig ſind. Auf die Gründe, die ſie für ihr Tun ins Feld führen, braucht man gar nicht einzugehen. Man weiß es, daß dieſe „Gründe“ nur die gemachten Vorwände für einen längſt vorhandenen, von langer Hand vorbereiteten Willen anzuſehen und zu werten ſind. Italien hat den Krieg nicht an Deutſchland aus freien Stücken erklärt. Es war vielmehr das offenſichtliche Beſtreben der ita- lieniſchen Regierung, nicht auch noch die letzten ſchmalen Brücken die zum Dreibunde führten, abzubrechen. Die gleiche Anſicht machte ſich in Italien geltend. Man ſagte, es ſei nicht nötig, den Ehemann zu ſpielen, der gleich einen roten Kopf bekommt, wenn ſeine Frau einmal eine Extratour mit einem anderen tanze. Der Wille, den Friede zu erhalten, war da und dort vor- handen. Aber ſtärker als dieſer Wille war die Gewalt der Entente, die kurz entſchloſſen den „neuen Freund“ auf ſchmale Koſt ſetzte, um ihn den Ententewünſchen gefügiger zu machen. England ging dabei von der Vorausſetzung aus, daß Italien nicht als vollwertiger Bundesgenoſſe zu gelten habe, ſondern lediglich ein gekauftes Hilfs- volk ſei, welches keinen Willen haben könne, ſondern einfach und ohne Widerrede den Platz auszufüllen habe, der ihm von den eigentlichen Akteuren zu- gewieſen wird. Wäre nicht ſchon alle Vernunft — von Rechtlichkeit kann man ja ſchon gar nicht mehr reden — reſtlos aus dieſer Welt gewichen, dann hätte die Behandlung, die den Italienern von ſeinen Bundesgenoſſen zu teil wird, den Rumänen zu denken geben müſſen. König Ferdi- nand von Rumänien, der frühere Fürſt von Hohenzollern-Sigmaringen, hätte in dieſem Falle vielleicht doch einen Augenblick bei dem Gedanken verweilen müſſen, ob es denn wirklich notwendig war, ein freies Volk einigen Verſprechungen zu Liebe in die ſklaviſche Abhängigkeit einer Clique zu bringen, die offenkundig die unumſchränkte Herrſchaft über Europa anſtrebt, unter der dann kein Platz mehr iſt für die freie Entfaltung eines Kleinſtaates, wie es Rumänien iſt und auch bleiben wird. Der imperaliſtiſche Größenwahn hat aber alle vernünftigen Erwägungen, alle Lehren der Geſchichte, die ſchier auf jeder Seite die Rumänen zur Vorſicht gegenüber ihren neuen Freunden mahnt, achtlos beiſeite geſchoben. Rumänien hat in dieſem Kriege viel, viel Gold verdient. Der Reichtum des Landes hat ſich in dieſen zwei Jahren um ein gewaltiges geſteigert. Zugleich aber mit dieſem Wohlſtande ſteigerten ſich die böſen Gelüſte nach fremdem Gut und Eigentum, nach einer imperaliſtiſchen Machtpolitik, dieſem Grundübel der Menſchheit, welches jedesmal in den Krieg einmündet, der, ſelbſt wenn er im günſtigen Sinne endigt, nach Bismarck ein Unglück für das Volk bedeutet. Ein ſolches Unglück hat der König von Rumänien im Vereine mit ſeinen Räten über das rumäniſche Volk gebracht. Das Verbrechen, welches da begangen wurde, iſt umſo größer, als gar keine Notwendigkeit vorhanden war, es zu begehen. Mag ſein, daß Rußland mit einem Durchmarſche gedroht hat. Aber Rumänien hätte ja ruhig abwarten können, und es hätte dann ſicher die Wahrnehmung ge- macht, daß Rußland es ſich wohl überlegt, mit Rumänien anzubinden. König Ferdinand hat Groß- machtsträume. Die ſeitens unſerer Monarchte gemachten Auerbietungen territorialer wie wirt- ſchaftlicher Natur genügten nicht mehr. Alſo wird ans Schwert gegriffen, um eventuell auch im Wege politiſcher Leichenflederei jenes Groß-Rumä- nien zu verwirklichen, von welchem dem Volke goldene Berge verſprochen werden. So abgebraucht das Rezent des Imperalismus iſt, der nur ſich allein gelten läßt nnd die Menſchen nur als Mittel zum Zweck betrachtet, es zieht dank der völligen Gedankenloſigkeit der Menſchheit immer wieder. Regelmäßig fallen die Leute auf die ver- lockend ausgemalten Zukunftsbilder hinein, trotzdem es die Welt hundertmal ſchon geſehen hat, daß die Verheißungen beſſeren Gedeihens unſichere Zukunftswechſel ſind, die ſofort mit Blut und Geld honoriert werden muſſen, am Fälligkeitstage aber nicht oder nur zum Teile eingelöſt werden. Das aber iſt eine Sache, die das rumäniſche Volk früher oder ſpäter einmal mit ſeinen Herrſchenden wird auszumachen haben. Was uns betrifft, ſo kommt uns der nun- mehr zur Tat gewordene Raubzug Rumäniens nicht ſo ſehr überraſchend. Schon längſt haben wir es gewußt, daß die Verhältniſſe zwiſchen unſerer Monarchie und dem rumäniſchen Nachbar unhaltbare geworden ſind. Wenn die Nachricht von der rumäniſchen Kriegserklärung auf viele wie eine einſchlagende Bombe wirkte, ſo trägt nur wieder jene Preſſe Schuld daran, die ent- weder aus eigenem Antrieb oder im Auftrage Dritter die Sache noch als gänzlich harmlos hin- ſtellte in demſelben Augenblicke, wo der rumäniſche Geſandte die Kriegserklärung bereits in der Taſche hatte. Wie das Leſepublikum von dieſer Preſſe an der Naſe herumgeführt wird, zeigt das Ver- halten eines Wiener Montagsblattes, welches ſich rühmt, gerade mit dem Auswärtigen Amte eine enge Fühlung zu haben. Dieſes Blatt druckt im Anſchluſſe an die Mitteilung über den Kronrat in Bukareſt mit breitem Behagen eine „beruhi- gende“ Notiz des rumäniſchen Blattes „Politique“ ab, in der es heißt, der Kronrat habe gar keine weitere Bedeutung, ſondern habe „nur den Cha- rakter einer einfachen Befragung durch den König, der die Anſicht berufener Perſönlichkeiten und die verſchiedenen Meinungen des Landes entgegen- nehmen will“. In einer anderen Notiz beſpricht das genannte, ſich überoffiziös gebärdende Mon- tagsblatt die angebliche Intereſſeloſigkeit der ruſ- ſiſchen Preſſe Rumänien gegenüber und verſieht dieſe Notiz mit der neckiſchen Ueberſchrift: „Sind die Trauben ſauer geworden?“ Die Notiz trägt das Datum von eben demſelben 27. Auguſt, von dem ſich die rumäniſche Regierung mit uns im Kriegszuſtande befindlich erachtet. Daraus geht hervor, daß dieſe wichtigtuende Preſſe eben gar nichts weiß und auch gar keine Informationen bekommt. Denn für ſo uninformiert halten wir unſer Auswärtiges Amt doch nicht, daß es erſt über die wahre Lage in Rumänien durch das Er- ſcheinen des Geſandten unterrichtet wurde, der die Kriegserklärung brachte. Wir führen dieſes Beiſpiel an, um die Qualitäten der Berichterſtat- tung jener Preſſe aufzuzeigen, die jetzt mit lautem Hollodrio unter Zuhilfenahme abgebrauchter Kli- ſchees, wie z. B. „wir werden nicht alleinſtehen“ und wie dieſe ſchönen Redensarten noch alle heißen mögen, daran gehen wird, den großen Ernſt der Situation zu verſchleiern. Die Kunde von dieſem neuen Kriege iſt ein ſchwerer Schlag für die Menſchheit, die ſich nach dem Frieden, nach der Wiederkehr geordneter Ver- hältniſſe ſehnt. Wo iſt denn der Retter, der Europa vor dem Schickſal bewahrt, im Blute ſeiner Söhne und in der Gemeinheit, die dieſer Krieg gezüchtet und die noch immer neue Kriege zeitigt, zu erſticken? Die Jugendbildung und der Krieg. 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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 70, Baden (Niederösterreich), 30.08.1916, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener070_1916/1>, abgerufen am 21.11.2024.